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Grundlagen der Betriebswirtschaft & Wirtschaftspsychologie - FernFH

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Ferdinand Porsche Fernfachhochschule

2023

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business administration business economics psychology

Summary

This document is a learning material for the business administration and business psychology course at Ferdinand Porsche Fernfachhochschule GmbH. It provides an introduction and overview of key concepts in business administration and introduces some major topics in the field of psychology.

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Grundlagen der Betriebswirtschaft & Wirtschaftspsychologie Einführender Text zur Vorbereitung auf den Studiengang (Teil des Aufnahmeverfahrens) Seite 1 von 93 Nachdruck – auch auszugsweise –, Weitergabe an Dritte und Benutzung für die Erteilung von Unterricht nur mit ausdrücklicher Zustimmung de...

Grundlagen der Betriebswirtschaft & Wirtschaftspsychologie Einführender Text zur Vorbereitung auf den Studiengang (Teil des Aufnahmeverfahrens) Seite 1 von 93 Nachdruck – auch auszugsweise –, Weitergabe an Dritte und Benutzung für die Erteilung von Unterricht nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Ferdinand Porsche Fernfachhochschule GmbH zulässig. Es wird ausdrücklich erklärt, dass alle Angaben in diesem Studienheft trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr erfolgen und eine Haftung des Autors oder des Verlegers ausgeschlossen ist. Medieninhaber (Verleger): Ferdinand Porsche Fernfachhochschule GmbH 2700 Wiener Neustadt, Ferdinand Porsche Ring 3 Überarbeitete Auflage 2023 202301_a Seite 2 von 93 Inhaltsverzeichnis EINLEITUNG .......................................................................................................................... 5 1 EINFÜHRUNG IN DIE MARKTORIENTIERTE BETRIEBSWIRTSCHAFT ..... 7 1.1 Womit beschäftigt sich die Betriebswirtschaftslehre? ...................................... 7 1.1.1 Aussagetypen in der Betriebswirtschaftslehre ......................................................... 7 1.1.2 Begriffsverwendung in der Betriebswirtschaftslehre ................................................ 8 1.2 Kriterien für erfolgreiches Wirtschaften und Zielkonflikte ................................ 9 1.2.1 Einzelwirtschaftliche Ziele........................................................................................ 9 1.2.2 Zielkonflikte ............................................................................................................ 11 1.2.3 Der Betrieb als soziale Organisation ..................................................................... 12 1.3 Die betriebswirtschaftlichen Leistungsbereiche (Funktionen) ....................... 13 1.3.1 Übersicht ............................................................................................................... 13 1.3.2 Tendenzen in der betrieblichen Leistungserstellung ............................................. 14 1.4 2 Zusammenfassung und Lernkontrollaufgaben................................................. 15 DIE GRUNDFRAGEN DES RECHNUNGSWESENS ..................................... 18 2.1 Die vier Grundfragen des Rechnungswesens .................................................. 18 2.2 Zusammenfassung (Grundfragen des Rechnungswesens) ............................ 21 2.3 Kontrollfragen und Aufgaben ............................................................................. 22 3 DIE FINANZRECHNUNG ............................................................................... 23 3.1 Die Aufgaben der Finanzrechnung .................................................................... 23 3.2 Anwendungsbeispiel zur Finanzrechnung ........................................................ 26 3.3 Probleme der Finanzplanung.............................................................................. 29 3.3.1 Prognoseprobleme ................................................................................................ 29 3.3.2 Fixe und variable Auszahlungen............................................................................ 30 3.4 Finanzieller Deckungsbeitrag und Cashflow-Point .......................................... 31 3.4.1 Finanzieller Deckungsbeitrag ................................................................................ 31 3.4.2 Cashflow-Point („Finanzieller Break-Even-Point“) ................................................. 32 3.5 Zusammenfassung (Finanzrechnung) ............................................................... 33 3.6 Aufgaben und Fallbeispiele zur Finanzrechnung ............................................. 34 4 ANHANG: LÖSUNGEN ZU DEN AUFGABEN UND FALLBEISPIELEN ...... 38 1 PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT .......................................................... 2 1.1 Definition der wissenschaftlichen Psychologie .................................................. 2 1.2 Ziele der wissenschaftlichen Psychologie .......................................................... 4 1.3 Positionen der modernen Psychologie ............................................................... 6 Seite 3 von 93 1.3.1 Zur historischen Entwicklung ................................................................................... 6 1.3.2 Perspektiven der modernen Psychologie ................................................................ 7 1.4 Methoden der Psychologie ................................................................................. 13 1.5 Lernkontrollfragen ............................................................................................... 18 2 TEILDISZIPLINEN DER PSYCHOLOGIE ...................................................... 18 2.1 Allgemeine Psychologie...................................................................................... 19 2.2 Differentielle Psychologie und Persönlichkeitspsychologie ........................... 22 2.3 Entwicklungspsychologie ................................................................................... 23 2.4 Sozialpsychologie................................................................................................ 24 2.5 Klinische Psychologie ......................................................................................... 26 2.6 Lernkontrollfragen ............................................................................................... 27 3 BERUFSFELD WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE .......................................... 28 3.1 Wirtschaftspsychologie ...................................................................................... 28 3.2 Berufsfelder und Tätigkeiten .............................................................................. 29 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 Human Resource Management ............................................................................. 30 Arbeit und Technik ................................................................................................. 32 Change Management und Prozessbegleitung....................................................... 34 Marketing ............................................................................................................... 35 Markt- und Marketingforschung ............................................................................. 