Task Interruptions - Lecture Notes PDF
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Technische Universität Berlin
L. Onnasch
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This document details lecture notes on task interruptions, reviewing cognitive, action, and work psychology perspectives. It covers the concept, definition, and related issues concerning task interruptions.
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Vorlesung Handlungspsychologie Kontrolle und Koordination multipler Handlungen Aufgabenunterbrechungen 10. Aufgabenunterbrechungen (task interruptions) 10.1 Aufgabenunterbrechungen (interruptions) als Aspekt von multitasking 10.2 Forschungsperspektiven und Theorien 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsyc...
Vorlesung Handlungspsychologie Kontrolle und Koordination multipler Handlungen Aufgabenunterbrechungen 10. Aufgabenunterbrechungen (task interruptions) 10.1 Aufgabenunterbrechungen (interruptions) als Aspekt von multitasking 10.2 Forschungsperspektiven und Theorien 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive 10.2.2 Arbeitspsychologische (Anwendungs-)Perspektive 10.3 task interruptions in the wild: Interruptions during turn-arounds from a cockpit perspective 2 Handlungspsychologie | © L. Onnasch 10.1 Aufgabenunterbrechungen als Aspekt von multitasking - Erste Untersuchungen zu Aufgabenunterbrechungen durch Bljuma Zeigarnik an der Universität Berlin (1927) Zeigarnik-Effekt - Forschung zu Unterbrechungen (interruptions) seit ca. 20 Jahren zunehmend wichtiger Bereich interdisziplinärer Forschung (Informatik, Arbeitspsychologie, Kognitionspsychologie, Human Factors) zunehmende Bedeutung von Unterbrechungen an Büroarbeitsplätzen als Problem für die Arbeitsleistung (z.B. emails, Telefon, Kollegen) Aufgabenunterbrechungen bei komplexen Arbeitstätigkeiten als Problem für Arbeitsleistung und Sicherheit (z.B. Luftfahrt, Medizin) - Sowohl gesellschaftliche als auch grundlagenwissenschaftliche Bedeutung „Studies identified that 88.9% to 90% of interruptions resulted in negative consequences, such as delay in treatment and loss of concentration […]. Other studies related interruptions to a greater chance of errors in the administration of medication.” 3 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Monteiro, C., Avelar, A. F. M., & Pedreira, M. D. L. G. (2015). Interruptions of nurses' activities and patient safety: an integrative literature review. Revista latino-americana de enfermagem, 23, 169-179. 10.1 Aufgabenunterbrechungen als Aspekt von multitasking 4 Handlungspsychologie | © L. Onnasch UK Civil Aviation Authority (2023) Distraction and interruption in general aviation operations. https://www.caa.co.uk/media/lqnhlhxe/caa8230_safetysense_31_distraction_aw9.pdf 10.1 Aufgabenunterbrechungen als Aspekt von multitasking Definition Aufgabenunterbrechung „An interruption is defined as a break in the performance of a human activity initiated by a source internal or external to the recipient, with occurence situated within the context of a setting or a location. This break results in the suspension of the initial task by initiating the performance of an unplanned task with the assumption that the initial task will be resumed.“ (p. E38, Brixey et al., 2007). Definitorische Merkmale: „erzwungene“ Beschäftigung mit einer zweiten, ungeplanten Aufgabe während man eine andere Aufgabe ausführt kann durch externale oder internale Faktoren ausgelöst werden die Aufmerksamkeit muss zur Bearbeitung der zweiten Aufgabe für bestimmten Zeitraum von der ersten Aufgabe abgezogen werden Nach Erledigung der zweiten Aufgabe wird die Bearbeitung der ersten Aufgabe wieder aufgenommen 5 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Brixey, J.J., Robinson, D.J., Johnson, J.W., Johnson, T.R., Turley, J.P. & Zhang, J. (2007). A concept analysis of the phenomenon interruption. Advances in Nursing Science, 30, E26-E42. 