Gender-Dimensionen des Rechts 2023/24 PDF
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This document presents a summary of gender dimensions in law. It includes topics such as social norms related to gender, legal norms, gender in legislation, cases studies and analysis of other gender-related legal topics. It is intended for students studying legally related gender topics.
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Zusammenfassung Gender-Dimensionen des Rechts 2023/24 Inhalt: Geschlecht....................................................................................................................... 3 FALL: Drittes Geschlecht.....................................................................................
Zusammenfassung Gender-Dimensionen des Rechts 2023/24 Inhalt: Geschlecht....................................................................................................................... 3 FALL: Drittes Geschlecht.............................................................................................. 3 Soziale Normen und Rechtsnormen............................................................................... 3 Rechtsnormen................................................................................................................. 4 Verfassungswidrigkeit (VfGH)..................................................................................... 4 Gleichheit/Grundrechte.................................................................................................. 5 Gleichheit und Geschlecht.............................................................................................. 5 Art. 7 B-VG in der Gesetzgebung................................................................................ 5 Geschlecht und Rechtfertigung....................................................................................... 6 Rechtfertigungsgründe............................................................................................... 6 FALL: Tabak-Rationierung............................................................................................ 6 FALL: Vorarlberg und Hauswirtschaftsschule.............................................................. 7 FALL: Schutzalter/Homosexualität.............................................................................. 7 FALL: Geschlecht und Wehrpflicht.............................................................................. 8 FALL: Aufnahme-Tests................................................................................................. 8 FALL: Magistra-Erkenntnis........................................................................................... 8 Arbeit und Geschlecht..................................................................................................... 9 Gender Pay Gap........................................................................................................... 9 Gender Pension Gap................................................................................................... 9 Gleichheit und Arbeit.................................................................................................... 10 FALL: Nachtarbeitsverbot I........................................................................................ 10 FALL: Nachtarbeitsverbot II....................................................................................... 11 FALL: Pensionsantrittsalter........................................................................................ 11 Unionsrecht und Gleichheit.......................................................................................... 12 FALL: Defrenne I-III (EuGH), RS 149/77 et al. (~1977)............................................... 