Zusammenfassung Texte Maikäfer PDF
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Summary
This document presents a summary of texts on the book 'Maikäfer'. It analyzes the autobiographical influences and the social and historical context in which the book was written. This document provides insights into the author's writing style and influences.
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Zusammenfassung: Texte Maikäfer Text 1: Nöstlinger als Autobiographin —> Autobiographische Einflüsse in Nöstlingers Werk: Kindheit und Erlebnisse während des Krieges und Nachkriegszeit bilden zentrale Inspirationsquelle Drei autobiographische Romane: „Maikäfer flieg!“, „Zwei Wochen im Mai“,...
Zusammenfassung: Texte Maikäfer Text 1: Nöstlinger als Autobiographin —> Autobiographische Einflüsse in Nöstlingers Werk: Kindheit und Erlebnisse während des Krieges und Nachkriegszeit bilden zentrale Inspirationsquelle Drei autobiographische Romane: „Maikäfer flieg!“, „Zwei Wochen im Mai“, „Der geheime Großvater“. ○ Themen: Krieg, Kriegsende, Anfang der Friedenszeit ○ Subjektive Erzählperspektive; Fokus auf Gefühle und kindliches Erleben. —> Familiärer Hintergrund und Sozialisierung: Vater: Sozialdemokrat, während des Austrofaschismus mehrfach inhaftiert, später Soldat im Zweiten Weltkrieg. ○ Enges, idealisiertes Verhältnis zur Tochter ○ Vermittelte Werte wie Solidarität, Widerstand gegen Ungerechtigkeit, und intellektuelle Neugier. Mutter: Aus bürgerlichem Milieu, kämpfte für ihre Ausbildung zur Kindergärtnerin. ○ Schwierige Beziehung zur Tochter, geprägt durch Distanz und Unverständnis Großvater: Erzählte Geschichten, half Christine, die Realität des Krieges zu ertragen. —> Alltag während des Krieges: Familie lebte in Wien, später Zuflucht in einer Villa Kindliche Wahrnehmung des Krieges: Hunger, Propaganda, Verzicht und Unsicherheiten ○ Kritische Auseinandersetzung mit den Widersprüchen zwischen öffentlicher NS-Ideologie und privatem Widerstand. Befreiung durch die Rote Armee: Auflösung nationalsozialistischer Propaganda in der kindlichen Wahrnehmung. —> Nachkriegszeit und Jugend: Rückkehr nach Wien; Aufbau eines „normalen“ Lebens unter schwierigen Bedingungen Eltern bemühten sich um eine bürgerliche Erziehung ihrer Kinder (Klavierunterricht, Gymnasium) Christine: Identifikation mit männlichen Bezugspersonen (Vater, Großvater), Ablehnung bürgerlicher Rollenvorgaben Gesellschaftliche Orientierungslosigkeit: Konflikte mit Mitschülern und Bildungsnormen. —> Literarische Verarbeitung: Kindliche Perspektive zentral in den autobiographischen Texten Fokus auf Alltag, Gefühle und persönliche Erlebnisse, nicht auf historische Analyse Subtiler Umgang mit politisch- historischen Themen (z. B. NS-Zeit, Holocaust, Befreiung). —> Übergang zur Erwachsenenwelt: Studium an der Akademie für angewandte Kunst; Abbruch nach Heirat Berufliche Umorientierung als Volontärin bei einer Zeitung Beginn der Karriere als Kinderbuchautorin 1970. —> Autobiographie als Erzählstrategie: Nöstlinger reflektierte selten direkt über ihre Biographie, sondern verarbeitete sie literarisch Humor, Sarkasmus und Ironie prägen autobiographische Elemente Trennung zwischen Privat- und Autorenleben; Schutz der Privatsphäre. —> Pädagogische und soziale Dimension: Themen wie Krieg, Nachkriegszeit und soziale Umstände spiegeln universelle kindliche Erfahrungen Fokus auf Identitätsbildung, familiäre Strukturen und moralische Werte Relevanz für zeitgeschichtliche und pädagogische Diskurse, insbesondere im schulischen Kontext. Text 2: Geschichtliche