Ernährungslehre - Kursbuch PDF
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IU Internationale Hochschule
2024
Natalie Bäcker
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This document is a course book titled "Ernährungslehre" (Nutrition). It covers the fundamentals of nutrition, including food composition, nutrient metabolism, and the impact of nutrition on health. The book is designed for university-level students. The course book details different aspects of human nutrition, from basic concepts to specific needs of various population groups and dietary preferences.
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ERNÄHRUNGSLEHRE DLBEWEL01 ERNÄHRUNGSLEHRE IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buchdorf [email protected]...
ERNÄHRUNGSLEHRE DLBEWEL01 ERNÄHRUNGSLEHRE IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buchdorf [email protected] www.iu.de DLBEWEL01 Versionsnr.: 001-2024-0617 Natalie Bäcker Coverbild: Adobe Stock. © 2024 IU Internationale Hochschule GmbH Dieses Lernskript ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Lernskript darf in jeglicher Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung der IU Internationale Hochschule GmbH (im Folgenden „IU“) nicht reproduziert und/oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet wer- den. Die Autor:innen/Herausgeber:innen haben sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, die Urheber:innen und Quellen der verwendeten Abbildungen zu bestimmen. Sollte es dennoch zu irrtümlichen Angaben gekommen sein, bitten wir um eine dement- sprechende Nachricht. 2 INHALTSVERZEICHNIS ERNÄHRUNGSLEHRE Einleitung Wegweiser durch das Studienskript................................................. 6 Literaturempfehlungen............................................................ 7 Übergeordnete Lernziele.......................................................... 9 Lektion 1 Grundlagen der Ernährungslehre 11 1.1 Nahrungszusammensetzung, Nährstoffanalyse................................. 12 1.2 Nährstoffumsatz............................................................. 15 Lektion 2 Nährstoffe, Nahrungsbestandteile, sowie deren Verdauung und Absorption 19 2.1 Makronährstoffe............................................................. 20 2.2 Mikronährstoffe.............................................................. 27 Lektion 3 Energie, Nährstoffbedarf und Ernährungszustand des gesunden Menschen 37 3.1 Einflussfaktoren auf den Nährstoffbedarf....................................... 38 3.2 Messung und Schätzung des Nährstoffbedarfs.................................. 41 3.3 Ermittlung des Ernährungszustandes.......................................... 42 Lektion 4 Energiezufuhr und Energieumsatz 47 4.1 Grundbegriffe............................................................... 48 4.2 Messmethoden.............................................................. 52 Lektion 5 Körperzusammensetzung und Ernährungsstatus 57 5.1 Messmethoden.............................................................. 58 5.2 Körperwasser............................................................... 61 5.3 Handkraft................................................................... 63 3 Lektion 6 Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr 65 6.1 Nährstoffbasierte Zufuhrempfehlungen........................................ 66 6.2 D-A-CH-Referenzwerte....................................................... 69 6.3 DRI – Dietary Reference Intake................................................ 72 Lektion 7 Ernährung bestimmter Bevölkerungsgruppen 75 7.1 Säuglinge und Kleinkinder.................................................... 76 7.2 Schulkinder und Jugendliche................................................. 78 7.3 Schwangere und Stillende.................................................... 80 7.4 Ältere Menschen............................................................. 83 7.5 Sportler..................................................................... 85 7.6 Vegetarier................................................................... 89 Lektion 8 Verschiedene Kostformen 93 8.1 Vollkost und leichte Vollkost.................................................. 94 8.2 Vegetarische Kostformen..................................................... 97 8.3 Konsistenzdefinierte Kostformen.............................................. 98 Verzeichnisse Literaturverzeichnis............................................................. 102 Abbildungsverzeichnis.......................................................... 105 4 EINLEITUNG HERZLICH WILLKOMMEN WEGWEISER DURCH DAS STUDIENSKRIPT Dieses Studienskript bildet die Grundlage Ihres Kurses. Ergänzend zum Studienskript ste- hen Ihnen weitere Medien aus unserer Online-Bibliothek sowie Videos zur Verfügung, mit deren Hilfe Sie sich Ihren individuellen Lern-Mix zusammenstellen können. Auf diese Weise können Sie sich den Stoff in Ihrem eigenen Tempo aneignen und dabei auf lerntyp- spezifische Anforderungen Rücksicht nehmen. Die Inhalte sind nach didaktischen Kriterien in Lektionen aufgeteilt, wobei jede Lektion aus mehreren Lernzyklen besteht. Jeder Lernzyklus enthält jeweils nur einen neuen inhaltlichen Schwerpunkt. So können Sie neuen Lernstoff schnell und effektiv zu Ihrem bereits vorhandenen Wissen hinzufügen. In der IU Learn App befinden sich am Ende eines jeden Lernzyklus die Interactive Quizzes. Mithilfe dieser Fragen können Sie eigenständig und ohne jeden Druck überprüfen, ob Sie die neuen Inhalte schon verinnerlicht haben. Sobald Sie eine Lektion komplett bearbeitet haben, können Sie Ihr Wissen auf der Lern- plattform unter Beweis stellen. Über automatisch auswertbare Fragen erhalten Sie ein direktes Feedback zu Ihren Lernfortschritten. Die Wissenskontrolle gilt als bestanden, wenn Sie mindestens 80 % der Fragen richtig beantwortet haben. Sollte das einmal nicht auf Anhieb klappen, können Sie die Tests beliebig oft wiederholen. Wenn Sie die Wissenskontrolle für sämtliche Lektionen gemeistert haben, führen Sie bitte die abschließende Evaluierung des Kurses durch. Die IU Internationale Hochschule ist bestrebt, in ihren Skripten eine gendersensible und inklusive Sprache zu verwenden. Wir möchten jedoch hervorheben, dass auch in den Skripten, in denen das generische Maskulinum verwendet wird, immer Frauen und Män- ner, Inter- und Trans-Personen gemeint sind sowie auch jene, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen oder können. 6 LITERATUREMPFEHLUNGEN ALLGEMEIN Biesalski, H. K./Grimm, P./Nowitzki-Grimm, S. (2017): Taschenatlas Ernährung. 7. Auflage, Thieme, Stuttgart. D-A-CH – Deutsche, Schweizerische, Österreichische Gesellschaft für Ernährung (2017): Referenzwerte für die Nähstoffzufuhr. 2. Auflage, Neuer Umschau Verlag, Bonn. Elmadfa, I. (2015): Ernährungslehre. 3. Auflage, Eugen Ulmer, Stuttgart. Elmadfa, I./Leitzmann, C. (2015): Ernährung des Menschen. 5. Auflage, Eugen Ulmer, Stutt- gart. Schek, A. (2017): Ernährungslehre kompakt. 6. Auflage, Umschau Zeitschriftenverlag, Wies- baden. LEKTION 1 Drewnowski, A./Fulgoni V. L. (2014): Nutrition Density: Principles and Evaluation Tools. In: American Journal of Clinical Nutrition, 99. Jg., Heft 5, S. 1223S–1228S. (Datenbank: Oxford Journals). LEKTION 2 Carreiro, A. L. et al. (2016): The Macronutrients, Appetite, and Energy Intake. In: Annual Review of Nutrition, 36. Jg., Heft 17, S. 73–103. (Im Internet verfügbar). Müller, S.-D. (2012): Mehr Ballaststoffe für mehr Gesundheit. In: foodTechnologie, Heft 1, S. 8–11. (Im Internet verfügbar). LEKTION 3 Küpper, C. (2010): Mangelernährung im Alter. In: Ernährungs Umschau, Heft 4, S. 204–211. (Im Internet verfügbar). LEKTION 4 Westerterp, K. R. (2018): Exercise, Energy Balance and Body Composition. In: European Journal of Clinical Nutrition, 72. Jg., S. 1246–1250. (Im Internet verfügbar). 7 LEKTION 5 Jequier, E./Constant, F. (2010): Water as an Essential Nutrient: The Physiological Basis of Hydration. In: European Journal of Clinical Nutrition, 64. Jg., S. 115–123. (Im Internet verfügbar). LEKTION 6 U. S. Department of Health and Human Services and U. S. Department of Agriculture (2015): Dietary Guidelines for Americans 2015–2020. (Im Internet verfügbar). LEKTION 7 Kersting, M./Hilbig, A. (2012): Ernährung bei Kleinkindern: Empfehlungen und Ernährungs- praxis. In: Journal für Ernährungsmedizin, 14. Jg., Heft 2, S. 24–29. (Im Internet verfüg- bar). LEKTION 8 Kluthe, R. et al. (2004): Das Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) e. V., der Deutschen Adipositas Gesellschaft e. V., der Deut- schen Akademie für Ernährungsmedizin (DAEM) e. V., der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) e. V., des Verbandes der Diätassistenten – Deutscher Bundesverband (VDD) e. V. und des Verbandes der Diplom-Oecotrophologen (VDOe) e. V. In: Aktuelle Ernährungsmedizin, 29. Jg., Heft 5, S. 245–253. (Im Internet verfügbar). 8 ÜBERGEORDNETE LERNZIELE Der Kurs Ernährungslehre vermittelt Ihnen zunächst Grundlagenkenntnisse über die Zusammensetzung der Nahrung, den Nährstoffumsatz und die Nährstoffdichte. Daneben erfahren Sie, welchen Einfluss die Nahrungszufuhr auf Stoffwechsel und Gesundheit hat. Außerdem werden die Messmethoden zur Bestimmung der Energiezufuhr, des Energieum- satzes sowie der Körperzusammensetzung erklärt und die Zufuhrempfehlungen der rele- vanten Fachgesellschaften erläutert und diskutiert. