Angewandte Medizinphysik 1 Teil 1 2024 PDF
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FH Wiener Neustadt
2024
DI Mario Flitsch
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This document is a lecture on applied medical physics, part 1, from FH Wiener Neustadt. It covers basic physics topics, including mechanics, oscillations, and waves. The lecture is given by DI Mario Flitsch.
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ANGEWANDTE MEDIZINPHYSIK 1 TEIL 1 Vortragender: DI Mario Flitsch FH Wiener Neustadt Inhalt 0 Vorwort................................................................................................................................................. 3 1 Grundsätzliches...
ANGEWANDTE MEDIZINPHYSIK 1 TEIL 1 Vortragender: DI Mario Flitsch FH Wiener Neustadt Inhalt 0 Vorwort................................................................................................................................................. 3 1 Grundsätzliches.................................................................................................................................... 3 2 Größenarten – Größen – Einheiten...................................................................................................... 4 3 Kinematik – Die Lehre von der Bewegung........................................................................................... 7 3.1 Bewegungen auf geradliniger Bahn.............................................................................................. 7 3.1.1 Geschwindigkeit, gleichförmige Bewegung........................................................................... 8 3.1.2 Beschleunigung, ungleichförmige Bewegung........................................................................ 9 3.2 Bewegung auf krummliniger Bahn.............................................................................................. 10 4 Kraft – Masse...................................................................................................................................... 12 4.1 Einheiten von Masse und Kraft................................................................................................... 13 4.2 Spezielle Kraftwirkungen............................................................................................................. 14 4.2.1 Gravitationskraft.................................................................................................................. 14 4.2.2 Trägheitskräfte..................................................................................................................... 15 4.2.3 Reibungskräfte...................................................................................................................... 17 5 Arbeit und Energie.............................................................................................................................. 18 5.1 Beispiele für verschiedene Arten mechanischer Arbeit.............................................................. 19 5.1.1 Hubarbeit.............................................................................................................................. 19 5.1.2 Beschleunigungsarbeit.......................................................................................................... 19 6 Leistung (P)......................................................................................................................................... 20 7 Wirkung (S)......................................................................................................................................... 20 8 Kraftstoß (K) – Impuls (p)................................................................................................................... 20 9 Dynamik an starren ausgedehnten Körpern....................................................................................... 25 9.1 Drehmoment................................................................................................................................ 26 9.2 (Massen-)Trägheitsmoment......................................................................................................... 27 9.3 Drehimpuls.................................................................................................................................. 28 9.3.1 Drehimpulssatz..................................................................................................................... 29 9.4 Kreiselbewegung......................................................................................................................... 31 10 Schwingungen.................................................................................................................................. 34 10.1 Grundsätzliches......................................................................................................................... 34 10.2 Überlagerung von ungedämpften harmonischen Schwingungen.............................................. 36 11 Wellen.............................................................................................................................................. 37 11.1 Mechanische Wellen................................................................................................................. 37 11.2 Elektromagnetischen Wellen..................................................................................................... 39 11.2.1 Elektromagnetische Schwingung....................................................................................... 39 11.2.2 Elektromagnetische Welle.................................................................................................. 40 1 11.3 Schallwelle................................................................................................................................ 41 11.4 Allgemeine Eigenschaften von Wellen..................................................................................... 43 11.4.1 Reflexion und Brechung......................................................................................................... 43 11.4.2 Dispersion............................................................................................................................... 44 11.4.3 Interferenz (Überlagerung von Wellen)................................................................................. 44 11.4.4 Stehende Wellen................................................................................................................. 46 11.4.5 Satz von Fourier..................................................................................................................... 46 11.4.6 Beugung.................................................................................................................................. 46 11.4.7 Absorption von Wellen.......................................................................................................... 47 Literaturverzeichnis............................................................................................................................... 48 2 0 Vorwort Diese Vorlesung dient dazu, den Studierenden die Grundlagen der Physik, vor allem in den Bereichen der Mechanik, Schwingungs- und Wellenlehre, der Elektrizitätslehre und des Magnetismus als Wiederholung aus der Schulzeit aufzubereiten. Die ausgewählten Kapitel scheinen für den weiteren Verlauf des Studiums zweckmäßig und hilfreich zu sein. Zwischendurch wird versucht, Querverweise zwischen den Grundlagen und den speziellen Anwendungen in der Medizinischen Physik herzustellen. Bereiche, die mit einem seitlichen Strich gekennzeichnet sind, sind nicht Prüfungsinhalt, sondern dienen dem besseren Verständnis. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um mathematische Herleitungen und Berechnungen. 1 Grundsätzliches Die Physik ist ein Teil der Naturwissenschaften (andere: Chemie, Biologie, Geologie, Astronomie, …). Diese Naturwissenschaften versuchen in ihrer je eigenen Weise die Natur zu beschreiben. Die Physik befasst sich mit jenem Teil, der sich „leicht“ beschreiben lässt, d.h. wo es nicht zu viele Parameter gibt, von denen der Vorgang abhängt. Vorgänge in der Natur sollen mit Gesetzmäßigkeiten, mathematischen Beziehungen, beschrieben werden. Um auf solche Gesetzmäßigkeiten zu kommen, muss man die Natur durch Experimente befragen. Aus den erhaltenen Messergebnissen versucht man Gesetzmäßigkeiten zu ersehen, d.h. durch eine mathematische Beziehung einen Zusammenhang herzustellen. Diese beschreibt mir das beobachtete Verhalten. Darüber hinaus soll diese Beziehung auch für andere Messungen Gültigkeit haben. Dies muss man wiederum mit zusätzlichen Experimenten verifizieren. Im Falle eines „frei fallenden“ Körpers (ohne Luftwiderstand, im Vakuum) misst man die Fallstrecken für unterschiedliche Zeiten und versucht dann den Zusammenhang zwischen „Fallstrecken“ und „Zeiten“ in einer mathematischen Beziehung (Formel) darzustellen. Wenn dies gelingt, dann kann man auch die Fallstrecken für andere Zeiten berechnen, ohne sie messen zu müssen. Der zu beobachtende Naturvorgang wird zur Beschreibung vereinfacht (d.h. man entledigt sich unerwünschter überlagernder Effekte) und beschreibt den Vorgang durch ein Modell. Beim Fall eines Körpers betrachtet man zuerst den einfachsten Fall, dass es keinen Luftwiderstand gibt. In diesem Fall kann man den ausgedehnten Körper als eine in einem Punkt konzentrierte Masse betrachten. Man verwendet dann das „Modell des Massepunktes“. Fällt der Körper in Luft oder Wasser, dann hängt die Fallzeit auch von der Gestalt und vom Material des Körpers ab. Das „Modell des starren, ausgedehnten Körpers“ muss man nun zur Beschreibung heranziehen. 