🎧 New: AI-Generated Podcasts Turn your study notes into engaging audio conversations. Learn more

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

Full Transcript

1. EINFÜHRUNG IN DAS PRODUKTMANAGEMENT Einführung Wenn wir heute von Digitalisierung, Globalisierung und Innovation sprechen, dann stehen in der Regel d...

1. EINFÜHRUNG IN DAS PRODUKTMANAGEMENT Einführung Wenn wir heute von Digitalisierung, Globalisierung und Innovation sprechen, dann stehen in der Regel die Angebote von Unternehmen in Form von Produkten und begleitenden Dienstleistungen im Vordergrund. Die enorme Wettbewerbsintensität sorgt dafür, dass dem Management in Bezug auf die Marktfähigkeit und damit den Markterfolg eines Ange- bots eine immer entscheidendere Rolle zukommt. Die Bedeutung des Produktmanage- ments hat in den letzten Jahren deshalb rasant zugenommen. Es hat sich gerade im Hin- blick auf strategische Aufgabenstellungen, die die längerfristige Marktbearbeitung und die Innovationsfähigkeit von Unternehmen betreffen, zu einem Aktivposten der Unterneh- mensführung entwickelt. Die zunehmende Vernetzung, die Konzentration auf der Ange- Vulnerabilität botsseite und die Vulnerabilität im Nachfrageverhalten erfordern einen Managementan- Anfälligkeit der Nachfrage satz für Produkte und Dienstleistungen, der durch Agilität und strategische Fundierung auf für Veränderungen in Wirtschaft und Gesell- die sich kontinuierlich ändernden Marktanforderungen reagiert. Daraus ergeben sich die schaft nachfolgenden grundlegenden Fragestellungen: Welche Ausprägungen des Produktmanagements werden den Marktanforderungen gerecht und wie unterscheiden sich Produkte aufgrund ihrer Art und ihres Branchenfo- kus? Welche Bedeutung kommt dabei der Rolle der Produktmanager:innen zu? Wie kann das Produktmanagement im Unternehmen positioniert werden, um Kunden- und Wettbewerbsansprüchen gerecht zu werden? 1.1 Begriff, Ziele und Aufgaben des Produktmanagements „Großartige Unternehmen sind auf großartigen Produkten aufgebaut“ (Fischer, 2021). Die Autorin zitiert damit Elon Musk, den Gründer des Unternehmens Tesla, das aktuell als ein Technologieführer im Bereich der E-Mobilität gelten kann. Die Aussage zeigt, wie eng die Sicht auf ein Unternehmen mit der Beurteilung seiner Leistungen und hier insbesondere seiner Produkte zusammenhängt. Wir kennen alle bestimmt mehrere Unternehmen, die wir aufgrund ihrer bemerkenswerten und vielleicht schon seit Jahrzehnten eingeführten Produkte als führend in ihren Märkten wahrnehmen. Mit dem Automobilhersteller Tesla ist dies sogar für ein Unternehmen der Fall, das erst seit einigen Jahren den Wettbewerb mit- bestimmt. Warum ist das in dieser Form gelungen? Sicher können wir dazu festhalten, dass Tesla nicht als ein weiterer Anbieter klassischer Automobile zu sehen war und ist, sondern es sich hier um einen neuen Anbieter marktfähiger Fahrzeuge handelt, der auf eine alternative Antriebsart gesetzt hat. 12 Dies ist auch dadurch aufgefallen, dass die deutsche Automobilindustrie nach Jahrzehn- ten erfolgreicher Marktbearbeitung plötzlich in Turbulenzen gekommen ist, obwohl die Einstiegshürden für neue automobilproduzierende Unternehmen aufgrund der enormen Investitionsmittel für die Produktionsinfrastruktur sehr hoch sind. Fast gleichzeitig wurden andere Konzerne von Krisen heimgesucht, weil sie – siehe das Beispiel Volkswagen – Kund:innen mit Technikmanipulationen getäuscht hatten oder – siehe das Beispiel Opel – sie im intensiver gewordenen Wettbewerb allein nicht mehr überlebensfähig waren und nun als Teil einer größeren Konzernstruktur gemeinsam mit weiteren Marken ihren zukünftigen Erfolg suchen müssen. Wir wissen nicht, wie sich der Automobilmarkt länger- fristig entwickeln wird, da die derzeitige Transformation in diesem Sektor noch voll im Gange ist. Aber die genannten Beispiele zeigen, wie unterschiedlich die Produkte und ihre charakteristischen Eigenschaften die Position eines Unternehmens insgesamt