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz sind diese Empfehlungen in den D-A-CH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr zusammengefasst. Übergeordnet sind die „Dietary Reference Intakes (DRI)” des Institute of Medicine und der World Health Organization (WHO). Sie werden zudem die Anforderung an die Ernährung in bestimmten Bevölkerungsgrup- pen und Lebenssituationen kennenlernen sowie die Bedeutung verschiedener Kostfor- men. 9 LEKTION 1 GRUNDLAGEN DER ERNÄHRUNGSLEHRE LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – aus welchen Komponenten die Nahrung im Wesentlichen zusammengesetzt ist. – welche Aufgaben die einzelnen Nahrungsbestandteile erfüllen. – in welche Fraktionen die Nährstoffe bei der Nährstoffanalyse zerlegt werden. – woraus sich der Nährstoffumsatz berechnet. – warum Kenntnisse über die Nährstoff- und die Energiedichte von Vorteil sind. 1. GRUNDLAGEN DER ERNÄHRUNGSLEHRE Einführung Um die Qualität der Nahrungszufuhr einer bestimmten Bevölkerungsgruppe beurteilen zu können, ist es wichtig zu wissen, aus welchen Nahrungsbestandteilen/Inhaltsstoffen ein Lebensmittel zusammengesetzt ist und welche Funktionen diese Nahrungsbestandteile im Organismus haben. Für die Planung einer Diät ist das Wissen über die der Diät zugrun- deliegenden Nährstoffe entscheidend. Woher wissen wir aber, welche Nährstoffe in wel- chem Lebensmittel sind? Woher wissen wir, wie hoch der Nährstoffgehalt eines Lebens- mittels ist? Wie ist das Verhältnis von Nährstoffgehalt und Energiegehalt eines Lebensmittels? 1.1 Nahrungszusammensetzung, Nährstoffanalyse Die Nahrung ist lebensnotwendiger Bestandteil der Fortpflanzung, des Wachstums und Nährstoffe der Gesunderhaltung und Quelle aller notwendigen Nahrungsinhaltsstoffe. Nährstoffe Als Nährstoffe bezeichnet oder Nahrungsinhaltsstoffe sind chemisch definierte Elemente oder Verbindungen in der man chemisch definierte Elemente, die Bestandteil Nahrung, die sich dadurch auszeichnen, dass sie entweder Energie liefern oder eine der Nahrung sind und bestimmte Funktion im Organismus besitzen (Elmadfa 2015, S. 12). Energie liefernde unverändert oder in kör- Nährstoffe umfassen die sogenannten Makronährstoffe, zu denen Kohlenhydrate, Fette pereigene Substanzen umgewandelt für die Auf- und Proteine (Eiweiße) gehören. Sie liefern darüber hinaus das Material für den Aufbau rechterhaltung aller Kör- und Erhalt von Körpergewebe, die Synthese von Antikörpern, Botenstoffen und vieles perfunktionen benötigt mehr. Alkohol hat eine besondere Stellung, da er zwar Energie liefert, jedoch aufgrund der werden. Gefahr von Organschädigungen bei erhöhtem Verzehr nicht zu den Hauptenergielieferan- ten gehören sollte. Nicht Energie liefernde Nährstoffe sind Vitamine und Mineralstoffe (Mengen- und Spurenelemente), die ebenfalls unerlässlich für den Erhalt der Körperfunkti- onen sind. Ein Fehlen der Nährstoffe führt zu charakteristischen biochemischen oder phy- siologischen Veränderungen, die je nach fehlendem Nährstoff völlig unterschiedlich aus- geprägt sein können (Thews/Vaupel 2005, S. 344). Ob Wasser als Nährstoff im engeren Sinne einzuordnen ist, wird in der Literatur nicht eindeutig beschrieben (Hahn/Ströhle/ Wolters 2016; Rehner/Daniel 2010, S. 264). Wasser ist aber unumstritten zwingend erfor- derlich für das Stoffwechselgeschehen und wird daher als essenzieller Bestandteil der Nahrung aufgeführt. Klassisch unterscheidet man Nährstoffe, die vom Menschen nicht oder in nicht ausreich- ender Menge synthetisiert werden können, jedoch für Wachstum, Entwicklung und Erhal- tung des Lebens notwendig sind (essenzielle Nährstoffe) und Nährstoffe, die vom Organis- mus selbst synthetisiert werden können (nicht-essenzielle Nährstoffe) (Hahn/Ströhle/ Wolters 2016, S. 566). 12 Jedoch gibt es auch Nährstoffe, deren physiologische Bedeutung schwerer einzuordnen ist. Dazu gehören z. B. die Ballaststoffe, Vitaminoide oder sekundäre Pflanzenstoffe. Hier besteht kein notwendiger Bedarf. Dennoch ist ihre Aufnahme zur Funktion und Gesunder- haltung von Bedeutung. Man spricht hier von bioaktiven Substanzen (Watzl/Leitzmann Bioaktive Substanzen 2005). Sie werden daher im weitesten Sinne den Nährstoffen zugeordnet. In gesundheitsfördernden Lebensmitteln enthaltene Wirkstoffe ohne Nähr- Aus welchen möglichen essenziellen, energieliefernden und gesundheitsprotektiven Nähr- stoffcharakter nennt man stoffen sich die Nahrung zusammensetzt, zeigt die folgende Tabelle. Zusätzlich können bioaktive Substanzen. noch eine Vielzahl weiterer Inhaltsstoffe in der Nahrung vorhanden sein, wie Zusatzstoffe (z. B. Geschmacksverstärker, Süßstoffe, Farbstoffe, konservierende Stoffe), Rückstände (z. B. Schwermetalle, Radionuklide, Arzneimittel, Reinigungs- und Desinfektionsmittel) oder Verunreinigungen (z. B. Schmutz, Mikroorganismen, Vorratsschädlinge). Die Auswirkun- gen, die der Verzehr dieser Stoffe auf den menschlichen Organismus hat, sind vielfältig und zum Teil unerforscht. Rückstände und Verunreinigungen werden dabei aufgrund der gesundheitsgefährdenden Wirkung als wertmindernde Inhaltsstoffe bezeichnet (Hahn/ Ströhle/Wolters 2016, S. 471) und sind in Lebensmitteln unerwünscht (Fung/Wang/Menan 2018). V. a. die mikrobielle Zersetzung macht verderbliche Lebensmittel häufig für den Menschen ungenießbar und kann sogar gesundheitsschädigende Wirkung haben. Ergän- zend muss hier jedoch darauf hingewiesen werden, dass auch positiv zu bewertende Mik- roorganismen in Nahrungsmitteln vorhanden sein können, wie z. B. Milchsäurebakterien in Milcherzeugnissen und in Sauerkraut. Tabelle 1: Nährstoffe in der Nahrung Essentielle, energieliefernde und gesundheitsprotektive Nährstoffe Makronährstoffe Lipide (Quelle essenzieller Fettsäuren) Kohlenhydrate (Quelle für Glucose, Synthese von Nucleotiden und Nucleinsäuren) Proteine (Quelle unentbehrlicher Aminosäuren) (Alkohol – energieliefernd, geschlechtsabhängige Schwellenwerte aufgrund der Gefahr von Organschädigung) Mikronährstoffe Vitamine (überwiegend essenziell) Mineralstoffe (überwiegend essenziell) Wasser essenziell Ballaststoffe (Nahrungsfasern) zählen zu den bioaktiven Substanzen: nicht essenziell aber von ernährungsphysiologischer Relevanz (gesundheitsfördernde Wir- kung) Sekundäre Pflanzenstoffe zählen zu den Bioaktiven Substanzen: nicht essenziell aber von ernährungsphysiologischer Relevanz (gesundheitsfördernde Wir- kung), z. B. phenolische Verbindungen, Alkaloide Vitaminoide Eigensynthese im Organismus, daher nicht oder nur krankheitsbe- dingt essenziell Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2019 in Anlehnung an: Scheck 2017, S. 12. 13 Aufgaben der Nahrungsinhaltsstoffe Nur die entsprechende Kombination der Nahrungsinhaltsstoffe gewährleistet eine Voll- wertigkeit der Kost. Eine Kost gilt nach Definition der DGE dann als vollwertig, wenn sie „alle nötigen Nährstoffe, in ausreichender Menge, im richtigen Verhältnis und in der richti- gen Form“ enthält (Jungvogel et al. 2016). Dabei muss berücksichtigt werden, dass die einzelnen Nährstoffe verschiedene Funktio- nen gleichzeitig ausüben können. So dienen die Makronährstoffe Fette, Kohlenhydrate und Proteine der Energiebereitstellung. Die Proteine als Quelle unentbehrlicher Amino- säuren sind jedoch zusätzlich auch Bausubstanzen für Zellen und Gewebe. Auch Fette sind nicht nur Energielieferanten, sondern aufgrund der Fettsäuren in der Phospholipid-Dop- pelschicht auch Bausubstanzen für Zellen. Ebenso dienen die Kohlenhydrate als Bausub- stanz für Nukleinsäuren und Nukleotide. Diese Rolle wird ebenso von verschiedenen Mine- ralstoffen übernommen. Wasser sowie Proteine, Lipide, Mineralstoffe und Vitamine werden zur Stoffwechselregulation benötigt und tragen auf vielfältige Weise zum Schutz der Gesundheit bei. Während ein Austausch der energieliefernden Komponenten möglich ist, ist die Funktion von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen sehr spezifisch. So sind zum Beispiel Jod und Zink Bestandteile von Hormonen und anderen Regulations- faktoren sowie B-Vitamine, Magnesium und Zink Cofaktoren enzymatischer Reaktionen. Abbildung 1: Grundkomponenten der Nahrung Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2019 in Anlehnung an Biesalski/Grimm/Nowitzki-Grimm 2017, S. 17. Nährstoffanalyse Um Aussagen darüber treffen zu können, welche Nahrungsinhaltsstoffe in einem Lebens- mittel vorhanden sind, werden die einzelnen Lebensmittel entsprechend ihren Inhaltsstof- fen aufgeschlossen. Aus welchen Nährstoffen sich die Nahrung zusammensetzt, kann also mittels Nährstoffanalyse ermittelt werden. Dabei wird die Nahrungsfrischmasse in ver- schiedene Fraktionen zerlegt. Diese Fraktionen wiederum sind aus verschiedenen Kompo- 14 nenten zusammengesetzt. So besteht z. B. die Fraktion der leichtflüchtigen Inhaltsstoffe aus den Komponenten Ammoniak, kurzkettige Fettsäuren und Alkohole, die Fraktion der Reinasche aus den Mineralstoffen, Mengen- und Spurenelemente (Schek 2017, S. 13). Zur Verdeutlichung, in welche Komponenten die einzelnen Fraktionen bei der Nährstoffana- lyse unterteilt werden, siehe folgende Tabelle: Tabelle 2: Komponenten einzelner Fraktionen einer Nährstoffanalyse Fraktion Komponenten Leichtflüchtige Inhaltsstoffe Ammoniak, kurzkettige Fettsäuren, Alkohole Reinasche Mineralstoffe (Mengen- und Spurenelemente) Nicht-Protein-Stickstoff-Verbindungen Säureamide, freie Aminosäuren, kurze Peptide, Harnstoff, Purine, Pyrimidine, N-haltige Glycoside, Betaine, Carnitin, Ammoniumverbindungen, Phosphatide, Sphingolipide Roh- bzw. Gesamtfett Tri-/Di-/Monoglyceride, freie Fettsäuren, Wachse, Cholesterines- ter, Phospho-/Sphingolipide, Fettbegleitstoffe wie Steroide, fett- lösliche Vitamine, Carotinoide, Chlorophylle, ätherische Öle, organische Säuren Rohfaser Cellulose, Pentosane (Gerüstkohlenstoffe); Lignin, Cutin, Suberin (inkrustierte Substanzen) Stickstoff-freie Extraktstoffe Stärke, Glycogen (Polysaccharide); Glucose, Fructose, Maltose, Lactose, Saccharose; Inulin (Fructosan), Pektine, Hemicellulosen und zum Teil Cellulose, Lignin (Ballaststoffe) Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2019 in Anlehnung an Schek 2017, S. 13. 1.2 Nährstoffumsatz Die im Folgenden beschriebenen Begrifflichkeiten sollen helfen, ein Nahrungsmittel und dessen Inhaltsstoffe bezüglich seiner Wertigkeit und Funktionen besser einordnen zu kön- nen. Nährstoffumsatz Der Nährstoffumsatz (turnover) entspricht dabei der pro Zeiteinheit im Organismus ab- und aufgebauten Menge eines Nährstoffs (Schek 2017, S. 14). Er ist damit die Summe aller Stoffwechselreaktionen, an denen ein bestimmter Nährstoff beteiligt ist. Der Nährstoffum- satz wird durch die Absorption (Aufnahme) und Exkretion (Ausscheidung) der Nährstoffe bestimmt. Aus Absorption und Exkretion lässt sich die Nährstoffbilanz und damit auch der Nährstoffbedarf ermitteln. Der Nährstoffumsatz eines bestimmten Nährstoffs kann dabei deutlich über der Zufuhr dieses Nährstoffs liegen. So wird z. B. durch die Wiederverwen- dung von Aminosäuren im Stoffwechsel das ca. 2,5-fache der Stickstoffzufuhr umgesetzt (Schek 2017, S. 14). Welche Menge eines Nährstoffs absorbiert wird, ist auch von dessen Bioverfügbarkeit abhängig. 