und zeitgeschichtliche KJL Einleitung und Gattungsdefinition: Zwei Subgenres geschichtserzählender Literatur: Historische Romane: ○ Narrative Darstellung von historischen Personen, Ereignissen und Lebensverhältnissen in fiktionalen Konstruktionen ○ Begriff „historische Literatur“ missverständlich -> da er oft auf alte KJL angewandt wird, unabhängig vom historischen Inhalt ○ Seit Ende des 18. Jahrhunderts etabliert. Zeitgeschichtliche Romane: ○ Behandeln jüngste Vergangenheit mit anhaltender Relevanz für die Gegenwart. ○ Fokus auf Themen wie Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg, Dekolonialisierung, Ost-West-Konflikte, Rassismus. ○ Seit Ende des Zweiten Weltkriegs (ca. 1945) präsent Gattungsunterschiede: —> Gattungsgeschichte: Historische Romane: lange Tradition seit dem 18. Jahrhundert Zeitgeschichtliche Romane: jüngeres Subgenre, geprägt durch Ereignisse von 1933–1945 und deren Folgen. —> Definitionen und Merkmale: Historischer Roman: ○ Fiktionalisierte Darstellung historischer Stoffe ○ Eng verbunden mit dem Begriff „geschichtserzählende Literatur“ Zeitgeschichtlicher Roman: ○ Behandelt die jüngste Vergangenheit, z.B. Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg. ○ Definiert durch politische und gesellschaftliche Relevanz für die Gegenwart ○ Enger Fokus: oft nur auf den Zeitraum 1933–1945 beschränkt ○ Begriff „zeitgeschichtliche Literatur“ inzwischen fast ausschließlich für KJL verwendet. —> Zeitgeschichtliche Kinder- und Jugendliteratur: Laut Günter Lange: spezifisch auf Themen wie Nationalsozialismus, Neonazismus, Antisemitismus, Rassismus und deren Folgen begrenz Verbindung von geschichtserzählender, politischer und gesellschaftskritischer Literatur Vergangenheit wird stärker als „nicht abgeschlossene Geschichte“ betont. Wandel des Begriffs „Zeitgeschichte“: —>Ursprünglich (1950er Jahre): Definiert als „Geschichte der Mitlebenden“ (z. B. Ereignisse von 1933 bis 1945) Unmittelbare Verbindung zur Gegenwart. —>Heute: Beginn der „Zeitgeschichte“ (1933) liegt fast 90 Jahre zurück, daher nicht mehr „jüngste Vergangenheit“ Legitimität, zeitgeschichtliche Literatur als Teil der geschichtserzählenden Literatur zu sehen. Begriff beibehalten, da Texte sich thematisch u. methodisch von moderner geschichtserzählender Literatur abgrenzen Intentionen und methodische Unterschiede: —> Historische Romane: Fokus: narrativer Rekonstruktion historischer Ereignisse Breitere thematische Vielfalt Weniger direkte politische Botschaften. —> Zeitgeschichtliche Literatur: Stark politisch und gesellschaftlich motiviert Engführung auf spezifische Themen wie Nationalsozialismus und seine Folgen Ziel: Verarbeitung und Reflexion über die jüngste Vergangenheit mit Blick auf die Gegenwart. Fazit: Zeitgeschichtliche Literatur -> entwickelt zu eigenständigen, spezifisch kinder- und jugendliterarischen Genre Historische Romane -> bleiben breiteres Genre mit längerer Tradition + größerer thematischer Vielfalt Unterschiede rechtfertigen Trennung, obwohl beide Subgenres miteinander verwandt sind. Gattungsgeschichte des historischen Romans - historische Roman vor 1945 Entwicklung des historischen Romans in der Jugendliteratur: —> Beginn des 19. Jahrhunderts: Historischer Roman: wird eines der populärsten und auflagenstärksten Genres in der Jugendliteratur Enges Verhältnis zwischen geschichtserzählender Literatur für Jugendliche und Erwachsene: ○ Zahlreiche bearbeitete Jugendausgaben erfolgreicher historischer Romane ○ Viele „unbearbeitete“ Werke fanden ebenfalls Eingang in den jugendliterarischen