36 3.3 Lernkontrollfragen ............................................................................................... 37 ANHANG A: LÖSUNGEN ZU AUFGABEN .......................................................................... 38 ANHANG B: LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................. 41 ANHANG C: ABBILDUNGSVERZEICHNIS .......................................................................... 43 ANHANG D: SACHWORTVERZEICHNIS ............................................................................ 44 ANHANG E: TIPPS ZUR PRÜFUNGSVORBEREITUNG ..................................................... 45 Seite 4 von 93 Einleitung Sehr geehrte Bewerberinnen und Bewerber des Studiengangs „Betriebswirtschaft & Wirtschaftspsychologie“! Ich freue mich, dass Sie beschlossen haben, an Ihrer beruflichen Weiterentwicklung durch eine fundierte und erfolgversprechende Ausbildung aktiv zu arbeiten und sich auf das damit verbundene Lernen einzulassen. Die Kombination aus Wirtschaft & Psychologie wird Ihnen in Ihrer beruflichen Laufbahn auf nationaler und internationaler Ebene von großem Nutzen sein. Sie wissen ja, dass die Zahl der Studienplätze im Fernstudiengang “Betriebswirtschaft & Wirtschaftspsychologie“ beschränkt ist und wir nicht allen Interessierten einen Studienplatz anbieten können. Es ist uns daher ein großes Anliegen eine gute Auswahlentscheidung zu treffen und auch Ihnen die Möglichkeit zu bieten sich ein realistisches Bild von den Anforderungen im Studium zu machen. Die Inhalte des vorliegenden Skriptums sind Basis für einen Teil des Aufnahmeverfahrens, auf den Sie sich hiermit gezielt vorbereiten können. Die vorliegende Studierunterlage hat außerdem zum Ziel Ihnen Einblick in einige grundlegende Themen zu geben, die Sie im Rahmen Ihres Studiums im Detail, aus wissenschaftlicher, praktischer und berufsfeldspezifischer Perspektive kennenlernen werden. Es bietet Ihnen Informationen und Grundlagenwissen, auf die Sie im weiteren Verlauf Ihres Studiums aufbauen können. Diese Studierunterlage soll auch gewährleisten, dass Sie sich ein Bild davon machen können, welche Inhalte auf Sie zukommen und wie Sie mit der Form des selbständigen Lernens im Fernstudium zurechtkommen. Die Teile dieser Studierunterlage wurden von der Studiengangsleitung gemeinsam mit Lektor_innen des Studiengangs erstellt und bieten Ihnen einen ersten Einblick in den Aufbau der schriftlichen Studienmaterialien, die sie neben den webbasierten Maßnahmen durch Ihr gesamtes Fernstudium begleiten werden. Weitere Informationen zum Aufnahmeverfahren entnehmen Sie bitte der Homepage www.fernfh.at. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg! Prof.in (FH) Mag.a Dr.in Christa Walenta (Studiengangsleiterin) Seite 5 von 93 Teil 1 Einführung in die marktorientierte Betriebswirtschaft, Grundfragen des Rechnungswesens und die Finanzrechnung von Univ. Prof. Dr. Wilfried Schneider Kurzbiographie des Autors Wilfried Schneider, studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien, an der Universität Wien und an der Harvard Business School. Er war Marketingberater, Mitbegründer einer der ersten österreichischen Leasinggesellschaften und Vorstandsmitglied einer Bauträgergesellschaft. Prof. Schneider ist emeritierter Professor für Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien, deren Ordinarius er seit 1971 war und ist Verfasser von über 150 Publikationen. Weiterhin hält er Lehraufträge an der WU-Wien, der Donau-Universität Krems, der Privatuniversität PEF und der Universität Bozen, ist Koordinator des Projektes Soziale Kompetenz an der Wirtschaftsuniversität Wien und Referent in zahlreichen betrieblichen Ausbildungsprogrammen. Seite 6 von 93 1 Einführung in die marktorientierte Betriebswirtschaft 1.1 Womit beschäftigt sich die Betriebswirtschaftslehre? 1.1.1 Aussagetypen in der Betriebswirtschaftslehre Die Betriebswirtschaftslehre beschäftigt sich mit der Tätigkeit von Wirtschaftseinheiten, die Sachgüter und Dienstleistungen zur Befriedigung der Bedürfnisse Dritter bereitstellen. Die Betriebswirtschaftslehre ordnet das Wissen über diese Wirtschaftseinheiten systematisch und macht folgende Aussagen: • beschreibende (deskriptive) Aussagen über den derzeitigen Zustand und das derzeitige Handeln dieser Wirtschaftseinheiten. Beispiele: - • Preise werden im Handel häufig in gebrochener Form (€ 3,66, € 14,99 etc.) angegeben. Der Anteil der Internetwerbung am gesamten Werbebudget liegt in Österreich ca. bei 10 %. prognostische Aussagen über kommende Entwicklungen Beispiele: • Der Trend zum „Customizing“ - zur individuellen Befriedigung der Kund_innenwünsche - (wie z.B. von Dell-Computern im Internet) wird sich verstärken. Die Hierarchien in den Betrieben werden flacher werden. Aussagen zur Optimierung des Wirtschaftens Beispiele: - Marktanalysen auf der Beschaffungsseite sind ebenso wichtig, wie Marktanalysen im Absatzbereich. Unternehmen, die bestimmte betriebswirtschaftliche Kennzahlen nicht erreichen, sind in ihrer Existenz gefährdet. Sparprogramme, die Forschung und Entwicklung einschränken, führen mittel- und langfristig zu einer Gefährdung der Wirtschaftseinheit. Ob Investitionen rentabel sind, hängt auch vom gewählten Diskontierungszinssatz ab. Aussagen zur Optimierung werden oft auch in Form von mathematischen Modellen getroffen (z.B. zur Bewertung von Unternehmen oder Bewertung von Marken). Ob auch „normative Aussagen“, also Vorschriften für das Handeln, wissenschaftliche Aussagen darstellen, ist umstritten. Wie jedoch die Beispiele zeigen, können vor allem die Aussagen zur Optimierung des Wirtschaftens auch „normativ“ („präskriptiv“) interpretiert werden. Seite 7 von 93 Beispiel: - Investitionsentscheidungen sollen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen getroffen werden. Diskussionen über normative Aussagen ergeben sich vor allem bei Zielkonflikten zwischen einzelwirtschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Zielen (vgl. dazu Abschnitt 1.2.1). 1.1.2 Begriffsverwendung in der Betriebswirtschaftslehre Betriebswirtschaftliche Autoren und Autorinnen verwenden bestimmte Begriffe mit einer bestimmten Bedeutung. Problematisch ist, dass - viele Begriffe von verschiedenen Autor_innen mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet werden Jurist_innen in Gesetzestexten oft andere Bedeutungen verwenden als die betriebswirtschaftliche Literatur Praktiker_innen die Begriffe ebenfalls mit unterschiedlicher Bedeutung verwenden. Sie müssen daher in der Praxis häufig nachfragen, mit welcher Bedeutung die Begriffe von ihren Gesprächspartner_innen gebraucht werden. Beispiele für unterschiedliche Begriffsverwendung: • „Betrieb“, „Unternehmen“, „Firma“ Die österreichische Betriebswirtschaftslehre verwendet den Begriff „Betrieb“ für alle Wirtschaftseinheiten, - in denen Menschen ihre Arbeitskraft einsetzen, um mit Hilfe des Betriebsvermögens und von externen und internen Informationen („Know-How“) Sachgüter bzw. Dienstleistungen für die Bedürfnisbefriedigung Dritter (andere Betriebe oder Konsument_innen) bereitzustellen. Betriebe sind daher auch im Non-Profit-Bereich tätig (z.B. öffentliche Krankenhäuser, Ortsfeuerwehren, Einkaufsgenossenschaften, die nur Ihre Mitglieder fördern, aber keine Gewinne erzielen wollen). Als Unternehmen im engeren Sinn werden von der Betriebswirtschaftslehre häufig nur erwerbswirtschaftliche Betriebe bezeichnet, die mit Gewinnabsicht geführt werden. Im Gegensatz dazu definiert das Unternehmensgesetzbuch (UGB) Unternehmen als „jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn ausgerichtet sein“, d.h. eher in der Bedeutung von Betrieb. Firma ist ein rechtlicher Begriff: Das Unternehmensgesetzbuch (UGB) definiert Firma als „den in das Firmenbuch eingetragenen Namen eines Unternehmers, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt“. Wie Sie noch erfahren werden, muss nicht jeder Unternehmer oder jede Unternehmerin in das Firmenbuch eingetragen sein und eine Firma im rechtlichen Sinn führen. Seite 8 von 93 Im täglichen Sprachgebrauch werden diese Begriffe eher unscharf und häufig mit der gleichen Bedeutung verwendet. Unternehmerisch Tätige sprechen oft in der gleichen Bedeutung von ihrer „Firma“, ihrem „Betrieb“ oder ihrem „Unternehmen“. • Auszahlungen, Ausgaben, Aufwand, Kosten Diese Begriffe werden Sie in der Einführung in das Rechnungswesen näher kennen lernen. In der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre wird häufig zwischen Auszahlungen, Ausgaben, Aufwand und Kosten unterschieden. Im UGB werden Aufwand und Kosten mit der gleichen Bedeutung verwendet. Das Steuerrecht versteht unter Ausgaben etwas anderes als die Betriebswirtschaftslehre. Die Praktiker_innen verwenden häufig die Begriffe Auszahlung und Ausgabe gleichbedeutend und machen auch meist keinen Unterschied zwischen Aufwand und Kosten. Es ist daher möglich, dass Sie in unterschiedlichen Ausbildungsorganisationen mit verschiedenen Bedeutungen betriebswirtschaftliche Begriffe konfrontiert werden. 1.2 Kriterien für erfolgreiches Wirtschaften und Zielkonflikte 1.2.1 Einzelwirtschaftliche Ziele Betriebe sind meist am dauerhaften Bestand orientiert. Sie müssen daher folgende Kriterien berücksichtigen: • Wirtschaftlichkeit, d.h. o die angestrebte Leistung soll mit einem möglichst geringem Mitteleinsatz erzielt werden (Minimalprinzip), bzw. o mit einem gegebenen Mitteleinsatz soll eine maximale Leistung erzielt werden (Maximalprinzip) Das Wirtschaftlichkeitsprinzip führt häufig zu Konflikten zwischen einzelwirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Zielen (vgl. Abschnitt 2.1.). • Finanzielles Gleichgewicht Es soll so gewirtschaftet werden, dass der Betrieb jederzeit seine fälligen Zahlungen leisten kann. Man sagt der Betrieb soll jederzeit liquide sein. Bei gemeinnützigen Betrieben muss das finanzielle Gleichgewicht häufig durch Zuschüsse aufrechterhalten werden (z.B. bei öffentlichen Schulen, bei öffentlichen Krankenhäusern). Beide Kriterien gelten auch für Non-Profit-Betriebe. Erwerbswirtschaftliche Unternehmen streben zusätzlich eine angemessene oder auch möglichst hohe • Rentabilität an Rentabilität ist der Gewinn in Prozent des eingesetzten Kapitals. Ob nach der maximalen Rentabilität oder nur nach einer angemessenen Rentabilität gestrebt wird, ist eine Frage der individuellen Zielformulierung. Seite 9 von 93 (Über die verschiedenen Berechnungsmöglichkeiten der Rentabilität erfahren Sie mehr in der Einführung in das Rechnungswesen.) Der Gewinn dient bei erwerbswirtschaftlichen Unternehmen allerdings nicht nur der Kapitalverzinsung, sondern er stellt auch eine Prämie für das unternehmerische Risiko dar. Ferner muss ein Teil des Gewinns meist im Unternehmen zurückbehalten werden, um Investitionen zu finanzieren. Ist der Unternehmer, die Unternehmerin im Unternehmen tätig (wie z.B. in Klein- und Mittelbetrieben), so stellt der Gewinn auch das Entgelt für die Arbeitsleistung dar. Abb. 1: Funktionen des Gewinns Die Erzielung von Gewinnen ist daher Vorbedingung für das langfristige Bestehen erwerbswirtschaftlicher Unternehmen. • Marktorientierung als Leitvorstellung Langfristig wird eine Wirtschaftseinheit nur dann Bestand haben, wenn sie marktorientiert plant und handelt, d.h., sie muss - jene Produkte und Dienstleistungen bereitstellen, die den Bedürfnissen der Kund_innen am besten entsprechen. mögliche Bedürfnisse der Kund_innen auffinden bzw. wecken. Dies gilt auch für den Nonprofitbereich (z.B. versuchen Museen das Bedürfnis nach moderner Malerei zu wecken oder Drogenberatungsstellen versuchen Drogensüchtige für Entwöhnungsprogramme zu interessieren). Allerdings erlaubt die Gesellschaft manchen Kulturbereichen sich von der Marktorientierung abzukoppeln und fördert sie durch Subventionen (z.B. Ankauf moderner Kunst durch öffentliche Museen, Förderung aktueller Literatur etc.). Die Marktorientierung führte zu den vielfältigen Produkten und Dienstleistungen, um die individuellen Bedürfnisse der Kund_innen zu befriedigen. Beispiele: Tourismus: Angebote von Zimmer mit Frühstück bis zum All-Inclusive-Cluburlaub, vom Badeurlaub bis zum Bildungsurlaub und vom Wellnessangebot bis zum Abenteuerurlaub. Zeitschriftenmarkt: Wochenund Monatszeitschriften für Interessentengruppen (Mode, Basteln, Segeln, Wirtschaft, EDV etc.). unterschiedliche Gelingt es nicht, die Bedürfnisse richtig zu prognostizieren bzw. das Angebot an veränderte Bedürfnisse anzupassen, ist der Bestand der Wirtschaftseinheiten gefährdet (vgl. z.B. die Veränderung der Rauchgewohnheiten, der Umstieg auf die Elektromobilität). Seite 10 von 93 1.2.2 Zielkonflikte Sind die Wirtschaftseinheiten bestrebt, die einzelwirtschaftlichen Zielsetzungen einzuhalten, kommt es zu Zielkonflikten auf volkswirtschaftlicher und weltwirtschaftlicher Ebene. Ziele von ökosozialen Marktwirtschaften europäischer Prägung sind: • • • Die Grundbedürfnisse der Bürger_innen (nach Nahrung, Wohnung, sozialer Sicherheit, Bildung und Gesundheit) angemessen zu befriedigen jene Güter- und Dienstleistungen, die über die Grundbedürfnisse hinaus erzeugt werden, „gerecht“ zu verteilen. die Umwelt (Luft, Wasser, Boden, Rohstoffe) für die Nachkommen zu erhalten, d.h. „nachhaltig“ zu wirtschaften. Zwischen diesen Zielen und den Zielen der Einzelwirtschaften kommt es zu zahlreichen Konflikten. Beispiele: • Sozialpolitik: Kündigungsschutz für Schwangere, Einstellungspflicht für Menschen mit Behinderungen, Arbeitszeitbegrenzungen (wie Höchstarbeitszeiten pro Tag, pro Woche), Einschränkung von Nacht- und Sonntagsarbeit oder von Ladenöffnungszeiten, erhöhen die Kosten und mindern Rentabilität und Wirtschaftlichkeit. Die Bestimmungen schützen jedoch die sozial Schwachen. • Umweltpolitik Entsorgungsvorschriften für Gefahrenstoffe (z.B.: Motoröle, Farben, Lackreste), Abgasvorschriften (z.B. die Katalysatorpflicht) erhöhen die Kosten, entsprechen jedoch volkswirtschaftlichen Zielsetzungen. Wie kompliziert diese Zielkonflikte sein können, zeigen zwei aktuelle Beispiele: - - Die österreichische Post AG muss Personal abbauen, um kostengünstiger arbeiten zu können. Ein Weg dazu sind Frühpensionierungen, die allerdings wieder das Pensionssystem belasten. Die österreichische Post soll ihre Leistungen möglichst preisgünstig anbieten, um im lieberalisierten Postmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Sie schließt daher seit einigen Jahren viele kleine Postämter und baut Mitarbeiter_innen ab. Dies bedeutet nicht nur einen Verlust von Arbeitsplätzen, sondern auch weitere Wege für die Bewohner_innen kleinerer Gemeinden, die die Dienste eines Postamtes benötigen. Schließlich kaufen auch die Konsument_innen preis- und qualitätsbewusst und handeln eher einzelwirtschaftlich. Beispiele: • • • Die Biowelle bei Lebensmittel oder Möbel ist zwar teilweise erfolgreich, stellt aber nach wie vor ein relativ kleines Marktsegment dar, da die Produkte teurer sind als Produkte, die den Anforderungen der diversen Biosiegel nicht entsprechen. Der Absatz von Getränken in Mehrwegflaschen geht