15 Bioverfügbarkeit Bioverfügbarkeit Die Bioverfügbarkeit beschreibt, in welchem Umfang ein Nährstoff in den Körper aufge- Die Menge eines Nähr- nommen wird, um dann an seinem Wirkort zur Verfügung zu stehen. Die Angabe der Bio- stoffs, die dem Körper nach Aufnahme (Absorp- verfügbarkeit erfolgt in Prozent der aufgenommenen Nährstoffmenge. Dabei kann es zu tion) zur Verfügung steht, Wechselwirkungen mit anderen Nährstoffen kommen, die die Bioverfügbarkeit positiv bezeichnet seine Biover- oder negativ beeinflussen können. So kann ein Nährstoff die Absorption (Aufnahme) eines fügbarkeit. anderen Nährstoffs positiv oder negativ beeinflussen. Beispiel: Rhabarber und Spinat weisen einen hohen Calciumgehalt, jedoch auch einen hohen Gehalt an Oxalsäure auf. Der gleichzeitig hohe Gehalt an Oxalsäure hemmt die Auf- nahme von Calcium durch Bildung von schwer löslichem Calciumoxalat. Nährstoffdichte Eine weitere wichtige Größe zur Beurteilung der Qualität eines Lebensmittels ist die Nähr- stoffdichte. Die Nährstoffdichte eines Lebensmittels ist definiert als das Verhältnis der ent- haltenen Nährstoffe zum Energiegehalt dieses Lebensmittels (Elmadfa/Leitzmann 2015, S. 92): Nährstoffgehalt (μg oder mg oder g pro 100 g) Nährstoffdichte = Brennwert (kcal oder kj oder MJ pro 100 g) Ist der Nährstoffgehalt in Bezug auf den Brennwert sehr hoch, so gilt das Lebensmittel als qualitativ besonders hochwertig. Zur Gesunderhaltung zielen Ernährungsempfehlungen auf das Erreichen einer hohen Nährstoffdichte ab. Mithilfe der Nährstoffdichte lässt sich zum einen besser abschätzen, ob ein Lebensmittel im Vergleich zu einem anderen Lebens- mittel eine gute Quelle für einen bestimmten Nährstoff darstellt. Zum anderen lässt sich mithilfe der Nährstoffdichte die Nährstoffversorgung verschiedener Menschen individuel- ler beurteilen. Wichtig sind Kenntnisse über die Nährstoffdichte besonders zur Erstellung einer Reduktionskost, da hier die Energiemenge reduziert werden soll, der Körper jedoch mit allen wichtigen Nährstoffen in ausreichender Menge versorgt sein muss. Die Nährstoffdichte ist umso höher, je nährstoffreicher und/oder energieärmer das Lebensmittel ist bzw. umso geringer, je nährstoffärmer und/oder energiereicher die Nah- rung ist. Lebensmittel, die eine hohe Nährstoffdichte besitzen, sind beispielsweise Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Vollkornprodukte, fettarme Milch und Milchprodukte, mageres Fleisch und Fisch. Lebensmittel mit einer niedrigen Nährstoffdichte sind Zucker, zucker- haltige Lebensmittel und Alkohol. Mit diesen Produkten nimmt man viel Energie jedoch wenige Nährstoffe zu sich. Der Organismus im Wachstum benötigt eine erhöhte Zufuhr verschiedener essenzieller Nährstoffe, die bei empfohlenem Energiebedarf nur über eine Erhöhung der Nährstoff- dichte erreicht werden kann. Auch der ältere Mensch benötigt eine erhöhte Nährstoff- dichte, da der Bedarf an essenziellen Nährstoffen im Gegensatz zum Energiebedarf nicht abnimmt. Eben dies wird auch für Schwangere und Stillende, durch die zusätzliche Versor- 16 gung des Embryos bzw. Babys, gefordert. Jedoch ist eine hohe Nährstoffdichte bei bestimmten Nährstoffen in allen Bevölkerungsgruppen nicht wünschenswert, da die Zufuhr hier eher minimiert werden sollte (z. B. bei Natrium). Beispiel Ein Rechenbeispiel zur Veranschaulichung. Verglichen wird der Eiweißgehalt von Hütten- käse und Joghurt: Hüttenkäse 100 g 11,3 g Eiweiß g 102 kcal = 0, 11 kcal Joghurt 100 g 3 g Eiweiß g 78 kcal = 0, 04 kcal Hüttenkäse ist zur Deckung des Proteingehaltes besser geeignet als Joghurt. Energiedichte Als Energiedichte wird der Energiegehalt (in kcal) pro Gewichtseinheit eines Lebensmittels (in g) definiert. Energiegehalt des Lebensmittel (kcal) Energiedichte = Gewichtseinheit (100 g) Die Energiedichte ist umso niedriger, je höher der Wasseranteil des Lebensmittels ist (z. B. Gemüse, Obst). Sie korreliert bei vielen Lebensmitteln jedoch auch mit dem Fettgehalt. Die Energiedichte ist umso höher, je mehr Fett enthalten ist (fettreiche Wurst- und Käse- produkte). Als niedrige Energiedichte gilt ein Wert 225 kcal/100g (vgl. Schek 2017, S. 22). Der Ernährungsbericht 2016 gibt eine durchschnittliche Energiedichte der Nahrung von 158–181 kcal/100 g bei Frauen und 185–211 kcal/100g bei Männern an. Daran ist sicht- bar, dass sowohl Männer als auch Frauen häufig Lebensmittel mit mittlerer und hoher Energiedichte verzehren. Lebensmittel, die eine hohe Energiedichte aufweisen, begünsti- gen eine erhöhte Kalorienzufuhr bei gleichem Sättigungseffekt. ZUSAMMENFASSUNG Nährstoffe sind chemisch definierte Elemente oder Verbindungen in der Nahrung, die sich dadurch auszeichnen, dass sie entweder Energie lie- fern oder eine bestimmte Funktion im Organismus besitzen. 17 Die Nahrung ist aus verschiedenen Komponenten zusammengesetzt, die unterschiedliche Funktionen im Organismus ausüben. Dabei muss zwi- schen essenziellen und nicht-essenziellen Nährstoffen unterschieden werden. Bioaktive Substanzen haben keinen Nährstoffcharakter – sie haben jedoch eine gesundheitsfördernde Wirkung. Durch die Nährstoffanalyse erlangt man Wissen darüber, welche Nah- rungsinhaltsstoffe in einem Lebensmittel vorhanden sind. Das Lebens- mittel wird hier entsprechend seinen Inhaltsstoffen aufgeschlossen und in verschiedene Fraktionen zerlegt. Um Nahrungsmittel und deren Inhaltsstoffe bezüglich ihrer Wertigkeit und Qualität einordnen zu können, werden verschiedene Größen heran- gezogen. So lassen sich die Nährstoffdichte und die Energiedichte eines Lebensmittels berechnen, um dessen Qualität beurteilen zu können. 18 LEKTION 2 NÄHRSTOFFE, NAHRUNGSBESTANDTEILE, SOWIE DEREN VERDAUUNG UND ABSORPTION LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – in welchen Lebensmitteln bestimmte Nährstoffe vorwiegend vorkommen. – wie Makronährstoffe sowie Ballaststoffe absorbiert werden. – wie die Mineralstoffe eingeteilt werden. – in welchen Lebensmitteln die verschiedenen Mineralstoffe vorkommen. – in welchen Lebensmitteln bestimmte Vitamine vorwiegend vorkommen und auf wel- che Umwelteinflüsse Vitamine reagieren. 2. NÄHRSTOFFE, NAHRUNGSBESTANDTEILE, SOWIE DEREN VERDAUUNG UND ABSORPTION Einführung Welche Nahrungsinhaltsstoffe sind vorwiegend in welchem Lebensmittel zu finden? Wie werden diese verdaut und absorbiert? Welche Inhaltsstoffe finden sich eher in tierischen Produkten, welche in Gemüse oder Obst? Wo kommen wasser- und fettlösliche Vitamine vorwiegend vor und auf welche Umwelteinflüsse reagieren sie? Diese Fragen sollen im fol- genden Kapitel beantwortet werden. 2.1 Makronährstoffe Im Folgenden werden die Makronährstoffe (Proteine, Fette, Kohlenhydrate) sowie Ballast- stoffe, Alkohol und Wasser behandelt. Deren Verdauung, Absorption und Vorkommen in der Ernährung werden näher beschrieben. Proteine Proteine stellen die einzige vom Menschen verwertbare Stickstoffquelle dar (Biesalski/ Monomere Grimm/Nowitzki-Grimm 2017, S. 124). Die monomeren Bausteine der Proteine und Pep- Als Monomere bezeichnet tide sind die α-Aminosäuren. Die für die Proteinsynthese benötigten Aminosäuren (AS) man niedermolekulare reaktionsfähige Moleküle. haben stets eine Amino (NH2)- und eine Carboxy (COOH)-Gruppe am α-C-Atom. Die ver- schiedenen Proteine zeichnen sich durch eine unterschiedliche Sequenz der Aminosäuren aus. Bei mehr als 100 Aminosäuren spricht man von einem Protein, bei 10–100 von einem Polypeptid und bei 2–9 von einem Oligopeptid. Das Angebot an unentbehrlichen Amino- säuren in der Nahrung limitiert die Synthese von körpereigenem Protein. Unterscheiden lassen sich die Aminosäuren in unentbehrliche, bedingt unentbehrliche und entbehrliche Aminosäuren: Unentbehrliche Aminosäuren sind lebensnotwendig, da der Körper die Kohlenstoffge- rüste der Aminosäuren nicht selbst synthetisieren kann (Valin, Leucin, Isoleucin, Pheny- lalanin, Tryptophan, Methionin, Threonin, Lysin, Histidin). Dabei wurde Histidin lange Zeit ausschließlich für Kinder als unentbehrlich eingestuft. Mittlerweile gibt es jedoch Untersuchungen, die zeigen, dass bei Histidin-freier Ernährung die Konzentration an Histidin im Blut absinkt, was auf eine Unterversorgung hindeutet. Daher wird die Ami- nosäure je nach Literaturquelle auch für Erwachsene als unentbehrlich eingestuft. 20 Einige Aminosäuren sind nur unter bestimmten Lebensbedingungen unentbehrlich (bedingt unentbehrliche Aminosäuren), da sie unter diesen bestimmten Bedingungen vom Körper in nicht ausreichender Menge synthetisiert werden (Tyrosin, Arginin, Prolin, Cystein, Glycin und Glutamin). Zu den entbehrlichen Aminosäuren gehören Alanin, Serin, Asparaginsäure, Asparagin, Glutaminsäure und Selenocystein. Diese kann der Organismus aus Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen selbst synthetisieren. Verdauung und Absorption der Proteine Im Magen beginnt die Proteinverdauung mithilfe der Pepsine (nach Aktivierung der Pepsi- nogene) in saurem Milieu durch Spaltung von Peptidbindungen. Durch den steigenden pH-Wert im Duodenum werden die Pepsine inaktiviert. Die langkettigen Peptide werden hier von den Endo- und Carboxypeptidasen des Pankreas in kürzere Peptidbruchstücke und in einzelne Aminosäuren gespalten. Letztendlich werden diese dann durch Enzyme der Bürstensaummembran (Amino- und Dipeptidasen) in freie Aminosäuren, Di- und Tri- peptide gespalten. Die Absorption der Aminosäuren vom Darmlumen in die Mukosazelle erfolgt mittels Carrierproteinen, die Aminosäuren-spezifisch sind (Biesalski/Grimm/ Nowitzki-Grimm 2017, S. 130). Vorkommen Proteine kommen sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln vor. Fleisch, Fisch, Käse und Hülsenfrüchte haben einen hohen Proteingehalt, Nüsse, Getreide, Getrei- deerzeugnisse und Eier haben einen mittleren, Gemüse, Obst und Speisefette einen gerin- gen Proteingehalt (Hahn/Ströhle/Wolters 2017, S. 111). Proteinbewertung/Verfügbarkeit Bestimmte Erkrankungen (z. B. chronische Niereninsuffizienz, Leberzirrhose) oder Ernäh- rungsformen (Vegetarismus) machen eine genaue Betrachtung der Aminosäurezusam- mensetzung eines Lebensmittels notwendig, da die limitierende Aminosäure die biologi- sche Wertigkeit herabsetzt. D. h., je näher das Aminosäuren-Muster eines absorbierten Proteins mit dem des Körpers übereinstimmt, desto weniger muss davon aufgenommen werden, um eine ausgewogene Stickstoffbilanz (Differenz zwischen Stickstoffaufnahme über die Nahrung und Stickstoffausscheidung über Urin, Faeces, Schweiß) zu erreichen. Eine ausgeglichene Stickstoffbilanz bedeutet, dass die Proteinmenge des Körpers kon- stant bleibt. Es erfolgt also kein Abbau und kein Zuwachs. Dabei ist die „Biologische Wertigkeit“ die Menge an Körperstickstoff (in g) die durch Auf- Biologische Wertigkeit nahme von 100 g Nahrungsstickstoff ersetzt oder erzeugt werden kann (Schek 2015, S. 52). Die Menge an Körperstick- stoff (in g), die durch Auf- D. h., es ist ein Maß dafür, wie effizient Nahrungseiweiß in körpereigene Proteine umge- nahme von 100 g Nah- setzt werden kann. Die Höhe der biologischen Wertigkeit eines mit der Nahrung zugeführ- rungsstickstoff ersetzt ten Proteins ist im Wesentlichen von der Menge und der Relation an unentbehrlichen Ami- oder erzeugt werden kann, bezeichnet die bio- nosäuren abhängig. Eine Verbesserung der biologischen Wertigkeit kann z. B. durch eine logische Wertigkeit. Kombination von pflanzlichem und tierischem Nahrungseiweiß erreicht werden. 