3 Fällt der Körper auf eine Platte und wird dadurch zurückgeworfen, muss man auch seine Verformbarkeit, seine Elastizität berücksichtigen, also das „Modell des deformierbaren Körpers“ verwenden. Je nachdem, wie die Fragestellung ist, genügt ein einfaches oder doch ein etwas komplizierteres Modell. Die Physik beschreibt immer das Modell, das man sich von der Natur macht. Besonders in der Atom- und Kernphysik verwendet man unterschiedliche Modelle. Z.B. werden wir im zweiten Teil der „Angewandten Medizinphysik“ weitgehend das Bohrsche Atommodell für Erklärungen und Berechnungen verwenden und auf eine komplizierte quantenmechanische Betrachtung verzichten. In einem ersten Schritt benötigen wir aber Begriffe, mit denen wir Vorgänge in der Natur quantitativ erfassen können. 2 Größenarten – Größen – Einheiten Die notwendigen Begriffe kann man rein qualitativ „nach ihrer Art“ unterscheiden, z.B. die Länge, die Zeit, die Masse, … Man bezeichnet diese qualitativen Begriffe als Größenarten. Von einer Größenart gibt es unendlich viele Quantitäten. Diese werden Größen genannt. So gibt es zur Größenart „Länge“ unendlich viele „Längen“, die man messen kann. Diese Größen einer Größenart werden mit einem Größensymbol beschrieben, z.B. s für Längen, t für Zeiten, m für Massen. Um zahlenmäßig die Größen festzuhalten, bedarf es einer Einheit(sgröße). Alle Größen einer Größenart lassen sich dann als Vielfache oder Bruchteile einer Einheit darstellen: Größe = Zahlenwert x Einheit z.B. s = 2 x m Meint man Einheiten, so schreibt man das Größensymbol in eckigen Klammern: z.B. [s] = 1 m Bei Einheiten kann es sich um eine Basiseinheit (Grundeinheit) oder um eine abgeleitete Einheit handeln. Die Basiseinheit besteht in einer Art Arbeitsvorschrift für die Realisierung der Einheit. Z.B. kann man die Basiseinheit der „Länge“ definieren durch: 1 m = 1650763,7289. λKrypton λKrypton ist hierbei die Vakuumwellenlänge der vom Krypton-Isotop 86 beim Übergang vom Zustand 5d5 in den Zustand 2p10 emittierten Strahlung. Die abgeleiteten Einheiten ergeben sich aus den Basiseinheiten mit Hilfe einer physikalischen Beziehung, einer der Größengleichungen (Verknüpfungsgleichungen zwischen verschiedenartigen Größen). Man braucht nur wenige sogenannte Basisgrößenarten durch Definition ihrer Einheiten (Basiseinheiten). Dann ergeben sich alle anderen Größenarten und Einheiten aus den Größengleichungen. Es gibt aber auch Größenarten bei denen die über Größengleichungen 4 definierten Einheiten gleich lauten z.B. für die „Arbeit“ und das „Drehmoment“. Aus beiden Größengleichungen folgt die Einheit kgms-2. Erst durch Einheitennamen kann man eine Unterscheidung herbeiführen. So hat die Einheit der Arbeit den eigenen Namen „Joule“, kurz mit „J“ geschrieben. Man kann also die Arbeit entweder mit der abgeleiteten Einheit oder dem Einheitennamen angeben. Im Bereich der Mechanik kommt man mit den drei Basisgrößenarten Länge (L), Zeit (T) und Masse (M) aus. Basisgrößenart (Basis-)Größen Basiseinheit Länge L alle Längen s Meter m Zeit T alle Zeiten t Sekunde s Masse M alle Massen m Kilogramm kg Die Basiseinheiten der Mechanik kann man auf andere Bereiche der Physik (der Elektrizitätslehre, der Thermodynamik und Photometrie) erweitern. Dies führte schließlich zum sogenannten internationalen Einheitensystem (Système International d’Unités) oder kurz auf SI-Einheiten. Zusammengefasst lauten diese: Basiseinheiten zugehörige Basisgrößen Meter (m) LÄNGE Kilogramm (kg) MASSE Sekunde (s) ZEIT Ampere (A) ELEKTRISCHE STROMSTÄRKE Kelvin (K) THERMODYNAMISCHE TEMPERATUR Mol (mol) STOFFMENGE Candela (cd) LICHTSTÄRKE Aus diesen kann man z.B. die Größenart „Geschwindigkeit“ ableiten. Die Definitionsgleichung lautet: 𝑧𝑢𝑟ü𝑐𝑘𝑔𝑒𝑙𝑒𝑔𝑡𝑒𝑟 𝑊𝑒𝑔 𝑠 𝛥𝑠 𝑠 −𝑠 𝐺𝑒𝑠𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑖𝑔𝑘𝑒𝑖𝑡 𝑣 = = = 𝑑𝑎𝑓ü𝑟 𝑣𝑒𝑟𝑏𝑟𝑎𝑢𝑐ℎ𝑡𝑒 𝑍𝑒𝑖𝑡 𝑡 𝛥𝑡 𝑡 −𝑡 Δ meint ein Intervall (Δs = Endpunkt s2 minus Anfangspunkt s1, Δt = Endzeitpunkt t2 minus Anfangszeitpunkt t1) Diese Definitionsgleichung gilt für alle Größen der Größenart „Geschwindigkeit“ und somit auch für die Einheitsgröße. Daraus ergibt sich die abgeleitete Einheit: [v] = = bzw. ms-1. Die Einheit der Geschwindigkeit wird dadurch realisiert, dass ein Körper in 1 s einen Weg von 1 Meter zurücklegt. Eine weitere Definitionsgleichung ist z.B. die der Größenart „Beschleunigung“: Ä𝑛𝑑𝑒𝑟𝑢𝑛𝑔 𝑑𝑒𝑟 𝐺𝑒𝑠𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑖𝑔𝑘𝑒𝑖𝑡 Δ𝑣 Δ𝑣 𝐵𝑒𝑠𝑐ℎ𝑙𝑒𝑢𝑛𝑖𝑔𝑢𝑛𝑔 𝑎 = = 𝑧𝑢𝑔𝑒ℎö𝑟𝑖𝑔𝑒 𝑍𝑒𝑖𝑡𝑑𝑎𝑢𝑒𝑟 Δ𝑡 Δ𝑡 5 / 𝟐 Einheit: [a] = = 𝒎𝒔 Die Einheit der Beschleunigung wird dadurch realisiert, dass ein Körper in 1 Sekunde seine Geschwindigkeit um 1 m/s ändert. Abgeleitete Einheiten sind als Potenzprodukt von Basiseinheiten darstellbar. Man kann jede Größe x und deren Einheiten in der Form x = aα. bβ. cγ. … schreiben. a, b, c sind Größen der Basisgrößenarten. α, β, γ sind rationale Zahlen. Ein Beispiel ist die Beziehung zur Berechnung der Fallstrecke s beim freien Fall (im Vakuum) in Abhängigkeit der Zeit t; d.h. welche Wegstrecke legt ein Körper, den man im Vakuum (kein Luftwiderstand!) aus einer bestimmten Höhe fallen lässt, in einer gewissen Zeit zurück? g ist die Erdbeschleunigung mit dem Wert g = 9,81 ms-2. s=.𝑔.𝑡 1 [𝑠] =. [𝑔]. [𝑡] 2 [𝑠] = 𝑚𝑠.𝑠 = 𝑚 Nicht alle Größen haben auch eine Einheit. Bei den sogenannten Verhältnisgrößen spricht man von dimensionslosen Größen, bei denen die Einheit „1“ ergibt. Zum Beispiel ist der ebene Winkel im Bogenmaß definiert durch 𝑏 𝜑= 𝑟 Abb.1: Definition des ebenen Winkels mit b dem Kreisbogen und r dem Kreisradius. Beide sind Längen. Deshalb folgt: [ ] [𝜑] = [ ] = =1 Einheitenname: Radiant Zahlenwertgleichungen sind im Unterschied zu Größengleichungen Beziehungen, in denen die Buchstabensymbole nicht Größen, sondern nur Zahlenwerte repräsentieren. Man muss dazu schreiben, in welchen Einheiten in die Gleichung eingesetzt werden muss. Beispiel: ∆ Größengleichung für die Kraft F: F = m. a = m. ∆ ∆ ( ) Zahlenwertgleichung für die Kraft in der Einheit Newton: F = 277,77. m (in t). ∆ ( ) 6 3 Kinematik – Die Lehre von der Bewegung Zur Beschreibung der Bewegung benötigt man ein Bezugssystem (Koordinatensystem). Die Bewegung eines frei fliegenden Körpers setzt sich aus der Translation (= fortschreitende Bewegung) und einer Rotation (Drehbewegung um den Massenmittelpunkt) zusammen. Die Translation kann man mit der Bewegung eines Punktes beschreiben, z.B. mit dem Massenmittelpunkt eines Körpers. Abb.2: Translations- und Rotationsbewegung von starren Körpern Von Punktkinematik spricht man, wenn man sich die Masse in einem Punkt vereinigt denkt und die Bewegung dieses Punktes beschreibt. Dieses Modell kann man verwenden, wenn die Eigenschaften eines Körpers (z.B. die Form, Oberfläche) keinen Einfluss auf die Bewegung des Körpers haben. 3.1 Bewegungen auf geradliniger Bahn Allgemein erfolgt die Beschreibung der Bewegung eines Körpers, die man in einem Koordinatensystem betrachtet, bzw. die momentane Angabe seines Ortes durch einen Ortsvektor 𝒓⃗(𝒕) = (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡), 𝑧(𝑡)) mit drei Komponenten in Abhängigkeit der Zeit t. Der Ortsvektor wird vom Koordinatenursprung 0 aus betrachtet. Damit gelingt die Beschreibung einer beliebigen Bewegung im Raum durch eine sogenannte Bahnkurve 𝑟⃗ = 𝑟⃗(𝑡). Abb. 3: Bahnkurve eines Massepunktes 7 Eine geradlinige Bewegung kann man sich durch geeignete Wahl des Koordinatensystems entlang einer der Koordinatenachsen (x, y oder z-Achse) denken. Dann benötigt man zur Beschreibung der Bewegung keinen Vektor, sondern man kann mit skalaren Größen (einer Komponente des Vektors) rechnen, denn die beiden anderen Komponenten sind Null. 3.1.1 Geschwindigkeit, gleichförmige Bewegung Definition der Geschwindigkeit v (velocity): 𝑧𝑢𝑟ü𝑐𝑘𝑔𝑒𝑙𝑒𝑔𝑡𝑒 𝑊𝑒𝑔𝑙ä𝑛𝑔𝑒 ∆𝑠 𝑠 𝑣= = = 𝑑𝑎𝑏𝑒𝑖 𝑣𝑒𝑟𝑠𝑡𝑟𝑖𝑐ℎ𝑒𝑛𝑒 𝑍𝑒𝑖𝑡 ∆𝑡 𝑡 Anstatt die Δs und Δt kann man auch einfach s und t schreiben. Δ meint ein Intervall (Δs = Endpunkt s2 minus Anfangspunkt s1, Δt = Endzeitpunkt t2 minus Anfangszeitpunkt t1). Wenn die Anfangswerte Null sind, folgt: Δs = s2 – s1(=0) = s2 = s bzw. Δt = t2 – t1(=0) = t2 = t. Genau genommen entspricht diese Definition einer mittleren Geschwindigkeit, da diese im betrachteten Zeitintervall nicht konstant sein muss. Betrachtet man sehr kleine, im Grenzfall ein „infinitesimales“ Zeitintervall dt, so wird dadurch die Momentangeschwindigkeit definiert: ∆𝑠 𝑑𝑠 𝑣 = lim = = 𝑠̇ ∆ → ∆𝑡 𝑑𝑡 𝑑𝑠 𝑣= 𝑑𝑡 SI – Einheit: m/s bzw. ms-1 Die Geschwindigkeit gibt also an, wieviel „Wegänderung pro Sekunde“ erfolgt. Diese infinitesimale Schreibweise bezeichnet man auch als „Ableitung des Weges s nach der Zeit t“ und schreibt 𝑠̇. Der Punkt über der Größenart bedeutet immer „Ableitung nach der Zeit“; ein Punkt bedeutet erste Ableitung nach der Zeit, zwei Punkte bedeuten zweite Ableitung nach der Zeit, usw.! Werden in gleichen Zeiten immer gleiche Wegstrecken zurückgelegt, ist also die Geschwindigkeit immer konstant, so spricht man von einer gleichförmigen Bewegung. Eine solche kann durch ein Zeit-Weg-Diagramm oder ein Zeit-Geschwindigkeits-Diagramm veranschaulicht werden. Abb.4: a) Zeit-Weg-Diagramm b) Zeit-Geschwindigkeits-Diagramm einer gleichförmigen Bewegung 8 3.1.2 Beschleunigung, ungleichförmige Bewegung Bei einer ungleichförmigen Bewegung ändert sich die Geschwindigkeit im Laufe der Zeit. Definition der Beschleunigung a (acceleration): Ä𝑛𝑑𝑒𝑟𝑢𝑛𝑔 𝑑𝑒𝑟 𝐺𝑒𝑠𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑖𝑔𝑘𝑒𝑖𝑡 ∆𝑣 𝑎= 𝑑𝑎𝑏𝑒𝑖 𝑣𝑒𝑟𝑠𝑡𝑟𝑖𝑐ℎ𝑒𝑛𝑒 𝑍𝑒𝑖𝑡 ∆𝑡 Möchte man die Beschleunigung zu einem bestimmten Zeitpunkt (in einem sehr kleinen, infinitesimalen Zeitintervall dt), die sogenannte Momentanbeschleunigung wissen, definiert man die Beschleunigung analog zur Geschwindigkeit durch: ∆ 𝑎 = lim = = 𝑣̇ = = 𝑠̈ ∆ → ∆ 𝑑𝑣 𝑎= 𝑑𝑡 SI – Einheit: m/s2 bzw. ms-2 Bei einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung ist die Beschleunigung a konstant. 