Kanon. Drei zentrale Tendenzen des Genres im 19. Jahrhundert: Verbindung zum Geschichtsunterricht: ○ Vermittler versuchten, historische Romane als pädagogisches Mittel zu etablieren ○ Ziel: Ergänzung des Geschichtsunterrichts ○ Problem: Dominanz belehrender Passagen über Unterhaltungselemente erschwerte Markterfolg. Marktorientierte Unterhaltungsliteratur: ○ Nach Reichsgründung 1871 -> starker Anstieg geschichtserzählender Texte ○ Fokus auf Unterhaltung, oft mit national-patriotischem. militanten Unterton ○ Hauptzielgruppen: Jungen (vorrangig); Mitunter auch Mädchen. ○ Diese Werke waren die erfolgreichsten Titel auf dem jugendliterarischen Markt. Reformpädagogische Kritik: ○ Reformpädagogen (Heinrich Wolgast) kritisierten die „Hochflut“ historischer Jugendliteratur ○ Wolgast bewertete Werke als „Schundliteratur“, vergleichbar mit der Backfischliteratur für Mädchen ○ Kritik richtete sich gegen: ◆ National-patriotische Tendenzen ◆ Werke mit rein unterhaltendem Charakter ohne ästhetische, literarische Qualität ○ Wolgasts Alternativen: ◆ Klassiker der Erwachsenenliteratur als Vorbild ◆ Historische Romane mit ausgewogenerem Verhältnis zwischen Unterhaltung und historischen Darstellungen ◆ Werke ohne nationalistische Tendenzen —-> Wirkung Kritik: Unterstützung in reformpädagogischen Kreisen Literarischer Markt & Lesevorlieben der Jugendlichen = unberührt Rückgang des Genres: —> Ende des 19. Jahrhunderts: Nach dem Ende des Kaiserreichs sinkende Auflagenzahlen. —> Weimarer Republik und Nationalsozialismus: Interesse an geschichtserzählender Jugendliteratur ging zurück Statt Neuerscheinungen -> Wiederauflagen älterer Werke publiziert Fazit: historische Roman: prägte Jugendliteratur des 19. Jahrhunderts -> wurde durch nationalistische Unterhaltungsliteratur dominiert Reformpädagogen wie Wolgast kritisierten Entwicklung -> forderten qualitativ hochwertige Alternativen Mit politischen/ gesellschaftlichen Wandel -> Genre verlor an Bedeutung, insbesondere im 20. Jahrhundert. Historische Roman in der Bundesrepublik Historische Einordnung und Ausgangslage: Ende 2. WK (1945) und Gründung (BRD) & DDR -> markieren Neuanfang für KJL in beiden Staaten Unterschiedliche Entwicklungen der geschichtserzählenden Literatur in BRD und DDR: ○ BRD: geprägt von Kontinuitäten und Brüchen ○ DDR: andere literarische Ausrichtungen. Entwicklungen in der geschichtserzählenden Literatur: Erwachsenenliteratur in der BRD: ○ Historischer Roman verliert an Bedeutung; deutlicher Rückgang nach 1945 ○ Konzentration der Leser auf Gegenwartsliteratur ○ Gründe: Bedürfnis nach Aufarbeitung der NS-Zeit + Auseinandersetzung mit politischer Vergangenheit. Jugendliteratur in der BRD: ○ Auftreten einer neuen Generation deutscher Autoren mit pädagogisch-didaktischer Ausrichtung ○ Historische Erzählungen orientieren sich an literarischen Klassikern und legen Wert auf moralische Botschaften. Merkmale der neuen Jugendliteratur: —> Inhalte: Abkehr von unterhaltungsorientierten historischen Erzählungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Schwerpunkt: pädagogischen und didaktische Ziele Auseinandersetzung mit NS —> Zielsetzungen: Moralische Erziehung: Warnung vor Führerkult und moralischem Verfall Vermittlung von Reflexion über die NS-Zeit und deren Folgen. Niedergang und Renaissance der geschichtserzählenden Literatur: --> Ende der 1960er Jahre: Rückgang geschichtserzählender Literatur in KJL Konkurrenz durch modernere Genres wie zeitgeschichtliche und problemorientierte Literatur. —> 1980er Jahre: Renaissance des historischen Romans durch