21 Fette Fette (Triglyceride) sind die wichtigste Energiereserve des Menschen. Sie gehören zur Klasse der Lipide, die im Vergleich zu den Kohlenhydraten und Proteinen eine sehr hetero- gen aufgebaute Stoffklasse darstellen. Die biologischen Eigenschaften der Triglyceride sind von der Art der Fettsäuren abhängig. Zu unterscheiden sind kurzkettige Fettsäuren (weniger als 6 C-Atome), mittelkettige Fettsäuren (6–10 C-Atome) und langkettige Fettsäu- ren (mehr als 12 C-Atome). Dabei unterscheiden sich die Fettsäuren in der Zahl der Dop- pelbindungen in gesättigte Fettsäuren (ohne Doppelbindung), einfach ungesättigte Fett- säuren (eine Doppelbindung) oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren (mehrere Doppelbindungen). Verdauung und Absorption der Fette Nach der Aufnahme der Fette wird der Chymus mit der Zungengrundlipase vermischt. Vor der Absorption werden Neutralfette in Monoglyceride und Fettsäuren gespalten. Im Magen können freigesetzte kurzkettige Fettpartikel nach Hydrolyse in das venöse Blut resorbiert werden. Die übrige Fettemulsion wird ins Duodenum abgegeben und mit Galle und Pankreassaft durchmischt. Durch Einsatz mehrerer Enzyme und Hydrolyse der Fettpartikel werden die Fettpartikel immer kleiner. Die durch Hydrolyse gebildeten Produkte erreichen in Form von Mizellen die Bürstensaummembran und werden hier passiv in die Mukosazelle aufge- nommen (Elmadfa/Leitzmann 2015, S. 159). Vorkommen der Fette Fette werden als Speisefett (Fette und Öle) sowie in Form von „verborgenen“ Fetten in Wurstwaren, Käse, Gebäck etc. aufgenommen. Dabei machen versteckte Fette ca. 50 % der Gesamtfettaufnahme aus. Versteckte Fette mit tierischem Ursprung sind meist choleste- rinreich und reich an gesättigten Fettsäuren. Mageres Fleisch ist aufgrund des Anteils an Strukturlipiden verhältnismäßig fettarm. Rund ein Drittel der täglich aufgenommenen Fettmenge wird erst beim Kochen, Backen und Braten zugesetzt (Hahn/Ströhle/Wolters 2017). Kohlenhydrate Kohlenhydrate sind die in der Natur quantitativ bedeutsamsten Verbindungen und die Hauptenergielieferanten der Nahrung. Ihr Anteil an der Gesamtenergieaufnahme variiert Polymere jedoch interkulturell sehr stark. Kohlenhydrate werden je nach Polymerisationsgrad in Polymere sind chemische Mono-, Di-, Poly-, und Oligosaccharide unterteilt. Verbindungen aus Ketten- oder verzweigten Molekü- len (Makromolekülen), Verdauung und Absorption der Kohlenhydrate die sich aus mehreren gleichartigen Bausteinen (Monomeren) zusammen- Polymere Kohlenhydrate müssen zur Verdauung in Monosaccharide aufgespalten werden. setzen. Im Mund beginnt die Aufspaltung mithilfe der Speichelamylase und setzt sich im Dünn- darm mit der Spaltung durch die Pankreasamylase fort. Endprodukte sind Glucose sowie 22 die Disaccharide Maltose und Isomaltose. Membranständige Disaccharidasen spalten diese Disaccharide sowie Saccharose und Lactose der Nahrung in Monosaccharide. Die Monosaccharide können dann von der Dünndarmschleimhautzelle resorbiert werden. Der Transport von D-Glucose und D-Galactose erfolgt aktiv gegen einen Konzentrations- gradienten an der Lumenseite der Mukosa. Na+ und Glucose werden dabei im Verhältnis 1:1 am Carriermolekül gebunden, um die Membran zu passieren. Die L-Isomere von Glucose und Galaktose sowie die Zuckeralkohole werden durch passive Diffusion absorbiert. Fruktose wird durch erleichterte Diffusion, d. h. ohne ATP-Verbrauch, aufgenommen. Die Geschwindigkeiten der Absorption sind unterschiedlich. Am schnellsten werden Glu- cose und Galaktose absorbiert. Die Geschwindigkeit nimmt dann in der Reihenfolge Fruk- tose, Mannose, Xylose, Arabinose ab. Zu beachten ist, dass bei Überschreitung der individuellen Kapazität eines Verdauungs- bzw. Resorptionssystems niedermolekulare Kohlenhydrate in den Dickdarm gelangen können. Dort binden sie Wasser und ein Abbau über die Darmbakterien erfolgt, was zu Blä- hungen und Durchfall führen kann. Vorkommen der Kohlenhydrate Viele Süßigkeiten, Honig, Gelees und süße Erfrischungsgetränke enthalten vornehmlich niedermolekulare Kohlenhydrate. Diese Produkte werden auch aufgrund der niedrigen Nährstoffdichte als „leere Kalorien“ bezeichnet. Der Anteil dieser niedermolekularen Koh- lenhydrate in der täglichen Nahrung sollte daher möglichst gering sein. Monosaccharide: Glucose und Fruktose kommen häufig zusammen mit Saccharose vor. In freier Form ist Glucose nur in wenigen Nahrungsmitteln zu finden, wie in Wein- trauben oder im Honig. Fructose ist vermehrt in Früchten und Honig vorhanden. Galak- tose ist überwiegend mit Glucose verbunden in der Laktose (Milchzucker) zu finden. Zusammen mit Mannose kommt Galaktose in Glykolipiden und Glykoproteinen vor. Disaccharide: Unter den Disacchariden ist die Saccharose das bedeutendste Süßungs- mittel der Nahrung. Sie kommen insbesondere in Zuckerrüben, Zuckerrohr, Früchten und Ahornzucker vor. Laktose ist in Milch- und Milchprodukten zu finden. Die aus zwei α-D-Glucosen bestehende Maltose (Malzzucker) ist in Lebensmitteln nur in geringer Konzentration zu finden. Sie entsteht beim enzymatischen Stärkeabbau, wie in keimen- dem Getreide oder bei der Stärkeverdauung. Oligosaccharide: Oligosaccharide sind in der Natur seltener zu finden. Beispielhaft sei hier die Raffinose genannt, die sich in Zuckerrübenmelasse, im Honig und in Hülsenf- rüchten befindet. Polysaccharide: Der überwiegende Teil der Nahrungskohlenhydrate und damit das wichtigste Polysaccharid ist die Stärke, ein Homoglykan aus aneinandergereihten Glu- cose-Einheiten. Sie ist vorwiegend in Kartoffeln (65 % der Trockenmasse), Getreide (75 % der Trockenmasse) und Leguminosen vorhanden. 23 Zuckeralkohole: In der Nahrung vorkommende Zuckeralkohole spielen in der Ernäh- rung mengenmäßig keine große Rolle. Zugesetzte Zuckeralkohole wie Isomaltit, Laktit, Maltit, Mannit, Sorbit und Xylit finden Verwendung als z. B. Zuckeraustauschstoffe, Kris- tallisationsverzögerer oder als Weichmacher (Hahn/Ströhle/Wolters 2017). Ballaststoffe Ballaststoffe (Synonyme: Nahrungsfasern, Pflanzenfasern, Faserstoffe, engl. Dietary Fiber) sind vorwiegend unverdauliche Kohlenhydrate (z. B. Pektin, Hemizellulose, Zellulose) sowie Lignin und unverdauliche Oligosaccharide (hierzu hierzu zählt z. B. Oligofruktose). Ebenfalls bedeutend sind die resistente Stärke, die nicht durch die α-Amylase spaltbar ist, und die Oligosaccharide der Raffinosefamilie (Raffinose, Stachyose, Oligofruktose). Die Nicht-Stärke-Polysaccharide und Lignin können durch die Verdauungsenzyme des Menschen nicht abgebaut werden. Ballaststoffe haben keine spezifischen biochemischen Funktionen (Schek 2015, S. 94). Sie sind jedoch aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaf- ten, wie ihre Faserstruktur, ihr Wasserbindungsvermögen, die Quellfähigkeit ebenso wie das Absorptions- und Ionenaustauschvermögen, wichtige Nahrungsbestandteile. Zu den wichtigsten Charakteristika der Ballaststoffe gehören (Schulze-Lohmann 2012): die Quellfähigkeit (bzw. das Wasserbindungsvermögen), die Steigerung der Viskosität der zerkleinerten Nahrung, eine schnellere Sättigung, ein erhöhtes Bindungsvermögen für Gallensäuren. Verdauung und Absorption der Ballaststoffe Der Großteil der Ballaststoffe ist unverdaulich. Allerdings gibt es neben den nicht lösli- chen, unverdaulichen Ballaststoffen (z. B. Lignin und Zellulose) auch lösliche, die von den Dickdarmbakterien abgebaut werden (Schulze-Lohmann 2012). Vorkommen der Ballaststoffe Ballaststoffe sind in Zellwandbestandteilen, Pflanzengummis und -schleimstoffen zu fin- den sowie als Speicherpolysaccharide pflanzlicher Lebensmittel. Die mengenmäßig wich- tigsten Ballaststoffe sind Zellulose, Hemizellulose und Pektin. Wasserlösliche Ballaststoffe erhöhen die Bakterienmasse, da sie von den Darmbakterien abgebaut werden, und wirken sich positiv auf den Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel aus. Hierzu zählen Pektine, Pflanzengummis sowie Schleimstoffe. Sie sind vorwiegend in Obst, Gemüse, Kartoffeln und Haferprodukten zu finden. Wasserunlösliche Ballaststoffe binden viel Wasser im Dickdarm und erhöhen damit das Stuhlvolumen und beschleunigen die Darmpassage. Hierzu zählen z. B. Lignin und Cellu- lose, die in pflanzlichen Zellwänden und damit in den äußeren Schichten des Getreide- korns zu finden ist, aber auch in Gemüse und Obst. 24 Alkohol Alkohol (Ethanol) leitet sich von Ethan ab, wobei ein H-Atom des Ethans durch eine OH- Gruppe ersetzt ist. Ethanol ist sowohl wasser- als auch fettlöslich. Alkohol entsteht durch Vergärung von Kohlenhydraten durch bestimmte Hefepilze. Die Alkoholkonzentration des Getränks variiert dabei je nach Menge an fermentierbaren Kohlenhydraten im Nahrungs- mittel (Getreide, Obst, Zuckerrohr). Verdauung und Absorption von Alkohol Die Ethanol-Resorption verläuft fast ausschließlich in Magen (20 %) und Dünndarm (80 %) mittels Diffusion, wobei die Resorptionsgeschwindigkeit z. B. bei leerem Magen oder gleichzeitigem Verzehr von kohlensäurehaltigen oder heißen alkoholischen Getränken erhöht ist. Dagegen verlangsamt sich die Aufnahme bei protein- und fettreicher Mahlzeit vor dem Alkoholkonsum, ebenso bei gefülltem Magen und hohen Alkoholkonzentrationen im Magen. Aufgrund der Wasserlöslichkeit erfolgt die Verteilung in allen wasserhaltigen Körperkompartimenten sehr rasch. Vorkommen von Alkohol Alkohol (Ethanol) wird in Spuren von Darmbakterien gebildet. In geringen Konzentratio- nen kommt er in nichtalkoholischen Nahrungsmitteln vor (z. B. Apfelsaft). Die Zufuhr über alkoholische Getränke kann jedoch ein Vielfaches davon betragen. Der Alkoholgehalt von alkoholischen Getränken wird als Volumenanteil in Prozent angegeben. Multipliziert man diesen mit dem Faktor 0,79 so erhält man den Alkoholgehalt in g/100 ml Getränk. Tabelle 3: Übersicht über den Alkoholgehalt verschiedener Getränke Getränk Alkoholgehalt in Vol.