𝑑𝑣 ∆𝑣 𝑎= = 𝑐𝑜𝑛𝑠𝑡 = 𝑑𝑡 ∆𝑡 Daraus kann man durch Integration die Geschwindigkeit nach t1 berechnen: 𝑑𝑣 =𝑎 𝑑𝑡 (Allgemein in Erinnerung an die Schule: f‘ = = 𝑐; 𝑓 = ∫ 𝑐. 𝑑𝑥) 𝑣= 𝑎. 𝑑𝑡 = 𝑎. 𝑡 | = 𝑎. 𝑡 − 𝑎. 0 = 𝑎. 𝑡 Allgemein: v = a. t Daraus kann man durch wiederholte Integration den zurückgelegten Weg t1 bestimmen: 𝑑𝑠 = 𝑣. 𝑑𝑡 1 𝑠= 𝑣. 𝑑𝑡 = 𝑎. 𝑡. 𝑑𝑡 = 𝑎. 𝑡 2 Allgemein: 𝑠 = 𝑎𝑡 Eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung kann man sich in einem Zeit-Beschleunigungs- Diagramm, Zeit-Geschwindigkeits-Diagramm und in einem Zeit-Weg-Diagramm wie folgt veranschaulichen: Abb.5: a) Zeit-Beschleunigungs-Diagramm b) Zeit-Geschwindigkeits-Diagramm c) Zeit-Weg- Diagramm einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung 9 Ein Beispiel für eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung ist der „Freie Fall“. Das ist der Fall eines Körpers im Vakuum, also ohne Luftwiderstand. Der Körper wird durch die konstante Erdbeschleunigung g beschleunigt (g ≈ 9,81 ms-2). 3.2 Bewegung auf krummliniger Bahn Die Beschreibung eines Körpers auf krummliniger Bahn – wie schon anfangs erwähnt – erfolgt durch einen Ortsvektor in einem Koordinatensystem. Ein kartesisches Koordinatensystem sei durch die Einheitsvektoren 𝑒⃗ , 𝑒⃗ 𝑢𝑛𝑑 𝑒⃗ festgelegt. Diese Einheitsvektoren zeigen in die Richtung der Koordinatenachsen und haben den Betrag |𝑒⃗ | = 1, 𝑒⃗ = 1 𝑢𝑛𝑑 |𝑒⃗ | = 1. Der Ort des Massepunktes zu einem fixen Zeitpunkt lässt sich beschreiben durch: 𝑟⃗ = 𝑥⃗ + 𝑦⃗ + 𝑧⃗ = 𝑒⃗ 𝑥 + 𝑒⃗ y + 𝑒⃗ 𝑧 Abb.6: Ortskoordinaten eines Massepunktes in einem kartesischen Koordinatensystem 𝑥 1 0 0 z.B. 𝑦 = 0 𝑥+ 1 𝑦+ 0 𝑧 𝑧 0 0 1 3 1 0 0 Zahlenbeispiel: 0 = 0 3+ 1 0+ 0 1 1 0 0 1 Analog ist auch die Geschwindigkeit und die Beschleunigung mit Hilfe der Einheitsvektoren darstellbar. Allgemeine Definition der Geschwindigkeit (= Änderung des Ortsvektors pro Zeiteinheit): 𝑑𝑟⃗ 𝑣⃗ = 𝑑𝑡 Allgemeine Definition der Beschleunigung (= Änderung des Geschwindigkeitsvektors pro Zeiteinheit): 10 𝑑 𝑟⃗ 𝑑𝑣⃗ 𝑎⃗ = = 𝑑𝑡 𝑑𝑡 Geschwindigkeit und Beschleunigung sind also Vektoren, sind also gerichtete Größen. Man betrachte nun einen Massepunkt auf einer Kreisbahn mit einem mitbewegten Koordinatensystem mit zwei Einheitsvektoren in diesem Massepunkt, die jeweils in den einzelnen Punkten der Bahnkurve „tangential“ zu dieser 𝑒⃗ und „normal“ 𝑒⃗ dazu, also zentripetal hin zum Mittelpunkt des Kreises verlaufen. Abb.7: Zerlegung der Beschleunigung in eine tangentiale und zentripetale Komponente 𝑑𝑣⃗ 𝑑(𝑒⃗ 𝑣) 𝑑𝑣 𝑑𝑒⃗ 𝑎⃗ = = = 𝑒⃗ + 𝑣 𝑑𝑡 𝑑𝑡 𝑑𝑡 𝑑𝑡 Erinnerung an die Schule: Hierbei wurde die sogenannte Produktregel bei der Ableitung verwendet: f=u.v f‘ = u. v‘ + u‘. v Der erste Ausdruck der Beschleunigung beschreibt die Änderung des Betrags der Geschwindigkeit entlang der Bahnkurve, der zweite die Richtungsänderung der Geschwindigkeit. Den ersten Ausdruck der Beschleunigung bezeichnet man als Tangential- oder Bahnbeschleunigung 𝒂⃗𝝉 , den zweiten als Zentripetal- oder Normalbeschleunigung 𝒂⃗𝒛𝒑. Grenzfälle: a) Für eine geradlinige Bewegung kann sich zwar die Geschwindigkeit dem Betrag nach ändern, aber die Zentripetalbeschleunigung (die Richtung der Beschleunigung) ändert sich nicht. b) Bei einer gleichförmigen Kreisbewegung ist der Betrag der Geschwindigkeit konstant, d.h. die Tangentialbeschleunigung Null. Sie ist eine Bewegung mit reiner Zentripetalbeschleunigung. Betragsmäßig hat die Zentripetalbeschleunigung folgende Abhängigkeit (auf eine Herleitung soll hier verzichtet werden): 𝑣 |𝑎 | = 𝑟 Die Zentripetalbeschleunigung ist umso größer, je größer die Geschwindigkeit v ist (bei doppelter Geschwindigkeit vier Mal so groß – quadratische Zunahme!) und sie ist umso größer, je kleiner der Krümmungsradius r des Kreises ist, auf dem sich der Massepunkt bewegt. 11 Für eine krummlinige Bewegung ist es zur Beschreibung zweckmäßig anstatt kartesischer Koordinaten die Polarkoordinaten zu verwenden, wobei hier statt x und y zur Angabe der Ortskoordinaten der Abstand r vom Koordinatenursprung und der Winkel φ (gemessen zur x- Achse) verwendet werden; also anstatt P(x,y) kann man P(r,φ) verwenden. Abb.8: Ortskoordinaten eines Massepunktes mittels Polarkoordinaten Für die zeitliche Änderung des Winkels φ wird die Winkelgeschwindigkeit ω eingeführt. Winkelgeschwindigkeit ω: Definitionsgleichung: 𝑑𝜑 𝜔= 𝑑𝑡 SI-Einheit: s-1 (auch rad/s bezeichnet) Winkelbeschleunigung α: Definitionsgleichung: 𝑑𝜔 𝑑 𝜑 𝛼= = 𝑑𝑡 𝑑𝑡 SI-Einheit: s-2 (auch rad/s2 bezeichnet) 4 Kraft – Masse Eine Änderung des Bewegungszustandes – aus dem Zustand der Ruhe oder gleichförmig- geradlinigen Bewegung - bedeutet eine Beschleunigung. Um eine solche Änderung des Bewegungszustandes hervorzurufen, ist eine Kraft F nötig. Auch die durch Wechselwirkungen zwischen zwei Körpern hervorgerufenen Bewegungs- änderungen werden durch Kräfte beschrieben (z.B. Kugelstoß). Kräfte sind in ihrer mathematischen Beschreibung Vektoren. Sie haben einen Betrag und eine Richtung. Greifen mehrere Kräfte an einem Punkt an, dann ist die resultierende Kraft die Vektorsumme dieser Kräfte. Wirkt auf einen Körper keine Kraft oder heben sich die an ihm wirkenden Kräfte auf (d.h. die Vektorsumme der Einzelkräfte ist Null), dann ist der Körper kräftefrei. Eine Kraft bewirkt eine Änderung des Bewegungszustandes. Sie zeigt sich in einer Beschleunigung. Die Beschleunigung eines bestimmten Körpers ist proportional zur angewandten Kraft und hat dieselbe Richtung. 𝒂⃗ ~ 𝑭⃗ Unterschiedliche Körper reagieren auf dieselben Kräfte unterschiedlich. Die Eigenschaft eines Körpers, sich der Einwirkung der Kraft zu widersetzen und möglichst den alten Zustand 12 aufrecht zu erhalten, bezeichnet man als Trägheit eines Körpers. Quantitativ wird diese Trägheit durch die träge Masse m beschrieben. Die Trägheit eines Körpers kann man z.B. durch die Frage „Wieviel Kraft muss man für eine bestimmte Beschleunigung aufwenden?“ charakterisieren: 𝑭⃗ =𝒎 𝒂⃗ Aufgrund der Masseneigenschaft eines Körpers hat auch jeder Körper im Gravitationsfeld eine Schwere oder Gewicht. Es wirkt die sogenannte Schwerkraft 𝐹⃗ oder Gravitationskraft auf ihn. Diese Kraft ist umso größer, je größer die Masse des Körpers ist: 𝐹⃗ = 𝑚. 𝑔⃗ g bezeichnet die Erdbeschleunigung und hat auf der Erdoberfläche einen ungefähren Wert von 9.81 ms-2. In diesem Zusammenhang spricht man von der schweren Masse des Körpers. Wie Experimente zeigen, sind die träge und die schwere Masse gleich, weshalb wir weiterhin schlicht von der Masse sprechen. Für die Grundgesetzmäßigkeiten der Bewegung von Körpern unter dem Einfluss von Kräften hat Newton folgende Axiome formuliert. 1. Newtonsche Axiom (Trägheitsprinzip): Ein Körper bleibt im Zustand der Ruhe oder gleichförmig-geradlinigen Bewegung, solange keine Kraft auf ihn wirkt. 2. Newtonsche Axiom (Aktionsprinzip): Wirkt eine Kraft auf einen Körper mit der Masse m, so wird dieser beschleunigt. 𝑭⃗ = 𝒂⃗ 𝒎 3. Newtonsche Axiom (Reaktionsprinzip): Übt ein Körper 1 auf Körper 2 eine Kraft aus (Actio), so übt der Körper 2 auf den Körper 1 die gleiche, aber entgegengesetzte Kraft aus (Reactio). Actio = Reactio 𝑭𝟏𝟐⃗ = −𝑭𝟐𝟏⃗ 4.1 Einheiten von Masse und Kraft Die Masse ist im SI eine Basisgrößenart. SI-Einheit: Kilogramm (kg) Die Einheit der Kraft ist dann eine abgeleitete Einheit aus der Definitionsgleichung: 𝐹⃗ = 𝑚. 𝑎⃗ SI-Einheit: kgms-2 (Einheitenname: Newton N) 13 Z.B. erfährt eine Masse von 1 kg auf der Erdoberfläche eine Beschleunigung von 9.81 ms-2. Sie hat somit ein(e) Gewicht(skraft) oder anders formuliert übt eine Kraft auf der Erdoberfläche von 𝐹⃗ = 1. 9.81 ms-2 = 9.81 kgms-2 = 9.81 N aus. Dichte oder Massendichte oder spezifische Masse ρ: Definitionsgleichung: 𝑚 𝜌= 𝑉 SI-Einheit: kgm-3 4.2 Spezielle Kraftwirkungen 4.2.1 Gravitationskraft Die Gravitation ist eine universelle Eigenschaft aller Massen unabhängig von der chemischen Zusammensetzung. Sie äußert sich in einer gegenseitigen Anziehung der Massen. (Skalare) Definitionsgleichung: 𝑚.𝑚 𝐹= 𝛾. 𝑟 m1, m2 sind Massepunkte, r ist der Abstand der Massepunkte, γ ist die Gravitationskonstante. Abb.9: Gravitationskraft in Abhängigkeit der Massen und ihres Abstandes Die Kraft, die in einem Gravitationsfeld auf einen Körper ausgeübt wird, beträgt in seiner vektoriellen Schreibweise: 𝑚 𝑚 𝑟⃗ 𝐹⃗ = − 𝛾.. 𝑟 𝑟 ⃗ Mit = 𝑒⃗ , dem Einheitvektor Abb.10: Vektorielle Beschreibung der Gravitationskraftwirkung Unter einem Feld versteht man einen Raum, in dem an den einzelnen Raumpunkten Größen(werte) einer Größenart vorliegen. Ein Beispiel für ein skalares Feld ist das Temperaturfeld. 14 Das Gravitationsfeld ist ein vektorielles Feld. Jedem Raumpunkt kann man eine Kraft (Richtung und Betrag) zuordnen. (auch elektrische und magnetische Felder sind vektorielle Felder). Feldlinien sind gedachte Kurven im Raum, deren Tangenten in den einzelnen Punkten des Raumes die Richtung der dort auftretenden Kräfte angeben. 4.2.2 Trägheitskräfte Den Vorgang der Bewegung beschreibt man in Bezugssystemen (Koordinatensystemen), deren Ursprung beliebig gewählt werden können. Zwei Beobachter 0 und 0‘, die im Ursprung zweier zueinander bewegter Bezugssysteme sitzen, betrachten von ihrem Koordinatensystem aus, die Bewegung eines Körpers A. Bewegen sich solche Bezugssysteme mit konstanter Geschwindigkeit zueinander, so nennt man die Bezugssysteme Inertialsysteme. In solchen Systemen ist die Beschleunigung des Körpers für den Beobachter 0 und 0‘ die gleiche und deswegen messen auch beide Beobachter die gleichen Kräfte (𝐹⃗ = 𝐹′⃗ = m. a⃗). Abb. 11: Beschreibung der Koordinaten eines Punktes A in zwei sich mit der konstanten Geschwindigkeit u gegeneinander bewegenden Systemen 0 und 0‘ Bewegen sich aber die Bezugssysteme mit zeitlich veränderlicher Geschwindigkeit gegeneinander, so messen die Beobachter in beiden Systemen unterschiedliche Beschleunigungen für den zu beschreibenden Körper, somit auch unterschiedliche Kräfte. In solchen Fällen muss man zusätzliche Kräfte in beschleunigten Systemen einführen, um die Bewegung eines Körpers in diesen Systemen beschreiben zu können. a) Geradlinig gleichmäßig beschleunigte Bezugssysteme: Es wird ein im Autobus stehender Kinderwagen beim Beschleunigen des Busses (der Bus ist das beschleunigte Bezugssystem) gegen die Fahrtrichtung des Busses rollen. Ein mitfahrender Physiker beobachtet, dass eine Kraft 𝐹⃗ = −𝑚. 