bestimmen können. Es ist deshalb nur konsequent, dass dem Management von Produkten ein beson- derer Stellenwert im Unternehmen zukommt. Nachfolgend wollen wir uns mit wichtigen Begriffen und Zusammenhängen befassen, die im Kontext unserer Betrachtung von Pro- duktmanagement als Grundlage dienen sollen. Begriffe und Zusammenhänge im Kontext des Produktmanagements Will man sich der Bedeutung einer bestimmten Managementdomäne nähern, ist es zunächst sinnvoll, sich anhand der Begriffe und Teilbegriffe der für den Wissensbereich verwendeten Bezeichnung zu orientieren. In unserem Fall wären das die Begriffe „Pro- dukt“ und „Management“. Die Bedeutung des zweiten und eher neutralen Begriffs ist schnell geklärt: Wir sprechen in Verbindung mit der Unternehmensführung als Instanz in einem Unternehmen in der Regel vom Management des Unternehmens und meinen Management damit die Gesamtheit der Personen, die im Unternehmen Führungsaufgaben überneh- einerseits der personelle Führungskreis und ande- men. Ein:e Manager:in ist damit für uns eine Person, die nach bestimmten Prinzipien und rerseits die Gesamtheit im Kontext ihrer fachlichen Orientierung und des Funktionsbereichs, dem sie angehört, der Führungsaufgaben eines Unternehmens organisiert und plant, Ziele setzt und entscheidet bzw. Entscheidungen vorbereitet, delegiert und koordiniert, informiert und bewertet sowie kontrolliert. Die Dualität des Begriffs Management liegt somit darin, dass wir damit einerseits die Füh- rungskraft und andererseits die Führungsaufgaben meinen. Der Begriff Produkt wiederum Produkt lässt sich deuten, wenn wir den bisherigen Bezug zu Markt, Unternehmen und Wettbewerb Erzeugnis, das in einem Produktionsprozess ent- verwenden und daher von Erzeugnissen sprechen, die in Produktionsprozessen entstehen steht und in Märkten und in Märkten von Unternehmen den Konsument:innen und/oder anderen Unternehmen angeboten und erworben angeboten werden und von diesen erworben werden können. Gleichzeitig wissen wir, dass werden kann. im Zusammenhang mit Dienstleistungen und dem materiellen oder immateriellen Charak- ter von Erzeugnissen – denken wir hier zum Beispiel an den großen Markt von Computer- spielen – der Produktbegriff in einem engeren (greifbaren, materiellen) und in einem wei- teren (immateriellen) Sinn gedeutet werden kann. Wir sind nun in der Lage, auch das Produktmanagement zu definieren, wenn wir beide Begriffe inhaltlich kombinieren. 13 MERKE Produktmanagement Demnach ist Produktmanagement ein an Zielen orientiertes Managementkon- Managementfunktion, die zept, das darauf abzielt, die Entwicklung und das Angebot von marktfähigen die Marktpräsenz eines Produkts vom Marktein- Erzeugnissen und die dafür notwendigen Aufgaben der Marktbearbeitung zu tritt bis zum Marktaustritt steuern und zu koordinieren. gestaltend begleitet. Wir finden hier die inhaltlichen Elemente unserer Begriffsteile Produkt und Management wieder, und die Erweiterung um die Aufgaben der Marktbearbeitung macht deutlich, dass diese Managementdisziplin einerseits die „Lebenszeit“ eines Produktes von der Entwick- lung bis zum Marktaustritt umfasst und andererseits die Funktionsorientierung des Mana- gements sehr umfassend unterstellt wird (Steuerung und Koordination). Die implizierte Produktlebenszyklus „lebenslange“ Begleitung wird auch mit dem Begriff Produktlebenszyklus beschrieben, Phasenverlauf der Nach- den wir in diesem Zusammenhang als Phasenverlauf der Marktpräsenz von Produkten frage nach einem Produkt vom Markteintritt bis zum sehen können, der sich an der Entwicklung der Nachfrage nach dem Produkt vom Markt- Marktaustritt eintritt (Beginn des Phasenverlaufs) bis zum Eliminieren des Angebots (Ende des Phasen- verlaufs) orientiert. UNTERNEHMEN AUF DER NACHFRAGESEITE Das Beispiel Supermarkt macht deutlich, dass wir bei Produkten eine große Viel- falt vorfinden, wenn wir das Marktgeschehen betrachten. Wir sind selbst als Ver- braucher:innen Nachfragende nach ganz