-% Biere Leichtbier 2 Weißbier 3 Weine Apfelwein 5–6 Spätlese 9–12 Burgunder 8–10 Schaumwein 7–10 Liköre und Branntweine Liköre 24–42 Cognac 38 25 Getränk Alkoholgehalt in Vol.-% Wodka/Rum 40–70 Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2019 in Anlehnung an Kasper, 2014, S. 7. Wasser Der erwachsene menschliche Körper besteht zu etwa 60 % aus Wasser. Da der Körper Was- ser über Niere, Darm, Haut und Lunge verliert, müssen diese Verluste durch Getränke, in Lebensmitteln gebundenes Wasser und das bei der Oxidation der Energie liefernden Nährstoffe frei werdende Wasser wieder ausgeglichen werden. Verdauung und Absorption von Wasser Die Wasseraufnahme findet im Wesentlichen im Jejunum und Ileum statt. Die Absorption erfolgt entlang einem osmotischen Gradienten. Treibende Kraft im Jejunum ist an erster Stelle der natriumgekoppelte Transport von Glucose und Aminosäuren. Im Ileum und auch im Darm folgt das Wasser meist einem osmotischen Gradienten durch die elektron- eutrale NaCl-Absorption durch den epithelialen Natriumkanal. Vorkommen Das in Lebensmitteln enthaltene Wasser ist für den Energiegehalt des Lebensmittels maß- geblich. So sind wasserhaltige Lebensmittel meist energiearm. Besonders Obst und Gemüse haben einen hohen Wassergehalt, einige Sorten über 90 %. So hat z. B. Spargel einen Wasseranteil von 92 %. Zur Flüssigkeitszufuhr zählen alle Lebensmittel und Getränke. Trinkwasser wird in Deutschland streng kontrolliert und auf den Gehalt an toxischen Schwermetallen und anderen gesundheitsbedenklichen Stoffen untersucht. Welche Stoffe und in welchen Mengen diese Stoffe im Trinkwasser enthalten sein dürfen, ist in der Trink- wasseraufbereitungsverordnung (TrinkwV) festgehalten. Der Getränkemarkt ist im Laufe der Zeit sehr vielfältig geworden. Neben Natürlichen Mine- ralwässern, Quell- und Tafelwasser gibt es eine Reihe neuer Getränketypen (Functional Drinks). Hierzu zählen Sportgetränke und Energydrinks, die zum Teil mit Coffein oder Tau- rin angereichert werden. Zudem sind sogenannte Wellnessdrinks, die das Wohlbefinden steigern sollen (häufig mit z. B. grünem Tee oder Vitaminen angereichert) oder weitere nährstoffangereicherte Getränke zu finden (Kasper 2014, S. 61). 26 2.2 Mikronährstoffe Hier werden zum einen die Mineralstoffe, deren Absorption und Vorkommen, sowie die Vitamine und deren Vorkommen in Lebensmitteln besprochen. Mineralstoffe lassen sich in Mengen- und Spurenelemente unterteilen. Diese Unterteilung erfolgt nach ihrem mengen- mäßigen Anteil im Körper: Mengenelemente haben dabei eine Konzentration von >50 mg/kg Körpergewicht (KG). Damit gehören Natrium, Chlor, Kalium, Magnesium, Calcium, Phosphor und Schwefel zu den Mengenelementen. Ist der Anteil 150 mg Calcium pro Liter können zur Bedarfsdeckung beitragen. 29 Vitamin D und einige Aminosäuren (z. B. Lysin und Arginin) haben einen positiven Einfluss auf die Bioverfügbarkeit von Calcium. Phytat, Oxalat, Ballaststoffe wie Lignin und Uron- säure, Eisen, Zink, große Mengen an Phosphat sowie an gesättigten Fettsäuren, niedrige Proteinzufuhr sowie Eiweiße mit geringer biologischer Wertigkeit haben einen negativen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit. Da einige Milchprodukte durch den Entzug von Wasser nährstoffreicher sind, stellen diese eine gute Calciumquelle dar. Hierzu gehört z. B. Hartkäse. So hat Parmesan einen Calcium- gehalt von 1200mg/100g (Biesalski/Grimm/Nowitzki-Grimm 2017). Phosphor Phosphor ist im Organismus in Form von Phosphat (PO43-) zu finden. Im Körper liegt Phos- phat im Skelett gebunden vor (als Hydroxylapatit), in den Körperzellen ist es Bestandteil organischer Verbindungen. Absorption Freies, anorganisches Phosphat wird unter Regulation von Parathormon, Calcitonin und Vitamin D in einem aktiven und natriumabhängigen Prozess in die Mukosazelle des Duo- denums bzw. des Jejunums transportiert. Dort wird es nach Spaltung durch die Phospha- tase im Dünndarm absorbiert. Phosphat kann, abhängig von der Phosphatkonzentration im Dünndarm, durch aktiven Transport (bei niedrigen Konzentrationen) oder durch pas- sive Diffusion (bei hohen Konzentrationen) absorbiert werden. Die Absorptionsrate des erwachsenen Menschen beträgt bei üblicher Mischkost 50–70 %, während die Absorpti- onsrate beim Säugling bei 85–90 % liegt. Vorkommen Phosphor ist ein Nichtmetall, das in gelöster Form als Phosphat (PO43-) praktisch in allen Lebensmitteln vorkommt. Proteinreiche Lebensmittel sind meist auch phosphatreiche Lebensmittel (Fleisch, Wurst, Fisch, Eier, Milch und Milchprodukte). Dabei ist Phosphat aus tierischen Lebensmitteln besser verwertbar als Phosphat aus pflanzlichen Lebensmitteln. In der Lebensmittelproduktion werden Phosphate als Zusatz- mittel zugesetzt. So z. B. als Säuerungsmittel in der Cola, als Schmelzsalz im Schmelzkäse oder als Antioxidans bei der Fleisch- und Wurstverarbeitung. Im Getreide liegt Phosphat als Phytinsäure vor. Die Phytinsäure (Inosit-Hexaphosphat) wird aufgrund des zur Spaltung fehlenden Enzyms Phytase nicht aufgespalten. Das nicht absorbierte Phytat bildet mit Calcium unlösliche Calciumsalze, die die Calciumabsorption herabsetzen. Vitamin D und hohe pH-Werte steigern die Phosphatabsorption, Phosphor- säure fällende Mineralstoffe (Calcium, Eisen und Aluminium) vermindern sie. 30 Schwefel Schwefel liegt im Körper in drei Formen vor. In gebundener Form als Schwefelatom, als Baustein von Aminosäuren und Vitaminen, intrazellulär als Sulfat (SO42-) und in geringen (da toxischen) Konzentrationen als Sulfit (SO32-). Absorption Schwefel wird in Form der schwefelhaltigen Aminosäuren (Methionin und Cystein) durch die entsprechenden Aminosäurentransporter aufgenommen. Daher entspricht der Resorptionsmechanismus dem der Aminosäuren. Vorkommen Schwefel ist in allen proteinhaltigen Lebensmitteln enthalten. So besitzen Fleisch, Eier, Milch und Milchprodukte, Hülsenfrüchte sowie Nüsse einen hohen Schwefelgehalt. In Senf, Meerrettich, Kresse, Kohl, Zwiebeln und Lauch liegt Schwefel in Form von Senfölgly- cosiden vor. Sulfide sind Schwefelverbindungen, die z. B. in Zwiebelgewächsen vorkom- men. Hier ist v. a. das Allicin des Knoblauchs zu nennen. Sulfide wirken gesundheitsför- dernd (antikanzerogen, immunomodulatorisch und verdauungsfördernd). Eisen Für fast alle lebenden Organismen ist Eisen ein essenzieller Nährstoff. Mehr als zwei Drittel des Eisens sind im Hämoglobin und Myoglobin gebunden. Absorption Voraussetzung für die Absorption ist die Freisetzung in eine lösliche Form. Bei Pflanzen- kost liegt das Eisen als Nicht-Häm-Eisen (Fe3+ = dreiwertiges Eisen) vor. Dabei ist die Absorptionsrate niedriger als bei tierischen Produkten. In tierischen Produkten liegt das Eisen an Hämoglobin und Myoglobin gebunden als Fe2+ (zweiwertiges Eisen) vor. Der Häm- eisen-Komplex bindet als Ganzes an einen Rezeptor und wird in dieser Form absorbiert (Hahn/Ströhle/Wolters 2015). Vorkommen Eisen ist, wenn auch meist in geringen Mengen, in fast allen Lebensmitteln vertreten. Einige Gemüsesorten (Spinat, Erbsen, Bohnen, Champignons) und Vollkorngetreidepro- dukte (z. B. Haferflocken) sowie Leber und Blutwurst haben einen hohen Gehalt. Bei den Getreideprodukten sinkt der Gehalt mit dem Ausmahlungsgrad. Die Bioverfügbarkeit aus tierischen Lebensmitteln liegt bei 20–30 %, die aus pflanzlichen Lebensmitteln bei 1–10 %. Vitamin C, sulfhydrylhaltige Aminosäuren wie Cystein und orga- nische Säuren (z. B. Laktat, Citrat) beeinflussen die Bioverfügbarkeit von Nicht-Häm-Eisen aus pflanzlichen Produkten durch Reduktion des Nicht-Häm-Eisens positiv. 31 Negativ beeinflusst wird die Bioverfügbarkeit durch Komplexbildner wie Phytat (das vor- wiegend in der Randschicht des Getreides vorkommt) und Oxalat (z. B. in grünem Gemüse vorkommend) sowie durch eine hohe Zufuhr an zweiwertigen Kationen wie Calcium, Zink, Kupfer oder Mangan (Schek 2017, S. 177). Ebenso setzen einige Ballaststoffe, Polyphenole und Gerbsäuren aus Kaffee, Tee und Wein, Sojaproteine und einige Arzneimittel (Paraceta- mol, Salicylate, Tetracycline) die Bioverfügbarkeit herunter. Fluor Fluor kommt ausschließlich chemisch gebunden als Fluorid vor. 95 % sind im Knochen und in den Zähnen in Apatit eingebaut, wo es der Stabilität des Gewebes dient. Absorption Fluorid wird in wässriger Lösung fast quantitativ resorbiert. Gehemmt wird die Absorption durch Aluminium, Calcium, Magnesium, Eisen und andere Kationen. Vorkommen Die Fluoridgehalte sind aufgrund der schlechten Löslichkeit des Fluorids aus dem Boden und Gestein sehr gering. Quellen sind Garnelen und andere Krustentiere sowie Fleisch und Milchprodukte. Auch Schwarztee sowie einige Mineral- und Trinkwässer haben einen hohen Fluoridgehalt. Jod Jod ist im Organismus meist an die Schilddrüsenhormone gebunden. In freier Form liegt es als Jodid vor (I-). Absorption Die Absorption von Jod im Dünndarm ist von der chemischen Bindungsform in den Lebensmitteln abhängig. In Lebensmitteln liegt es meistens als Jodid vor. Liegt es als Jodat vor, so erfolgt im Magen-Darm-Trakt zunächst eine Reduktion von Jodat zu Jodid. Jodid wird aktiv über einen Natrium-Jodid-Symporter in die Enterozyten aufgenommen. Die Resorption erfolgt zu 95–100 % (Schek 2017, S. 181). Vorkommen Das Jodvorkommen in Wasser und im Boden unterliegt starken Schwankungen. Damit ist auch der Jodgehalt in den entsprechenden pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln regional sehr unterschiedlich. Lediglich Meerestiere und Seefisch haben einen hohen Jod- gehalt. Weitere Quellen für die Jodzufuhr sind Milch und Eier (wenn die Tiere jodreich gefüttert wurden) sowie mit Jod angereichertes Speisesalz. Die Bioverfügbarkeit wird durch nitratreiche Nahrung, Glucosinolate in Kohlgemüse und Thiocyanate im Zigarettenrauch vermindert. So ist auch die Verfügbarkeit des Jods aus Trinkwasser bei höherem Härtegrad und höherem Nitratgehalt reduziert. 