dramatisch zurück, da Getränke in Einwegflaschen pro Liter meist billiger sind und das Sammeln und die Rückgabe der Flaschen entfällt (Eine Wiedereinführung eines Pfandes für Getränkeflaschen, eventuell auch für Dosen ist geplant). Durch die Einführung von „Fair-Trade-Produkten“ (z.B. bei Kaffee oder Bananen) wird versucht, die Einkommenssituation von Landwirtschaften in Entwicklungsländern zu Seite 11 von 93 verbessern. Auch diese Fair-Trade-Produkte sind teurer als weniger „fair gehandelte“ Güter. Sie decken daher ebenfalls nur einen kleinen Teil des Marktes ab. 1.2.3 Der Betrieb als soziale Organisation In der wissenschaftlichen und in der wirtschaftspolitischen Diskussion werden auch erwerbswirtschaftliche Betriebe nicht nur unter den Aspekten der möglichst günstigen Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen für Dritte zu diskutiert, sondern als „soziale Organisationen“, die die Interessen vieler Partner_innen berücksichtigen sollen. Die Grafik zeigt die komplexe Einbindung des Betriebes in die Gesellschaft. Man spricht auch vom „Stakeholder-Ansatz“, d.h., dass ein Betrieb die Interessen aller Betroffenen beachten soll. Der Gegensatz dazu ist der „Shareholder-Ansatz“, bei dem nur die Interessen der Anteilseigner_innen, also der maximale Gewinn bzw. Wertzuwachs, im Vordergrund steht. Abb. 2: Der Betrieb und seine Partner_innen ("Stakeholder-Ansatz") Die in der Abbildung gezeigten Interessent_innen jedes Betriebs haben unterschiedliche Interessen, die immer wieder zu Konflikten führen. Beispiele: • Umweltschutz und Stahlerzeugung Die internationalen Klimaschutzabkommen verlangen eine starke Reduzierung des CO2 Ausstoßes. Als Basis für die Reduzierung dient der derzeitige Ausstoß. Die österreichischen Umweltschützer_innen fordern noch strengere Regelungen. Die österreichische Stahlindustrie weist jedoch darauf hin, dass die Umweltschutzmaßnahmen in Österreich bereits derzeit weitaus höher seien, als etwa in Entwicklungsländern und daher eine weitere derart hohe Reduzierung den Standort Österreich gefährde. Sie droht mit Abwanderung in Standorte außerhalb der EU (z.B. Asien oder Afrika). Außerdem würde China weitere Teile der Stahlproduktion übernehmen und dabei weitaus mehr CO2 ausstoßen als die Produktion in Österreich. Seite 12 von 93 Auch die Arbeiter_innen in der Stahlindustrie unterstützen Arbeitgeber_innen vehement, da sie um ihre Arbeitsplätze fürchten. • die Forderung ihrer Fünftagewoche im Gastgewerbe Für die Mitarbeiter_innen im Gastgewerbe stellte die Einführung der Fünftagewoche eine wesentliche Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen dar. Für die Gewerkschaften war es ein wichtiger Erfolg. Für die Eigentümer_innen ergeben sich höhere Kosten, da mehr Personal eingestellt werden muss oder geringere Umsätze, da ein zweiter Ruhetag pro Woche anfällt. Für die Kund_innen ergeben sich entweder höhere Preise, wenn die Gastwirt_innen versuchen die höheren Kosten auf die Preise aufzuschlagen und/oder schlechtere Leistungen, wenn die Gastwirt_innen einen zweiten Ruhetag einführen. Für die Lieferant_innen ergibt sich möglicherweise eine Verringerung des Absatzes, wenn die Gastwirt_innen zwei Tage in der Woche sperren. Kreditgeber_innen könnten ihre Kredite verlieren, wenn sich die wirtschaftliche Situation einzelner Betriebe stark verschlechtert. Der Staat könnte bei einer Verringerung der Umsätze Steuern verlieren. 1.3 Die betriebswirtschaftlichen Leistungsbereiche (Funktionen) 1.3.1 Übersicht Betriebe erfüllen ihre Aufgaben (die Bedürfnisbefriedigung Dritter) in drei großen Teilbereichen: • • • Beschaffen (von Rohmaterial, fertig bezogenen Teilen, Handelswaren, aber auch Dienstleistungen, wie Beratung oder Reparaturleistungen) Erstellen der betrieblichen Leistung Absetzen Diese drei Teilbereiche müssen durch weitere betriebliche Funktionen unterstützt werden, die je nach Betriebsgegenstand und Betriebsgröße unterschiedliche Bedeutung haben. Die nachfolgende Grafik zeigt einen idealtypischen Zusammenhang. Wie oft gelagert und transportiert wird, hängt von der Art der betrieblichen Leistung ab. Viele Dienstleistungen (wie z.B.: Haareschneiden) sind nicht lagerfähig, das heißt man kann sie nicht auf Vorrat produzieren. Ebenso ist der Begriff „Produktion“ im weiteren Sinn, also als Erstellung der betrieblichen Leistung (z.B. Prüfung eines Jahresabschlusses durch Wirtschaftsprüfer_innen) und nicht nur im engen Sinn von „Fertigen“ zu verstehen. Jede Leistungserstellung bedarf der Finanzierung und der Investition und in jedem Betrieb müssen Managementfunktionen (Planen, Entscheiden, Organisieren und Kontrollieren) erfüllt werden. Je nach Managementkonzeption werden die Mitarbeiter_innen in die Managementfunktionen mehr oder minder einbezogen. Diese Teilbereiche werden als „betriebliche Funktionen“ bezeichnet. Sie werden in betriebswirtschaftlichen Ausbildungen meist in unterschiedlichen Kursen behandelt. In der Praxis besteht das Problem in der genauen Abstimmung dieser Bereiche. Seite 13 von 93 Abb. 3: Die betrieblichen Leistungsbereiche 1.3.2 Tendenzen in der betrieblichen Leistungserstellung 1. Tendenz zur Effizienzsteigerung durch Rationalisierung Die Rationalisierung erfolgt - - 2. durch den Ersatz der menschlichen Arbeit durch Betriebsvermögen (z.B. durch Roboterisieren weiter Teile der Produktion, durch Computerisierung von Verwaltungsakten aller Art – etwa automatisiertes Beleglesen in der Buchhaltung, integriertes Bestellwesen unter Einbeziehung der EDV-Systeme der Lieferant_innen und der Kund_innen) Rationalisierung der Organisation (z.B. durch Verringerung von Hierarchiestufen) Tendenz zum Outsourcing D.h. Leistungen, die bisher im Unternehmen selbst erstellt wurden, werden an Fremdfirmen vergeben. Beispiele: - 3. Outsourcing von EDV-Leistungen an Rechenzentren Outsourcing der Reinigung an Reinigungsfirmen Outsourcing von Teilen der Produktion an Zulieferfirmen (z.B. die Erzeugung von Einspritzpumpen oder Sitzüberzügen in der Autoindustrie). Schwerpunktverlagerung in den Dienstleistungsbereich Der Anteil der Erwerbstätigen im Bereich Industrie und Gewerbe ist in Österreich seit 1950 von rund 38% auf 25% gefallen. Gleichzeitig stieg die Zahl der Beschäftigten im Seite 14 von 93 Dienstleistungsbereich von ca. 30% auf fast 71%. Fast im gleichen Ausmaß entwickelte sich der Anteil der Wirtschaftssektoren am Bruttoinlandsprodukt, nämlich bei Industrie und Gewerbe von 60% auf 29% und im Dienstleistungssektor von 30% auf 70%. In der Landwirtschaft waren um 1950 noch rund ein Drittel der Erwerbstätigen aktiv, aktuell sind es nur mehr rund 4%. Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt fiel in dieser Zeit von rund 6% auf etwa 1,2%. Die Zahlen zeigen den allgemeinen Trend. Da die Statistiken mehrfach umgestellt wurden, liegen genau vergleichbare Zahlen nicht vor (z.B. hat ein Produktionsbetrieb ein eigenes Rechenzentrum und führt die Buchhaltung selbst durch, so zählt die Leistung zum Sektor Produktion. Werden diese Leistungen an externe Rechenzentren oder an Wirtschaftstreuhänder_innen vergeben, zählt die Leistung zum Dienstleistungsbereich). 