Umberto Ecos „Der Name der Rose“ (1982) Wiederaufleben des Genres in der BRD -> in der allgemeinen Literatur & KJL Fazit: Geschichtserzählende Literatur in der BRD wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst durch Aufarbeitung der NS-Zeit geprägt Wechsel von belehrenden zu unterhaltenden Ansätzen mit Renaissance des Genres in den 1980er Jahren. Historische Roman in der DDR Allgemeine Bedeutung geschichtserzählender Literatur in der DDR: Gegensatz zur wechselhaften Entwicklung in der BRD -> Genre durchgängige Popularität in DDR Zahlreiche Werke geschichtserzählender KJL wurden veröffentlicht Ursache: Zentrale Rolle der Geschichte im Selbstverständnis der DDR. Funktion und Zielsetzung der Geschichtsauffassung in der DDR: Instrumentalisierung der Geschichte: ○ Aufgabe Geschichtswissenschaft: Bezüge zw. Geschichte und Gegenwart herstellen ○ Staatlich kontrollierter historischer Diskurs unter der Ideologie des Marxismus-Leninismus ○ Fokus: Gegenwartsbezug und sozialistische Zukunftsvisionen. Auswahl und Betonung spezifischer historischer Ereignisse: ○ Themen wie: Sklavenaufstände, Freiheitskämpfe, Antifaschistischer Widerstand ○ Ziel: Legitimation der DDR als „besserer“ deutscher Staat. Staatliche und ideologische Ziele: ○ Förderung der Integration in den sozialistischen Staat ○ Schaffung eines kollektiven historischen Bewusstseins ○ Politische Indoktrination durch historische Narrationen. Politische Rolle der Geschichtswissenschaft: Geschichtswissenschaft als politische Wissenschaft: ○ Eng mit staatlicher Ideologie verbunden ○ Nutzung zur Vermittlung der marxistisch-leninistischen Weltanschauung ○ Instrumentalisierung für den sozialistischen Aufbau und die Legitimation der DDR. Verbindung zur Kinder- und Jugendliteratur: ○ Geschichtserzählende Literatur als zeitdiagnostisches Mittel ○ Vermittlung staatlicher Ideologie durch Erzähltexte ○ Zielgruppe: Jugendliche und Kinder -> sozialistische Werte zu verinnerlichen. Unterschiede zur BRD: DDR wurde geschichtserzählender Literatur von Vermittlern (Pädagogen, Kulturschaffenden) große Aufmerksamkeit geschenkt Im Gegensatz zur problemorientierten Literatur der BRD wurde Genre in DDR durchgängig gefördert + hatte festen ideologischen Auftrag Fazit: Geschichtserzählende KJL war in DDR = ideologisch gelenktes Werkzeug (Förderung sozialistischer Werte) Genre wurde für politische Bildung, Identitätsbildung, Integration im sozialistischen Staat genutzt politisierte Ausrichtung hielt bis zur Wiedervereinigung 1990 an. Merkmale, Typologien, Strukturen geschichtserzählender Literatur - in der Bundesrepublik Allgemeine Merkmale der historischen Kinder- und Jugendliteratur in der Bundesrepublik: —> Diskontinuitäten und Brüche: Keine überzeitlichen Merkmale, Typologien oder Strukturen Veränderungen und Anpassungen an gesellschaftliche Entwicklungen. Entwicklung der Inhalte und Perspektiven: —> Von national zu transnational: Historische Romane des 19. Jahrhunderts: Fokus auf deutsche Vergangenheiten Seit den 1980er Jahren: ○ Transnationaler Charakter ○ Autoren verschiedener Nationalitäten behandeln diverse Vergangenheiten (andere Nationen, Ethnien, Minderheiten). „Geschichte“ wird zu „Geschichten“ mit mehreren, teils widersprüchlichen Perspektiven. —> Hinwendung zur Alltagsgeschichte: Verändertes Geschichtsverständnis: ○ Geschichte nicht mehr als Produkt „großer Persönlichkeiten“ ○ Fokus auf soziale, politische und ökonomische Bedingungen einer Epoche. Einbezug von Frauen und Mädchen: ○ Deutlicher Anstieg weiblicher Verfasserinnen. ○ Weibliche