𝑎⃗ auf den Kinderwagen wirkt. Die Beschleunigung des Bezugssystems selbst bekommt er aber nicht mit. Dabei entspricht das „a“ der Beschleunigung des Busses. Es muss also der Physiker im Bus eine Kraft zur Beschreibung der Bewegung des Kinderwagens einführen. Dies ist aber keine „reale“ Kraft, die zwischen zwei Körpern wirkt, sondern es „scheint“ nur eine Kraft zu wirken, weil sich das beschleunigende System (Bus!) wegbewegt und der Kinderwagen aufgrund seiner Trägheit (er ist nicht mit dem Bus verbunden; auch Reibungsfreiheit sei angenommen) zurückbleibt. 15 Deshalb nennt man diese Kräfte für den Beobachter im beschleunigten System auch Scheinkräfte oder Trägheitskräfte. b) Rotierende Bezugssysteme: Wenn auch in rotierenden Bezugssystemen die Gleichung 𝐹⃗ = 𝑚. 𝑎⃗ gelten soll, muss der mitbewegte Beobachter 0‘ zusätzliche Kräfte einführen. Sie resultieren nicht aus der Wechselwirkung zweier Körper, sondern berücksichtigen die Beschleunigung des Bezugssystems, sie sind also Scheinkräfte. Bewegt sich ein Physiker auf einer rotierenden Scheibe mit, wird er mit einer Kraft nach außen gedrängt. Diese Kraft bezeichnet man als Zentrifugal- oder Fliehkraft. Für einen außenstehenden ruhenden Beobachter muss eine Kraft in Richtung Zentrum der Kreisbahn wirken, damit der Körper auf der Kreisbahn gehalten wird. Denn sonst würde er tangential zur Kreisbahn aufgrund seiner Trägheit geradlinig weiterfliegen. Für ihn ist eine Zentripetalkraft, eine Kraft, die zur Mitte hinwirkt, nötig. Betragsmäßig sind beide Kräfte gleich groß. Abb. 12: Zentripetalkraft und Zentrifugalkraft Anwendung findet die Zentrifugalkraft z. B. in der Waschmaschine, um die Wassertropfen aus der Wäsche zu entfernen oder in der Technik in sogenannten Gaszentrifugen, wenn man in einem Gas U-238 Atomkerne von U-235 Atomkernen voneinander trennen möchte (sogenannte Anreicherung in der Reaktorphysik). Zusätzlich zur Zentrifugalkraft, die in sich drehenden Systemen immer auftritt, kann auch die Corioliskraft auftreten. Sie tritt dann auf, wenn sich ein Körper im drehenden System bewegt – außer er bewegt sich parallel zur Drehachse, dann nicht. Geht man vom Mittelpunkt einer sich gegen den Uhrzeigersinn drehenden Scheibe nach außen, so steigt zwangsläufig die Umfanggeschwindigkeit der Punkte des drehenden Systems nach außen hin. Bewegt sich nun ein Körper von der Mitte nach außen, so nimmt er quasi die kleinere Umfangsgeschwindigkeit von innen nach außen mit und fällt dadurch auf seinem Weg zurück. Die Bahn ist nach rechts hin gebogen. 16 Abb. 13: Bahnspur am Boden eines ruhenden und drehenden Systems Umgekehrt wenn man von außen hin zum Mittelpunkt der Scheibe geht, nimmt man die größere Umfangsgeschwindigkeit von außen nach innen hin mit und schreitet links am Mittelpunkt vorbei. Durch diese Geschwindigkeitsänderung in Abhängigkeit des Abstandes von der Drehachse kommt es in diesem beschleunigten Bezugssystem senkrecht zum radialen Weg zu einer Beschleunigung und somit zu einer Kraftwirkung, die man als Corioliskraft bezeichnet. Diese zeigt sich in der Praxis z. B. in einer Ostabweichung fallender Körper, einseitig ausgewaschene Ufer, einseitige Beanspruchung von Eisenbahnschienen, … 4.2.3 Reibungskräfte Das sind Kräfte, die zwischen den Oberflächen zweier sich berührender Körper auftreten und deren Bewegung zueinander hemmen. Diese Reibung an den Grenzflächen bezeichnet man als äußere Reibung. Ein Körper werde durch eine Kraft F auf einer ebenen Fläche in Bewegung gesetzt. Diese Kraft muss zuerst die Haftreibungskraft (Reibungskraft in Ruhe) überwinden. Ist der Körper in Bewegung, so ist dann die zu überwindende Reibungskraft (Gleitreibungskraft) geringer. Für die Haft- und Gleitreibung gilt: 𝐹 = 𝜇.𝐹 µ ist die Reibungszahl, wobei gilt µG < µH. Abb.14: Reibungskraft in Abhängigkeit der Normalkraft FN ist die Normalkraft (sie wirkt normal zur Oberfläche) und entspricht hier der Gewichtskraft Fg = m. g. Unter innerer Reibung versteht man die Reibungskräfte zwischen Atomen bzw. Molekülen. Sie sind vergleichsweise klein. Die Reibungskraft von langsam bewegten Körpern ist proportional zur Geschwindigkeit v: FR ~ v Bei schnellen Bewegungen gilt näherungsweise: FR ~ v2 Warum fallen große Regentropfen schneller als kleine? Auf jeden Regentropfen wirkt die Gravitationskraft Fg = m.g. Dadurch werden die Regentropfen beschleunigt und deren Geschwindigkeit nimmt zu. Mit zunehmender Geschwindigkeit wird aber auch die Reibungskraft in entgegengesetzter Richtung größer (FR ~ v). Erst dann, wenn Fg und FR betragsmäßig gleich groß geworden sind, fallen die Tropfen mit konstanter Geschwindigkeit. Da Fg bei großen Tropfen größer ist, ist beim Erreichen Fg = FR die Geschwindigkeit bei großen Tropfen auch größer. 17 Abb. 15: Zeitliche Zunahme der Geschwindigkeit eines in einem Medium fallenden Körpers (FA ≙ Fg) 5 Arbeit und Energie Energie ist Arbeitsfähigkeit oder gespeicherte Arbeit. Die Arbeit ist ein Skalar und kein Vektor. Wirkt auf einen Körper betragsmäßig die Kraft F und kommt dadurch eine Verschiebung um eine Strecke s in Richtung der Kraftwirkung zustande, so definiert man als Arbeit: W=F.s SI-Einheit: kgm2s-2 Einheitenname: Joule (J) Abb.16: Definition der Arbeit Allgemeine vektorielle Definitionsgleichung: 𝑊 = 𝐹⃗. 𝑠⃗ = 𝐹. 𝑠. 𝑐𝑜𝑠𝜑 Steht der Kraftvektor senkrecht zur Richtung des Weges, so wird keine Arbeit verrichtet. Hat die Kraft jedoch dieselbe Richtung wie der Weg, dann gilt einfach: W = F. s. Ist die Kraft dem Betrage und/oder der Richtung nach längs des Weges von einem Ort 1 zu einem Ort 2 nicht konstant, so ist das Produkt W = 𝐹⃗. 𝑠⃗ in infinitesimalen Schritten aufzusummieren: 18 𝑊 = 𝐹⃗. 𝑑⃗𝑠 = 𝐹 𝑑𝑠 Will man zum Beispiel eine positive Testladung an eine andere positive Ladung heranführen (ein Proton soll dem positiven Atomkern zugefügt werden), dann muss man zur Berechnung der nötigen Energie die Kraftwirkung auf die Testladung durch die positive Ladung längs des Weges integrieren, weil die zwischen den beiden Ladungen wirkende Kraft (sogenannte Coulombkraft) vom Abstand der beiden Ladungen abhängt (analog zur Gravitationskraft). 5.1 Beispiele für verschiedene Arten mechanischer Arbeit 5.1.1 Hubarbeit Um einen Körper vom Boden auf eine Höhe h zu heben, muss man die Gewichtskraft Fg überwinden. Diese aufzuwendende Kraft Fs muss nur um einen infinitesimalen Betrag größer sein als die Gewichtskraft, im Grenzfall gleich groß. Wenn Fs > Fg, so wird der Körper zuerst beschleunigt und beim Erreichen der Höhe muss er wieder verzögert werden. Diese Energiebeiträge heben sich auf und tragen nichts zur Hubarbeit bei. 𝑑𝑊 = 𝐹⃗. 𝑑⃗𝑠 = −𝐹⃗. 𝑑⃗𝑠 = −𝐹. 𝑑𝑠. cos 𝐹⃗, 𝑑⃗𝑠 = 𝐹. 𝑑𝑠 = m.g.ds Integration von s = 0 bis s = h ergibt: 𝑊= 𝑚. 𝑔. 𝑑𝑠 = 𝑚. 𝑔. ℎ Wpot = m.g. h Ein Körper hat also in der Höhe h eine gewisse potentielle Energie (Lageenergie) in Bezug auf das Ausgangsniveau gespeichert. 5.1.2 Beschleunigungsarbeit Wird ein Körper von einem Ort s = 0 zu einem Ort s = s1 beschleunigt, so gilt: 𝑑𝑣 𝑚. 𝑣 𝑊= 𝐹 𝑑𝑠 = 𝑚. 𝑎. 𝑑𝑠 = 𝑚. 𝑑𝑠 = 𝑚. 𝑣. 𝑑𝑣 = 𝑑𝑡 2 Die Energie wird als Bewegungsenergie oder kinetische Energie gespeichert. Bei einer Geschwindigkeit v ist sie allgemein: 𝑚. 𝑣 𝑊 = 2 Mechanischer Energiesatz: In einem abgeschlossenen System, in dem keine Energie in Wärme zufolge von Reibung umgewandelt wird, bleibt die Summe der potentiellen und kinetischen Energie konstant. Beispiel: Ein Ball, der aus einer Höhe h fallen gelassen wird, erreicht am Boden seine maximale kinetische Energie, die hier gleich groß ist wie die potentielle Energie in der Höhe h. Nach der Wechselwirkung mit dem Boden wandelt der Ball wieder seine kinetische Energie in potentielle 19 Energie um, bis er die ursprüngliche Höhe erreicht hat. Dort ist dann die potentielle Energie wieder W = mgh und die kinetische Energie ist Null. Wpot + Wkin = const. Allgemeine Energiesatz: In einem abgeschlossenen System bleibt die Summe aller Energien (in den verschiedensten Formen) konstant. Beispiel: Trifft ein freies Elektron mit einer bestimmten kinetischen Energie auf ein Elektron in einer Schale der Atomhülle eines Atoms, dann kann das stoßende Elektron kinetische Energie an das gebundene Elektron abgeben. Dieses kann dadurch in eine darüber liegende Schale gehoben werden. Es wurde also ein Teil der kinetischen Energie in Anregungsenergie umgewandelt. Aber es ist keine Energie „verloren“ gegangen. 6 Leistung (P) Definitionsgleichung: 𝑊 𝑃= 𝑡 SI-Einheit: kgm2s-3 Einheitenname: Watt (W) 7 Wirkung (S) Definitionsgleichung: 𝑆 = 𝑊.𝑡 SI-Einheit: kgm2s-1 (auch Js oder Ws-2) Diese Größenart hat große Bedeutung in der Atomphysik. Es gibt eine kleinste naturgemäße Einheit, das PLANCKsche Wirkungsquantum h = 6,62. 10-34 Js. 8 Kraftstoß (K) – Impuls (p) Definitionsgleichung des Kraftstoßes: 𝐾⃗ = 𝐹⃗ 𝑑𝑡 Bei konstanter Kraftwirkung: 𝐾⃗ = 𝐹⃗. ∆𝑡 SI-Einheit: kgms-1 20 Abb.17: Der Kraftstoß als kurzeitige Integration der wirkenden Kraft Als Stoß (Kraftstoß) bezeichnet man eine kurzzeitige Kraftwirkung zwischen zwei relativ zueinander bewegten Körpern. Aufgrund eines Hammerschlages z.B. bewege sich die Masse m im reibungsfreien Fall mit einer bestimmten Geschwindigkeit v1. 𝑑𝑣⃗ 𝐹⃗ = 𝑚. 𝑎⃗ = 𝑚. → 𝐹⃗. 𝑑𝑡 = 𝑚. 𝑑𝑣⃗ 𝑑𝑡 𝐹⃗. 𝑑𝑡 = 𝑚. 𝑑𝑣⃗ = 𝑚. 𝑣⃗ Hatte die Masse m schon vor dem Stoß eine Geschwindigkeit 𝑣 ⃗, dann folgt: 𝐹⃗. 