unterschiedlichen Produkten für den täglichen Bedarf, das Wohnen, die Urlaubsreise oder auch die Unterhaltung. Aber auch Unternehmen bieten Produkte nicht nur an, sie fragen sie auch nach. Als abnehmende Unternehmen benötigen sie Produkte und Dienstleistungen für ihren täglichen Bedarf, für die Ausstattung von Büroräumen, für die Produktion und Fertigung oder – als Handelsunternehmen – nicht für die eigene Verwen- dung, sondern für den Weiterverkauf als Teil der Distributionskette von den her- stellenden Unternehmen zu den Verbraucher:innen. Produkte stehen also im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Handels von Verbraucher:innen und Unternehmen. Die anbietenden Unternehmen geben sich viel Mühe, ihren wirtschaft- lichen Erfolg durch eine Produktbreite zu optimieren, die auf eine hohe Nachfrage trifft, weil sie die Wünsche der Kund:innen optimal erfüllt. Im Handel nennen wir die Gesamt- Sortiment heit von Produkten oder auch von Produktgruppen das Sortiment der anbietenden Gesamtheit oder Teilge- Unternehmen. Gerade diese Vielfalt führt dazu, dass die zur Betreuung notwendige Mana- samtheit (Teilsortiment) der angebotenen Pro- gementkompetenz gebündelt werden muss und damit das Produktmanagement als Orga- dukte (Waren) eines Han- nisationsform gemeinsam mit anderen Managementdisziplinen die Unternehmen fast delsunternehmens aller Größen und Branchen in ihrer Marktbearbeitung erfolgreich unterstützt (Herrmann & Huber, 2013, S. 1). In der Industrie sprechen wir nicht von Produkten oder Waren, sondern von Gütern, die über ein Produktionsprogramm eines Unternehmens gefertigt werden. Im Verkauf sprechen wir in der Regel dann auch von Industriegütern, wenn diese nicht 14 zwingend als „fertige“ Produkte Verwendung finden, sondern auch als Teile in einer Pro- Produktionsprogramm duktion zu Bestandteilen anderer Güter werden. Ein Beispiel sind die Batterien, die in Gesamtheit der herge- stellten Produkte (Güter) Kraftfahrzeugen – siehe das Beispiel Tesla – als Antriebsquelle verbaut werden. eines Industrie- bzw. Fer- tigungsunternehmens In bestimmten Wirtschafts- oder auch Angebotsbereichen verbinden wir mit dem Produkt auch mehr als nur einen neutralen Begriff. So wird das Papiertaschentuch auch anderer Unternehmen zu einem „Tempo“ oder eine Banane eine „Chiquita“ (Herrmann & Huber, 2013, S. 2). Diese Vermischung von Produkt und Marke ist vor allem im Produktmanage- Marke ment wichtig, wenn es um Marketingaktivitäten geht und die Marke als eine Stärke im Vorstellungen, die Konsu- ment:innen bzw. Käu- Wettbewerb gesehen werden kann. Wir sprechen dann im Zusammenhang mit der Positio- fer:innen mit einem nierung im Wettbewerb von produktpolitischen Maßnahmen, die dazu führen sollen, dass bestimmten Produkt oder Konsument:innen bzw. Käufer:innen mit einem bestimmten Produkt oder einer Ware spe- einer Ware verbinden. zifische Vorstellungen verbinden, die diesem Produkt oder dieser Ware einen Vorteil gegenüber Angeboten der Konkurrenz zusprechen. Der Zusammenhang zwischen Produkt und Marke macht deutlich, dass die privaten oder gewerblichen Nutzenden ihren Auswahlprozess bei einer Anschaffung an verschiedenen Kriterien festmachen können, denen wiederum die Eigenschaften von Angeboten auf Ver- kaufsseite entsprechen. Somit lassen sich Produkte über diese Eigenschaften und Krite- rien sowie den Auswahlprozess ordnen. Eine schon sehr lange gebräuchliche Einteilung orientiert sich dabei … … am Aufwand zur Beschaffung (Convenience Goods), an der Informations- und Markttransparenz (Shopping Goods) sowie an der Attraktivität der Produktgattung (Speciality Goods) … … und unterstützt damit auch die zielgerichtete Auswahl produktpolitischer Maßnahmen. Der Erwerb von Convenience Goods, wie zum Beispiel von Lebensmitteln, erfolgt mit Convenience Goods einem eher geringen zeitlichen Aufwand, da es dafür in der Regel ein genügend großes Güter/Waren des tägli- chen Bedarfs, die eher Angebot gibt und die Käufer:innen