12 Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 1/21 Formen der Diskriminierung..................................................................................... 13 FALL: Kleist (EuGH).................................................................................................... 14 Partnerschaft und Geschlecht....................................................................................... 14 Trinität der Partnerschaftsformen............................................................................ 14 Grundrechte und Partnerschaften............................................................................ 14 Die Ehe...................................................................................................................... 15 Lebensgemeinschaft................................................................................................. 17 Gewalt und Frauen........................................................................................................ 18 Femizide.................................................................................................................... 18 Gewalt in der Familie.................................................................................................... 19 Sexuelle Gewalt............................................................................................................. 19 Zusatzinformationen..................................................................................................... 21 Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 2/21 Geschlecht Sex Biologisches Geschlecht (Chromosome, Geschlechtsorgane) Binäres System (männlich/weiblich) o aber: Intersex Gender soziologisches Phänomen Rollentypische Geschlechtszuschreibung (Stereotypen) Geschlecht nach Äußerlichkeit „zugewiesen“ FALL: Drittes Geschlecht „divers“ (nicht eindeutig männlich oder weiblich) Begriffe: divers, inter, offen VfSlg 20258 (2018) Entscheidung des VfGH vom 15.6.2018: Es gibt eine von männlich/weiblich biologisch unterschiedliche Geschlechtskategorie (Intersexualität). Intersexuelle Personen haben das Recht auf Eintragung ihrer Geschlechtskategorie im Personenstandsregister (Recht auf eigenständige geschlechtliche Identität). begründet durch Art. 8 EMRK („Achtung des Privat- und Familienlebens“, darunter fallen Schutz auf Identität/Individualität) Voraussetzung: Geschlecht des Menschen kann aus biologischen Gründen (chromosomal, anatomisch, hormonell) nicht männlich/weiblich zugeordnet werden Bezeichnungen: alternative Geschlechtsidentität/drittes Geschlecht FOLGEN: Durch die Entscheidung wird binärer Geschlechts-Code aufgegeben. Soziale Normen und Rechtsnormen Soziale Normen Unverbindlichkeit Fehlende Durchsetzbarkeit o Wenn durchsetzbar, dann nur durch zB soziale Verachtung Soziale Normen Beispiel: „bubble butt“, „six pack“ Wer sagt, dass wir ein gewisses Erscheinungsbild haben müssen? Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 3/21 Rechtsnormen Verfahren zur Erzeugung von Normen (Legislative, Parlament) Durchsetzbar durch staatliche Gewalt Das Recht mag keine Veränderung, weil es vorhersehbarer ist, wenn es gleich bleibt („Vorhersehbarkeit des Rechts“). Veränderungen im Recht folgen im Vergleich zu sozialen Veränderungen später. Rechtsnormen Erzeugung Parlament o Nationalrat o Bundesrat o Landtage Prozess der Erstellung festgelegt in B-VG o Grundprinzipien Demokratie/Rechtsstaat Durchsetzung Judikative Verwaltung Arten von Rechtsnormen Verfassungsnormen/Grundrechte (als Grundwerte der Rechtsordnung) Einfache Gesetze Stufenbau Rechtsordnung 1. 2. 3. 4. 