32 Zink Zink liegt im Organismus überwiegend als zweifach positiv geladenes Ion (Zn2+) an Protein gebunden vor. Absorption Zink wird im Jejunum und Ileum absorbiert. Die Absorptionsrate liegt bei 20–30 % (Hahn/ Ströhle/Wolters 2015, S. 180). Vorkommen Quellen für die Zinkaufnahme sind Fleisch, Milchprodukte, Eier sowie manche Ölsaaten wie Kürbiskerne, Mohn- und Leinsamen (Elmadfa/Leitzmann 2015, S. 315). Vollkornpro- dukte enthalten viermal mehr Zink als ausgemahlenes Mehl, da Zink v. a. in den Rand- schichten des Getreides angereichert ist. Die Bioverfügbarkeit aus Fleischprodukten ist höher als die aus pflanzlicher Kost, da der Phytinsäuregehalt der Pflanzen zum einen die Bioverfügbarkeit des Zinks herabsetzt, zum anderen endogenes Zink der Rückresorption entzieht. Einige Ballaststoffe (z. B. Lignin, Cellulose) sowie Eisen, Kupfer und Alkohol haben einen absorptionshemmenden Effekt, während komplexbildende Aminosäuren (z. B. Histidin, Cystein) und organische Säuren (z. B. Zitronensäure, Weinsäure) einen absorptionsfördernden Effekt haben. Zudem reduzie- ren hohe Calciumgehalte durch Komplexbildung die Verfügbarkeit. Vitamine Bei den Vitaminen handelt es sich um Verbindungen, die der Organismus nicht oder nur in unzureichender Menge (Vitamin K, Vitamin D) bilden kann. Nach ihrer Löslichkeit werden wasser- und fettlösliche Vitamine unterschieden. Zu den wasserlöslichen Vitaminen gehö- ren Thiamin, Riboflavin, Niacin, Pantothensäure, B6, Biotin, Folsäure, Vitamin B12 und Vita- min C, zu den fettlöslichen Vitaminen gehören Vitamin A, D, E und K. Der Körper kann die fettlöslichen Vitamine in relativ großen Mengen (in Leber und Depotfett) zentral speichern, die wasserlöslichen Vitamine werden, mit Ausnahme von Vitamin B12, nicht zentral gespei- chert. Die folgende Abbildung zeigt die Quellen der einzelnen Vitamine in den Lebensmit- teln und deren Empfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen. Tabelle 4: Wasser- und fettlösliche Vitamine sowie deren Vorkommen in Lebensmitteln und die Empfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen Quelle (Vorkommen im Empfindlichkeit gegenüber Umwelt- Vitamin Lebensmittel) einflüssen Vitamin A (Retinol) Retinol: Leber, Butter, Käse, Retinol: empfindlich gegenüber Sauer- Carotinoide Eier stoff, Säure, Licht in der Be- und Verar- (Xanthophylle) Carotinoide: Karotten, Paprika, beitung Blattgemüse (Carotinoide wer- Carotinoide: empfindlich gegenüber den ausschließlich von Pflan- Hitze zen gebildet) 33 Quelle (Vorkommen im Empfindlichkeit gegenüber Umwelt- Vitamin Lebensmittel) einflüssen Vitamin D fette Fische (Hering, Makrele), Vitamin D wird durch Verarbeitung/ (Calciferol) Leber, Margarine, Eigelb, Pilze Lagerung nicht zerstört. In der Nahrung vorliegende For- men: Ergosterin (Provitamin D2) in pflanzlichen Lebensmitteln, Vorstufen von Vitamin D3 und freies Vitamin D3 in tierischen Lebensmitteln Vitamin E pflanzliche Öle, Nüsse, Getrei- Bei der Lebensmittelverarbeitung weit- (Tocopherole) dekeime gehend stabil. Der Einfluss von Sauer- stoff und Peroxiden sowie wiederholtes Erhitzen zerstören Vitamin E. In der Nahrung liegen hauptsächlich α und γ- Tocopherol vor. Vitamin K grünes Gemüse, Bohnen, Erb- geringe Vitamin-K-Verluste bei der (Phyllochinon) sen Lebensmittelverarbeitung. Empfindlich- keit gegen Tageslicht. Thiamin Vollgetreide, Innereien, Schwei- empfindlich gegenüber Hitze, Sauer- (Vitamin B1) nefleisch stoff, alkalisches Milieu (so zerstört die Zugabe von Bikarbonat beim Kochen das B1); Verluste bei schonender Zube- reitung: 30 % Riboflavin Milch und Milchprodukte, Licht, Auslaugung, Verluste durch Lage- (Vitamin B2) Leber, Vollkornprodukte rung und Verarbeitung (ca. 20 %) Niacin Fleisch, Fleischprodukte. Milch- Niacin ist stabil gegen Hitze, Sauerstoff, (Nicotinsäure, produkte sind reich an Trypto- Licht, Säuren und Basen. Die Verluste Nicotinsäureamid) phan. Der Organismus kann durch Auslaugung liegen bei 15–25 % Niacin in begrenztem Maße aus (Austritt ins Kochwasser). Tryptophan aufbauen. Vitamin B6 Fleisch, Getreide, Kartoffeln Hitze und direktes Sonnenlicht (Verlust (Pyridoxin, Pyridoxal, an B6 nach kurzer Bestrahlung), Verluste Pyridoxamin) bei schonender Zubereitung ca. 20 %, beim Braten von Fleisch ca. 40 %. Vitamin B12 Innereien, Fleisch, Fisch; Vita- Verluste durch Hitze und Auslaugung (Cobalamin) min B12 wird von Mikroorganis- bei schonender Zubereitung 12 %. men synthetisiert und vom Menschen aufgenommen. Folsäure Leber, grünes Blattgemüse (Spi- Empfindlich gegenüber Auslaugung, nat, Blattsalat), Spargel, Hül- Sauerstoff, Hitze und Licht; Monogluta- senfrüchte mate sind nicht so stabil wie Polygluta- mate. Zubereitungsverluste ca. 35 %. Biotin Innereien, Milch, Eigelb, Hül- Empfindlichkeit gegenüber Sonnen- senfrüchte, Nüsse licht, Oxidation und ranzige Fette. Pantothensäure Pilze, Innereien, Vollkornpro- Empfindlich gegenüber Auslaugung und dukte Hitze; Zubereitungsverluste bei schon- ender Zubereitung ca. 30 %. 34 Quelle (Vorkommen im Empfindlichkeit gegenüber Umwelt- Vitamin Lebensmittel) einflüssen Vitamin C Paprika, Zitrusfrüchte und Kar- reagiert empfindlich auf Lagerung und toffeln (vorwiegend als L-Ascor- Verarbeitung; Oxidation durch Hitze, binsäure) Licht und in alkalischer Umgebung (Ver- lust der physiologischen Wirksamkeit); hohe Vitamin-C-Verluste durch das Warmhalten von Speisen; mittlere Ver- luste bei schonender Zubereitung ca. 30 % Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2019. ZUSAMMENFASSUNG Zu den Makronährstoffen gehören die energieliefernden Nahrungsbe- standteile Fett, Protein und Kohlenhydrate. Die Makronährstoffe kom- men in den verschiedenen Lebensmittelgruppen in unterschiedlichen Mengen vor. Proteine kommen ubiquitär vor. Nach enzymatischer Spaltung im Ver- dauungstrakt werden Aminosäuren, Di- und Tripeptide absorbiert. Ein Parameter zur Beurteilung der Proteinqualität ist die biologische Wertig- keit. Je höher die Wertigkeit, umso weniger Protein muss aufgenommen werden, um den Bedarf zu decken. Fette sind die wichtigste Energiereserve des Menschen. Bei der Nah- rungsaufnahme sollte besonders auf verborgene Fette in Lebensmitteln wie Wurstwaren, Käse oder Gebäck geachtet werden. Vor der Absorption werden Neutralfette in Monoglyceride und Fettsäuren gespalten. Die Absorption geschieht zum Teil mittels Diffusion oder mithilfe von Car- riern. Fette befinden sich in pflanzlichen sowie tierischen Lebensmitteln. Nahrungskohlenhydrate werden vor ihrer Absorption in Monosaccharide gespalten. Kohlenhydrate werden vorwiegend in Form von Stärke aufge- nommen. Allerdings steigt der Verzehr niedermolekularer Kohlenhyd- rate aus Süß- und Backwaren. Mineralstoffe lassen sich in Mengen- und Spurenelemente einteilen. Dabei haben Mengenelemente eine Konzentration von >50 mg/kg Kör- pergewicht. Hierzu zählen Natrium, Chlorid, Kalium, Magnesium, Cal- cium, Phosphor und Schwefel. Spurenelemente haben eine Konzentration von 80 Jahre). Tierver- suche lassen hier aufgrund der unterschiedlichen Stadien des biologischen Alterns bei den verschiedenen Spezies keine Analogieschlüsse zu. 3.3 Ermittlung des Ernährungszustandes Bei der Ermittlung des Ernährungszustandes (Ernährungsstatus) wird der Bedarf an Ener- gie und Nährstoffen mit dem Verbrauch verglichen (Elmadfa/Leitzmann 2015, S. 101). Sekundär wird der Ernährungszustand u. a. vom physiologischen Zustand (z. B. Geschlecht, Alter, Körpergewicht, Schwangerschaft, Stillzeit, Menstruation, Krankheit), 42 von Umweltfaktoren (z. B. Klima, Höhenlage, Kultur, Religion etc.), von Nahrungsmitteln (z. B. Verfügbarkeit, Auswahl, Zubereitung, Zusammensetzung) und von Gewohnheiten (z. B. Essgewohnheiten, Genussmittel, Drogen, Hobbys) determiniert (Elmadfa/Leitzmann 2015, S. 102). Um den Ernährungszustand bei Fehl- und Mangelernährung zu charakterisieren, werden verschiedene Begriffe herangezogen, die in der folgenden Übersicht erläutert werden: Tabelle 5: Definitionen zur Beschreibung des Ernährungsstatus bei Fehl- und Mangelernährung Begriff Definition Fehlernährung Oberbegriff für alle Ernährungsdefizite, d. h. ausschließlich auf (nutritional deficiencies) Mangelzuständen an Nährstoffen und Energie beruhend Unterernährung verringerte Energiespeicher, quantitative Mangelernährung mit (undernutrition) negativer Energiebilanz Mangelernährung krankheitsassoziierter Gewichtsverlust, Nährstoffmangel (Pro- (malnutrition) tein, Vitamine, Mineralstoffe, Wasser, essenzielle Fettsäuren) Kachexie Auszehrung (krankhafte, sehr starke Abmagerung), extreme Form der Fehlernährung Wasting Verlust an substanzieller Körpermasse, ungewollte Gewichtsab- nahme (mindestens 10 % des ursprünglichen Körpergewichts), das Wasting-Syndrom zählt zum AIDS-Syndrom (Acquired Immu- nodeficiency Syndrome) Sarkopenie Verlust an Muskelmasse bei länger andauernder körperlicher Inaktivität und/oder Bettlägerigkeit Marasmus Protein- bzw. Energiemangel, führt zum Abbau aller Energie- und Eiweißreserven, noch normale Proteinsynthese Kwashiorkor PEM (Protein-Energy-Malnutrition) mit verminderter Proteinsyn- these, insbesondere Mangel an bestimmten unentbehrlichen Aminosäuren Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2019 in Anlehnung an Hahn/Ströhle/Wolters 2016, S. 575. Ist die Zufuhr an Nährstoffen und