sogar zwischen mehreren Alternativen wählen können. kurzfristig und ohne grö- Der Beschaffungsaufwand ist also gering. Dies ist bei Shopping Goods eher nicht der Fall, ßeren Auswahlprozess da, zum Beispiel bei Mode- und Elektroartikeln, die Anschaffung seltener und mit einem beschafft werden. Shopping Goods Angebotsvergleich vorgenommen wird. Zur Entscheidungsfindung müssen demnach Güter/Waren des nicht zunächst Informationen – durchaus auch in Form von Erfahrungen anderer Konsu- täglichen Bedarfs, deren ment:innen – eingeholt und das Angebot gesichtet werden. Noch spezifischer ist die Erwerb mit einem größe- ren Auswahlprozess ver- Anschaffung von Speciality Goods, zum Beispiel einer Eigentumswohnung oder eines bunden ist. Wohnmobils, zu sehen. Hier sind die zeitlichen Abstände viel größer und die Auswahl Speciality Goods erfolgt nach einer umfänglicheren und individuellen Nutzenabwägung. Hier geht es auch Güter/Waren, die sehr sel- bei der privaten Anschaffung nicht selten um größere finanzielle Ausgaben, was das ten und nach einem umfänglicheren Auswahl- Sicherheitsdenken während einer Entscheidungsphase entsprechend erhöhen kann. prozess beschafft werden. Diese Unterscheidung ähnelt der Produkteinteilung, nach der Kaufinteressent:innen den Alternativen in Abhängigkeit von deren Beschaffenheit und/oder Preisniveau eine höhere oder eine geringere Aufmerksamkeit schenken (Herrmann & Huber, 2013, S. 5–6). Wenn wir den Auswahlprozess für ein bestimmtes Produkt betrachten, dann können wir hier auch eine Hierarchie in der Typisierung ausmachen, wie sie die nachfolgende Abbildung verdeutlicht. 15 Abbildung 1: Typisierung und Hierarchie von Produkt/Marke Quelle: Paul Nikodemus, 2021, in Anlehnung an Herrmann & Huber, 2013, S. 8. Als Konsument:innen verstehen wir diese Begrifflichkeiten, obwohl wir diese Überlegun- gen bei unseren täglichen Anschaffungen nicht bewusst anstellen. Etwas komplexer wird es, wenn es sich um Geschäftskund:innen handelt bzw. um Produkte, die von Unterneh- men bei Unternehmen gekauft werden. Für diese Art von Geschäftsbeziehung hat sich der Business-to-Business Begriff Business-to-Business (B2B) etabliert; die Maßnahmen der Marktbearbeitung, die (B2B) von Unternehmen für abnehmende Unternehmen bzw. Geschäftskund:innen durchge- Geschäftsbeziehung zwi- schen Unternehmen führt werden, fassen wir mit dem Begriff Business-to-Business-Marketing (B2B-Marketing) zusammen. Die Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen und Endverbraucher:innen Business-to-Consumer werden analog dazu mit dem Begriff Business-to-Consumer (B2C) bezeichnet. Die ent- (B2C) sprechende Marktbearbeitung ist dann folgerichtig Teil eines Business-to-Consumer-Mar- Geschäftsbeziehung zwi- schen Unternehmen und keting (B2C-Marketing). Der in der vorhergehenden Abbildung skizzierte Auswahlprozess Privatpersonen (Verbrau- ist aufgrund der Komplexität von Geschäftsbeziehungen und der Vielfalt von Produkten cher:innen) und Gütern für den B2B-Bereich nicht so einfach darstellbar. Hier liegen in der Regel andere Entscheidungssituationen und andere finanzielle Größenordnungen vor, weshalb wir dort auch von Investitionsentscheidungen sprechen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Kaufverhalten von Unternehmen, das sich von dem der „normalen“ Verbrau- cher:innen schon dadurch unterscheidet, dass die Beschaffung in Unternehmen organisa- torisch institutionalisiert ist. Wir finden Abteilungen, die den Einkauf organisieren – damit kommt dem Produktmanagement auf der Angebotsseite auch eine entsprechende Rolle zu, wenn es um die Marktbearbeitung geht. Die Komplexität und Vielfalt und damit auch die Qualität und Intensität der Herausforderungen im Produktmanagement hängen vor allem von mehreren Rahmenbedingungen ab, die auch wesentlich aus der Branche und der Unternehmensgröße resultieren. 