Protagonisten agieren in historischen Kontexten ○ Gattung als Mittel der „Zeitdiagnostik“ + Reflexion gesellschaftlicher Konflikte. —> Themenvielfalt und Randgruppen: Hinwendung zu Außenseitern und Unterdrückten: Hexen, „Zigeuner“, Indianer, Sklaven Deutscher Fokus: Schicksal jüdischer Figuren in der deutschen Geschichte (z.B. Mittelalter, interreligiöse Spannungen). Genre-Transgression und Hybridität: —> Genre-Mischungen: Traditionelle Verbindungen: Abenteuerromane, Reiseerzählungen Neuere Mischungen: Problemorientierte Romane, Kriminalromane, Adoleszenzromane Verbindung mit non- realistischen Genres: ○ Speculative Fiction (Phantastik, Fantasy, Alternative History, Zeitreiseromane) —> Internationalisierung: Zunahme an Übersetzungen Fokus auf internationale Epochen: ○ Römische Antike (Übergang Demokratie-Kaiserreich) ○ Pharaonenzeit, Wikinger, Marco Polos Entdeckungsreisen, Französische Revolution ○ Mittelalter zunehmend im Fokus —> Verbindungen mit Erwachsenenliteratur: Autoren schreiben für beide Zielgruppen (Erwachsene und Jugendliche) Thematische Überschneidungen: Familiengeschichten, historische Schicksale. Veränderungen als geschichtserinnerndes Medium: —> Vor 1945: Geschichtserzählende Kinder- und Jugendliteratur als identitätsstiftendes Medium Teil des kollektiven Wissens über die Vergangenheit (Selbstbild der Gesellschaft). —> Seit den 1980er Jahren: Texte dienen nicht mehr primär der geschichtlichen Erinnerung oder Identitätsstiftung Stärkere Bezüge zur Gegenwart auf Figuren- und Handlungsebene. Narrative Entwicklungen: —> Subjektive Erzählformen: Rückgang der auktorialen Erzählhaltung („So ist es wirklich gewesen“) Zunahme subjektiver Perspektiven: ○ Ich-Erzählung, Brief- und Tagebuchromane ○ Geschichte wird individuell erfahrbar, Fokus auf persönliche Erfahrungen. —> Klassische Formen und Begrenzungen: Fortbestehen klassischer historistischer Erzählformen Kaum metafiktionale Elemente, Geschichtskritik oder Reflexion des Konstruktcharakters von Geschichte (im Gegensatz zur allgemeinen Literatur). Fazit: historische KJL der Bundesrepublik zeigt dynamische Entwicklung: ○ Von nationalistischen zu transnationalen und alltagsbezogenen Themen ○ Integration neuer narrativer Formen und Hybridität ○ Stärkere Internationalisierung und Verknüpfung mit der Gegenwart. Gleichzeitig bleiben klassische Erzählstrukturen relevant, während innovative Ansätze (Metafiktion, Geschichtskritik) nur begrenzt umgesetzt werden. Merkmale, Typologien, Strukturen geschichtserzählender Literatur - in der DDR Allgemeine Merkmale der historischen Kinder- und Jugendliteratur in der DDR: —> Ideologische Prägung: Orientierung an marxistischen Grundsätzen: ○ Geschichte als Klassenkampf und revolutionärer Prozess ○ Wahrheitsgetreue Darstellung im Sinne des Marxismus: Parteiliche Gestaltung der historischen Wirklichkeit, keine objektive Verarbeitung historischer Fakten. Funktion der Literatur: Vermittlung von Geschichtsverständnis und Aufbau eines kollektiven historischen Bewusstseins Themen und Erzählmethoden stark durch Kulturpolitik geprägt. —> Themenvielfalt und Schwerpunkte: Deutsche Geschichte: ○ Mittelalter (z.B. Bauernkriege, Reformation) ○ Revolutionen von 1848 und 1918 ○ Industrialisierung und Arbeiterbewegung des 19 Jahrhunderts Außerdeutsche Geschichte: ○ Antike: Sklavenaufstände ○ Amerikanische Geschichte: Überlebenskampf der indigenen Bevölkerung ○ Französische Revolutionen von 1789 und 1848 ○ Russische Geschichte: Oktoberrevolution von 1917. —> Fokus auf revolutionäre, klassenkämpferische Ereignisse und