Energie ausreichend, so kann der Körper alle Funktionen optimal erfüllen. Ist dies nicht der Fall, so werden homöostatische Anpassungsmechanis- men des Stoffwechsels, der Leistungsfähigkeit und der Widerstandskraft in Gang gesetzt. Diese Veränderungen sind messbar und können in unterschiedlichen Fachbereichen bzw. Anwendungsgebieten durch entsprechende Messmethoden/Indikatoren bestimmt wer- den. 43 Tabelle 6: Messgröße, Fachgebiet/Anwendungsgebiet der Messmethode und Indikatoren Fachbereich/Anwendungs- Messgröße gebiet der Messmethoden Beispiele für Indikatoren Stoffwechsel Biochemie Blut, Harn (Nährstoffe, Metaboli- ten als Biomarker) Körper- bzw. Gewebemasse Anthropometrie Körpergewicht, Körpergröße, Hautfalten körperliche Leistungsfähigkeit, Arbeitsphysiologie Produktivität, Belastbarkeit, Aus- geistige Leistungsfähigkeit dauer Krankheiten Psychologie, Schule, Klinik IQ, Konzentration, Schulnoten, Organfunktionen, Haut- und Haar- veränderungen permanente Schäden, Behinde- Klinik anatomische Veränderungen rungen (Knochen, Augen, Muskeln, Seh- nen-/Bandapparat) Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2019 in Anlehnung an Elmadfa/Leitzmann 2015, S. 103. Biochemische Methoden Biochemische Parameter geben Aufschluss über den allgemeinen Nährstoffstatus insbe- sondere aber auch über die aktuelle Versorgung mit einzelnen Nährstoffen. Diese messba- ren Parameter biologischer Prozesse (Biomarker) werden daher als Indikatoren für den Ernährungsstatus herangezogen. Sie haben durch ihre Genauigkeit eine besondere klini- sche Relevanz, da Mangelzustände sehr früh und spezifisch aufgedeckt werden können. Bereits eine latente Mangelernährung führt zu Änderungen des Stoffwechsels. Gemessen werden die Konzentrationen von Nährstoffen oder ihrer Metaboliten (Zwischenprodukte im Stoffwechselweg) in Blut und/oder Urin. Ein Vergleich dieser Konzentrationen mit den wissenschaftlich ermittelten Referenzwerten ermöglicht eine Beurteilung des Ernährungs- status (Elmadfa/Leitzmann 2015, S. 102). Anthropometrische Messungen Die Anthropometrie ist die „Vermessung des Menschen“. Zu den anthropometrischen Mes- sungen gehören Körpergröße, Körpergewicht, Body-Mass-Index (BMI) und Körperzusam- mensetzung (Hautfaltendickemessung, Oberarmmuskelumfang, Bioelektrische Impedanz- analyse, BIA). Klinische Indikatoren Klinische Indikatoren werden anhand einer körperlichen Untersuchung und Anamnese erfasst. Es werden Fragen zu Ernährungs- und Lebensweise, zu aktuellen Krankheiten und Beschwerden und zur Medikamenteneinnahme gestellt. Zudem werden Veränderungen von Haut, Haaren, Augen, Lippen, Zunge, Zähnen, Drüsen und die Funktion des Nerven- systems untersucht. 44 Soziopsychologische Untersuchungen Da es keine verbindlichen Standardwerte in Bezug auf den Ernährungsstatus gibt, werden häufig nur Eindrücke über das Allgemeinverhalten festgehalten. So sind zum Beispiel typi- sche Anzeichen einer schweren PEM (Protein-Energy-Malnutrition) Gleichgültigkeit, Träg- heit, Apathie und Desinteresse. ZUSAMMENFASSUNG Der Nährstoffbedarf wird beeinflusst durch Umweltfaktoren, eine Adap- tation an eine veränderte Nahrungszufuhr und durch Faktoren, welche die Individualität eines Menschen betreffen. Daher lässt sich der indivi- duelle Nährstoffbedarf nur unter strengen Laborbedingungen experi- mentell bestimmen. Ein Nährstoffmangel tritt dann auf, wenn der Bedarf größer ist als die zugeführte Menge eines Nährstoffes. Gemessen werden kann der Nähr- stoffbedarf durch experimentelle Untersuchungen, wie z. B. Bilanzstu- dien. Bei schwacher Datenlage aus Humanexperimenten können zur Erstellung von Zufuhrempfehlungen auch Tierexperimente herangezo- gen werden. Schätzwerte werden dann angegeben, wenn die Datenlage für eine Empfehlung nicht ausreichend fundiert ist. Bei der Ermittlung des Ernährungszustandes wird der Bedarf an Energie und Nährstoffen mit dem Verbrauch verglichen. Dazu werden auch ver- schiedene Messmethoden herangezogen, wie z. B. biochemische Metho- den, anthropometrische Messungen, klinische Indikatoren oder sozio- psychologische Untersuchungen. 45 LEKTION 4 ENERGIEZUFUHR UND ENERGIEUMSATZ LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – wie Nahrungsenergie in für den Organismus verwertbare Energie umgesetzt wird. – wodurch sich der physikalische und der physiologische Brennwert unterscheiden. – welche Komponenten den Energieumsatz bestimmen. – welche Messmethoden zur Ermittlung des Energieumsatzes existieren. 4. ENERGIEZUFUHR UND ENERGIEUMSATZ Einführung Die vom Körper benötigte Energie zur Aufrechterhaltung aller Körperfunktionen und Arbeitsleistungen wird durch die Nahrungsaufnahme und Umwandlung der Nahrungs- energie in eine verwertbare Energieform gewonnen. Wie viel Energie ein Mensch ver- braucht, ist von vielen verschiedenen Komponenten abhängig. Der tatsächliche Energie- bedarf lässt sich näherungsweise berechnen oder tatsächlich messen. Ein Sportler muss aufgrund des Verbrauchs an Energie durch sportliche Aktivität mehr Energie zu sich nehmen als ein Nichtsportler. Wie viel Energie muss dieser Sportler zusätz- lich aufnehmen? Wie hoch ist sein Umsatz zur Aufrechterhaltung der Körperfunktionen und welchen Einfluss nehmen die Umgebungsbedingungen und seine persönlichen anth- ropometrischen Kennzahlen darauf? Im Folgenden sollen die Grundbegriffe zum Verständ- nis des Energieumsatzes und die Methoden zur Erfassung des Energieumsatzes erläutert werden. 4.1 Grundbegriffe Energietransformation Um alle Stoffwechselprozesse aufrechtzuerhalten und körpereigene Substanzen zu syn- thetisieren, benötigt der Körper Energie. Der Mensch muss über die Nahrung Nährstoffe zu sich nehmen, aus denen chemische Energie erzeugt werden kann. Dies bezeichnet man Energietransformation als Energietransformation (Hahn/Ströhle/Wolters 2016, S. 16). Der Begriff Energietrans- formation bezeichnet die Umwandlung von Nah- Die über die Nahrung zugeführten Makronährstoffe Fett, Kohlenhydrate und Proteine wer- rungsenergie in eine vom den im Organismus oxidiert. Endprodukte sind Kohlendioxid, Wasser und bei der Oxida- Organismus verwertbare tion der Proteine auch unvollständig oxidierte Metaboliten. Diese Metaboliten sind Stick- Form der Energie. stoff (N)-haltige Verbindungen, hauptsächlich Harnstoff, Kreatinin, Kreatin, Ammoniak, Harnsäure und ein geringer Anteil an Aminosäuren. Im Beispiel ist die Oxidation von Glu- cose zur Veranschaulichung dargestellt: C6H12O6 + 6O2 6CO2 + 6H2O ∆ G = ‐686 kcal Die durch die physikalische Verbrennung eines Mols Glucose frei gewordene Energie beträgt 686 kcal. Man spricht hier vom physikalischen Brennwert. Diese Energie wird zum Aufbau energiereicher Verbindungen, v. a. von ATP (Adenosintriphosphat), herange- zogen. 48 Der Organismus ist jedoch nicht in der Lage, die gesamte Energie der energieliefernden Physikalischer Nährstoffe in verwertbare Energie zu transformieren. Bleiben wir beim Beispiel der Glu- Brennwert Die durch vollständige cose: Die tatsächlich genutzte Energie wird in Glycolyse und Citratcyclus auf ATP übertra- Oxidation der Nahrungs- gen. Hier wird aus ADP und anorganischem Phosphat (Pi) das energiereiche ATP aufge- energieträger zu Kohlen- baut. Allerdings werden nur 38 Mol ATP pro einem Mol Glucose gebildet. Dies entspricht dioxid, Wasser und Stick- stoff erzeugte Wärme wird einer Energieaufnahme von ΔG = 7,3 kcal pro Mol ATP. Bei einer Bildung von 38 Mol ATP als physikalischer Brenn- entspricht dies ca. 277 kcal. wert definiert. 38 Pi + 38 ADP 38 ATP + 38 H2O ∆ G = + 277 kcal Die restliche Energie (im Fall der Glucose ca. 409 kcal) wird größtenteils als Wärme (soge- nannte Verlustwärme) freigesetzt, die teilweise zur Aufrechterhaltung der Körpertempera- tur herangezogen wird (Biesalski et al. 2018, S. 76). Auch durch unvollständige Digestion oder Absorption, durch Verluste bei der Harnbildung (Proteine) oder für den Transport, die Umformung und Speicherung der Substrate geht Energie verloren. Der Wirkungsgrad der tatsächlich umgesetzten Energie zur verbrauchten Energie beträgt bei der biologischen Oxidation ca. 40 %. Als energiereiche Verbindung wird ATP in allen Körperzellen genutzt. ATP ist die universell nutzbare chemische Energie im Stoffwechsel und wird u. a. in folgen- den Prozessen benötigt: Biosynthese: Synthese biologisch wichtiger Makromoleküle sowie Ammoniakdetoxifi- kation im Harnstoffzyklus. Damit ist ATP unabdingbar für Wachstum und Regeneration der Körpersubstanz sowie für die Reproduktion. Chemo- und Osmoregulation: Der chemische und osmotische Gradient von direkt oder indirekt ATP-abhängigen Ionen-Pumpen, wie z. B. die Na+/K+ATPase, wird durch ATP auf- rechterhalten. Thermoregulation: ATP liefert hier die Energie zur Aufrechterhaltung der Körpertempe- ratur. Biomechanische Arbeit: ATP liefert die Energie für die Muskelkontraktion zur Aufrecht- erhaltung von Kreislauf und Atmung sowie für die Skelettmuskulatur. Physiologischer Brennwert Der physiologische Brennwert bezieht sich auf die im Intermediärstoffwechsel des Körpers durch Oxidation der Nährstoffe tatsächlich gewonnene Energiemenge. Der Organismus hat nicht die gesamte in der Nahrung enthaltene Energie zur Verfügung. Neben der Ver- lustwärme geht ein Teil der Energie mit den Fäzes aufgrund unvollständiger Digestion oder Absorption verloren (5–10 %). Dazu kommen Verluste durch die Harnbildung. So enthält der ausgeschiedene Harnstoff z. B. noch ca. 20 % der potenziellen Energie der Aminosäu- ren. Für den Transport, die Umformung und Speicherung der Substrate gehen ebenfalls 5– 10 % verloren. 