16 BEISPIEL CHEMIEUNTERNEHMEN: PRODUKT UND DIENSTLEISTUNG Wenn wir zum Beispiel ein Chemieunternehmen betrachten, das Anlagen zur Prozesstechnik anschafft, dann geht es zwar im weiteren Sinn auch um ein Pro- dukt. Allerdings handelt es sich in diesem Fall eher um ein ganzes Leistungsbün- del, das aus Anlagenkomponenten und unterschiedlichen Dienstleistungen Dienstleistungen besteht. Es dürfte in den seltensten Fällen ohne eine Projektierung zum Einsatz Im Gegensatz zu materiel- len Gütern immaterielle kommen, und die Grundlage der Beauftragung wird in der Regel auch in Form Güter, die Teil von Leis- von detaillierten Leistungsbeschreibungen vorliegen müssen. Diese Kombina- tungsbündeln oder eigen- tion aus Produkt (Anlage) und Dienstleistung (Projektierung) ist für den B2B- ständige Leistungen sind. Bereich nicht untypisch. Die Komplexität erhöht sich nochmals, wenn die abnehmenden und die die Leistung nutzenden Unternehmen selbst an der Pro- jektierung mitwirken müssen, um das angestrebte Ergebnis einer funktionsfähi- gen Anlage überhaupt zu erreichen. Für den industriellen Anlagenbau wäre dies ein typisches Vorgehen. Wir sehen also, wie wichtig die Dienstleistung und die Kundenintegration in einer solchen Geschäftsbeziehung sind. Die Dienstleistung können wir demnach als eine Art immateriel- les Gut sehen, das häufig das Produkt ergänzt, seinen Einsatz ermöglicht oder seine Nut- zung begleitet. Wir kennen dies auch als Konsument:innen, wenn wir Anschaffungen täti- gen und zum Beispiel die Installation einer technischen Ausstattung im Wohnbereich oder die Wartung von technischen Geräten den Einsatz der angeschafften Produkte ergänzen. In diesen Fällen ist die Dienstleistung jeweils an das Produkt gebunden. Diese Bindung muss aber nicht bestehen, wenn wir zum Beispiel an Finanzdienstleistungen oder an die Beratung durch Consultingunternehmen denken. Wenn Dienstleistungen das Angebot eines Unternehmens ausmachen und/oder ergänzen, hat dies also automatisch auch Fol- gen für die inhaltliche Ausgestaltung des Produktmanagements. Der immaterielle Charakter ist nicht nur für die Dienstleistung prägend. Es gibt auch immaterielle Produkte, die wir zum Beispiel in Form von Anwendungssoftware oder auch Computerspielen nutzen. Auch hier gibt es Besonderheiten, die das Produktmanagement vor spezifische Aufgaben stellen. Software wird über Lizenzmodelle vertrieben. Das bedeutet, dass Anwender:innen in der Regel über ein Lizenzmodell ein Nutzungsrecht für Lizenzmodell Software erwerben, das sogar zeitlich beschränkt sein kann. Außerdem können die Nut- vertragliche Regelung für die Nutzung von Software zungsrechte in Kombination mit einem Vertragszusatz auch um zukünftige Versionen der Software ergänzt werden. Solche Wartungsverträge sorgen dafür, dass die Anwen- der:innen Versionen der Software verwenden können, die fehlerbereinigt sind oder jeweils an gesetzliche Vorgaben angepasst wurden. Das Produktmanagement muss diesen Beson- derheiten gerecht werden und im Entwicklungsprozess die Laufzeitversion als Release der Release Software und Grundlage der Lizenzierung im Blick haben. Dass dieser Umstand nicht Die Laufzeitversion einer Software, die einen immer auf das Wohlwollen der Anwender:innen trifft, hat sich zum Beispiel bei der Weiter- bestimmten Entwick- entwicklung der Bürosoftware oder der Betriebssysteme von Microsoft gezeigt. lungsstand repräsentiert. Durch die Verbreitung des Internets wurden die Softwareverteilung und auch die Wartung stark erleichtert. Anwendungen können problemlos per Download bezogen und dann direkt auf dem Zielsystem der User installiert werden. Auch die Aktualisierung der Soft- 17 ware läuft heute weitgehend automatisiert ab, was vor allem aufgrund zunehmender Cyberkriminalität immer wichtiger geworden ist. Bei gängigen Betriebssystemen ist dies bereits üblich, und auch bei Schutzsoftware (Virenscannern) ist eine regelmäßige Aktuali- sierung unerlässlich, wenn der Schutz umfassend greifen soll. Das Lizenzmodell, das aus genannten Gründen gewählt wird, ist meistens ein Abonnement, das sich