𝑑𝑡 = 𝑚. 𝑑𝑣⃗ = 𝑚. 𝑣 ⃗ − 𝑚. 𝑣 ⃗ Definitionsgleichung des Impulses 𝑝⃗: 𝑝⃗ = 𝑚. 𝑣⃗ SI-Einheit: kgms-1 Ein Kraftstoß bewirkt somit eine Änderung des Impulses einer Masse m. Sowohl der Kraftstoß als auch der Impuls sind gerichtete Größen, sprich Vektoren. Impulssatz: In einem abgeschlossenen System bleibt die vektorielle Summe aller Impulse konstant. 𝑝⃗ = 𝑐𝑜𝑛𝑠𝑡 Die auftretenden Bewegungsänderungen durch einen (Kraft)stoß lassen sich mittels Impuls- und Energiesatz beschreiben. Beim elastischen Stoß zweier Körper bleibt die Summe der kinetischen Energie der stoßenden Körper erhalten: 𝑊 , , = 𝑊 , , Es gilt neben dem Impulssatz auch der Energiesatz der Mechanik. Elastische Stöße treten sehr häufig im atomaren Bereich auf. 21 Beim unelastischen Stoß gilt wohl der Impulssatz, aber nicht der Energiesatz der Mechanik. Ein bestimmter Energieanteil der Stoßpartner wird in Wärme oder in eine andere Energieform verwandelt. Man spricht von geraden Stößen, wenn die Geschwindigkeitsvektoren vor und nach dem Stoß auf einer Geraden liegen; ansonsten liegt ein nicht gerader oder schiefer Stoß vor. Beim zentralen Stoß gehen die Flächennormale der Berührungspunkte durch die Massenmittelpunkte beider Körper. Das ist bei Kugeln immer der Fall. Man betrachte nun den Fall eines geraden, zentralen Stoßes von Kugeln: Abb.18: Studium des geraden, zentralen Stoßes Da die Bewegungen auf einer Geraden liegen, kann man die Vektorpfeile weglassen; z.B. erfolgen die Bewegungen auf der x-Achse. Man benötigt zur Beschreibung nur die x- Komponente des Vektors, y und z-Komponente sind Null. Bewegungen nach rechts haben positives Vorzeichen, Bewegungen nach links negatives. Die Geschwindigkeit des stoßenden bzw. gestoßenen Teilchens nach dem Stoß ist von den Massenverhältnissen abhängig. Die Beziehungen dafür folgen aus dem Energie- und Impulssatz des Systems aus zwei Kugeln. Nimmt man darüber hinaus an, dass die Geschwindigkeit der gestoßenen Kugel vor dem Stoß Null war, folgt zur Berechnung: 𝑚 𝑚 −1 𝑣 = 𝑣 𝑚 𝑚 +1 2 𝑣 =𝑣 𝑚 1+𝑚 v1‘ und v2‘ bezeichnen die Geschwindigkeiten der Kugeln 1 und 2 nach dem Stoß, v1 und v2 die Geschwindigkeiten vor dem Stoß. Beispiel 1: Masse 1 = Masse 2 (Stoß zweier gleich schwerer Kugeln) Abb. 19: Stoß zweier gleich schwerer Kugeln 22 Die stoßende Kugel überträgt ihren gesamten Impuls auf die gestoßene Kugel. War die gestoßene Kugel vor dem Stoß in Ruhe, dann bewegt sie sich nach dem Stoß mit der Geschwindigkeit von Kugel 1. Kugel 1 ist nach dem Stoß in Ruhe. Dies hat z. B. seine Bedeutung in der Reaktortechnik. Damit ein Neutron einen Atomkern mit hoher Wahrscheinlichkeit spalten kann, muss es abgebremst werden. Treffen Neutronen nun auf etwa gleich schwere Wasserstoffkerne (Wasser wird im Reaktor zum Abbremsen verwendet), dann verlieren diese Neutronen bei Stößen aufgrund ihrer Massenähnlichkeit sehr viel Energie. Beispiel 2: Masse 1 > Masse 2 (stoßende Kugel hat größere Masse als gestoßene) Abb.20: Stoß einer schwereren gegen eine leichtere Kugel Ist die gestoßene Kugel vor dem Stoß in Ruhe, so bewegt sie sich nach dem Stoß mit größerer Geschwindigkeit als die stoßende Kugel vor dem Stoß. Bei Wechselwirkungen von geladenen Teilchen (z. B. Protonen) mit Materie – genauer mit den Elektronen in der Atomhülle von Materieatomen - hat dieser Fall zum Beispiel seine Bedeutung. Beispiel 3: Masse 1 < Masse 2 (stoßende Kugel hat kleinere Masse als gestoßene Kugel) Abb.21: Stoß einer leichteren gegen eine schwerere Kugel Die stoßende Kugel hat nach dem Stoß eine kleinere Geschwindigkeit und eine umgekehrte Bewegungsrichtung als vor dem Stoß und die gestoßene Kugel zwar eine größere Geschwindigkeit als vor dem Stoß, jedoch einen kleineren Geschwindigkeitszuwachs als die Geschwindigkeit vom stoßenden Teilchen vorher betrug. Dies findet z. B. seine Anwendung bei der elastischen Streuung von Neutronen an Atomkernen. 23 Grenzfall: die gestoßene Kugel hat unendliche Masse (z.B. eine Wand) Abb. 22: Stoß gegen eine unendliche Masse (Wand) In diesem Fall wird der doppelte Impuls der stoßenden Kugel auf die Wand übertragen, denn die Impulsänderung ergibt sich aus der Differenz des Impulses nach dem Stoß und dem Impuls vor dem Stoß. Der Kraftstoß der Kugel auf die Wand beträgt somit: 𝐾⃗ = 2𝑚𝑣 ⃗ Nicht nur die Geschwindigkeiten sondern auch die kinetischen Energien vor und nach dem Stoß hängen von den Massenverhältnissen ab. Vor dem Stoß: 𝑊 , = und 𝑊 , =0 Nach dem Stoß (Verwendung obiger Beziehung für 𝑣 ): 𝑚 𝑣 𝑚 2𝑚 𝑊 , = = 𝑣 2 2 𝑚 +𝑚 Für das Verhältnis der kinetischen Energien der gestoßenen Kugel nach dem Stoß und der stoßenden Kugel vor dem Stoß folgt: 𝑊 , 𝑚 𝑣 4𝑚 2 𝑚 𝑚 𝑚 1 = =4 =4 𝑊 , 2 (𝑚 + 𝑚 ) 𝑚 𝑣 (𝑚 + 𝑚 ) 𝑚 𝑚 1+𝑚 Für m1 > m2 folgt: , =4 , 24 Abb. 23: Energieübertragung beim elastischen Stoß in Abhängigkeit vom Massenverhältnis der Stoßpartner Beispiel: Proton stößt gegen ein Elektron , =4 =4 = 0,0022 , Es werden also nur 0,22 % der kinetischen Energie des Protons auf das Elektron übertragen. Damit ein Proton durch Elektronen abgebremst wird, muss es sehr oft mit Elektronen wechselwirken. Ähnlich verhält es sich auch, wenn leichte Teilchen (z. B. Elektronen) auf schwere Teilchen (z.B. Protonen) stoßen. Am meisten kinetische Energie wird übertragen, wenn beide wechselwirkenden Teilchen gleiche Massen haben, z.B. Elektronen wechselwirken mit Elektronen in Atomhüllen. Bei makromechanischen Stoßprozessen wird immer ein Teil der kinetischen Energie in Wärme oder in eine andere Energieform umgewandelt. Der mechanische Energiesatz gilt nie exakt. Solche Stöße bezeichnet man als unelastisch. Bei einem total unelastischen Stoß bleiben die beiden Stoßpartner nach dem Stoß aneinanderkleben und bewegen sich mit derselben Geschwindigkeit. 9 Dynamik an starren ausgedehnten Körpern Bisher haben wir in unseren Beschreibungen das „Modell des Massenpunktes“ betrachtet. Wenn aber Phänomene mit der räumlichen Gestalt des Körpers zusammenhängen, muss man dieses Modell erweitern, im einfacheren Fall zum „Modell des starren Körpers“. Starre Körper sind solche, deren „Körperpunkte“ unveränderliche Abstände zueinander haben. D.h. der Körper wird durch von außen wirkende Kräften nicht deformiert. Beim Modell des Massepunktes greifen Kräfte nur in einem Punkt an und reine Translationsbewegungen sind die Folge. Bei einem ausgedehnten Körper kann es nun zusätzlich zu Rotationen kommen. 25 9.1 Drehmoment Die sichtbare Auswirkung einer Kraft auf einen Körper, der nur in einem Punkt (0) festgehalten wird, ist eine Drehung, wenn die Wirkungslinie der Kraft (in der Abbildung g) nicht durch diesen Punkt geht. Das Drehmoment gibt die Drehwirkung an. Die vektorielle Definition des Drehmomentes bzw. dessen Betrag lautet: 𝑇⃗ = 𝑟⃗ 𝑥 𝐹⃗ |𝑇|⃗ = |𝑟⃗ 𝑥 𝐹|⃗ = |𝑟⃗ |. 𝐹⃗ 𝑠𝑖𝑛𝜑 SI-Einheit: kgm2s-2 (auch häufig Nm) Geben Sie hier eine Formel ein. Abb. 24: Definition des Drehmomentes Das Kreuzprodukt zweier Vektoren ergibt allgemein einen Vektor, der senkrecht auf beide Vektoren steht. Liegen 𝑟⃗ und 𝐹⃗ beispielsweise in der xy-Ebene, so zeigt der Drehmomentenvektor in z-Richtung. Aus der Skizze ist ersichtlich: 𝑙 |𝑇|⃗ = |𝑟⃗ 𝑥 𝐹⃗ | = |𝑟⃗|. 𝐹⃗ 𝑠𝑖𝑛𝜑 = |𝑟⃗| 𝐹⃗ = |𝐹|. 𝑙 = 𝐹. 𝑙 𝑟 Der Betrag des Drehmoments T ist somit einfach: T=F.l Das Drehmoment ergibt sich aus „Kraft mal Hebelarm“, wobei der Hebelarm l der Normalabstand des Momentenpunktes 0 zur Angriffslinie A der Kraft ist. Anstelle eines festen Punktes (Momentenpunkt) kann eine zweite Kraft eingeführt werden. Zwei Kräfte gleichen Betrags, die längs zweier paralleler Angriffslinien in entgegengesetzten Richtungen wirken, nennt man Kräftepaar. 26 Abb.25: Definition des Kräftepaares Trägheitssatz: Ein Körper bleibt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung, wenn die Vektorsumme aller auf ihn wirkenden Kräfte und die Vektorsumme aller auf ihn wirkenden Drehmomente Null ist. Der Körper ist dann im Gleichgewicht: 𝐹 ⃗= 𝐹⃗ = 0 𝑢𝑛𝑑 𝑇 ⃗ = 𝑇⃗ Es darf also keine resultierende Kraft und kein resultierendes Kräftepaar auftreten. 9.2 (Massen-)Trägheitsmoment Die kinetische Energie eines auf einer Kreisbahn bewegten Massepunktes beträgt: 𝑚.𝑣 𝑚.𝑟 𝜔 𝜔 𝑊 = = = 𝑚.𝑟. 2 2 2 wobei v = r.ω Darin definiert man als Trägheitsmoment I: I = m. r2 SI-Einheit: kgm2 Somit kann man die kinetische Energie des rotierenden Massepunktes schreiben als (Rotationsenergie): 𝐼. 𝜔 𝑊 = 2 Allgemein kann man nun einen ausgedehnten starren Körper betrachten, der um eine starre Achse rotiert. Dann erhält man das Trägheitsmoment durch Summation der Trägheitsmomente der einzelnen Massenelemente des Körpers: 𝐼= 𝑚. 𝑟 Der Massenmittelpunkt (oder auch Schwerpunkt genannt) eines Körpers ist jener Punkt, durch den die Angriffslinie einer Kraft gehen muss, wenn bei einem frei beweglichen Körper nur Translation erfolgen soll. Betrachtet man eine Masse m, die sich um eine Achse auf einer Kreisbahn im Abstand r von der Achse bewegt, so gilt: 27 𝑑𝑣 𝑑(𝜔. 𝑟) 𝑑𝜔 𝐹 = 𝑚.𝑎 = 𝑚. =𝑚. = 𝑚.𝑟. = 𝑚.𝑟.𝛼 𝑑𝑡 𝑑𝑡 𝑑𝑡 Multipliziert man nun die linke und die rechte Seite formal jeweils mit dem Radius r, so folgt in Analogie zur translatorischen Grundgleichung der Bewegung F = m. a die dynamische Grundgleichung der Drehbewegung: 𝐹.𝑟 = 𝑚.𝑟.𝛼 𝑇 = 𝐼.𝛼 Der Kraft entspricht das Drehmoment, der Masse das Trägheitsmoment und der Beschleunigung die Winkelbeschleunigung (F = m. a T = I. α). Rollen beispielsweise zwei zylindrische Körper mit gleichen geometrischen Abmessungen und gleicher Masse, aber mit unterschiedlichem Trägheitsmoment über eine schiefe Ebene, so erfährt jener mit kleinerem Trägheitsmoment eine größere Winkelbeschleunigung. Im vorliegenden Beispiel, würde der orange Zylinder schneller rollen; d. h. die Winkelbeschleunigung α ist größer, da das Trägheitsmoment I kleiner ist (Das Drehmoment T ist für beide gleich). Abb. 26: Rotationsgeschwindigkeit zweier Zylinder gleicher Masse aber unterschiedlicher Masseverteilung 9.3 Drehimpuls Die analoge Größe zum linearen Impuls ist der Drehimpuls. Diesen erhält man, wenn man den Bahnimpuls p = mv eines auf einer Kreisbahn laufenden Massepunktes mit dem Radius der Kreisbahn multipliziert: 𝐿 = 𝑚.