Bezüge zur Gegenwart. Darstellung bedeutender Persönlichkeiten: —> Personenzentrierte Geschichtsauffassung: Geschichte als Werk bedeutender Persönlichkeiten Lebensgeschichten im Zentrum: ○ Spartakus, Thomas Müntzer, Friedrich Engels, Karl Marx, Rosa Luxemburg, Ernst Thälmann, Lenin u.a ○ Besonders viele Werke über Karl Marx. Ziel: Förderung der Verehrung von „Helden“ der Arbeiterbewegung und Errichtung eines kollektiven Bewusstseins. —> Eindimensionale Figurendarstellung: Klare Dichotomie von Gut und Böse Seltene Abweichungen oder differenzierte Charakterdarstellungen. Formale und inhaltliche Unterschiede zur Bundesrepublik: —> Statische Entwicklung: Geschichtsverständnis, Epochenfokus und Darstellung blieben unverändert Keine Erweiterung des Themenspektrums Keine Gattungstransgression (keine Verbindung mit anderen Genres wie Abenteuer- oder Zeitreiseromanen) Auktoriale Erzähler behielten Dominanz; subjektive Erzählformen konnten sich nicht durchsetzen. —> Abgrenzung zur Bundesrepublik: Historische Romane der BRD fanden wenig Verbreitung in der DDR Keine Adaption moderner erzählerischer, thematischer Innovationen der westlichen Kinder- und Jugendliteratur. Rezeption und Bedeutung: —> Relevanz der ideologischen Prägung: Texte spiegeln Ideologie der DDR wider Betonung von Heldenverehrung und Klassenkampf Vermittlung eines marxistisch-leninistischen Geschichtsverständnisses. —> Nachwirkungen: Nach Wende kaum noch Verfügbarkeit der Werke im Buchhandel Literatur der DDR verlor rasch an Bedeutung und Relevanz. Fazit: geschichtserzählende Kinder- und Jugendliteratur der DDR war stark ideologisch geprägt (Fokus: Klassenkampf, revolutionäre Ereignisse, Heldenverehrung) unterschied von Literatur der Bundesrepublik durch: thematische, formale Statik, Dominanz auktorialer Erzähler, Fehlen moderner narrativer Entwicklungen Werke = Mittel zur Erziehung, Identitätsbildung -> nach der Wende kaum Bestand behalten Zur Gattungsgeschichte der zeitgeschichtlichen KJL - Zeitgeschichtliche KJL in der BRD Frühe zeitgeschichtliche Jugendliteratur (1950er Jahre) —> Fokus: Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf die deutsche Bevölkerung: Themen: Elend der Nachkriegsjahre; Zerstörte Familien (Tod, Gefangenschaft Väter); Vertreibung aus Ostgebiete Perspektive: Einseitige Darstellung der deutschen Opferperspektive. —> Behandlung des Nationalsozialismus: NS-Verbrechen wurden kaum/ nur indirekt thematisiert Ansätze in historischen Erzählungen: ○ Kritische Hinterfragung von Führerpersönlichkeiten und Verführbarkeit des Einzelnen ○ Erzählungen über jüdische Figuren (in anderen historischen Epochen) ○ Seltene Gegenwartserzählungen über andere Minderheiten. —> Einfluss des Tagebuchs der Anne Frank (1950): Schnell in deutschen Lehrplänen verankert Bedeutung: Zeigte erstmals die Perspektive jüdischer Opfer Wirkung: Keine grundlegende Auseinandersetzung mit NS in der Jugendliteratur. Aufbruch durch „Damals war es Friedrich“ (1961) —> Autor: Hans Peter Richter. —> Bedeutung: Erstes jugendliterarisches Werk, das Judenverfolgung während NS thematisierte. Beendete bisherige Vermeidungsstrategie der Jugendliteratur. Wegbereiter für intensivere Auseinandersetzung mit NS-Zeit in KJL —> Kritikpunkte an Richters Werk: Verzerrte Darstellung jüdischen Lebens. Ausklammerung der Vernichtungspolitik. Nicht-repräsentative Darstellung einer Freundschafts- und Helfergeschichte. Stilisierung deutscher Bevölkerungsgruppen zu heimlichen Unterstützern der Juden. Wandel seit den 1960er Jahren —> Themenvielfalt ab den 1960er Jahren: Zunahmend differenzierte Auseinandersetzung mit allen Facetten des Nationalsozialismus. Umfassende Betrachtung der Epoche —> Zuwachs an Literatur: Kontinuierlicher Anstieg von Kinder- und Jugendromanen, Bilderbüchern und Sachbüchern über die NS-Zeit. Umfangreichere Thematisierung von NS-Verbrechen und Opferperspektiven. Forschung und wissenschaftliche Perspektiven —> Frühe Ansätze (bis 1980er Jahre): Dominanz literatur-, geschichts- und religionspädagogischer Perspektiven in der Forschung. —> Neuere Ansätze (seit späten 1980er Jahren): Einbindung der zeitgeschichtlichen Kinder- und Jugendliteratur in literatur- und kulturwissenschaftliche Diskurse Verknüpfung mit anderen wissenschaftlichen und erinnerungskulturellen Diskursen. Fazit Zeitgeschichtliche Jugendliteratur entwickelte sich von einseitigen Darstellung deutscher Nachkriegsschicksale zu differenzierten Auseinandersetzung mit der NS-Zeit Werke wie Damals war es Friedrich spielten Schlüsselrolle bei Thematisierung des Holocaust und Judenverfolgung Zunehmende wissenschaftliche Beschäftigung zeigt wachsende Bedeutung dieser Literatur für Auseinandersetzung mit Geschichte und Erinnerung. Zeitgeschichtliche KJL in der DDR —> Starke ideologische Bindung in der DDR: Kinder- und Jugendliteratur in DDR -> eng an staatlich gelenkte, ideologisch geprägte geschichtspolitische Diskurse gebunden Besonders ausgeprägt in der zeitgeschichtlichen Literatur über den Nationalsozialismus. —> Zentralität des Themas Nationalsozialismus: Darstellung des Nationalsozialismus von Beginn an Schwerpunkt in der DDR KJL, im Unterschied zur Bundesrepublik. —> Selbstverständnis der DDR: Nach 1945: betrachtete sich DDR-Führung aufgrund Identifikation mit Sowjetunion und Roten Armee als „Sieger der Geschichte“ Deutsche Verbrechen (1933–1945) wurden abgelehnt ->Argument: dass deutsche Antifaschisten gemeinsam mit der Sowjetunion die Hitler-Diktatur besiegt hätten. —> Entnazifizierung und Geschichtspolitik: Entnazifizierung (nach 1945) erlaubte es der DDR-Führung, den Nationalsozialismus als Teil der eigenen Geschichte „herauszuschreiben“. Verantwortung für die NS-Verbrechen wurde Bundesrepublik zugeschrieben = wichtiges Distinktionsmerkmal zw. Ost- und Westdeutschland b —> Kinder- und Jugendliteratur als ideologisches Mittel: zeitgeschichtlichen KJL von Anfang an hohe Aufmerksamkeit gewidmet Ihr wurde in der DDR dauerhaft hoher Stellenwert beigemessen, zeigte in: ○ Umfangreicher Textproduktion: Großer Textkorpus zur Thematik ○ Erzieherischer Bedeutung: Werke waren Teil der proletarisch-revolutionären u. antifaschistisch-demokratischen Erziehung. —> Unterschied zur Bundesrepublik: stärkere ideologische Prägung und politisch-pädagogische Zielsetzung der zeitgeschichtlichen KJL im Vergleich zur BRD Langfristig hoher Stellenwert bis zum Ende der DDR. Merkmale, Typologien und Strukturen zeitgeschichtlicher KJL - in der BRD —>Umfang und Klassifizierung der Werke: Zahl der zeitgeschichtlichen Kinder- und Jugendbücher (Thema: NS)-> in letzten sechs Jahrzehnten angewachsen Seit 1980er Jahren: Bildung Kategorien, um die Werke zu strukturieren. Diese umfassen: ○ Alltag im NS; Judenverfolgung/ Holocaust; Verfolgung Minderheiten; Widerstand; Emigration/ Exil; 2 WK; Kriegsende u. Nachkriegszeit; Flucht u. Vertreibung —> Akzentverschiebungen über die Jahrzehnte: 1960er–1980er Jahre: Schwerpunkt auf nichtjüdischer, deutscher Geschichte Seit den 1990er Jahren: ○ Zunehmende Bedeutung des Holocaust (Interesses und wachsender Anzahl übersetzter Werke - mit biographischem oder autobiographischem