5. Baugesetze Unionsrecht Verfassungsrecht (Grundrechte) Einfache Gesetze Bescheide/Urteile Verfassungswidrigkeit (VfGH) VfGH prüft Gesetze auf Verfassungswidrigkeit (VfGH als „negativer Gesetzgeber“) Normenkontrol-Monopol liegt bei VfGH VfGH hat 14 Mitglieder und besteht seit 1920 Folgen von Verfassungswidrigkeit: 1. Feststellung Verfassungswidrigkeit 2. Aufhebung von Norm 3. Ausscheidung der Norm aus Rechtsbestand Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 4/21 Gleichheit/Grundrechte Grundrechte sind zentral für Herstellung von Gleichheit (zwischen Geschlechtern). Wichtig (+ Überwachung der Einhaltung): Österreich: Art 7 B-VG (VfGH) Europarat: Art. 14 EMRK (EGMR) Unionsrecht: Art. 257 AEUV (EuGH) Gleichheit und Geschlecht Gleichheitssatz Verfassung Art 7 Abs. 1 B-VG (seit 1920): „Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich.“ „Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen.“ Wahlrecht Österreich Entwicklung 1. Zensuswahlrecht (nur Menschen mit gewissen finanziellen Mitteln wählen) 2. Allgemeines Männerwahlrecht seit 1907 3. Frauenwahlrecht seit 1919 Gleichheitssatz VfGH 90% aller Fälle des VfGH berühren Art. 7 B-VG in unterschiedlichen Bereichen (Arbeitsrecht, Familienrecht, Sozialrecht, Öffentliches Recht). Art. 7 B-VG in der Gesetzgebung Gesetzgeber gebunden an Zentralsatz: „Gleiches gleich, Ungleiches ungleich“ ABER: Rechtfertigung für Ungleichbehandlung kann bestehen („guter Grund“) Art. 7 B-VG und Geschlecht Art 7. B-VG gibt Gleichbehandlung von Mann und Frau vor. FRAGE: Gibt es eine sachliche Rechtfertigung für Ungleichbehandlung? JA: Norm gilt NEIN: Verfassungswidrigkeit, Normaufhebung als Folge Art. 7 B-VG Abs 1&2 Art. 7 B-VG Abs 1 verpflichtet sich nicht zur Änderung von faktischen Verhältnis zwischen Geschlechtern (Gesetzgeber kann frei entscheiden, ob und wie er Gleichstellung vorantreibt). Einführung von Art. 7 B-VG Abs 2 B-VG in 1998: Verpflichtung zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 5/21 FOLGE: Maßnahmen zur faktischen Förderung von Frauen zulässig (positive Diskriminierung, Quotenregelungen) ABER: Nur Staatsziel-Bestimmung, nicht einklagbar Effektivität war lange nicht groß, aber wird für Gesetzgeber relevanter (auch Benachteiligung von Männern soll unter Art. 7 Abs 2 B-VG vermieden werden) Geschlecht und Rechtfertigung Rechtfertigungsgründe Wandel der Rechtfertigungsgründe seit 1920. Frühe Judikatur Fokus auf „Natur des Geschlechts“: Gewisse Dinge liegen in der Natur von Mann und Frau. Teils belegt mit Stereotypen und Idealen. Aktuell Unterschiede zwischen Mann und Frau faktualer betrachtet. Man braucht „besonders gewichtige Gründe“, um eine Gruppe wegen Geschlecht anders zu behandeln. FALL: Tabak-Rationierung Tabakwaren wurden nach Ende des zweiten Weltkrieges rationiert. Frauen wurden ungern beim Rauchen gesehen, bei Männern war es angesehen. Frauen erhielten weniger Tabak-Waren (die Hälfte) und wurden so benachteiligt. „Trümmer-Frauen“: Frauen leisteten schwere Arbeit in Beseitigung von Trümmern in Folge des Krieges, wurden trotzdem anders behandelt. VfSlg 1526 (1947) VfGH akzeptierte mit ihrem Urteil die Ungleichbehandlung der Geschlechter. Grund: „objektive Merkmale“ Männer haben von sich aus einen größeren Bedarf an Tabakwaren „Frauen rauchen weniger, deshalb kriegen sie weniger Tabakwaren.“ o liegt in der „Natur des Geschlechtes“, deshalb ist die Ungleichbehandlung nicht unrecht Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 6/21 FALL: Vorarlberg und Hauswirtschaftsschule Besuch von Hauswirtschaftsschule war in Vorarlberg NUR für Frauen verpflichtend, wenn keine andere Schule besucht. Schulpflicht war beendet mit 18. Lebensjahr oder durch Ehe. VfSlg 7461 (1974) Pflicht als gerechtfertigt gesehen. Grund: Stellung der Frau im Haushalt (Man konnte sich als Mann von der Frau scheiden lassen, wenn sie nicht ihre „Pflichten im Haushalt“ erfüllte) Schutz junger Frauen vor Arbeitslosigkeit Bis 1975: Mann musste Frau erlauben, zu arbeiten. FALL: Schutzalter/Homosexualität Unterschiedliches