4. Tendenz zur Globalisierung der Leistungserstellung Beispiele: - Der Kleinwagen Opel-Agila ist mit dem japanischen Suzuki Splash baugleich. Die Motoren werden mit einer Fiat-Lizenz in einem indischen Zulieferwerk gefertigt. Österreichische Markenschi werden kaum mehr in Österreich gefertigt, sondern häufig in Slowenien. Callcenter werden von mehreren großen Konzernen gemeinsam betrieben und in Niedriglohnländern angesiedelt Vor allem die Tendenz zur Globalisierung verstärkt die Abhängigkeit der einzelnen Volkswirtschaften von der Weltwirtschaft (vgl. die von den USA ausgehende Finanzkrise, die Ende 2008, Anfang 2009 zu einer weltweiten Wirtschaftskrise geführt hat oder der Krieg in der Ukraine, der weltweit zu einer Erhöhung der Inflation geführt hat). 1.4 Zusammenfassung und Lernkontrollaufgaben Zusammenfassung Womit beschäftigt sich die Betriebswirtschaftslehre? Die Betriebswirtschaftslehre beschäftigt sich mit der Tätigkeit von Wirtschaftseinheiten, die Sachgüter und Dienstleistungen zur Befriedigung der Bedürfnisse Dritter bereitstellen. Sie macht dazu Aussagen über den derzeitigen Zustand dieser Wirtschaftseinheiten, über zukünftige Entwicklungen und über Maßnahmen zur Optimierung des Wirtschaftens. Normative Aussagen (Aussagen wie die Wirtschaftseinheiten handeln sollen) können aus diesen Aussagen abgeleitet werden, sollten jedoch von den beschreibenden Aussagen klar abgegrenzt werden. Verschiedene betriebswirtschaftliche Autor_innen verwenden betriebswirtschaftliche Grundbegriffe (z.B. Betrieb, Unternehmen oder Aufwand, Kosten) mit unterschiedlicher Bedeutung. Auch die Praxis verwendet zahlreiche betriebswirtschaftliche Begriffe unterschiedlich. Kriterien für erfolgreiches Wirtschaften Sollen Wirtschaftseinheiten langfristig erfolgreich sein, müssen sie Seite 15 von 93 - wirtschaftlich handeln (d.h. das Maximal- bzw. das Minimalprinzip einhalten), das finanzielle Gleichgewicht beachten und wenn sie erwerbswirtschaftlich orientiert sind, Gewinne erzielen. Als generelle Leitvorstellung für alle Wirtschaftseinheiten (auch für Non-Profit-Betriebe) muss die Marktorientierung gelten. Die Marktorientierung führt zu immer differenzierteren Produkten und Dienstleistungen. Zielkonflikte Das Streben nach wirtschaftlichen Zielen durch die Einzelwirtschaften führt zu zahlreichen Zielkonflikten mit den Zielen der Volks- und Weltwirtschaft (z.B. im Bereich Sozialpolitik und Umweltschutz). Der Betrieb als soziale Organisation Betriebe werden daher in der modernen Betriebswirtschaftslehre als soziale Organisationen gesehen, die auf die Bedürfnisse ihrer zahlreichen Interessent_innen Rücksicht nehmen müssen („Stakeholder-Ansatz“). Betriebswirtschaftliche Leistungsbereiche Die zentralen Leistungsbereiche Beschaffen, Leistung erstellen und Absetzen bedürfen der Unterstützung durch die Finanzierung und die Investition und werden vom Management geplant, organisiert und kontrolliert. Je nach Führungsstil werden die Mitarbeiter_innen in diese Managementfunktionen mehr oder weniger einbezogen. Tendenzen in der betrieblichen Leistungserstellung Die wesentlichen Tendenzen sind: - Rationalisierung (durch Ersatz der menschlichen Arbeit durch Betriebsvermögen und durch Rationalisierung der Organisation) Outsourcing Schwerpunktverlagerung in den Dienstleistungsbereich Globalisierung Aufgaben und Problemstellungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Welche Kriterien erfolgreichen Wirtschaftens müssen von allen Betrieben, auch von Museen für moderne Kunst oder Entwicklungshilfeorganisationen eingehalten werden? (siehe 1.2.) Welches Kriterium erfolgreichen Wirtschaftens gilt nur für erwerbswirtschaftliche Unternehmen? (siehe 1.2) Werden die Begriffe Unternehmen und Betrieb in der Betriebswirtschaftslehre einheitlich verwendet (siehe 1.1.2) Zusatzfrage: Welche Begriffsbedeutung wurde in diesem Text für die beiden Begriffe gewählt? Sind Haushalte Betriebe, wenn man die in diesem Text verwendete Begriffsbestimmung zu Grund legt. Wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht? (siehe 1.1.2) Welche Kriterien erfolgreichen Wirtschaftens führen zu Zielkonflikten zwischen einzelwirtschaftlichen und volkwirtschaftlichen Zielen? (siehe 1.2) Wie bezeichnet man die Betrachtung des Betriebes als Teil des gesellschaftlichen Ganzen? (siehe 1.2.3) Seite 16 von 93 8. 9. 10. 11. 12. 13. Zusatzfrage: Nennen Sie mindestens drei gesellschaftliche Gruppen, die außer den Eigentümer_innen und den Mitarbeiter_innen am Verhalten von Betrieben interessiert sind. Ist es richtig, den Gewinn nur als Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu betrachten? (siehe 1.2.1) Welche betriebswirtschaftlichen Funktionen müssen erfüllt werden, damit ein Betrieb seine Leistungen erbringen kann. (siehe 1.3.1) Welche Tendenzen sind bei der aktuellen Entwicklung bei der Leistungserstellung erkennbar? (siehe 1.3.2) Wie beurteilen Sie die Aussage, „der wichtigste volkswirtschaftliche Bereich ist die industrielle Produktion“? (siehe 1.3.2) Durch welche Tendenz hat der Dienstleistungsbereich in den letzten Jahren stark zugenommen? (siehe 1.3.2) Seite 17 von 93 2 Die Grundfragen des Rechnungswesens 2.1 Die vier Grundfragen des Rechnungswesens Jeder muss rechnen, daher auch ein Unternehmen, dies ist eine Binsenweisheit. Welche Grundfragen sollen und müssen nun durch das betriebliche Rechnungswesen beantwortet werden? Einfach formuliert, beantwortet das Rechnungswesen folgende Fragen: 1. 2. 3. Kommt das Unternehmen mit seinen Zahlungsmitteln aus? Wie reich ist das Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt? Hat ein Unternehmen im Verlauf einer Rechnungsperiode einen Gewinn oder einen Verlust erzielt? Was soll die im Unternehmen erstellte Leistung kosten und was hat sie tatsächlich gekostet? 4. 1. Kommt das Unternehmen mit seinen Zahlungsmitteln aus? Diese Frage ist für jedes Unternehmen entscheidend. Verluste laut Buchhaltung kann man überleben, Zahlungsunfähigkeit nicht. Als weitere Fragen ergeben sich: - - Was ist zu tun, wenn der Zahlungsmittelbestand und die laufenden Einzahlungen nicht ausreichen, um alle notwendigen Auszahlungen für Investitionen, für laufende Auszahlungen, für Kreditrückzahlungen etc. zu decken? Was geschieht mit einem etwaigen finanziellen Überschuss, der ja nicht weitgehend unverzinst in der Kassa oder auf einem Konto liegen soll. Diese Fragen soll die „Finanzrechnung“ („Budgetrechnung“) beantworten. 2. Wie reich ist das Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt? In der Sprache des betrieblichen Rechnungswesens ist dies die Frage nach dem Reinvermögen oder dem Eigenkapital. Wie leicht zu zeigen ist, hat „Reichtum“ nichts mit Zahlungsfähigkeit zu tun. Solange dem Unternehmen Kredit gewährt wird, ist es zahlungsfähig. Zahlungsfähig bedeutet jedoch nicht „reich“. Zwei kleine Beispiele sollen dies verdeutlichen. Beispiele: Zahlungsfähigkeit und Reinvermögen - - Herr Maier hat € 1.000, - und borgt weitere € 2.000, - von einem guten Freund. Er fährt ins Kasino und verliert € 2.500, -. Herr Maier ist immer noch zahlungsfähig, da ihm zunächst € 500,- verbleiben. „Reich“ ist er wohl kaum, da seinem „Vermögen“ von € 500,- Schulden in der Höhe von € 2.000, - gegenüberstehen. Frau Gruber hat € 80.000, - erspart und kauft sich eine Eigentumswohnung um € 300.000, -. Die Anzahlung beträgt € 60.000, -, den Rest borgt ein Kreditinstitut. Die verbleibenden € 20.000, - verwendet Frau Gruber für ihre Einrichtungswünsche. Beim Einzug sind Geldbörse und Bankkonto leer. Frau Gruber hat zwar keine Seite 18 von 93 Zahlungsmittel, sie ist jedoch nicht „arm“, da sie eine Eigentumswohnung samt Einrichtung im Wert von ca. € 320.000, - besitzt und nur € 240.000, - Schulden hat. Schon jetzt können Sie erkennen, dass die Frage nach dem „Reichtum“ nicht immer leicht zu beantworten sein wird. Beispiel: Problem der Reinvermögensermittlung Nehmen Sie an, Frau Gruber will nach drei Jahren wissen, wie reich sie jetzt ist. Sie muss daher den aktuellen Wert ihrer Wohnung und den Wert ihrer gebrauchten Einrichtung und aller anderen Güter, wie etwa den Wert ihres in der Zwischenzeit erworbenen Gebrauchtwagens feststellen und mit ihren Schulden bei der Bank vergleichen. Lediglich die Schulden werden leicht zu ermitteln sein. Bei Wohnung, Einrichtung und Gebrauchtwagen werden sich jedoch erhebliche Bewertungsprobleme ergeben. Die Frage nach dem Reichtum zu einem bestimmten Zeitpunkt ist daher mit zahlreichen Bewertungsproblemen verbunden, die uns noch beschäftigen werden. 