jeweils verlän- gert, um Phasen ohne Schutz zu vermeiden. Softwarelizenzierungen haben mit der Möglichkeit der mobilen Kommunikation über App Smartphones und Tablets enorm zugenommen. Die Anwendungen, kurz Apps, können in Eine Anwendung (Appli- sogenannten Stores ausgewählt und per Download auf dem Zielsystem installiert werden. cation), die auf Compu- tern, Smartphones und Es ist also eine besondere Form der Distribution erforderlich, die im Produktmanagement Tablets zum Einsatz ebenfalls berücksichtigt werden muss. Für diese Art von Anwendungen ist ein eigener kommt. Markt entstanden, der neben dem privaten Bereich auch zunehmend Kundenunterneh- men erreicht hat, wenn zum Beispiel der Außendienst mobile Applikationen zur Dokumen- tation von Wartungsarbeiten nutzt oder die Personalzeiterfassung über eine App auf den Smartphones der Mitarbeiter:innen erfolgt. In Verbindung mit der Softwareentwicklung fallen uns sicher einige junge Firmen ein, die im Bereich der App- oder Spieleentwicklung gerade Erfolg haben oder, da der Erfolg nicht garantiert ist, es als Newcomer in einem intensiven Wettbewerbsumfeld nicht geschafft haben. Ein Unternehmen, das sich noch am Anfang seiner Lebenszeit befindet, bezeichnet Start-up man heute mit dem englischen Begriff Start-up. Hier stellt der Umstand, dass sich das Unternehmen am Anfang Unternehmen und in der Regel auch das Produkt und/oder die Dienstleistung, die es seiner Lebenszeit, also kurz nach dem Marktein- anbietet, noch nicht fest am Markt etablieren konnten, auch das Produktmanagement vor tritt große Herausforderungen. Die Gründer:innen unterschätzen häufig den enormen zeitli- chen und oft auch finanziellen Aufwand, der mit der Marktbearbeitung verbunden ist. Oft scheitern solche Unternehmen schon daran, dass aufgrund der zu kostspieligen und damit oft unzureichenden vertrieblichen Aktivität die vielleicht vorhandene innovative Spitzen- leistung, die in einem Produkt steckt, von potenziellen Kund:innen oder abnehmenden Unternehmen gar nicht wahrgenommen werden kann. Hier hat es das Produktmanage- ment, das innerhalb einer Konzernstruktur eine bereits etablierte Marke betreut, wesent- lich einfacher. Marktbearbeitung, finanzielle Ausstattung und die Weiterentwicklung der Marke sind dort wahrscheinlich fester Bestandteil einer Sortiments- oder Portfoliopla- nung, die als Teil der Unternehmensplanung kontinuierlich bearbeitet und abgestimmt wird. START-UP-HILFEN DURCH ETABLIERTE KONZERNE In Zusammenhang mit der Digitalisierung können wir sogar beobachten, dass Konzerne innovative Produkte identifizieren und die oft noch jungen anbieten- den Unternehmen über eine Beteiligung binden sowie mit den Voraussetzungen ausstatten, die für eine erfolgreiche Vermarktung des Produkts notwendig sind. Die kreative Leistungsfähigkeit der kleinen Organisation bleibt dabei erhalten und die Marktpräsenz des Konzerns hilft entscheidend im Wettbewerb. 18 Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Unabhängigkeit in der Regel behalten Kleine und mittlere möchten, müssen jedoch eigene Anstrengungen unternehmen, um im Produktmanage- Unternehmen (KMU) Diese haben nach einer ment dem Angebot zum Erfolg zu verhelfen. Hierfür werden nicht selten externe EU-Empfehlung weniger Expert:innen eingeschaltet, die in den verschiedenen Phasen unterstützen. Beispiele als 250 Beschäftigte und wären Ingenieurdienstleister in der Entwicklung oder Marketingagenturen im Vertrieb. einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro. Die bisherigen Ausführungen haben verdeutlicht, dass das Produktmanagement aufgrund verschiedener Rahmenbedingungen in Unternehmen vor ganz unterschiedlichen Heraus- forderungen stehen kann. Seine Leistungsfähigkeit wird davon abhängen, wie es über die richtige Selektion der Zielbündel und eine genaue und dazu passende Lösung der Aufga- benstellungen die strategischen und operativen Dimensionen seiner Gestaltungsaufgabe koordiniert und steuert. Ziele und