10.1 Aufgabenunterbrechungen als Aspekt von multitasking „Anatomie“ einer Unterbrechung (Trafton et al., 2003) (Quelle: Trafton & Monk, 2008) 6 Handlungspsychologie | © L. Onnasch 10.1 Aufgabenunterbrechungen als Aspekt von multitasking Modell einer Unterbrechung von Brixey at al. (2007) 7 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Brixey, J.J., Robinson, D.J., Johnson, J.W., Johnson, T.R., Turley, J.P. & Zhang, J. (2007). A concept analysis of the phenomenon interruption. Advances in Nursing Science, 30, E26-E42. 10.2 Forschungsperspektiven und Theorien Kognitions- & handlungspsychologische Perspektive: Unterbrechungen als Problem der kognitiven Kontrolle und des Gedächtnisses Beschäftigung mit den kognitiven Prozessen, die das interruption lag und resumption lag bestimmen Ableitung von Erkenntnissen für effektives Unterbrechungsmanagement Überwiegend Laborforschung Anwendungsorientierte (handlungs- und arbeitspsychologische) Perspektive: Unterbrechungen als Problem der Handlungsregulation am Arbeitsplatz und Ursache möglicher Beeinträchtigungen Beschäftigung mit den Auswirkungen von Aufgaben- und Arbeitsunterbrechungen auf die Arbeitsleistung sowie das subjektive Stresserleben Entwicklung von Leitlinien und Unterstützungssystemen für Unterbrechungsmanagement Wichtigste Bereiche: Bürotätigkeiten, Krankenhaus, Luftfahrt 8 Handlungspsychologie | © L. Onnasch 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Unterbrechungen als Problem für Prozesse der kognitiven Kontrolle und des Gedächtnisses für Handlungsziele Beschäftigung mit der Frage, wie Handlungsziele im Arbeitsgedächtnis repräsentiert sind und jeweils aktiviert werden Erklärung für leistungsrelevante Auswirkungen von Unterbrechungen (d.h. Zeitverzögerungen und Fehler bei der Wiederaufnahme der unterbrochenen Aufgabe) Was bedeuten Unterbrechungen für das kognitive System? Wie funktioniert das Gedächtnis für Handlungsziele? Zwei sich ergänzende Ansätze: Zielaktivierungstheorie Modelle des prospektiven Gedächtnisses 9 Handlungspsychologie | © L. Onnasch 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Zielaktivierungstheorie (Altman & Trafton, 2002) - Ausgangsfrage: Wie sind hierarchisch organisierte Ziele im Gedächtnis repräsentiert und was bestimmt, welche Ziele jeweils handlungsrelevant werden? - Basis: Ansätze kognitiver Modellierung (ACT-R) - Modellannahmen: Gedächtnisspuren haben jeweils bestimmte Aktivierungsstärke, die über die Zeit abnimmt, wenn sie nicht aufrechterhalten wird - durch wiederholten Abruf (retrieval) oder innere Wiederholung (rehearsal) die jeweils am relativ stärksten aktivierte Gedächtnisspur wird abgerufen und bewusst - Hypothese: Handlungsziele sind genau wie andere Gedächtnisinhalte repräsentiert. Das am relativ stärksten aktivierte Ziel wird jeweils handlungsrelevant 10 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Altman, E.M. & Trafton, J.G. (2002). Memory for goals: an activation-based model. Cognitive Science, 26, 39-83. 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Zielaktivierungstheorie und Handlungsziele (Altman & Trafton, 2002) Damit ein Ziel handlungsrelevant wird, muss es stärker aktiviert sein als das am höchsten aktivierte konkurrierende Ziel (interference level) Wird das Ziel nicht mehr abgefragt oder aktiv memoriert, verliert es an Aktivierung und schließlich Handlungsrelevanz. ACT-R Base Level Learning Equation: m = Aktivierungsstärke n = Anzahl Abrufe T = Zeit seit das Ziel im Arbeitsgedächtnis ist 11 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Altman, E.M. & Trafton, J.G. (2002). Memory for goals: an activation-based model. Cognitive Science, 26, 39-83. 