3. Hat ein Unternehmen im Verlauf einer Rechnungsperiode einen Gewinn oder einen Verlust erzielt? Auch diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Beispiel: Problem der Gewinn- bzw. Verlustermittlung Der Verlust von Herrn Maier bei seinem Kasinobesuch scheint zunächst sehr einfach zu ermitteln zu sein. Er hat um € 2.500, - mehr verloren als gewonnen. Herr Maier ist jedoch mit dem eigenen Auto ins Kasino gefahren. Er hat sich für den Kasinobesuch einen Anzug gekauft und an der Bar getrunken und gegessen. Dass der Benzinverbrauch den „Verlust“ erhöht, ist leicht zu erkennen. Erhöht jedoch der gesamte Kaufpreis für den neuen Anzug den „Verlust“ oder nur der Wertverlust für das einmalige Tragen? Hat nicht auch das Auto durch die Fahrt an Wert verloren? Hätte Herr Maier nicht auch essen und trinken müssen, wenn er nicht ins Kasino gefahren wäre? Die Beispiele zu den Fragen (2) und (3) zeigen, dass die Ermittlung des Reinvermögens zu einem bestimmten Zeitpunkt und die Ermittlung des Gewinnes bzw. des Verlustes für eine bestimmte Periode viele Fragen aufwerfen. Für die Höhe des Reinvermögens („des Eigenkapitals“) und des Gewinnes bzw. Verlustes von Unternehmen gibt es viele Interessent_innen, wie Eigentümer_innen bzw. andere Unternehmer_innen, die sich beteiligen wollen, Kreditgeber_innen, Steuerbehörden, Arbeitnehmer_innen des Unternehmens und deren Vertretung. Der Gesetzgeber hat daher umfangreiche Vorschriften geschaffen, um die Ermittlung des Reinvermögens (Frage (2)) und des Gewinnes bzw. des Verlustes von Unternehmen (Frage (3)) möglichst einheitlich zu regeln. Jener Teil des Rechnungssystems, der die Fragen (2) und (3) unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften beantwortet, wird als „Finanzbuchhaltung“ bezeichnet. Seite 19 von 93 4. Was kostet die im Unternehmen erstellte Leistung? Schließlich wollen Unternehmer_innen wissen, was eine im Unternehmen erstellte Leistung (eine Sachleistung, wie z. B. ein Kühlschrank, oder eine Dienstleistung, wie z. B. ein Haarschnitt) kostet, um Unterlagen für folgende Entscheidungen zu bekommen: - - Welchen Mindestpreis muss ein Produkt (eine Dienstleistung) am Markt erzielen, damit der Erlös die Kosten deckt („Preisentscheidung“)? Welche Produkte (Dienstleistungen) sollen überhaupt am Markt angeboten werden, um den Gewinn des Unternehmens zu optimieren („Sortimentsentscheidung“)? Mit welchen Verfahren sollen Produkte bzw. Dienstleistungen erstellt werden, um die Kosten zu minimieren („Verfahrensentscheidung“)? Ein Sonderfall ist die Frage, ob eine Leistung im Unternehmen selbst erstellt oder von anderen Unternehmen zugekauft werden soll. Soll z. B. ein Unternehmen die tägliche Gebäudereinigung mit eigenen Mitarbeiter_innen durchführen oder eine Reinigungsfirma beauftragen („Make-or-Buy-Entscheidung“, „OutsourcingEntscheidung“)? Wie sollen sich die Kosten für die betrieblich erstellten Leistungen entwickeln, und wie haben sie sich entwickelt („Problem der Kostenplanung und der Kostenkontrolle“)? Alle diese Fragen versucht die „Kostenrechnung“ zu beantworten. Für die Kostenrechnung wird auch die Bezeichnung „Betriebsbuchhaltung“ verwendet. Wie schwierig die Fragen der Kostenrechnung sind, soll wieder an einem kleinen Beispiel gezeigt werden. Beispiel: Probleme der Kostenrechnung (eine „Verfahrensentscheidung“) Sie überlegen, ob Sie weiterhin mit Ihrem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Büro fahren sollen. Sie treffen also eine „Verfahrensentscheidung“. Ihr Auto haben Sie vor 3 Jahren um € 25.000, - erworben. In der Zwischenzeit ist der Neupreis auf € 30.000, - gestiegen. Als ordentlicher Mensch haben Sie im Vorjahr alle Auszahlungen für Ihr Auto aufgeschrieben. - Benzin, Öl, Reifen, Reparaturen Versicherung, Steuer, Garage € 3.600, € 3.000, - Gefahren sind Sie 20.000 km, davon 10.000 km zur Arbeit und wieder nach Hause. Da die Verkehrsverbindungen schlecht sind, würde sich Ihre Fahrzeit mit Autobus und Straßenbahn insgesamt um ca. eine Stunde pro Tag verlängern. Die Monatskarten würden Sie insgesamt € 500,- pro Jahr kosten. Es ergeben sich folgende Fragen: - - Was erspare ich mir wirklich, wenn ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahre (sicher Benzin und Reifen, wahrscheinlich einen Teil der Reparaturen, sicher nicht Versicherung, Steuer und Garagierung)? Um wie viel wird mein Auto pro Jahr weniger wert? Wie entwickelt sich der Wertverlust, wenn ich pro Jahr nur mehr 10.000 km und nicht mehr 20.000 km fahre? Von welchem Wert muss ich ausgehen, vom heutigen Neupreis oder vom Anschaffungspreis, der vor 3 Jahren gezahlt wurde? Was ist die täglich eingesparte Stunde wert? Seite 20 von 93 - Muss ich nicht Zinsen dafür rechnen, dass ich € 25.000, - in ein Auto investiert habe, da ich für den gleichen Betrag Wertpapiere kaufen könnte, die mit 2 – 3 % verzinst würden? 2.2 Zusammenfassung (Grundfragen des Rechnungswesens) Die Teilsysteme des Rechnungswesens sind: Die Finanzrechnung: Sie beantwortet die Frage, ob das Unternehmen mit den vorhandenen Zahlungsmitteln und den Einzahlungen die laufenden Auszahlungen, die Investitionen, die Kreditrückzahlungen etc. decken kann, d. h. ob das Unternehmen jederzeit „zahlungsfähig“ oder in der Sprache der Betriebswirtschaftslehre „liquide“ ist. Die Finanzbuchhaltung: Sie beantwortet die Fragen - nach dem „Reinvermögen“ des Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt und nach dem Gewinn bzw. Verlust in einem bestimmten Zeitraum (einer „Geschäftsperiode“). Die Berechnungsmethoden sind gesetzlich geregelt. Die Kostenrechnung: Sie beantwortet die Fragen - Welcher Preis soll am Markt mindestens erzielt werden (Preisentscheidung)? Welche Güter und Dienstleistungen sollen überhaupt am Markt angeboten werden (Sortimentsentscheidung)? Mit welchen Verfahren sollen Güter und Dienstleistungen hergestellt werden (Verfahrensentscheidung)? Sollen Güter und Dienstleistungen selbst erstellt oder zugekauft werden („Make-orBuy-Entscheidung“ bzw. „Outsourcing-Entscheidung)? Entsprechen die tatsächlichen Kosten den geplanten Kosten (Kostenplanung, Kostenkontrolle)? Hinweis: Auch in der Finanzbuchhaltung benötigen Sie häufig eine Kostenrechnung, um selbsterstellte und noch auf Lager befindliche Produkte (z.B. nicht verkaufte PKW bei VW) oder unfertige Aufträge (z.B. eine noch nicht völlig fertiggestellte Software bei einem Softwareentwickler) in der Bilanz zu bewerten. Beachten Sie: Jeder Teil des Rechnungssystems kann - ermitteln, wie es gewesen ist („Dokumentationsfunktion“), darstellen, wie es sein soll („Planungsfunktion“), die Unterschiede zwischen Planung und tatsächlichem Ergebnis feststellen („Kontrollfunktion“), Seite 21 von 93 - Informationen für betriebswirtschaftliche („Entscheidungsfunktion“). Entscheidungen bereitstellen Die angeführten Teile des Rechnungswesens werden durch zahlreiche Statistiken unterstützt („Absatzstatistik“, „Personalstatistik“ etc.). Die Beispiele zeigten bereits, dass im Rechnungswesen viele Probleme auftreten, für die keine exakten Lösungen möglich sind. Sollten Sie an die Exaktheit des betrieblichen Rechnungswesens glauben, wird dieser Glaube erheblich erschüttert werden. Hinweis: In der Literatur finden Sie unterschiedliche Einteilungen des Rechnungswesens. So bezeichnen manche Autor_innen die „Planungsrechnung“ und die „Betriebsstatistik“ als eigene Teile oder führen die Finanzrechnung nicht als eigenes System an. Auch über die Funktionen der einzelnen Teile herrscht keine Einigkeit. Manchmal wird der Finanzbuchhaltung nur die „Dokumentationsfunktion“ zugewiesen und der Kostenrechnung nur die „Entscheidungsfunktion“ etc. Die Kostenrechnung wird im Rahmen Ihres Studiums in einem späteren Semester behandelt. 