Aufgaben des Produktmanagements Das Produktmanagement und seine Konzeptelemente sind fast 100 Jahre alt und gehen auf das amerikanische Unternehmen Procter & Gamble zurück. Procter & Gamble amerikanischer und inter- nationaler Konsumgüter- Konzern mit einem Umsatz von über 60 Mrd. US-Dollar jährlich URSPRÜNGE DES PRODUKTMANAGEMENTS Der Erfolg einer neuen Pflegeserie wollte sich nicht einstellen und die zunächst gesetzten Ziele für Umsatz und Marktanteile wurden verfehlt. Es stellte sich außerdem heraus, dass die an den internen Prozessen beteiligten Abteilungen nicht gut harmonierten, sondern sich eher durch ein Abteilungsdenken mit unterschiedlichen Prioritäten und Ansichten voneinander abgrenzten. Eine junge Führungskraft – später selbst Geschäftsführer des Unternehmens – sollte sich dann um die Pflegeserie kümmern und alle damit verbundenen externen und internen Aktivitäten optimieren und koordinieren. Da er damit großen Erfolg hatte, führte das Unternehmen diesen Managementansatz unterneh- mensweit ein: Das Produktmanagement für Produktgruppen und einzelne Pro- dukte mit einer eindeutigen personellen Zuordnung (Produktmanager:in) war geboren. Es setzte sich danach in der gesamten Konsumgüterindustrie durch und auch andere Branchen folgten, was das Produktmanagement zu einer heute weitverbreiteten Manage- mentdisziplin und zu einem der wichtigsten Teilgebiete der Gesamtorganisation werden ließ. Auch immer mehr kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) setzen das Produktma- nagement zunehmend erfolgreich ein (Aumayr, 2019, S. 2). Mit diesem Beispiel zum Ursprung des Produktmanagements können wir unsere Definition dieser Managementdis- ziplin auch um die darin genannten Aspekte erweitern und feststellen, dass das Produkt- management „auf die Notwendigkeit der funktions- und bereichsübergreifenden Steue- rung und Koordination von Produkten oder Produktgruppen ausgerichtet ist“ (Aumayr, 2019, S. 6). 19 Das Beispiel zum Ursprung des Produktmanagements hat auch gezeigt, dass nur eine ganzheitliche Sicht auf das Produkt mit den relevanten Perspektiven … … Markt, Produktion und Marktbearbeitung … … den Produkterfolg ermöglichen kann. Daraus lassen sich mehrere Teilziele für das Pro- duktmanagement mit übergreifender Aufgabenkoordination ableiten (Aumayr, 2019, S. 6): 1. Produktmanagement mit dem Ziel einer langfristigen strategischen Orientierung zur Sicherstellung der Marktstellung des Produkts (Vertrieb); 2. Produktmanagement mit dem Ziel einer flexiblen Herstellung von marktorientierten Produktvarianten ohne große Produktionsvorlaufzeiten (Produktion); 3. Produktmanagement mit dem Ziel einer Orientierung am Kundennutzen und kurzen Entwicklungszeiten bis zur Marktfähigkeit von Produkten (Forschung und Entwick- lung); 4. Produktmanagement mit dem Ziel einer wettbewerbsorientierten Preisstrategie und Investitionen in Produktweiterentwicklungen (Finanz- und Rechnungswesen). Die nachfolgende Abbildung zeigt dazu die Perspektiven und Ziele, wie sie für den Markt als Arena des Wettbewerbs, die Produktion als Ursprung von Innovation und Funktionali- tät und die Marktbearbeitung als Orchestrierung des Instrumentariums an Aufgaben und Maßnahmen gegeben sind. Abbildung 2: Perspektiven und Ziele des Produktmanagements Quelle: Paul Nikodemus, 2021. Wir sehen hier außerdem die strategische Positionierung, die auch zum Produktmanage- ment gehört und seinen Stellenwert für das Unternehmen insgesamt unterstreicht. Denn das Ziel der Aufgabenausführung ist es auch, Strategien zu entwickeln, die als Grundlage einer Marktbearbeitung dienen können und dadurch auch die Kunden- und Wettbewerbs- orientierung konkretisieren und operationalisieren. Dieser Teil des Produktmanagements 20 ist nicht zu unterschätzen, da Fehler, die hier gemacht werden, danach kaum noch korri- Strategie giert werden können. Wer mit einer falschen Strategie „ins Spiel geht“, wird Schwierigkei- grundsätzliches und lang- fristiges Verhalten