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Zielaktivierungstheorie und Handlungsziele (Altman & Trafton, 2002) Re-aktivierung eines „alten“ Ziels setzt Mechanismus zusätzlicher Aktivierung voraus Bedeutung eines „retrieval cues“ – externaler oder internaler Reiz, der zu einer zusätzlichen assoziativen Aktivierung (priming) des Ziels führt 12 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Altman, E.M. & Trafton, J.G. (2002). Memory for goals: an activation-based model. Cognitive Science, 26, 39-83. 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Zielaktivierungstheorie: Beispiel Turm von Hanoi (Altman & Trafton, 2002) Klassisches Beispiel für Aufgabe mit hierarchischer Organisation von Zielen: Der Turm soll mit möglichst wenigen Zügen von A nach C gebracht werden. Regeln: Nur jeweils die oberste Scheibe darf bewegt werden. Eine größere Scheibe darf nicht auf eine kleiner Scheibe gelegt werden. A B C http://www.neuro24.de/show_glossar.php?id=1928 13 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Altman, E.M. & Trafton, J.G. (2002). Memory for goals: an activation-based model. Cognitive Science, 26, 39-83. 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Zielaktivierungstheorie: Beispiel Turm von Hanoi (Altman & Trafton, 2002) 14 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Altman, E.M. & Trafton, J.G. (2002). Memory for goals: an activation-based model. Cognitive Science, 26, 39-83. 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Zielaktivierungstheorie und Unterbrechungen (Altman & Trafton, 2002) Unterbrechungen führen dazu, dass während einer Handlung ein neues Handlungsziel aktiviert werden muss gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass sich das „alte“ Ziel nach der Unterbrechung schnell reaktivieren lässt Drei kritische Phasen: interruption lag: hier muss spätere Re-Aktivierung vorbereitet werden – durch rehearsal oder Verknüpfung mit einem cue, der es später assoziativ aktiviert interruption phase: je länger die Unterbrechung dauert und je weniger die Möglichkeit zu rehearsal besteht, desto geringer wird das ursprüngliche Handlungsziel noch aktiviert sein resumption lag: hier muss das ursprüngliche Ziel wieder re-aktiviert werden (mittels externaler oder internaler cues) 15 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Altman, E.M. & Trafton, J.G. (2002). Memory for goals: an activation-based model. Cognitive Science, 26, 39-83. 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Prospektives Gedächtnis (Einstein et al., 2003; Dodhia & Dismukes, 2009) Prospektives Gedächtnis: Behalten und Erinnern von Handlungen, die in der Zukunft ausgeführt werden müssen, ohne dass es dafür dann einen spezifischen Hinweis gibt Kernaufgabe des Arbeitsgedächtnisses Mögliche Annahmen zu dem dafür notwendigen Ressourcenaufwand das Behalten der (einen) auszuführenden Handlung über sog. rehearsal-Prozesse geschieht quasi automatisch und benötigt nur minimale kognitive Ressourcen (minimal demands view) das Behalten über rehearsal benötigt sehr viele Ressourcen und ist nicht parallel zu anderen Handlungen möglich (prohibitively expensive view) das Behalten über rehearsal benötigt einen gewissen Umfang von Ressourcen, die zwischen der laufenden Aufgabe und der prospektiven Gedächtnisaufgabe aufgeteilt werden (active maintenance view) 16 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Dodhia, R.M. & Dismukes, R.K. (2003). Interruptions create prospective memory tasks. Applied Cognitive Psychology, 23, 73-89. 