2.3 Kontrollfragen und Aufgaben Kontrollfragen 1. 2. Welche Teile des Rechnungswesens kann man unterscheiden und welche Fragen werden in diesen Teilen beantwortet? Für welche Teile des Rechnungswesens bestehen gesetzliche Vorschriften? Aufgaben 1. 2. 3. 4. Versuchen Sie, für Ihre eigene private Situation einen Finanzplan für das nächste Vierteljahr aufzustellen. Mit welchen Unsicherheiten ist dieser Plan behaftet? Versuchen Sie, ungefähr festzustellen, wie hoch Ihr persönliches Reinvermögen ist. Welche Schwierigkeiten ergeben sich dabei? Sie überlegen, ob Sie Ihr Lieblingsgericht am Sonntag selbst kochen bzw. Ihren Partner/Ihre Partnerin kochen lassen oder ob Sie essen gehen sollen. Überlegen Sie, welche Probleme Sie bekommen, wenn Sie ausrechnen wollen, wie viel Sie sich durch das „Selberkochen“ ersparen? Erklären Sie anhand des Kostenrechnungsbeispiels (Autofahrt zum Arbeitsplatz) die unterschiedlichen Funktionen des Rechnungswesens. Die Lösungshinweise finden Sie im Anhang. Seite 22 von 93 3 Die Finanzrechnung 3.1 Die Aufgaben der Finanzrechnung In der Finanzrechnung werden geplant und verrechnet: - - Einzahlungen und Auszahlungen (Zu- und Abgänge von Bargeld und Buchgeld, d. h. Einzahlungen und Auszahlungen in die und von der Kassa und Einlagen und Abhebungen auf das bzw. vom Bankkonto). Bestände an Zahlungsmitteln (Bargeld, Guthaben bei Banken) Vorhandene Finanzierungsmöglichkeiten (z. B. zugesagte und noch nicht ausgenützte Kredite bei einem Kreditinstitut – „Kreditlinien“) Hinweise: In Theorie und Praxis sind auch andere Begriffe als Einzahlungen und Auszahlungen üblich. So werden für den Zufluss und Abfluss von Bar- und Buchgeld auch die Begriffe „Einnahmen“ und „Ausgaben“ gleichbedeutend mit Ein- und Auszahlungen verwendet. Manche betriebswirtschaftliche Autor_innen unterscheiden jedoch zwischen „Einzahlungen“ und „Auszahlungen“ und „Einnahmen“ und „Ausgaben“. „Einzahlungen“: Nur der tatsächliche Zufluss von Bargeld oder die Einzahlung auf Bankkonten. „Einnahmen“: Auch die Vermehrung von Forderungen (z. B. Verkauf gegen spätere Zahlung). „Auszahlungen“ sind nach dieser Definition nur der Abfluss von vorhandenen Geldmitteln und Guthaben. „Ausgaben“ sind auch die Erhöhung von Schulden (z. B. Einkauf von Waren auf spätere Zahlung, Einkauf von Waren durch Erhöhung des Bankkredites). Dieser Gebrauch der Begriffe hat sich jedoch in der Praxis nicht durchgesetzt. Da die Begriffe Einnahmen und Ausgaben im steuerlichen Sinn wieder anders verwendet werden und daher Verwirrung entstehen könnte, werden wir für die Bewegungen von Bar- und Buchgeld die eindeutigen Begriffe Ein- und Auszahlungen verwenden. Die Finanzrechnung hat dafür zu sorgen, dass das Unternehmen jederzeit in der Lage ist, die notwendigen Zahlungen zu leisten. Diese Aufgabe kann selbstverständlich nur erfüllt werden, wenn Einzahlungen und Auszahlungen im Voraus geplant (Planungsfunktion des Rechnungswesens) und nicht nur im Nachhinein aufgezeichnet (dokumentiert) werden. Wesentlicher Bestandteil der Finanzrechnung ist daher die Finanzplanung. In der Praxis spricht man auch von der Budgetierung. Liegt eine Planungsrechnung vor, wird natürlich zu Ende der Planungsperiode ein Vergleich der geplanten Werte („Planwerte“) mit den tatsächlichen Werten („Istwerten“) vorgenommen (Kontrollfunktion). Seite 23 von 93 Hinweis: Manchmal finden Sie statt „Planwert“ auch den Begriff „Soll-Wert“. Dieser Begriff „Soll“ (geplanter Wert) hat mit dem Begriff „Soll“ (Sollseite) der Finanzbuchhaltung nichts zu tun. Soll ein Finanzplan erstellt werden, kann man sich an folgendem Aufbau orientieren: 1. Einzahlungen a. Laufende Einzahlungen Barerlöse aus der Geschäftstätigkeit b. Einzahlungen aus fälligen Forderungen d. h. aus Verkäufen, die zunächst nicht gegen Barzahlung getätigt wurden. c. Einzahlungen aus Anlagenverkäufen Barverkauf von Altanlagen und Grundstücken Barverkauf von Wertpapieren und Beteiligungen d. Einlagen der Unternehmer_innen (bzw. durch neue Gesellschafter_innen) 2. Auszahlungen a. Laufende Auszahlungen - Löhne und Gehälter - Material- und Wareneinkäufe gegen Barzahlung - Energie - Reparaturen, Instandhaltungen - Miete etc. b. Kreditrückzahlungen einschließlich Verzinsung - Fällige Lieferverbindlichkeiten für Einkäufe und Investitionen, die nächst nicht bar bezahlt wurden („auf Ziel“ getätigt wurden) - Fällige Rückzahlungen an Kreditinstitute einschließlich Zinsen c. Investitionen - Anlagenanschaffungen (Gebäude, Maschinen, Computer etc.) gegen Barzahlung d. Privatentnahmen der Unternehmer_innen bzw. Gewinnausschüttungen 3. Zahlungsmittelbestand Bankguthaben) Offene Kreditlinien 4. zu Beginn der Periode (Kassenbestand und Diesen Posten finden Sie nur in manchen Finanzplänen. Er gibt an, welche Kredite bereits zugesagt, aber noch nicht ausgenützt wurden. Können die Auszahlungen durch Einzahlungen und Zahlungsmittelbestand nicht gedeckt werden, so gibt es mehrere Möglichkeiten: - Finanzierung der Differenz durch Aufbringung Kreditaufnahme oder Aufbringung von Eigenmitteln Veränderung der Daten des Finanzplanes durch Seite 24 von 93 zusätzlicher Mittel durch o o o - Erhöhung der Einzahlungen Erhöhung der Barerlöse (z. B. Lagerabverkauf, Vermeiden von Zielverkäufen) Verkauf nicht unbedingt notwendigen Anlagevermögens (z. B. von Grundstücken oder Beteiligungen an anderen Unternehmen) Verringerung der Auszahlungen, z. B.: o Einsparungen bei den laufenden Auszahlungen o Aufschieben von Investitionen o Verlängerung („Prolongation“) fälliger Verbindlichkeiten o Verringerung der Privatentnahmen bzw. der Gewinnausschüttungen In Theorie und Praxis ist auch manchmal folgende Gruppierung der Ein- und Auszahlungen üblich: A. Finanzgrundplan Bestand an Bar- und Buchgeld zu Beginn der Periode + Einzahlungen aus laufender Tätigkeit (Verkaufserlöse) - Auszahlungen aus laufender Tätigkeit (Löhne, Material, Energie etc.) - Auszahlungen für Investitionen + Einzahlungen aus Anlagenverkäufen = Saldo I B. Finanzmitteldeckungsplan Einzahlung von Eigenmitteln + Kreditaufnahme + Einzahlungen aus offenen Kund_innenforderungen - Tilgung von Krediten einschließlich Verzinsung - Privatentnahmen, Gewinnausschüttung = Saldo II Ist Saldo I positiv, so darf Saldo II maximal in gleicher Höhe negativ sein. Ist Saldo I negativ, so muss Saldo II mindestens in der gleichen Höhe positiv sein, sonst müssen zusätzlich Maßnahmen gesetzt werden, wie sie oben beschrieben wurden. Beachten Sie: In Kleinbetrieben sind die Privatentnahmen sinnvoller Weise bereits im Finanzgrundplan anzusetzen. Zu berücksichtigen ist auch eine bestimmte Reserve für „Unvorhergesehenes“. Da der Finanzplan nur auf Schätzungen beruht, wäre es liquiditätspolitisch gefährlich, wenn Einzahlungen und Bargeldbestand die Auszahlungen nur gerade decken würden. Seite 25 von 93 In der Praxis verwendet man anstelle der Barreserve häufig die Kreditzusage der Hausbank. In manchen Finanzplänen wird der noch nicht ausgenützte Kreditrahmen (die „offene Kreditlinie“) gleich zum Zahlungsmittelbestand addiert. Eine „Unterdeckung“ ergibt sich erst dann, wenn man laut Planung mit den zugesagten Krediten nicht auskommt. 