eines ten haben, dieses Manko durch eine besondere Taktik auszugleichen. Unternehmens in seinem Markt zur Erreichung langfristiger Ziele Die verschiedenen Aufgabenstellungen im Produktmanagement orientieren sich sehr stark an einem Regelkreis, der mit der Analyse beginnt und über eine Kontrolle und Opti- mierung am Ende erneut durchlaufen wird. Die einzelnen Aktivitäten beinhalten dabei die folgenden Teilaufgaben (Herrmann & Huber, 2013, S. 3–4): Analysieren: Ein hoher Wirkungsgrad von Produktmanagement setzt auch einen umfänglichen Informationsstand zu den Rahmenbedingungen voraus, die intern und extern bestehen. Stärken, Schwächen und das Leistungspotenzial der eigenen Organisa- tion müssen bekannt sein und vor allem realistisch eingeschätzt werden. Auch Chancen und Risiken, die im Außenverhältnis zu den Partnerunternehmen am Markt, Kund:innen und Konkurrenzunternehmen ausgemacht werden, sind die Basis von Kunden- und Wettbewerbsorientierung. Im Vordergrund stehen die Kundenbedürfnisse, die Wege Kunden- und Wettbe- zu den Kund:innen sowie die Leistungsfähigkeit und das Angebot der konkurrierenden werbsorientierung Ausrichtung der Marktbe- Unternehmen. Die Situationsanalyse muss also umfänglich sein. Die kontinuierliche arbeitung eines Unter- Beobachtung des Marktgeschehens und eine Kontrolle der dabei gewonnenen Erkennt- nehmens an den Kunden- nisse gehören zum Standardrepertoire des Produktmanagements. bedürfnissen und dem Verhalten seiner Konkur- Konzipieren: Nach einer umfangreichen Analyse kann die Konzeption inhaltlich renz geplant werden. Hier sind Kreativität und Schöpfergeist gefragt. Vor allem die Entwick- lung neuer Produkte stellt eine enorme Herausforderung dar, da nicht selten finanzielle Kraftanstrengungen das Risiko erhöhen. Kundenbedürfnisse und andere Anforderungen müssen mit bereits vorhandenen und formulierten Produktideen in einen Kundennut- zen und in eindeutige Produktspezifikationen überführt werden. Produktkonzept und Produktpositionierung müssen eine hohe Übereinstimmung mit den Erwartungen der Zielgruppe am Markt gewährleisten, um die für den Erfolg notwendige Differenzierung von der Konkurrenz zu erreichen. Ziel ist ein Businessplan, der auch Festlegungen zu Businessplan den erforderlichen Maßnahmen der Marktbearbeitung enthält. Er ist das zentrale Doku- vollständige Dokumenta- tion aller produktkonzep- ment für die darauf aufbauenden Aktionspläne der operativen Umsetzung und gehört tionellen Planungsberei- zu den Instrumenten, mit denen das Geschäftsmodell eines Unternehmens in konkrete che für ein Produkt Aufgaben der Marktbearbeitung überführt wird. Geschäftsmodell Art und Weise, wie Unter- Umsetzen/Koordinieren: Das erarbeitete Produktkonzept muss seine Tauglichkeit nehmen ihre Wertschöp- nachweisen. Dies passiert durch die Umsetzung in der betrieblichen Praxis, die einen fung gestalten und wichtigen Aufgabenschwerpunkt im Produktmanagement darstellt. Nicht alles kann Erträge im Markt erwirt- schaften. aber unabhängig vom übrigen Geschehen umgesetzt werden, ganz im Gegenteil. Interne Abteilungen und externe Partnerunternehmen am Markt müssen koordiniert werden, damit alle Maßnahmen auf dem Fundament der Planungen integriert ablaufen können. Dabei sind kommunikative Aufgaben und logistische Funktionen im Absatz gleichermaßen zu berücksichtigen. Optimieren: Prozesse laufen nicht immer ideal ab. Schwächen in der Ausführung müs- sen daher identifiziert und analysiert werden, um mit einer Optimierung Abhilfe schaf- fen zu können. Dies gilt für alle Phasen im Lebenszyklus von Produkten. Gerade kleinere Unternehmen tun sich aber mit dieser kontinuierlichen Optimierung schwer, da sie einen erheblichen Ressourcenaufwand verursachen kann. Zu oft liegt ein Schwerpunkt am Anfang und bei der Produktentwicklung, während die späteren Phasen weniger auf- merksam verfolgt werden. Dies kann sich dann rächen, wenn die Konkurrenz offensicht- 21

Use Quizgecko on...
Browser
Browser