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Prospektives Gedächtnis (Einstein et al., 2003; Dodhia & Dismukes, 2009) Aus den Annahmen folgen unterschiedliche Vorhersagen dazu, wie sich die Länge eines Behaltensintervalls und mögliche zusätzliche Anforderungen auf die Gedächtnisleistung auswirken sollten Minimal demands view: prospektive Gedächtnisleistungen sollten relativ zuverlässig sein und weitgehend UNbeeinflusst bleiben von der Länge des Behaltensintervalls und zusätzlicher Anforderungen Prohibitively expensive view: prospektive Gedächtnisleistungen sollten mit länger werdenden Intervallen abnehmen, unabhängig von zusätzlichen Anforderungen Active maintenance view: prospektive Gedächtnisleistungen werden von der Länge des Behaltensintervalls kaum beeinflusst, wohl aber von zusätzlichen kognitiven Anforderungen Experimente von Einstein et al. (2003) 17 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Dodhia, R.M. & Dismukes, R.K. (2003). Interruptions create prospective memory tasks. Applied Cognitive Psychology, 23, 73-89. 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Prospektives Gedächtnis (Einstein et al., 2003; Dodhia & Dismukes, 2009) Experiment von Einstein et al. (2003) Rahmenaufgabe: VPn müssen insgesamt acht Blöcke unterschiedliche kognitiver Aufgaben bearbeiten (z.B. Kopfrechnen, Objekte kategorisieren…) Prospektive Gedächtnisaufgabe: Wenn während eines Aufgabenblocks der Bildschirm rot wird, sollen sie darauf mit Tastendruck reagieren, ABER erst am Ende des Blocks und bevor sie den nächsten starten 2 x 4 Versuchsdesign Mit oder ohne Zweitaufgabe während der Behaltens- und Ausführungsphase – auditive Monitoringaufgabe (between-subjects) Vier unterschiedlich lange Behaltensphasen (5 s, 15 s, 40 s, 40 s inkl. einer Unterbrechung; within-subjects) Abhängige Variable: % korrekter Ausführungen der prospektiven Aufgabe 18 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Einstein, G.O., McDaniel, M.A., Williford, C.L., Pagan, J.L & Dismukes, R.K. (2003). Forgetting intentions in demanding situations is rapid. Journal of Experimental Psychology: Applied, 9, 147-162. 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Prospektives Gedächtnis (Einstein et al., 2003; Dodhia & Dismukes, 2009) Experiment von Einstein et al. (2003) zusätzliche Aufgabenunterbrechung während prospektiver Gedächtnisaufgabe und Primäraufgaben 19 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Einstein, G.O., McDaniel, M.A., Williford, C.L., Pagan, J.L & Dismukes, R.K. (2003). Forgetting intentions in demanding situations is rapid. Journal of Experimental Psychology: Applied, 9, 147-162. 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Prospektives Gedächtnis (Einstein et al., 2003; Dodhia & Dismukes, 2009) Experiment von Einstein et al. (2003) Die prospektive Gedächtnisaufgabe zeigt nur dann Leistungseinbußen, wenn die Aufmerksamkeit durch eine Zweitaufgabe zusätzlich beansprucht wird Offenbar benötigt schon die kurzfristige Speicherung von Handlungszielen im Gedächtnis Aufmerksamkeit (Ressourcen) Länge der Behaltensphase ohne Einfluss Unterbrechungen verschlechtern Leistung, insbesondere bei Single-Task Bedingung 20 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Einstein, G.O., McDaniel, M.A., Williford, C.L., Pagan, J.L & Dismukes, R.K. (2003). Forgetting intentions in demanding situations is rapid. Journal of Experimental Psychology: Applied, 9, 147-162. 