𝑣.𝑟 = 𝑚.𝑟.𝜔 = 𝐼.𝜔 Abb. 27: Veranschaulichung des Drehimpulses Für einen starren rotierenden Körper gilt analog durch Aufsummierung der Trägheitsmomente für die einzelnen Massenelemente: 𝐿= 𝑚. 𝑟.𝜔 28 Vektorielle Definition des Drehimpulses: 𝐿⃗ = 𝑚𝑟⃗ 𝑥 𝑣⃗ = 𝐼. 𝜔⃗ SI-Einheit: kgm2s-1 Der Drehimpuls ist ein Vektor, der in dieselbe Richtung wie die Winkelgeschwindigkeit zeigt. Bei Rotation eines Körpers in der xy-Ebene zeigen Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit in z-Richtung. Die dynamische Grundgleichung der Drehbewegung kann auch als zeitliche Änderung des Drehimpulses geschrieben werden: 𝑑𝜔 𝑑(𝐼. 𝜔) 𝑑𝐿 𝑇 = 𝐼.𝛼 = 𝐼. = = 𝑑𝑡 𝑑𝑡 𝑑𝑡 Dies kann auch vektoriell geschrieben werden: 𝑑𝐿⃗ 𝑇⃗ = 𝑑𝑡 Das bedeutet, dass ein wirkendes Drehmoment eine Änderung des Drehimpulses hervorruft. 9.3.1 Drehimpulssatz In einem abgeschlossenen System bleibt die vektorielle Summe aller Drehimpulse konstant. 𝐿⃗ = 𝐿⃗ = 𝑐𝑜𝑛𝑠𝑡 Beispiele anhand von Drehtischexperimenten: a) Steht eine Person auf einer ruhenden Drehscheibe, so ist der Gesamtdrehimpuls 𝐿⃗ , also der Drehimpuls der Person 𝐿⃗ plus der Drehimpuls der Drehscheibe 𝐿⃗ , gleich Null. Dreht die Person ihren Oberkörper in die eine Richtung, so dreht sich der Drehtisch in die andere Richtung, damit die Summe der beiden Drehimpulse Null bleibt. Der Gesamtdrehimpuls muss ja im abgeschlossenen System Mensch-Drehscheibe konstant bleiben, solange dieser von außen nicht geändert wird. b) Die Person am ruhenden Drehtisch nimmt ein ruhendes Rad zur Hand, das sie so hält, dass die Drehachse von Rad und Drehtisch auf einer Geraden liegen. Das System Rad- Drehtisch hat den Gesamtdrehimpuls Null und behält diesen aufgrund der Drehimpulserhaltung auch bei, solange von außen kein Drehimpuls übergeben wird. Die Person wirft nun das Rad an, wodurch ein bestimmter Drehimpuls 𝐿⃗ = 𝐼. 𝜔⃗ erzeugt wird. Damit der Gesamtdrehimpuls des Systems Rad-Drehtisch Null bleibt, wird vom Drehtisch ein gleich großer Gegendrehimpuls erzeugt, d.h. der Tisch dreht sich in die Gegenrichtung. 29 Abb. 28: Reaktion des Drehtisches auf eine Drehimpulsänderung des Rades innerhalb eines geschlossenen Systems Auch wenn man das Rad in einer schrägen Achsenlage zum Rotieren bringt, beginnt sich der Drehtisch – jedoch etwas langsamer – zu drehen, da der Drehimpulsvektor noch immer eine Komponente L1‘ parallel zur Drehtischachse hat. Keine Drehung des Tisches kommt jedoch zustande, wenn das Rad mit horizontaler Achse angeworfen wird, denn dann ist die Drehimpulskomponente in Richtung der Drehachse des Tisches Null. Abb. 29: Drehtisch dreht sich in entgegengesetzter Richtung wie Rad, wenn man das Rad in Bewegung setzt – auch wenn man es in schräger Lage in Bewegung setzt c) Der auf der ruhenden Drehscheibe stehenden Person wird von außen ein sich drehendes Rad so in die Hand gegeben, dass die Achsen von Rad und Drehtisch auf einer Geraden liegen. Das System hat einen Gesamtdrehimpuls 𝐿⃗ , der zur Gänze im rotierenden Rad vorliegt. Der Drehtisch bleibt in Ruhe. Erst wenn sich innerhalb des Systems ein Drehimpuls ändert, muss dieser ausgeglichen werden, damit der gesamte Drehimpuls des Systems erhalten bleibt. Wird das sich drehende Rad abgebremst (man greift in die Speichen), so beginnt sich der Drehtisch in dieselbe Richtung zu drehen wie vorhin das Rad, da der Drehimpuls aufrechterhalten werden muss. Das gleiche Ergebnis erhält man, wenn man das rotierende Rad um 90 Grad in die Horizontale kippt (Drehachse horizontal). Der Drehimpulsvektor ändert hierbei seine Richtung, d.h. die vertikale Drehimpulskomponente des Rades wird immer kleiner. Damit muss die vertikale Drehimpulskomponente des Drehtisches zunehmen, damit der Drehimpulsvektor konstant bleibt. 30 Abb. 30: Aufrechterhaltung des Drehimpulses, wenn man das Rad kippt. Drehtisch dreht sich in dieselbe Richtung wie das Rad Kippt man nun das Rad um 90 Grad weiter, d.h. um 180 Grad nach unten zur ursprünglichen Richtung, so erhält der Drehtisch den doppelten Drehimpuls. Anfangs: 𝐿⃗ = 𝐿⃗ + 0 = −𝐿⃗ + 𝐿⃗ ; daraus folgt 𝐿⃗ = 2. 𝐿⃗ d) Eine Person steht mit ausgestreckten Armen und schweren Massen in den Händen auf einem Drehtisch. Nun wird der Drehtisch von außen von einer anderen Person angeworfen. Das System Person-Drehtisch hat also einen bestimmten Drehimpuls 𝐿⃗. Wenn nun die Person die Arme an den Körper zieht, so beginnt sich der Drehtisch schneller zu drehen. Der Grund liegt darin, dass der Drehimpuls aufrechterhalten werden muss. Für den Drehimpuls gilt: 𝐿⃗ = 𝐼. 𝜔⃗. Durch das Heranziehen der Arme (und Massen) wird das Trägheitsmoment kleiner, somit muss die Winkelgeschwindigkeit größer werden, damit der Drehimpuls konstant bleibt. Abb. 31: Änderung der Winkelgeschwindigkeit bei Änderung des Trägheitsmomentes 9.4 Kreiselbewegung Wir wollen nun starre Körper betrachten, die nicht nur Rotationen um feste Achsen ausführen, sondern um freie Achsen rotieren können. Ein Kreisel ist ein rotierender Körper, bei dem sich die Lage der Drehachse räumlich und zeitlich dauernd ändern kann. Wir betrachten in weiterer Folge symmetrische Kreisel, die rotationssymmetrisch hergestellt sind. Bei diesen liegt der Drehpunkt auf der Symmetrieachse. Bei symmetrischen Kreiseln unterscheidet man drei Achsen: a) Die Symmetrieachse (hier Figurenachse F genannt) b) Die Drehimpulsachse (gegeben durch den Drehimpulsvektor 𝐿⃗, der ohne Drehmomente fest im Raum liegt) 31 c) Die momentane Drehachse, um die sich der starre Körper zu jeder Zeit dreht (wird durch die Winkelgeschwindigkeit 𝜔⃗ angezeigt) Bei einem kräftefreien symmetrischen Kreisel sind keine äußeren Kräfte und somit keine Drehmomente wirksam. Der Kreisel ist so gestaltet, dass der Drehpunkt gleich dem Massenmittelpunkt ist. Die Schwerkraft, die am Massenmittelpunkt angreift, kann kein Drehmoment erzeugen, da es keinen Hebelarm gibt. Abb. 32: kräftefreier Kreisel ohne wirksames Drehmoment Man kann den Kreisel nun so anwerfen, dass alle drei Achsen in dieselbe Richtung zeigen. Dies ist aber nicht der Regelfall. Durch einen kurzen seitlichen Schlag (Drehmomentenstoß 𝑇⃗𝑑𝑡 = ∆𝐿⃗) wird der Drehimpuls des Kreisels verändert. Die Drehimpulsachse weist eine neue Richtung auf. Die Figurenachse F beginnt nun um die raumfeste 𝐿⃗-Achse auf einem Kegelmantel zu rotieren. Diese Kegelbewegung bezeichnet man als Nutation(sbewegung). Wird nun ein symmetrischer Kreisel so gelagert, dass resultierende Kräfte bzw. Drehmomente wirksam werden, so kommt es zu einer zusätzlichen Bewegung. Dies kann man erzeugen, wenn der Drehpunkt und der Massenmittelpunkt nicht mehr zusammenfallen, z.B. indem man einen symmetrischen Kreisel schief, d.h. unter einem bestimmten Winkel α anwirft. Abb.33: Präzessionsbewegung eines symmetrischen Kreisels Zu Beginn können wieder alle drei Achsen zusammenfallen. Der Kreisel rotiert um eine gemeinsame Achse. Da aber nun – im Gegensatz zu Abb. 32 – ein Hebelarm l vorliegt, erzeugt dieser mit der vertikal nach unten zeigenden Gewichtskraft Fg (der Kreisel befindet sich ja im Gravitationsfeld) ein Drehmoment 𝑇⃗, das orthogonal (normal) auf beide Vektoren steht, d.h. in diesem Fall senkrecht zur Papierebene. Wir haben bereits gelernt, dass ein Drehmoment eine zeitliche Änderung des Drehimpulses zur Folge hat. Mathematisch ausgedrückt: 32 𝑑𝐿⃗ 𝑇⃗ = 𝑑𝑡 ⃗ ⃗ Dabei zeigen 𝑇 und 𝑑𝐿 in die gleiche Richtung. Das bedeutet, dass auch der Drehimpulsvektor in seiner Richtung senkrecht zur Papierebene verändert wird. Das wirkende Drehmoment ist im Gegensatz zu einem Drehmomentenstoß dauerhaft wirksam, was eine dauernde Änderung des Drehimpulsvektors zur Folge hat. Der Drehimpulsvektor rotiert, man sagt, er präzediert. Der Drehimpulsvektor vollführt eine Präzession(sbewegung). Fallen also beim Anwerfen alle drei Achsen zusammen und hat der Kreisel dabei eine schiefe Startposition, dann macht er aufgrund des andauernd wirkenden Drehmoments eine reine Präzessionsbewegung. Figurenachse und momentane Drehachse bewegen sich mit 𝐿⃗ mit. Versetzt man dem Kreisel zusätzlich einen Schlag, d.h. Drehmomentenstoß, so fallen die Achsen auseinander und der Präzessionsbewegung ist auch noch eine Nutationsbewegung überlagert. Zum mechanischen Kreisel gibt es auch ein Pendant in der Atomphysik, das für die Magnetresonanzbildgebung (MR) Bedeutung hat. Abb.34: Vergleich eines rotierenden Wasserstoffkerns mit einem klassischen Kreisel Präzessionsbewegung eines rotierenden Teilchens Im menschlichen Körper befinden sich viele Wasserstoffatome. Solche bestehen jeweils aus einem Elektron und einem Proton. Für die MR-Bildgebung spielen diese Protonen eine besondere Rolle. Protonen besitzen einen sogenannten Eigendrehimpuls (Spin), rotieren also in der bildlichen Vorstellung um die eigene Achse. Protonen tragen eine positive Ladung. Durch die Rotation bewegt sich diese Ladung auf einer Kreisbahn um die Drehachse und stellt einen elektrischen Strom dar. Ein Strom ruft ein Magnetfeld hervor. D.h. man kann Protonen wie kleine Stabmagnete auffassen. Bringt man einen Stabmagneten in ein äußeres magnetisches Feld 𝐵⃗, welches entsprechend Abb. 35 in z-Richtung orientiert ist, so versucht sich dieser Stabmagnet parallel zu den Feldlinien des äußeren Magnetfeldes einzustellen. In der atomaren Welt – Abb. 35: entsprechend den Gesetzen der Quantenmechanik – ist das Präzessionsbewegung eines aber nicht möglich. rotierenden Teilchens 33 Die einzelnen Protonen (für unsere Betrachtung Stabmagnete) stellen sich nicht ganz parallel und sind um einen gewissen Winkel zu den Feldlinien gekippt (ähnlich wie wenn man einen mechanischen Kreisel schräg anwirft). So wie durch das Gravitationsfeld beim mechanischen Kreisel ein Drehmoment hervorgerufen wird, geschieht dies hier durch das äußere magnetische Feld 𝐵⃗. Der Drehimpulsvektor beginnt dadurch um die Richtung des magnetischen Feldes zu präzedieren. Diese Präzessionsbewegung findet mit einer bestimmten Lamorfrequenz statt. Je größer das magnetische Feld ist, desto größer ist die Lamorfrequenz. 