Schutzalter für Geschlechtsverkehr (je nach Geschlecht unterschiedlich). § 209 StGB (gültig 1989-2002): Ein Mann über 18 darf nicht mit einer männlichen Person im Alter von 14-18 Jahren Geschlechtsverkehr haben. Problem: Unterschiedliche Behandlung von gleichgeschlechtlichen Sexualakten zwischen männlichen und weiblichen Jugendlichen, Verstoß gegen Art. 8 EMRK VfSlg 12182 (1989) Regelung besteht zurecht. Grund: Vermeiden, dass junge Männer ein Leben lang homosexuell sind, wenn sie in Jugend gleichgeschlechtlichen Sex haben o Frauen werden nicht homosexuell durch homosexuelle Handlungen in Jugend, und auch wenn wäre es nicht so schlimm wie bei Männern o HIV-Transmissionen Man kann homosexuelle Handlung zwischen Frauen nicht ermitteln o Bei Frauen ist Grenze zwischen freundschaftlichen und sexuellen Handlungen fließend o „häufige Berührungen im Zuge von Hilfeleistungen bei der Körperpflege“ Norm aufgehoben von EGMR wegen Verstoß gegen Art. 8 EMRK (2003). Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 7/21 FALL: Geschlecht und Wehrpflicht Wehrpflicht ist beschränkt auf Männer (Art. 9a Abs 3 B-VG). Problem: Nur Männer sind verpflichtet Wehrdienst/ggf. Zivildienst zu leisten. VfSlg 12830 (1991) Regelung ist unbedenklich. Grund: physiologische/biologische Unterschiede Frauen kriegen Kinder Vergewaltigung von Frauen in Kriegsgebieten Reform 2006: Frauen dürfen freiwillig Wehrdienst antreten (Art. 9a Abs 3 S 2 B-VG) FALL: Aufnahme-Tests Aufnahme-Tests an MedUni-Wien: Frauenquote als Übergangslösung für schlechteres Abschneiden von Frauen bei Test. Zurückweisung von Männern mit gleicher oder höherer Punktezahl. VfSlg 19899 (2014) Maßnahme ist rechtens, es bestehen besondere Gründe zur Ungleichbehandlung. Grund: Maßnahme besteht zu Beseitigung von tatsächlich bestehenden Ungleichheiten (gem Art. 7 Abs 2 B-VG) ABER: Zeitliche Begrenzung, Frauenquote nur zulässig als Übergangslösung FALL: Magistra-Erkenntnis Uni Wien: Ablehnender Bescheid bzgl Verleihung von Abschluss als Magistra Art. 7 Abs 2 B-VG: Amtsbezeichnungen können in der Form verwendet werden, die Geschlecht des Amtsinhabers erkennbar macht. VfSlg 13373 (1993) Es besteht kein Anspruch auf Verleihung von weiblicher Form des Titels. Geschlechtsneutraler Gebrauch von männlicher Form ist zulässig, aber es besteht Recht auf Verwendung von Titel in weiblicher Form. Heute: Weil sich gegen die Entscheidung aufgelehnt wurde, kann heute Titel „Magistra“ verliehen werden. Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 8/21 Arbeit und Geschlecht Gender Pay Gap Einkommensgefälle Mann/Frau Unterschied in durchschnittlichem Brutto-Stundenlohn Ursachen von Einkommensgefälle Berufswahl o „Frauenberufe“, typische Berufsgruppen o Teilzeitarbeit Karriereunterbrechungen o Schwangerschaft und dadurch Karenz bzw Teilzeitarbeit Arbeitsmarkt-Segregation o horizontal: Frauen haben weniger lukrative Berufe o vertikal: Es sind mehr Männer in Führungspositionen Aufgabenverteilung in Familie/Pflege („Rollenmodell“, women as caretakers) Höhe von Gender Pay Gap (Privatwirtschaft) EU-Durchschnitt: 16% Österreich: 19,9% EU will große Unterschiede in Gender Pay Gap vermeiden, weil es zu Abwanderung der Wirtschaft führen könnte. „Teilzeit-Falle“ Teilzeit-Quote ist unter Frauen (50+%) viel höher als unter Männern (10%). Auswirkungen: weniger Verdienst, dadurch geringere Pension weniger Karrierechancen Gender Pension Gap Pension: Jeden Arbeitsmonat wird passiv in Pensionskasse eingezahlt, Betrag wird angespart und als Pension ausgezahlt. Weniger Arbeit = niedrigere Pension (ggf sogar sog „Mindestpension“) Es besteht ein geschlechtsspezifischer Unterschied bei der Altersvorsorge. Ursachen: geringere Arbeitszeit von Frauen (durch Kinderzeit, Pflege, etc) geringerer Verdienst während Berufslaufbahn Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 