10.2.1 Kognitions- & Handlungspsychologische Perspektive Unterbrechungen als prospektive Gedächtnisaufgabe (Dodhia & Dismukes, 2009) Unterbrechungen lösen eine prospektive Gedächtnisaufgabe aus: „The individual must remember to resume the interrupted task without explict prompting…“ (p. 74) Wenn Unterbrechungen = prospektive Gedächtnisaufgabe, dann müssten Maßnahmen, die prospektive Gedächtnisleistungen positiv oder negativ beeinflussen, auch Leistung nach Unterbrechung beeinflussen Effekte von Unterbrechungen sollten ähnliche Muster aufweisen wie in den Befunden von Einstein et al. (2003), z.B. kein Längeneffekt; mögl. Störungen der Unterbrechungsaufgabe Negative Effekte durch hohe Beanspruchung der Unterbrechungsaufgabe Positive Effekte durch Bildung expliziter Pläne, wie genau man die Handlung in der Zukunft ausführen wird (explicit implementation plans; Gollwitzer & Brandstätter, 1997, zitiert nach Dodhia & Dismukes, 2009) Auch hier Fokus auf die drei unterschiedlichen Phasen einer Unterbrechung zum Verständnis der jeweils notwendigen kognitiven (Gedächtnis-)Prozesse 21 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Einstein, G.O., McDaniel, M.A., Williford, C.L., Pagan, J.L & Dismukes, R.K. (2003). Forgetting intentions in demanding situations is rapid. Journal of Experimental Psychology: Applied, 9, 147-162. 10.2.2 Arbeitspsychologische Perspektive Arbeitshandeln als Problem der Handlungsregulation (Hacker, 1978; Hacker & Sachse, 2013) Handlungen sind zeitlich in sich geschlossene, auf ein Ziel gerichtete sowie inhaltlich und zeitlich gegliederte Einheiten einer Tätigkeit Kognitive Grundlage der Handlungsregulation stellen intern repräsentierte Ziele („innere“ Vorwegnahmen des Handlungsresultats) und Wissensgefüge dar. Die Grundstruktur von Handlungen bilden Rückkopplungsprozesse, bei denen Handlungsergebnisse laufend mit (Teil-) Zielen abgeglichen werden Es lassen sich verschiedene Ebenen der Handlungsregulation unterscheiden Komplexe Tätigkeiten lassen sich als eine System hierarchisch-sequentiell organisierter Rückkopplungsprozesse beschreiben 22 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Hacker, W. (1978) Allgemeine Arbeitspsychologie. Bern: Huber. Hacker, W. & Sachse, P. (2013). Allgemeine Arbeitspsychologie. 3. Aufl. Göttingen: Hogrefe. 10.2.2 Arbeitspsychologische Perspektive Grundstruktur(en) des Handlungsprozesses (nach Hacker, 1986; Miller, Galanter & Pribram, 1972) Ziel Feedback Orientierung Auführung/ Überwachung Planung Rückkopplung als grundlegendes Prinzip der Handlungsregulation (TOTE-Einheit; VVR-Einheit) Entscheidung Übergeordnete Struktur (Frese & Zapf, 1994; zit. nach Baethge & Rigotti, 2010) 23 Handlungspsychologie | © L. Onnasch 10.2.2 Arbeitspsychologische Perspektive Grundstruktur(en) des Handlungsprozesses (nach Hacker, 1986; Miller, Galanter & Pribram, 1972) Hierarchisch-sequentielle Struktur von Handlungen 24 Handlungspsychologie | © L. Onnasch 10.2.2 Arbeitspsychologische Perspektive Regulationserfordernisse und Regulationsprobleme Regulationserfordernisse: Welche Regulationshandlungen sind unter welchen Bedingungen notwendig für die Zielerreichung? Unterscheidung verschiedener Regulationsebenen (sensumotorisch, perzeptiv-begrifflich bzw. wissensbasiert, intellektuell) Verfügbare Handlungsspielräume (Freiheitsgrade für Entscheidungen) Regulationsbehinderungen: Faktoren, die die Handlungsregulation bei der Ausführung einer Tätigkeit behindern bzw. erschweren, ohne dass die Person darauf Einfluss hat. Regulationsüberforderungen (Faktoren, die Leistungsvoraussetzungen überfordern) Regulationshindernisse (Faktoren, die zu Zusatzaufwand/-anstrengung führen) 25 Handlungspsychologie | © L. Onnasch 10.2.2 Arbeitspsychologische Perspektive Konzept