10 Schwingungen 10.1 Grundsätzliches Abb.36: Veranschaulichung einer Schwingung am Beispiel eines Federpendels Schwingungen sind zeitlich periodische Zustandsänderungen, bei denen nach einer bestimmten Zeit (Periodendauer τ) wieder derselbe oder ein analoger Zustand vorliegt (z.B. Federpendel). Die maximale Zustandsänderung einer Schwingung bezeichnet man als Amplitude. Ist die Amplitude zeitlich konstant, spricht man von einer ungedämpften Schwingung. Dies kann in der Realität nur durch Zufuhr von Energie aufrechterhalten werden. Ohne Energiezufuhr nimmt die Amplitude mit der Zeit ab (=gedämpfte Schwingung). Bei einer ungedämpften harmonischen Schwingung folgen die Auslenkungen zeitlich einem Sinus- oder Cosinusverlauf. Sie ist dann gegeben, wenn die rücktreibende Kraft bei Auslenkung aus der Ruhelage proportional zur Auslenkung anwächst. Eine solche ungedämpfte Schwingung wird exakt durch Schattenprojektion eines Massepunktes, der mit konstanter Geschwindigkeit eine Kreisbewegung ausführt, wiedergegeben. Abb.37: harmonische Schwingung aufgrund einer zugrundeliegenden Kreisbewegung 34 Mit Hilfe des Phasenwinkels φ kann man die momentane Auslenkung der Schwingung mathematisch beschreiben: x(φ) = x0 sinφ Unter Kreisfrequenz ω (auch Winkelgeschwindigkeit genannt) einer Schwingung versteht man die Änderung des Phasenwinkels in der Zeiteinheit. ω= = = = = = 2𝜋𝜈 mit φ0 und φ1 dem Phasenwinkel zur Zeit t0 = 0 und t1, mit 1 = 𝜈 𝜏 SI-Einheit: s-1 Einheitenname: Hertz (Hz) ν ist die Frequenz, d.h. die Anzahl der Schwingungen, die in einer Sekunde stattfinden und τ bezeichnet die Periodendauer. Je größer die Periodendauer, desto kleiner die Frequenz, also die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde. Abb.38: Veranschaulichung der Periodendauer Somit kann man eine harmonische Schwingung auch durch die Winkelgeschwindigkeit beschreiben: x(t) = x0sin(ωt) Diese Schwingungsgleichung beschreibt die Auslenkung x eines Punktes an einem bestimmten Ort in Abhängigkeit der Zeit t. 35 Abb.39: Darstellung einer Schwingung in Abhängigkeit des Winkels und der Zeit 10.2 Überlagerung von ungedämpften harmonischen Schwingungen Die resultierende Bewegung zweier sich überlagernder Schwingungen ergibt sich aus der Addition der momentanen Ausschläge zu den einzelnen Zeitpunkten 𝑥 = 𝑥 , sin(𝜔 𝑡 + 𝛿 ) und 𝑥 = 𝑥 , sin(𝜔 𝑡 + 𝛿 ): xres = x1 + x2 Das δ berücksichtigt, dass zum Zeitpunkt t = 0 schon eine beliebige Auslenkung vorliegen kann. Wenn ω1 = ω2 ist, bleibt die Phasendifferenz Δφ = δ1 – δ2 konstant. Für die Grenzfälle Δφ = 0 folgt x0,res = 2x0 und für Δφ = π folgt xres,0 = 0, wenn x0,1 = x0,2. Das Superpositionsprinzip besagt also, dass sich beliebig viele Teilschwingungen ohne sich zu stören überlagern. Das ist die Grundlage des Fouriertheorems: Jede beliebige periodische Bewegung x(t) lässt sich eindeutig durch Summation einer genügend großen Anzahl von harmonischen Schwingungen (d.h. sin- und cos-Funktionen) darstellen. Umgekehrt lässt sich jede Schwingung x(t) in harmonische Schwingungen zerlegen (Fourier- Analyse): 𝑥(𝑡) = 𝑎 + 𝑎. sin(𝑛𝜔𝑡) + 𝑏. cos(𝑛𝜔𝑡) Den analytischen Ausdruck dieser Zerlegung bezeichnet man als Fourier-Reihe und hat unendlich viele Glieder. Beispiel: Zerlegung einer periodischen Rechteckfunktion in ihre Fourier-Komponenten: 1 1 𝑦(𝑡) = sin(𝑡) + sin(3𝑡) + sin(5𝑡) + ⋯ 3 5 36 Abb. 40: Zusammensetzung einer Schwingung aus harmonischen Schwingungen 11 Wellen Eine fortschreitende Welle kann man beobachten, wenn in einem kopplungsfähigen System eine Störung hervorgerufen wird. Diese Störung (= zugeführte Energie) wird ohne Materietransport fortgeleitet. Es handelt sich um die Fortpflanzung einer Zustandsänderung (z.B. Auslenkung, Druckänderung, Änderung der elektrischen Feldstärke). 11.1 Mechanische Wellen Als erstes betrachten wir den Fall von aneinandergekoppelten Federpendeln. Es wird eine Störung durch eine harmonische Schwingung am ersten Federpendel erzeugt. 37 Man betrachte nun eine Reihe von Federpendeln, die miteinander gekoppelt sind. Führt das erste Pendel eine harmonische ungedämpfte Schwingung aus, so zieht sie nach einer bestimmten Zeitdifferenz auch das zweite mit, das zweite dann das dritte usw.. Auf diese Weise entsteht eine periodisch fortschreitende Welle. Jenes Pendel, das genau eine Periodendauer τ später erregt wird, besitzt dieselbe Auslenkung wie das erste Pendel, hat jedoch eine Schwingung weniger vollbracht. Die räumliche Periode, den Abstand zweier aufeinanderfolgender Pendel mit gleicher Phase nennt man Wellenlänge λ. Nach der Zeit τ (= Periodendauer) ist dieselbe Phase im Abstand λ wieder vorhanden. Die Welle scheint sich mit der Phasengeschwindigkeit c = vorwärts zu bewegen. Daraus folgt die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle: Abb. 42: Zustandekommen einer fortschreitenden Welle c = 𝜈.λ Abb. 43: Räumliche Periode (Wellenlänge) Alle an der Wellenbewegung teilnehmenden Punkte (Pendel) führen Schwingungen derselben Frequenz und Amplitude aus. Sie unterscheiden sich nur in ihrer Phase, sind also zeitlich etwas verschoben zueinander. Ein Punkt in der Entfernung z beginnt seine Schwingung um die Zeit t = z/c später, ist also in der Phase um die Zeit z/c zurück. Somit kann man die Auslenkung dieses Punktes beschreiben durch 𝑧 𝑥(𝑧, 𝑡) = 𝑥. sin 𝜔 (𝑡 − ) 𝑐 Das ist die Gleichung einer in z-Richtung fortschreitenden Welle. Die Auslenkung ist eine Funktion in Abhängigkeit zweier Variablen z und t. Die Gleichung beschreibt die Auslenkung x an einem Ort z zur Zeit t. 38 Wenn man die Zeit t konstant hält, bekommt man eine Momentaufnahme der Welle, eine Sinusfunktion, die nur von z abhängt. Wenn man den Ort z festhält, beschreibt diese Gleichung die Bewegung des Punktes (Pendels) am Ort z. Dieser Punkt führt am Ort z eine Sinusschwingung aus mit alleiniger Abhängigkeit von der Zeit t. Erfolgt die Auslenkung senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung spricht man von einer Transversalwelle (z.B. Seilwelle, elektromagnetische Welle). Ist die Auslenkung parallel/antiparallel zur Fortpflanzungsrichtung spricht man von einer Longitudinalwelle (z.B. Schallwellen). 11.2 Elektromagnetischen Wellen Elektromagnetische Wellen sind solche Transversalwellen, die durch periodische Änderungen der elektrischen 𝐸⃗ und magnetischen Feldstärke 𝐻⃗ entstehen. Es handelt sich bei elektromagnetischen Wellen um sich ausbreitende Schwingungen des elektromagnetischen Feldes. Mit diesen Wellen wird elektromagnetische Energie transportiert. 11.2.1 Elektromagnetische Schwingung Bei elektromagnetischen Schwingungen wandelt sich periodisch elektrische und magnetische Feldenergie ineinander um. Elektromagnetische Schwingungen treten im sogenannten elektromagnetischen Schwingkreis auf. Ein solcher besteht aus einer Kapazität (Kondensator) und einer Induktivität (Spule). Zur Beschreibung vergleiche Abbildung 30 in Analogie zum Federpendel. t = 0: Am Anfang sei der Kondensator maximal geladen. Alle Energie liegt im Kondensator gespeichert als elektrische Energie vor (entspricht der maximalen positiven Auslenkung eines Federpendels) t = : Der Kondensator entlädt sich nun über die Spule. Ladungen fließen vom Kondensator durch die Spule. Das elektrische Feld im Kondensator wird dadurch abgebaut, ein magnetisches Feld in der Spule baut sich dadurch auf, denn ein ansteigender Strom verursacht in der Spule ein Magnetfeld. Ist das magnetische Feld maximal, so ist das elektrische Feld Null. (Federpendel geht durch die Ruhelage) t = : Da kein Strom von den Kondensatorplatten mehr fließen kann, bricht das Magnetfeld in der Spule zusammen. Dadurch wird ein Strom erzeugt, der in die bisherige Stromrichtung weitergetrieben wird, wodurch sich die Kondensatorplatten umgekehrt gepolt aufladen. (Federpendel hat maximale negative Auslenkung) Dann beginnt wieder die Entladung des Kondensators in umgekehrter Richtung. 39 Abb. 44: Vergleich einer elektromagnetischen Schwingung mit der mechanischen Schwingung Man spricht bei diesem Prozess von einer Schwingung, weil sich die Spannung am Kondensator bzw. der Strom durch die Spule sinusförmig ändern. 