49 Komponenten des Energieumsatzes Der Gesamtenergieumsatz eines Menschen ist die Summe aus Grundumsatz, Leistungs- umsatz und nahrungsinduzierter Thermogenese pro Tag. Weitere beeinflussende Kompo- nenten wie extern oder intern induzierter Stress oder zusätzliche Energie zur Thermoregu- lation ober- oder unterhalb der thermoneutralen Zone (also durch Frieren oder Schwitzen) sind nicht regelhaft und treten nur in besonderen Situationen auf. Die folgende Abbildung zeigt die verschiedenen Komponenten des täglichen Energieumsatzes sowie deren Deter- minanten und die Erfassbarkeit durch die Messmethoden. Die einzelnen Komponenten werden dann im Folgenden erläutert. Abbildung 2: Zusammensetzung des täglichen Energieverbrauchs Quelle: Elmadfa/Leitzmann, S. 140. Grundumsatz (GU, entspricht der Basal Metabolic Rate, BMR) Der Grundumsatz ist die Energie, die unter strikten Ruhebedingungen in postabsorptivem Zustand zur Aufrechterhaltung der Organfunktionen benötigt wird. Die Aufrechterhaltung der Organfunktionen umfasst dabei alle in Ruhe ablaufenden Formen der Arbeit, wie unwillkürliche mechanische Arbeit (z. B. Atmung, Erhalt des Muskeltonus, Herz-Kreislauf- Arbeit), Transportprozesse und chemische Reaktionen. Die Messung erfolgt 12–14 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme, bei vollständiger physischer und emotionaler Inaktivität, bei Thermoneutralität. 50 Da die Messung der BMR in der Praxis recht schwierig ist, wird häufig der Ruheumsatz (Resting Metabolic Rate, RMR) gemessen. Diese erfordert keine Thermoneutralität und minimale Bewegung in Ruhelage ist erlaubt. Die RMR liegt bis zu 10 % höher als die BMR (Elmadfa/Leitzmann 2015, S. 141). Der Grundumsatz ist eine individuelle Grüße und ist u. a. abhängig von folgenden Fakto- ren: Alter: Kinder haben – bezogen auf das Kilogramm Körpergewicht – einen höheren Grundumsatz als Erwachsene. Im Alter sinkt der GU, da sich die Körperzusammenset- zung ändert. Die stoffwechselaktive Muskelmasse reduziert sich. Geschlecht: Männer besitzen einen höheren Anteil an fettfreier und damit stoffwechse- laktiver Masse als Frauen. Zudem steigern die männlichen Sexualhormone den Grund- umsatz. Hormonelle Faktoren: Neben den Sexualhormonen erhöhen auch andere Hormone den Grundumsatz, z. B. die Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und Tetrajodthy- ronin (Thyroxin, T4) sowie Adrenalin und Noradrenalin. Genetik. Physikalische Aktivität (Leistungsumsatz) Als Leistungsumsatz wird der Energieverbrauch für körperliche (physikalische) Aktivität bezeichnet. Je nach Intensität der körperlichen Aktivität kann der Mehrbedarf erheblichen interindividuellen Schwankungen unterliegen. Der messbare Wert für die körperliche Akti- vität wird durch den sogenannten PAL (Physical Activity Level)-Wert ausgedrückt. Dies ist ein berufs- und freizeitaktivitätenspezifischer Faktor, der den Mehrverbrauch an Energie durch die Aktivität darstellt. Zur Ermittlung des Mehrbedarfs wird der Grundumsatz mit dem PAL-Wert multipliziert. Im Folgenden sind die PAL-Werte für einige Tätigkeiten darge- stellt: Tabelle 7: PAL-Werte einiger Tätigkeiten Arbeitsschwere PAL ausschließlich sitzende oder liegende Tätigkeit 1,2 sitzende Tätigkeit mit wenig oder keiner Freizeitak- 1,2–1,4 tivität gehende und stehende Arbeit 1,8 körperlich anstrengende Arbeit oder sehr aktive 2,0–2,4 Freizeittätigkeit Arbeit im Bauwesen 2,9–6,2 Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2019. 51 Nahrungsinduzierte Thermogenese In der Literatur schließt der PAL-Wert die nahrungsinduzierte Thermogenese meist mit ein. Die nahrungsinduzierte Thermogenese ist der Energieumsatz für die Metabolisierung der zugeführten Energieträger. Es ist also die Energie, die für die Verdauung, Resorption, Transport und Speicherung der Nährstoffe nach deren Verzehr benötigt wird. Bei diesen Umbauvorgängen wird ein Teil der Energie als Wärme freigesetzt und ist für den Organis- mus nicht mehr nutzbar. Synonym wird auch der Begriff der postprandialen Thermoge- nese genutzt (lat. "post" = nach; lat. "prandium" = Nahrung). 4.2 Messmethoden Der Energieumsatz lässt sich also durch Multiplikation des Grundumsatzes mit dem PAL- Wert ermitteln. Der Grundumsatz kann, wenn keine exakte Ermittlung notwendig oder möglich ist, auch rechnerisch anhand verschiedener Formeln annäherungsweise abge- schätzt werden. Dabei werden die anthropometrischen Größen: Körpergewicht, Körper- größe und Alter mit in die Formeln einbezogen. Da Adipöse eine größere Menge an stoff- wechselinaktivem Fettgewebe haben als Normalgewichtige, kommt es hier meist bei der Berechnung zu einer Überschätzung des Grundumsatzes. Immer noch gebräuchlich ist die Formel von Harris und Benedikt, die bereits 1918 aufgestellt wurde (Harris/Benedict 1918), sowie die Formel von Mifflin und St. Jeor (Mifflin et al. 1990). Beide Formeln errechnen den Ruheumsatz, wobei die Daten gesunder Männer und Frauen zur Ermittlung herangezogen wurden. Dabei werden Körpergewicht, Körpergröße und das Alter in die Formel einbezo- gen. Die Formeln von Harris und Benedikt sowie Mifflin und St. Jeor sind im Folgenden dargestellt: Harris und Benedict (1918): für Frauen: RU [kcal/24 h] = 655, 1 + 9 ,56· KG + 1 ,85 · H − 4 ,68 · A für Männer: RU [kcal/24 h] = 66, 5 + 13, 75 · KG + 5, 0 · H − 6, 8 · A KG = Körpergewicht (kg); H = Körperhöhe (cm); A = Alter (J) Mifflin und St. Jeor (1990): für Frauen: RU [kcal/24 h] = 10 · KG + 6, 25 · H − 5 · A − 161 für Männer: 52 RU [kcal/24 h] = 10 · KG + 6, 25 · H − 5 · A + 5 KG = Körpergewicht (kg); H = Körpergröße (cm); A = Alter (J). Es gibt mittlerweile fast 200 Formeln zur Errechnung des Ruheumsatzes. Weitere Formeln, die in der Ernährungswissenschaft/Ernährungstherapie zur Berechnung des Ruheumsat- zes angewandt werden, sind beispielsweise die Formel nach Müller oder die WHO-Glei- chung. Direkte Kalorimetrie Eine weitaus genauere Methode, den Grundumsatz zu bestimmen, ist die direkte Kalori- metrie. Sie macht sich den Umstand zunutze, dass alle metabolischen Prozesse bei der Transformation in Wärme enden und diese Wärme an die Umwelt abgegeben wird. Die gemessene Wärmemenge entspricht dabei also dem physikalischen Brennwert. Dabei macht sich dieses System zunutze, dass eine kcal der Wärmemenge entspricht, die benö- tigt wird, um 1 kg Wasser um 1° C zu erwärmen. Die Messung der Wärme erfolgt im direkten Kalorimeter (Respirationskalorimeter) über elektrische Temperatursonden. Die Respirationskammern haben Raumgröße, sodass die untersuchte Person über einen längeren Zeitraum beobachtet werden kann. Allerdings sind diese Kammern sehr kostenintensiv und die Messungen sehr zeitaufwendig. Zudem können hier nur Aussagen über den Energieumsatz, nicht aber über die Art der verbrauch- ten Substrate getroffen werden. Als Beispiel ist hier die Atwater- und Rosa-Respirations- kammer abgebildet. Abbildung 3: Atwater- und Rosa-Respirationskalorimeter Quelle: Elmadfa/Leitzmann 2015, S. 137. 53 Die Kammer ist nach innen isoliert. Das fließende Wasser wird durch die von der Versuchs- person produzierte Wärme erwärmt. Das Wasser fließt bei (1) in die Kammer ein, bei (4) aus. Die Wärme wird hier von Thermometern kontrolliert (2, 3). Das Auffanggefäß (5) misst das austretende Volumen (4). Durch ein Fenster (7) kann die Versuchsperson beobachtet werden, durch eine Klappe (6) kann Essen hineingereicht werden. Die Luft verlässt die Kammer (8) und wird über Schwefelsäure und Sodakalk geleitet, sodass Wasser und CO2 absorbiert werden können. Bei (9) wird der Sauerstoffgehalt gemessen, der in die Kammer hineingeblasen wird. Zum Druckausgleich ist eine Vorrichtung angebracht (10). Im Gegensatz zur direkten Kalorimetrie, bei der in einem thermisch isolierten System die Menge der vom Körper abgegebenen Wärme gemessen wird, wird bei der indirekten Kalo- rimetrie der Verbrauch von Sauerstoff und die Produktion von Kohlenstoffdioxid gemes- sen und daraus die erzeugte Energie berechnet. Indirekte Kalorimetrie Bei der indirekten Kalorimetrie wird zur Ermittlung des Energieumsatzes nicht die vom Lebewesen abgegebene Wärmemenge gemessen, sondern die tatsächliche Menge an Sau- erstoff, die ein Organismus durch die Verbrennung der Makronährstoffe verbraucht sowie die Menge an CO2, die gebildet wird. Moderne indirekte Kalorimeter arbeiten mit einer Atemhaube. Über das Eingangs- bzw. Ausgangsventil wird Frischluft ein- bzw. Ausatemluft ausgeleitet. Der O2- und CO2-Gehalt der Umgebungs- und Ausatemluft wird dabei kontinu- ierlich mittels folgender Formel analysiert: Liter l CO2‐Produktion = CO2‐Ausatemluft − CO2‐Einatemluft · Luftfluss h O2‐Verbrauch = O2‐Einatemluft − O2‐Ausatemluft Liter l · Luftfluss h Der Energieumsatz wird dann anhand der Weir Formel (Weir 1949) berechnet: kcal ml ml Energieumsatz d = 3, 941 · VO2 min + 1, 106 · VCO2 min · 1, 44 VO2 = Sauerstoffaufnahme in ml/min VCO2 = Kohlendioxidabgabe in ml/min Die Oxidation unterschiedlicher Nährstoffe, also Kohlenhydrate, Fette und Proteine, ver- braucht unterschiedliche Mengen an O2 und produziert unterschiedliche Mengen an CO2. Somit lässt sich durch den Quotienten dieser Werte ein Rückschluss auf die Zusammenset- zung der Ausgangssubstrate ziehen. 54 Abbildung 4: Schematischer Aufbau eines indirekten Kalorimeters (Haubenprinzip) Quelle: Biesalski et al. 2018, S. 79. Doppelt stabil markiertes Wasser Mithilfe der DLW (Doubly Labelled Water)-Methode kann ebenfalls der Energiebedarf gemessen werden. Das Körperwasser wird hier mit den stabilen Isotopen 2H und 18O mar- kiert (doppelt stabil markiertes Wasser). Anhand der Kinetik der Ausscheidung dieser Iso- tope in Urin und Ausatemluft kann über die Produktionsrate von CO2 der Energieumsatz ermittelt werden. ZUSAMMENFASSUNG Der Organismus des Menschen ist in der Lage, die Nahrungsenergie in eine vom Körper verwertbare Form der chemischen Energie umzuwan- deln. Dies bezeichnet man als Energietransformation. Dabei kann sich der Körper nicht die gesamte Energie des Nährstoffes zunutze machen. Ein Teil geht als Wärme oder aufgrund anderer chemischer Vorgänge verloren. Man spricht hier vom physiologischen Brennwert der Nähr- stoffe. Wie viel Energie ein Mensch benötigt, um sein Körpergewicht konstant zu halten, hängt davon ab, wie hoch sein Grundumsatz, sein Leistungs- umsatz und sein Bedarf für die nahrungsinduzierte Thermogenese ist. Dabei sind alle Komponenten mehr oder weniger individuell unter- schiedlich. Zur groben Abschätzung des Grundumsatzes lassen sich jedoch Berechnungsformeln heranziehen, wie z. B. die Berechnung des Grundumsatzes nach Harris und Benedikt oder die Formel von Mifflin und St. Jeor. Auch der durch physikalische Aktivität benötigte Mehrver- brauch an Energie lässt sich durch einen Multiplikationsfaktor, den soge- nannten PAL-Wert, abschätzen.