der Regulationsbehinderungen (RHIA-Verfahren; Oesterreich et al., 1993) Regulationshindernisse Regulationsüberforderungen Aufgabenimmanent Aufgabenunspezifisch Erschwerungen Unterbrechungen Monotone Bedingungen Lärm Informatorisch* Personen Beleuchtung Zeitdruck Manuell/motorisch** Klima Funktionsstörung Vibration Blockierung Ergonomische Bed. * Wichtige Informationen stehen nicht zur Verfügung oder sind schwer zu beschaffen (z.B. schlechte Anzeigen, nicht verfügbare Ordner) ** Notwendige motorische Handlungen sind erschwert (z.B. durch Hindernisse wie herumliegendes Material) 26 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Oesterreich, R., Leitner, K & Resch, M. (1993). Analyse psychischer Anforderungen und Belastungen in der Büroarbeit. Handbuch. Göttingen: Hogrefe. 10.2.2 Arbeitspsychologische Perspektive Unterbrechungen als Regulationshindernisse - Unterbrechungen durch Personen: Vorgesetzte, Kollegen oder Kunden stellen Anforderungen, die sofort erfüllt werden müssen - Unterbrechungen durch Funktionsstörungen: Eigentlich selbstlaufende Prozesse bei Maschinen bzw. Rechnern laufen nicht einwandfrei ab und erfordern Störungsbehebung - Unterbrechungen durch Blockierungen: Arbeitsmittel sind nicht zeitgerecht verfügbar oder fallen total aus Belastungsfaktoren, die je nach Art und Umfang der Unterbrechung einen Zusatzaufwand bei der Handlungsausführung erfordern Negative Konsequenzen für Leistung bzw. Befinden/Gesundheit der handelnden Personen 27 Handlungspsychologie | © L. Onnasch 10.2 Forschungsperspektiven und Theorien - Zusammenfassung Zwei unterschiedliche Perspektiven bei der Beschäftigung mit Aufgabenunterbrechungen Kognitions- und Handlungspsychologie: Unterbrechungen als Problem der Aufrechterhaltung von Handlungszielen im Arbeitsgedächtnis mit dem Risiko des Vergessens von Handlungen Untersuchung der Prozesse auf Mikroebene, d.h. während der verschiedenen Phasen einer Unterbrechung Arbeitspsychologie: Unterbrechungen als Belastungsfaktor mit potentiellen Auswirkungen auf Leistung und Befinden Bedeutung von Unterbrechungen in verschiedenen Arbeitsfeldern und Erfassung globaler Auswirkungen Gemeinsam: Erkenntnisse für effektiven Umgang mit Unterbrechungen (Unterbrechungsmanagement) 28 Handlungspsychologie | © L. Onnasch 10.3 Interruptions in the wild Unterbrechungen haben in verschiedenen Anwendungskontexten klare Auswirkungen auf Arbeitsleistung - Pflegekräfte / Apotheker*innen: positive Korrelationen zwischen Häufigkeit von Unterbrechungen und Anzahl der Fehler (Elfering et al. 2015; Flynn et al. 1999; Hayes et al. 2015; Westbrook et al. 2010) - Krankenhaus: Korrelation zwischen Unterbrechungen und verschiedenen Aspekten der Arbeitsbelastung von Chirurg*innen, Pflegepersonal und Anästhesist*innen (Weigl et al., 2015) - Mensch-Computer-Interaktion: positiver Zusammenhang zwischen Unterbrechungen und Fehlerquote (Bailey und Konstan 2006) sowie Arbeitsbelastung der Nutzer*innen (Gupta et al. 2013; Mark et al. 2008; Zijlstra et al. 1999) - Unterbrechungen scheinen sich negativ auf emotionalen Zustand einer Person auszuwirken (Bailey und Konstan 2006; Zijlstra et al. 1999), und Betroffene nehmen sie als Beitrag zu Fehlern wahr (Armitage und Knapman 2003; Fry und Dacey 2007; Relihan et al. 2010). 29 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. 10.3 Interruptions during turn-arounds from a cockpit perspective turn-around Phase bei Pilot*innen: - Teil der ground operation - Vorbereitungsphase auf den nächsten Flug während das Flugzeug noch am Boden ist - beinhaltet viele versch. Aufgaben, Agenten, Zielstellungen - a phase of concurrent task management and as thereby vulnerable to errors (Loukopoulos et al. 2001), which can negatively affect flight safety (Loukopoulos et al. 2003) 23% der Fehler und 1/3 aller Gefahren treten am Boden auf (Helmreich et al., 2001; 2004) 30 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. 