9/21 Optionen Pensionssplitting: Durch Kindererziehungszeit entstandener Verlust auf Pensionskonto von Eltern ausgeglichen (nicht oft genutzt Witwenpension: Absicherung für Witwe:r nach Ableben von Partner:in Gleichheit und Arbeit Schutzmechanismen auf normativer Ebene Nationales Recht: Art. 7 B-VG Unionsrecht: Art. 257 AEUV FALL: Nachtarbeitsverbot I Verbot der Nachtarbeit in Bäckerei bestand für Frauen. Sie dürfen zwischen 20:00 – 5:00 nicht arbeiten, ein Unternehmer klagt. VfSlg 11774 (1988) Beschwerde wird abgewiesen. Grund: Schutz von Doppelbelastung von Frauen (zB wegen Kinderpflege untertags) o Es wird dadurch allgemein angenommen, dass Frauen Mütter sind Es wird wirtschaftlich Druck ausgeübt auf Frauen, Nachtschichten zu arbeiten, und Frauen müssen davor geschützt werden Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 10/21 FALL: Nachtarbeitsverbot II Arbeitnehmer:innen klagten, weil Nachtarbeitsverbot von Frauen Erwerbsfähigkeit einschränkt (Grundrecht auf Erwerbsbetätigung). Geht diesmal nicht von Unternehmen aus und richtet sich an das Verbot generell, nicht an Verbot in Branche. VfSlg 13038 (1992) Abweisung der Klage. Grund (ähnliche Gründe wie bei VfSlg 11774): Es wird wirtschaftlich Druck ausgeübt auf Frauen, Nachtschichten zu arbeiten, und Frauen müssen davor geschützt werden o Von Österreich ratifizierte internationale Verträge halten Nachtarbeitsverbot von Frauen deshalb für notwendig „traditionelles Rollenbild“ (die meisten Frauen seien faktisch mit Arbeit in Haushalt und Pflege belastet), Schutz vor Doppelbelastung FALL: Pensionsantrittsalter Aktuelles Pensionsalter: Öffentlicher Sektor 65, privater Sektor 60/65 mit zukünftiger Angleichung Späte 80er: Unterschiedliches Pensionsantrittsalter im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, Frauen mussten mit 60 in Pension Problem: Frauen haben weniger Beitragsjahre für Pensionsgeld durch früheren Pensionsantritt o Folge: Geringere Pensionen VfSlg 12568 (1990) Aufhebung von Regelungen über unterschiedliches Pensionsalter. Grund: Verstoß gegen Gleichheitssatz (Art. 7 Abs 1 B-VG) Unzulässigkeit von pauschaler Gleichbehandlung von Frauen (es können nicht alle Frauen gleich behandelt werden) o Kindererziehende Frauen werden nicht begünstigt durch früheres Pensionsalter, wegen deshalb noch niedrigerem Pensionsgeld o Kinderlose Frauen werden ohne Grund „bevorteilt“, wenn Pensionsalter niedriger ist Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 11/21 Reaktion der Bundesregierung Bundesverfassungsgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen eingeführt (1992). Pensionsalter muss schrittweise erhöht werden. Durch Regelung in Verfassungsgesetz wird Pensionsalter Überprüfung durch VfGH entzogen. Pensionsantrittsalter als soziales Problem führt zur „Gender Pension Gap“ o ABER: Unterschiedliche Pensionsalter wirken sich lange nach Festlegung aus führt zu Altersarmut von Frauen führt zu ökonomischer Abhängigkeit von Zweitverdiener o evtl sogar Abhängigkeit von ungesunden Beziehungen (finanzieller/emotionaler Missbrauch) Unionsrecht und Gleichheit Art. 157 AEUV Unmittelbar anwendbar, Umsetzung durch nationales Gesetz nicht erforderlich „Unionsarbeitsrecht“ „Gleiches Entgelt für gleiche Leistung“ Diskriminierungsverbote im Arbeitsrecht Anwendbar zwischen Privaten (Arbeitgeber/Arbeitnehemr) Richtlinien der EU Mittelbare Gültigkeit, EU gibt Ziel vor, das durch eigene nationale Maßnahmen erreicht werden muss) Umsetzung in nationales Recht: Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) für Privatwirtschaft seit 1979 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG) für Arbeitsverhältnisse in Bundesdienst seit 1993 GlBG und B-GlBG 2004 um Diskriminierungsgründe erweitert (ethnische Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Alter, sexuelle Orientierung). FALL: Defrenne I-III (EuGH), RS 149/77 et al. (~1977) Eine Reihe von Klagen von Frau Defrenne an die Fluglinie Sabena (belgische Fluglinie). Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 12/21 Defrenne v Sabena I (1976): Defrenne wurde weniger bezahlt als ihre männlichen Kollegen, die die gleiche Arbeit leisteten. Der EuGH gab ihr Recht aufgrund des Art. 157 AEUV. Defrenne v Sabena II (1976): Belgische Stewardessen wurden mit 40 in die Pension geschickt (Vereinbarung im Arbeitsvertrag), während Männer mit 60 in Pension gingen. Anlehnung an Ideal einer Stewardesse (Beispiel: Catch Me If You Can-Szene); eine Stewardesse muss ein gewisses äußerliches Erscheinungsbild haben. Problem: Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gem Art 157 AEUV, weniger Pensionsgeld aufgrund niedrigerem Pensionsalter. EuGH gab Recht aufgrund Art. 157 AEUV. Defrenne v Sabena III (1977/78): Kompensation sollte gegeben werden für Diskriminierung (frühzeitige Pension, Unterschied in Einkommen im Vergleich zu männliche Kollegen). Wurde zuerst abgewiesen, dann aber gewährt. Generelle Wirkung und Themen der Prozesse Grundrecht auf Lohngleichstellung Unmittelbare Geltung von Gleichheitsansprüchen unter Privaten (Arbeitgeber/Arbeitnehmer) gem Art. 157 AEUV Formen der Diskriminierung Unmittelbar Niemals rechtfertigbar Direkte Anknüpfung an das Geschlecht o zB Schwangerschaft Mittelbar Rechtfertigbar durch objektive Faktoren Anknüpfung an geschlechtsunspezifische Merkmale, trifft aber verstärkt eine Geschlechtsgruppe o zB Teilzeit-Arbeitskräfte (ggf Argumente gegen Teilzeitarbeit, die sich nicht auf das Geschlecht konzentrieren, aber dann wegen der hohen Teilzeitquote unter Frauen verstärkt Frauen betrifft) Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 13/21 FALL: Kleist (EuGH) Dr. Kleist ist Primärärztin in Österreich (Primärarzt ist hoher Status in hohem Alter). Sie musste zwangsweise mit 60 in die Pension, während ihre männlichen Kollegen erst mit 65 in die Pension mussten. Problem: Besonders in einem so hohen Rang wie Primärarzt sind die späteren Arbeitsjahre die „goldenen Jahre“ (höchster Gehalt in höchstem Arbeitsalter). Die 5 Jahre zusätzliche Arbeitszeit hätten eine höhere Pension und ein höheres Lebenseinkommen nach sich gezogen. RS C-356/09 (~2010) Vereinbarung in Arbeitsvertrag verletzt Art. 157 AEUV, unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegt vor. Es gibt keine Rechtfertigung für „Zwangspensionierung“. Kündigung von Dr. Kleist war anfechtbar. Partnerschaft und Geschlecht Trinität der Partnerschaftsformen 1. Ehe 2. Eingetragene Partnerschaft 3. Lebensgemeinschaft Früher war Ehe kirchliches Sakrament, 1938 mit Anschluss an nationalsozialistisches Deutschland kam Zivilehe. Ehe kann geschlossen werden bei Standesamt/Amtsraum der Bezirkshauptmannschaft. Ehe und eingetragene Partnerschaften sind de facto gleich. Grundrechte und Partnerschaften Art. 8 EMRK Art 8 EMRK schützt das Privat- und Familienleben, und deshalb ua: Ehe Lebensgemeinschaft mit Kind Lebensgemeinschaft mit stabilem Wohnsitz Homosexuelle Lebensgemeinschaften (erfasst seit 2004) = Grundrechtlicher Schutz von Partnerschaften im Allgemeinen Uneheliche Kinder sind seit 1990 mit ehelichen Kindern gleichgestellt. Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 14/21 Die Ehe Stand der Ehe in der Gesellschaft 40.000+ Eheschließungen jährlich über 4 Millionen verheiratete Personen Scheidungsquote ~40% Ehe und Gleichberechtigung Ursprung der Ehe liegt im patriarchalen Ehemodell: Frau war gesetzlich zur Haushaltsführung und Kindererziehung verpflichtet Frau brauchte Erlaubnis von Mann, um zu arbeiten Mann hat Unterhaltspflicht gegenüber der Frau Mit Eherechtsreform von 1.1.1976 aufgehobene Paragrafen: Durch Eherechtsreform in 70ern entwickelt sich partnerschaftliches Ehemodell: gleiche Rechte, gleiche Pflichten wechselseitiger Unterhalt gemeinsame Obsorge für Kinder gemeinsame Haushaltsführung Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 15/21 Gleichgeschlechtliche Ehe „Ehe für alle“ seit 1.1.2019 Ehe und eingetragene Partnerschaft werden allen Paaren geöffnet Auslöser: VfGH-Entscheidung o durch Wissen über sexuelle Neigung anhand von Angabe des Beziehungsstatus zB bei Antritt von neuer Arbeit konnte Diskriminierung stattfinden (vor „Ehe für alle“ war Ehe nur für heterosexuelle und eingetragene Partnerschaft nur für gleichgeschlechtliche Paare offen) – deshalb wurde ua wegen Privatsphäre und Diskriminierungsschutz Ehe für alle geöffnet o Verletzung des Art. 7 B-VG Ehe und Treue Begriff der Treue: Wann ist die Treue verletzt? Geschlechtsverkehr Kuss Intensive Treffen Folgen des Treuebruches: Scheidung und eventuell sogar ersetzte Detektivkosten, wenn Partner Detektiv beauftragt Ehe und Pflicht zum Geschlechtsverkehr Es besteht zwar gem § 90 ABGB keine konkrete Pflicht zum Geschlechtsverkehr, aber doch zB eine Pflicht, Kinder zu zeugen gem § 44 ABGB: Außerehelicher Verkehr ist ein Scheidungsgrund wegen Treuebruch. Bzgl der Verweigerung von Geschlechtsverkehr in der Ehe: Jeder hat Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung (Art. 8 EMRK), ABER Wenn Geschlechtsverkehr ohne berechtigten Grund in der Ehe verweigert wird, ist es ein Scheidungsgrund Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 16/21 Die Scheidung Scheidungsrate liegt in Österreich bei etwa 40%. Scheidung kann Grund für Armut sein ua durch finanzielle Abhängigkeit eines Partners in der Ehe. Altersarmut (niedrige Pension einer Person, unzureichendes Einkommen) durch Scheidung begründete „Ein-Eltern-Kind“-Familien haben statt zwei Einkommen nur mehr eines „Ein-Eltern-Kind“-Familie Familien, in denen es einen Elternteil und ein Kind gibt. rund 270.000 in Österreich o 85% davon sind „Mutter-Kind-Familien“ (9 von 10) Armutsgefährdung o eingeschränkte Erwerbsfähigkeit durch alleinige Kinderbetreuung o jede dritte „Ein-Eltern-Kind“-Familie ist armutsgefährdet Lebensgemeinschaft Lebensgemeinschaft Definition: Auf Dauer angelegte Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft. Unterscheidet sich in diesen Punkten von der Wohngemeinschaft. Lebensgemeinschaft ist eine kaum geregelte Form der Partnerschaft. Es gibt keine explizite Regelung der Lebensgemeinschaft, sie wird aber anerkannt durch Gesetzgeber in vereinzelten Gesetzen: Mietrecht: § 14 Abs 3 MRG (Eintritt in Mietverhältnis von verstorbener Person ua möglich durch Lebensgefährten) Strafrecht: § 72 Abs 2 StGB (Lebensgefährten werden als Angehörige definiert) Sozialversicherungsrecht: § 123 ASVG (Anspruchsberechtigung für Angehörige) ABER: Im Gegensatz zur Ehe gibt es keine Unterhaltspflicht und keine Beistandspflicht. Es kann aber eine Mitversicherung stattfinden gem § 123 ASVG, und Lebensgemeinschaften sind gleichgestellt mit der Ehe zB in Bereichen des Steuerrechts und im Erwerb von Eigentumswohnungen. Lebensgemeinschaft kann formlos beendet werden, Aufteilung von Vermögen ist aber problematisch. Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 17/21 Gewalt und Frauen Frauen als vulnerable Gruppe in Angesicht von Gewalt: Femizide, Gewalt in der Familie, sexuelle Belästigung Schutz-Abkommen CEDAW (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women): Übereinkommen der Vereinten Nationen, völkerrechtliches Menschenrechtsinstrument für Frauen – Vertragsstaaten werden zur rechtlichen/faktischen Gleichstellung der Geschlechter verpflichtet Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen: Übereinkommen des Europarats, zum Schutz von (häuslicher) Gewalt an Frauen Femizide Frauen-Morde: 30+ jährlich in