11.2.2 Elektromagnetische Welle Werden die Kondensatorplatten im vorher beschriebenen geschlossenen Schwingkreis immer weiter auseinandergezogen, so verlaufen die elektrischen Feldlinien weiter in den Raum hinein. Zieht man auch die Spule des Schwingkreises auseinander, erhält man den sogenannten Hertzschen Dipol. Das ist ein zu einem Stab verkrümmter offener Schwingkreis. Die elektrischen Feldlinien verlaufen von der einen Seite des Kondensators zur anderen, die magnetischen Feldlinien bilden Kreise um die Dipolachse. Wie vorher beschrieben schwingen auch in einer solchen Anordnung die elektrische und magnetische Feldstärke hin und her. Sind alle negativen Ladungen an dem einen Ende und alle positiven Ladungen am anderen, entspricht dies der Situation eines geladenen Kondensators und das elektrische Feld ist maximal. Beginnen die Ladungen sich auszugleichen, so fließt ein Strom und es entsteht ein magnetisches Feld um den Dipol. Die elektrischen Feldlinien schnüren sich beim Aufbau einer entgegengesetzten elektrischen Feldstärke durch das Abfließen der positiven und negativen Ladungen auf die jeweils andere „Kondensatorplatte“ anschaulich gesprochen ab. Abb. 45: Erzeugung elektromagnetischer Felder am Beispiel eines elektrischen Dipols 40 Die elektrische und magnetische Feldstärke breiten sich als Wellen in den Raum hinein senkrecht zur Dipolachse aus und schwingen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung und senkrecht zueinander. Abb.46: Ausbreitung der elektromagnetischen Welle 11.3 Schallwelle Kräfte, die senkrecht auf Materieoberflächen wirken, verursachen einen Druck p. Diesen definiert man durch: 𝐹 𝑝= 𝐴 SI-Einheit: kgm-1s-2 (auch N/m2) Einheitenname: Pascal (Pa) 1 Pa wird auf eine Fläche von 1 m2 ausgeübt, wenn die Kraft von 1 N darauf übertragen wird. Zwar SI-fremd, aber heute noch oft verwendet ist die Einheit Bar (b): 1 Bar (b) = 105 Pa Eine Schallwelle (Dichtewelle, Druckwelle) ist eine Longitudinalwelle, bei der sich Dichteschwankungen ausbreiten. Schwingt beispielsweise eine Blattfeder in Luft, so wird durch die Bewegung des Blättchens die angrenzende Luftschicht auf der einen Seite komprimiert. Damit steigt der Druck, auf der anderen Seite entspannt sich der Druck bzw. wenn sich das Blättchen auf die andere Seite bewegt entspannt sich der Druck auf der soeben komprimierten Seite. Man hat also ein zeitliches Hin und Her von Verdichtung und Entspannung an einem Ort. Eine sogenannte Druck- oder Schallwelle breitet sich in Richtung der Bewegung des Blättchens aus. Die bewegten Luftmoleküle geben die Schallenergie im Medium weiter. Nicht die Luftmenge wird weitergeschoben, sondern lediglich die Energie. Schallwellen benötigen zur Ausbreitung ein Medium; im Vakuum können sie sich nicht ausbreiten. Abb.47: Schematische Darstellung einer longitudinalen Welle 41 Zur besseren Verständlichkeit stellt man sich eine Transversalwelle zu einem bestimmten Zeitpunkt vor. Dann dreht man die Bewegungsrichtung der einzelnen Teilchen im Uhrzeigersinn um 90 Grad und man erhält Zonen mit höherem und niedrigerem Druck. Für das menschliche Ohr wahrnehmbar sind Schallwellen im Frequenzbereich von 16 Hz bis 20 kHz. Schall mit Frequenzen darüber bezeichnet man als Ultraschall. Eine Schallwelle ist durch folgende Kenngrößen charakterisiert: a) Frequenz ν der schwingenden Teilchen b) Bewegungsamplitude x0 der schwingenden Teilchen c) Geschwindigkeitsamplitude oder Schallschnelle v0 der schwingenden Teilchen d) Druckamplitude p0 (maximale Abweichung vom Ruhedruck) durch Verdichtungen der ausgedehnten Teilchen. Der Druckverlauf der Schallwelle entspricht einer Sinusbewegung. e) Wellenlänge λ f) Schallgeschwindigkeit c Die Ausbreitungseigenschaften der Schallwelle sind materialspezifisch: In Flüssigkeiten und Weichgeweben beträgt die Ausbreitungsgeschwindigkeit ca. 1500 ms-1, im Knochen 3000 bis 4000 ms-1 und in Luft ca. 350 ms-1. g) Energiedichte w Unter Energiedichte w versteht man die mittlere Energie pro Volumseinheit, die sich z.B. durch die maximale Druckänderung Δp0 berechnen lässt: 1 ∆𝑝 𝑤= 2 𝜌.𝑐 Die Energiedichte ist also proportional zur Druckamplitude ∆𝑝. h) Schallintensität I (oder Schallstärke) Als Intensität bezeichnet man die durch eine zur Fortpflanzungsrichtung senkrechte Fläche pro Flächeneinheit in der Zeiteinheit durchgehende Energie. i) Schallwellenwiderstand Z (Schallkennimpedanz oder auch Schallhärte) Dieser spielt eine große Rolle bei Wechselwirkungen der Schallwellen mit Materie. Trifft eine Schallwelle auf eine Mediengrenzfläche, dann kommt es zum Teil zur Reflexion, zum Teil zur Transmission. Vereinfacht, wenn keine Schallenergie absorbiert wird, kann man den Schallwellenwiderstand (Impedanz) berechnen durch: 𝑍 = 𝜌.𝑐 𝜌 … Materialdichte, c … Schallgeschwindigkeit Je größer der Impedanzunterschied der beiden Medien ist, desto größer ist das Reflexionsvermögen und desto kleiner das Transmissionsvermögen: 𝑟𝑒𝑓𝑙𝑒𝑘𝑡𝑖𝑒𝑟𝑡𝑒 𝐼𝑛𝑡𝑒𝑛𝑠𝑖𝑡ä𝑡 𝑍 − 𝑍 𝑅= = 𝑒𝑖𝑛𝑓𝑎𝑙𝑙𝑒𝑛𝑑𝑒 𝐼𝑛𝑡𝑒𝑛𝑠𝑖𝑡ä𝑡 𝑍 + 𝑍 𝑡𝑟𝑎𝑛𝑠𝑚𝑖𝑡𝑡𝑖𝑒𝑟𝑡𝑒 𝐼𝑛𝑡𝑒𝑛𝑠𝑖𝑡ä𝑡 4𝑍 𝑍 𝑇= = 𝑒𝑖𝑛𝑓𝑎𝑙𝑙𝑒𝑛𝑑𝑒 𝐼𝑛𝑡𝑒𝑛𝑠𝑖𝑡ä𝑡 (𝑍 + 𝑍 ) 42 mit R + T = 1 11.4 Allgemeine Eigenschaften von Wellen Dass eine Welle im Allgemeinen zum Teil reflektiert und zum Teil transmittiert wird, haben wir soeben am Beispiel der Schallwellen gelernt. Darüber hinaus gibt es für Wellen ganz allgemein eine Reihe weiterer Charakteristika: 11.4.1 Reflexion und Brechung Fällt Licht aus dem Vakuum im Winkel α gegen das Einfallslot geneigt auf die Oberfläche eines Mediums, so wird ein Teil reflektiert, der Rest tritt unter Richtungsänderung in das Medium ein und läuft dort unter dem Winkel β gegen das Lot weiter. Fällt z.B. weißes Licht aus dem Vakuum schief auf eine Glasplatte, so werden die unterschiedlichen Frequenzen des Lichtes unterschiedlich stark gebrochen. Abb.48: Reflexion und Brechung des Lichtes Für die Reflexion und Brechung gilt: Reflexionsgesetz: α = α‘ (Einfallswinkel = Ausfallswinkel) Brechungsgesetz (SNELLIUS-Gesetz): Die Brechzahl (Brechungsindex) n gibt Auskunft wie stark ein Lichtstrahl, wenn er in ein Medium eindringt, zum Lot hin gebrochen wird. Blaues Licht (=größere Frequenz) wird stärker gebrochen als rotes (=kleinere Frequenz) und Blau hat somit eine größere Brechzahl. = = c1 und c2 sind die Ausbreitungsgeschwindigkeiten in Medium 1 und 2. Die Brechzahl n ist eine Stoffkonstante für eine bestimmte Frequenz. Je größer die Brechzahl eines Mediums, in welches der Strahl eintritt, desto mehr wird der Strahl zum Lot hin gebrochen. Unterschiedliche Frequenzen werden unterschiedlich stark gebrochen. 43 11.4.2 Dispersion Unter Dispersion versteht man die Abhängigkeit der Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Wellenart von der Frequenz (oder Wellenlänge) in einem Medium. Wie vorhin beschrieben, hängt die Ausbreitungsgeschwindigkeit mit der Brechzahl zusammen. Je größer die Brechzahl, desto kleiner die Ausbreitungsgeschwindigkeit in diesem Medium. Die Dispersion stellt man graphisch oft durch eine Abbildung, in der auf der x-Achse die Wellenlänge und auf der y-Achse die Brechzahl aufgetragen sind, dar. Abb. 49: Dispersionskurve 11.4.3 Interferenz (Überlagerung von Wellen) Breiten sich zwei oder mehrere Wellen gleichzeitig im Raum aus, so kommt es zur Überlagerung der jeweils vorhandenen Schwingungen in den verschiedenen Punkten des Raumes, wo eine Überlagerung stattfindet. Ganz allgemein bezeichnet man die Überlagerung der Wellen, genauer die Änderung der Amplitude an den einzelnen Raumpunkten durch die vorzeichenkorrekte Summation der Auslenkungen der Wellen, als Interferenz. Zum Beispiel können zwei Wellenberge aus entgegengesetzten Richtungen aufeinander zulaufen. D. h. man betrachtet die zeitliche Änderung der maximalen Amplitude der Welle; an Orten, wo sie aufeinandertreffen, addieren sie sich zu einem „großen“ Wellenberg, danach laufen sie gleich wie vorher weiter (Gesetz der ungestörten Überlagerung). Wenn zwei harmonische Wellen gleicher Wellenlänge, die sich in eine Richtung mit der gleichen Geschwindigkeit fortpflanzen, um einen bestimmten Abstand zu einander verschoben sind, dann weisen sie einen sogenannten Gangunterschied Δz auf. Man drückt hierbei den Abstand als Bruchteil der Wellenlänge aus. Man kann anstatt des Gangunterschiedes auch die Phasendifferenz Δφ angeben. Dazu betrachte man an einem Ort der Welle die relative Lage der Schwingungszustände beider Wellen, die ja in diesem Fall an allen Orten der Welle gleich ist. Beträgt dieser Gangunterschied Δz = 0, dann laufen die beiden Wellen gleicher Wellenlänge ohne Verschiebung zueinander. Ist auch die Amplitude beider Wellen gleich, dann überlagern 44 sich die beiden Wellen nach dem Gesetz der ungestörten Überlagerung maximal. Man spricht von konstruktiver Interferenz. Abb.50: konstruktive Interferenz Beträgt der Gangunterschied Δz = , dann sind die beiden Wellen um die halbe Wellenlänge verschoben und es überlagern sich immer der „Berg“ der einen Welle mit dem „Tal“ der anderen Welle. Dadurch löschen sich die beiden Wellen in ihrer Überlagerung aus. Man spricht von destruktiver Interferenz. Abb. 51: destruktive Interferenz Es können bei der Überlagerung zweier (mehrerer) Wellen unter bestimmten Voraussetzungen (Amplituden konstant, Gangunterschiede konstant, Frequenz konstant) sogenannte Interferenzmuster entstehen. Man sieht hierbei ein statisches Bild mit „Bergen“ und „Tälern“ bzw. mit „Dunkel“ und „Hell“, die unverändert im Ort bleiben. Das sind solche Orte bzw. Bereiche, an denen immer destruktive oder konstruktive Interferenz besteht, wodurch sich optisch eine Art Muster zeigt. Beispiel für ein Interferenzbild in einer Ebene ist die Überlagerung zweier Kreiswellen, die von zwei punktförmigen Oszillatoren ausgehen, die gleiche Frequenz, gleiche Amplitude und keine Phasendifferenz haben. Orte von konstruktiver und destruktiver Interferenz liegen hierbei auf Hyperbeln. Abb.52: Interferenzmuster durch Interferenz zweier gleichartiger Kreiswellen 45 11.4.4 Stehende Wellen Eine stehende harmonische Welle entsteht, wenn man zwei gleichartige Wellen (gleiche Frequenz, gleiche Amplitude) gegeneinander aus entgegengesetzten Richtungen laufen lässt. Im Gegensatz zur fortschreitenden Welle wandert die resultierende Welle nicht weiter. In Abständen einer halben Wellenlänge, gibt es Orte, an denen die Amplitude dauernd verschwindet. Man nennt sie Bewegungsknoten. Dazwischen befinden sich Orte mit variierender Amplitude. Man nennt sie Bewegungsbäuche. Stehende Wellen transportieren keine Energie! Abb.53: Prinzip einer stehenden Welle 11.4.5 Satz von Fourier In Analogie zu den Schwingungen lässt sich jede Welle in eindeutiger Weise aus harmonischen Wellen zusammensetzen. Z. B. kann man eine Rechteckwelle (wie eine Rechteckschwingung) aus harmonischen Bestandteilen zusammensetzen. Beachte: eine Schwingung ist eine Funktion in der Zeit t an einem bestimmten Ort; eine Welle ist eine Funktion des Ortes x und der Zeit t bzw. bei einer Momentaufnahme nur eine Funktion des Ortes x. 1 1