10.3 Interruptions during turn-arounds from a cockpit perspective turn-around Phase bei Pilot*innen: 31 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. 10.3 Interruptions during turn-arounds from a cockpit perspective Involvierte Agent*innen bei turn-around: 32 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. 10.3 Interruptions during turn-arounds from a cockpit perspective Studie Gontar et al. (2017) Forschungsfragen 1. Wer unterbricht Pilot*innen und wie häufig? 2. Welchen Worklaod erleben Pilot*innen während turn-around? Welche Dimensionen von Worklaod sind besonders betroffen? 3. Wie hängen Unterbrechungen mit Workload zusammen? 4. Wie wirken sich externe Faktoren (Kovariaten: Zeitdruck, Wetter, Ausnahmesituationen) auf Worklaod aus? 33 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. 10.3 Interruptions during turn-arounds from a cockpit perspective Studie Gontar et al. (2017) Stichprobe: 80 zufällig ausgewählte Crews (160 Pilot*innen), 8 Frauen Beobachtungsstudie alle turn-arounds waren im Rahmen von Kurzstreckenflügen auf einem Airbus der A320 Familie Vorabinfo an all Pilot*innen der Airline, dann zufällige Auswahl bei Ankunft an Airport, nach Zustimmung Start der Beobachtung (paper-based) bei turnaround durchschnittl. turn-around Zeit: 51.9 min., beobachtete Zeit: 41.6 min 34 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. 10.3 Interruptions during turn-arounds from a cockpit perspective Studie Gontar et al. (2017) Variablen & Kovariaten: Unterbrechungen (Art, Agent*in, extern vs. intern) mentale Beanspruchung: NASA Task Load Index Kovariaten: Zeitdruck, Wetter, außerplanmäßige Ereignisse 35 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. 10.3 Interruptions during turn-arounds Studie Gontar et al. (2017) Ergebnisse Unterbrechungen: - insgesamt 1260 Unterbrechungen während n = 80 turn-arounds - entspricht M = 7.9 (SD = 3.5) Unterbrechungen pro Pilot*in und turn-around 36 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. 10.3 Interruptions during turn-arounds from a cockpit perspective Studie Gontar et al. (2017) Ergebnisse Workload: - durchschnittl. Workload gesamt bei M = 31.7 (SD = 14.9) 37 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. 10.3 Interruptions during turn-arounds from a cockpit perspective Studie Gontar et al. (2017) Ergebnisse Unterbrechungen & Workload: 38 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. 10.3 Interruptions during turn-arounds from a cockpit perspective Studie Gontar et al. (2017) Ergebnisse Unterbrechungen & Workload + Kovariaten: 39 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. 10.3 Interruptions during turn-arounds from a cockpit perspective Studie Gontar et al. (2017) Interpretation: - Unterbrechungen scheinen schon zur Routine zu gehören Workload insgesamt nicht besonders hoch, kaum Frustration, nur teilweise Zusammenhänge zwischen Anzahl der Unterbrechungen und Workload - manche Unterbrechungen sind vorhersehbar (z.B. viele Interaktionen mit Ramp Agent), die meisten aber nicht (z.B. schwierige Passagiere) - Unterbrechungen = latente Fehlerbedingungen, die Fehler begünstigen (Reason, 2009) 40 Handlungspsychologie | © L. Onnasch Gontar, P., Schneider, S. A. E., Schmidt-Moll, C., Bollin, C., & Bengler, K. (2017). Hate to interrupt you, but… analyzing turn-arounds from a cockpit perspective. Cognition, Technology & Work, 19, 837-853. Vielen Dank. 41