Österreich, 41 in 2018 Verletzung der CEDAW: Anfang der 2000er Jahre gab es 2 Verurteilungen Österreichs anhand von angekündigten Frauen-Morden (der Staat hat seine Schutzfunktion nicht eingenommen) FALL: Goekce vs Austria (2007) In 2002 erschoss der Ehemann der Autorin (Goekce) sie vor ihren beiden Töchtern. Vor ihrem Tod hatte die Autorin drei Ausweisungs- und Rückkehrverbotsanordnungen gegen ihren Ehemann wegen wiederholter häuslicher Gewalt beantragt. Ehemann wurde nicht festgenommen, und Verfahren gegen ihn wurden zwei Tage vor dem Tod der Autorin eingestellt. Auf den Vorfall, der zum Tod der Autorin führte, wurde nicht rechtzeitig reagiert. Vertreter der Autorin reichen Beschwerde ein: Österreichisches Bundesgesetz schützt Opfer von häuslicher Gewalt zu wenig Frauen sind unverhältnismäßig stark betroffen von der Unfähigkeit des Staates, angemessen auf häusliche Gewalt zu reagieren Entscheidung: Ausschuss stellte fest, dass Österreich zwar fortschrittliche Gesetzgebung zur Bekämpfung häuslicher Gewalt hat, staatliche Behörden aber Beschwerden mit mehr Sorgfalt untersuchen und umsichtiger reagieren müssen. Polizei wusste idF, dass die Autorin in ernsthafter Gefahr war, und waren deshalb verantwortlich dafür, dass sie sie nicht beschützt haben. Ausschuss empfahl Österreich, die Umsetzung/Überwachung des Bundesgesetzes bzgl Schutz vor Gewalt in der Familie zu stärken, Beschwerden über häusliche Gewalt ernst zu nehmen und Sanktionen für das Versagen der Behörden vorzusehen. FOLGE: Strafprozessänderung wurde geändert. Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 18/21 Gewalt in der Familie Statistik: über 22.000 Opfer von häuslicher Gewalt jährlich o 90% davon Frauen über 9.000 Frauen und Kinder wohnen in Frauenhäusern (2021) über 13.000 Betretungsverbote verhängt (2021) Seit 2018 konnte ein starker Anstieg von häuslicher Gewalt beobachtet werden. Rechtlicher Schutz durch Verwaltung Wegweisung und Betretungsverbot: Eingreifen der Polizei („Wer schlägt, der geht“). Das Opfer kann in der Wohnung bleiben, aber die gewaltausübende Person wird weggewiesen und hat für einen gewissen Zeitraum ein Betretungsverbot (generell 2 Wochen, kann verlängert werden auf vier). Rechtlicher Schutz durch Gericht Einstweilige Verfügung: Verbot an den Täter, die Wohnung zu betreten mit Dauer von 6-12 Monaten (vorherige Wegweisung durch Polizei ist nicht erforderlich). Einstweilige Verfügung Definition: Gerichtliche Sofortmaßnahme, die auf Antrag (unter bestimmten Voraussetzungen) zur vorläufigen Sicherung getroffen wird Bestimmt durch §§ 382 b ff EO: § 382 b EO (Exekutionsordnung) Schutz vor Gewalt in Wohnungen § 382 c EO Allgemeiner Schutz vor Gewalt § 382 e EU Dauer der Maßnahmen etc... Sexuelle Gewalt Definitionen von sexueller Gewalt: Strafbare Handlungen Ungewollte Berührungen Sexistische Belästigungen Statistik Befragung: 3 von 4 Frauen wurden sexuell belästigt. Fast jede dritte befragte Frau hat sexuelle Gewalt erlebt, sieben Prozent eine Vergewaltigung. Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 19/21 Rechtlicher Schutz Strafrechtliche Tatbestände: Vergewaltigung § 201 StGB Geschlechtliche Nötigung § 202 StGB Sexuelle Belästigung („Grapschen“) § 218 StGB Effektivität dieses Schutzes: Strafverfolgung ist möglich, aber der Opferschutz ist in gewissen Fällen realistisch nicht so ausführlich und wirksam, wie er sein sollte. Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 20/21 Zusatzinformationen VfSlg: Verfassungsgerichtshof hat für alle Entscheidungen eine laufende Nummer („Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes“) Konsensualer homosexueller Verkehr nicht mehr strafbar seit 1974. Lebenseinkommen: Betrag, der durch die Arbeit im Laufe der gesamten Erwerbstätigkeit verdient wird Zusammenfassung VO Gender-Dimensionen 21/21