3.2 Anwendungsbeispiel zur Finanzrechnung Goldschmiedin Goldi hat geerbt, und zwar € 60.000, - in bar. In ihrem Wohnhaus wird gerade ein Geschäftslokal frei. Frau Goldi stellt folgende Überlegungen an: Sie selbst will Entwürfe machen und verkaufen. Ein Geselle sollte Reparaturen durchführen und nach Entwürfen originellen Schmuck fertigen. Abgesetzt werden soll sowohl an Privatkund_innen wie auch an Schmuckgroßhändler_innen und andere Juweliergeschäfte. Bei der Finanzplanung geht Goldi von folgenden Annahmen aus: - Ankauf einer Ladeneinrichtung € 70.000, Ankauf von Werkzeug und Werkstätteneinrichtung € 20.000, Goldeinkauf 2.000 Gramm zu je € 25,- € 50.000, Lohn für Gesellen pro Jahr € 28.000, Lokalmiete pro Jahr € 15.000, Sonstige Auszahlungen (Energie, Telefon, Versicherung etc.) € 12.000, Privatentnahmen im ersten Jahr € 20.000, - Den Umsatz im ersten Jahr schätzt Goldi auf ca. € 140.000, -. Da Frau Goldi Jungunternehmerin ist, muss sie davon ausgehen, dass ihre Lieferant_innen Barzahlung verlangen (Ladeneinrichtung, Werkzeuge, Gold). Mit diesen Unterlagen geht sie zu ihrer Bank, die ihr tatsächlich die Finanzierung des Fehlbetrages zusagt. Hinweis: Alle Beträge ohne Umsatzsteuer, da diese erst später besprochen wird. Zu Ende des ersten Jahres ergeben sich folgende Ist-Daten (Alle Zahlungen erfolgten durch Banküberweisung): - Ladeneinrichtung € 80.000, Werkzeuge und Werkstätteneinrichtung € 30.000, Goldeinkauf € 60.000, - (2000 g a 30,-) Lohn für Gesellen € 30.000, Lokalmiete € 15.000, Bankzinsen € 5.000, Sonstige Auszahlungen € 15.000, Privatentnahmen € 18.000, - Hinweis: Der Goldpreis ist starken Schwankungen unterworfen. Stand Juni 2022 liegt er z.B. bei über € 50.000, -. Seite 26 von 93 Ferner ist zu berücksichtigen: - - Da Frau Goldi noch Gold benötigte, kaufte sie weitere 1.000 Gramm zu € 30,- pro Gramm. Der Lieferant stundete ihr den Betrag bis Ende Jänner nächsten Jahres. Laut Aufzeichnungen wurden 2.500 Gramm Gold zu Schmuck verarbeitet. 2/3 des Schmucks konnten um insgesamt € 160.000,- verkauft werden, davon Schmuck um € 120.000,- an Privatkund_innen, die bar bezahlten und Schmuck um € 40.000, - an einen Großhändler, der die Rechnung erst im Februar nächsten Jahres bezahlen wird. Der restliche Schmuck ist noch auf Lager. Der Endbestand an Gold beträgt lt. Inventur 400 Gramm. Der Goldpreis ist zu Jahresende auf € 40,- pro Gramm gestiegen. Wie Sie bereits erkennen können, war der Finanzbedarf höher als geplant. Die Bank finanzierte auch den erhöhten Betrag und buchte zu Jahresende Zinsen in der Höhe von € 5.000, - vom Bankkonto ab (vgl. die Ist-Daten des nachfolgenden Finanzplanes). Für Goldi ergibt sich daher folgender Jahresfinanzplan einschließlich des Plan-Ist-Vergleichs: Finanzplan Goldi, 20.. Posten Plan Ist Abweichung A: Auszahlungen a) Laufend Löhne 28.000 30.000 - 2.000 Lokalmiete 15.000 15.000 0 Goldeinkauf, bar 50.000 60.000 - 10.000 Sonstiges 12.000 15.000 - 3.000 Ladeneinrichtung 70.000 80.000 - 10.000 Werkzeuge 20.000 30.000 - 10.000 0 5.000 - 5.000 20.000 18.000 + 2.000 215.000 253.000 - 38.000 140.000 120.000 - 20.000 C: Zahlungsmittel 60.000 60.000 0 Unterdeckung 15.000 73.000 - 58.000 b) Investitionen c) Kreditzahlungen d) Privatentnahmen Summe Auszahlungen B: Einzahlungen a) Laufend Schmuck, bar (Muss durch Bankkredit gedeckt werden) Seite 27 von 93 Kommentar: In den Finanzplan gehen nur die tatsächlichen Aus- und Einzahlungen ein. Unerheblich sind Vorgänge, die in der Planperiode zu keinen Aus- und Einzahlungen führen, wie der zusätzliche Goldeinkauf um EUR 30.000, -, der erst im nächsten Jahr bezahlt wird, oder der Schmuckverkauf an den Großhändler um EUR 40.000, -, den dieser ebenfalls erst im nächsten Jahr bezahlt. Hinweis: Unter bmf.gv.at/Berechnungsprogramme finden Sie einen Brutto-/Nettorechner mit dem Sie Ihr Nettogehalt und die jährliche Gesamtbelastung für Arbeitgeber_innen berechnen können. Der Plan-Ist-Vergleich zeigt Folgendes: - Frau Goldi hat € 58.000, - mehr an finanziellen Mitteln benötigt als angenommen. Diese Abweichungen waren zurückzuführen auf - Unterschätzen der Investitionen, Unterschätzen des Lohnaufwandes Unterschätzen der sonstigen Auszahlungen Annahme, dass alle Umsätze gegen Barzahlung erfolgen, Vergessen der Kreditkosten. Diese Abweichungsursachen sind auch in der Praxis üblich. Teilweise hat Frau Goldi ihre finanzielle Situation durch den Einkauf von Gold gegen spätere Zahlung und durch Verringerung der Privatentnahmen verbessert. Bei neu gegründeten Unternehmen wird die Situation zu Beginn meist noch dadurch verschärft, dass - später eröffnet wird als geplant und daher die Rückflüsse später einsetzen, die Rückflüsse zu Beginn niedriger sind als erhofft, die Privatentnahmen in der Anlaufzeit nicht verdient werden, die Kreditrückzahlungen zu früh einsetzen. Zu finanziellen Engpässen führen auch Ereignisse, die in der Planung nicht berücksichtigt wurden (vgl. dazu den Abschnitt 3.3.1 Prognoseprobleme bei der Finanzplanung). Die Finanzplanung sollte daher immer ausreichenden Spielraum für unvorhergesehene Ereignisse vorsehen. Beachten Sie: Der Jahresplan sagt nichts darüber aus, wie die finanzielle Situation während des Jahres ist. Im Rahmen der Aufgabe (1) in Abschnitt 3.6 können Sie sofort versuchen, dies für den Fall Goldi auszurechnen. Sie werden sehen, dass die finanzielle Situation zu Beginn der Geschäftstätigkeit und zu Ende des ersten Quartals weitaus schlechter ist als zu Ende des ersten Jahres. Die mittel- und langfristige Finanzplanung muss daher durch kurzfristige Finanzpläne (Monatspläne, Quartalspläne) ergänzt werden. Seite 28 von 93 In Großbetrieben liefert die EDV den täglichen „Finanzstatus“, d. h. die finanzielle Situation zu Beginn und zu Ende des Tages. Der Kleinbetrieb ersieht seine tägliche finanzielle Situation vereinfacht aus den täglichen Kontoauszügen. Beachten Sie ferner: Das Fallbeispiel zeigt, dass Zahlungsfähigkeit nichts mit „Reichtum“ zu tun hat. Frau Goldi hatte vor Beginn ihrer Unternehmer_innentätigkeit € 60.000, - Bargeld und keine Schulden. Zu Ende des ersten Geschäftsjahres ist kein Bargeld vorhanden und die Schulden betragen € 73.000, - (vgl. Finanzrechnung). Ob Goldi nun „reich“ oder „arm“ ist, können wir aufgrund der Finanzrechnung nicht feststellen. Wir wissen nur, dass er über keine Zahlungsmittel verfügt und Schulden hat. Die Finanzrechnung muss daher durch andere Rechensysteme ergänzt werden. 3.3 Probleme der Finanzplanung 3.3.1 Prognoseprobleme Generell gilt, dass die Finanzplanung für das Überleben eines Unternehmens die wichtigste Planungsaktivität darstellt. Zahlungsunfähigkeit kann unmittelbar zum Unternehmenszusammenbruch führen. Die Zahlungsströme sind die einzigen Daten, die völlig objektiv festgestellt werden können. Im Gegensatz dazu sind Gewinn und Verlust in der Finanzbuchhaltung und der Grad der Kostendeckung laut Kostenrechnung von zahlreichen, oft umstrittenen Zusatzannah

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