Hintergrund) ○ Übersetzte Werke konzentrieren sich auf Holocaust-Darstellungen. —> Erweiterte Themen der Verfolgung: Neben Judenverfolgung Fokus auf andere Opfergruppen: Fremdarbeiter, Sinti und Roma, jüdische Partisanen, männliche Homosexuelle, behinderte Menschen. Neuere Werke beleuchten Erinnerungsprozesse -> Form: Familien- und Generationenromanen Traumabewältigung als Prozess, der Gegenwart und Vergangenheit verbindet. —> Nachkriegszeit und ihre Darstellung: Weniger Fokus auf die unmittelbare Nachkriegszeit im Vergleich zum „Dritten Reich“ und Holocaust. Neuere Romane: betonen weniger deutsche Niederlage, sondern die Chance Neuanfang Stimmung der Unsicherheit und Übergangs prägt die Darstellung. —> Flucht, Vertreibung und deutsches Leid: Seit den letzten Jahrzehnten: Flucht und Vertreibung werden stärker im Kontext des Nationalsozialismus betrachtet aber in vielen Werken deutsches Leid hervorgehoben -> Darstellung: Deutschen als Verführte , Opfer Hitlers Kritik: eindimensionaler Darstellung dieses Themas —> Generationenverhältnisse und Perspektiven: Zeitliche Distanz verändert die literarische Darstellung: ○ Früher: Fokus auf Eltern-Kind-Verhältnisse, Interessen der Elterngeneration im Vordergrund ○ Heute: Jugendfiguren der Gegenwart hinterfragen die Verstrickung der Eltern- und Großelterngeneration in NSVerbrechen. Erinnerung = komplexer und generationenübergreifender Prozess —> Autobiographische und transnationale Erinnerungsliteratur: Werke der Kriegskinder-Generation schildern die NS-Epoche aus kindlicher bzw. jugendlicher Perspektive Erinnerungen sind oft autobiographisch und haben transnationalen Charakter Sie unterstreichen die transgenerationalen Auswirkungen der NS-Zeit und schärfen das Bewusstsein für globale Zusammenhänge der Ereignisse. —> Schwerpunkt der neueren Werke: Neuere zeitgeschichtliche Kinder- und Jugendliteratur hebt Vielschichtigkeit des Erinnerns hervor: ○ Unterschiedliche Vergangenheiten werden reflektiert ○ hinterfragt, wie diese Erinnerungen an kommende Generationen weitergegeben werden können. Werke zur Verknüpfung von nationalen, transnationalen und transgenerationalen Perspektiven Merkmale, Typologien und Strukturen zeitgeschichtlicher KJL - in der DDR —> Unterschiedliche Schwerpunktsetzungen BRD vs. DDR: Bundesrepublik: ○ Themen: Flucht, Vertreibung, eigenes (Kriegs-)Leiden. DDR: ○ Fokus auf antagonistische Konfrontation: Antifaschisten vs. Nationalsozialisten —> Antifaschismus-Modell der DDR: Funktionierte als Sinnkonstruktion für Opfer und Täter: ○ Täter konnten als Opfer des kapitalistischen Systems subsumiert werden ○ Selbstbild: DDR als Volk von Widerstandskämpfern, keine Auseinandersetzung mit Schuld nötig. Grundlegende Defizite: ○ Themen wie Alltagsgeschichte des Dritten Reichs, Verbrechen der Vertreibung, Stalinismus und Holocaust -> lange Zeit ausgeklammert. —> Darstellung von Minderheiten: Verfolgung, Ermordung von Juden und Minderheiten -> als Folge ihres Widerstands (z. B. Kommunisten), nicht ihrer ethnischen/religiösen Zugehörigkeit Zugehörigkeit zu einer Minderheit oft als Zufall dargestellt. —> Wandel ab den 1960er Jahren: Ursachen: ○ Generationenwechsel bei Autoren und Vermittlern ○ Reformkurs der Partei in den 1970er Jahren. Neue Themen ab Mitte der 1980er Jahre: ○ Persönliche Vergangenheitsbewältigung, individuelle Täterschaft. ○ Alltagsgeschichte des Dritten Reichs ○ Widerstand nichtkommunistischer Gruppierungen. —> Außenpolitische Entwicklungen der 1980er Jahre: Neuer außenpolitischer Kurs zur Aufwertung der DDR durch USA beeinflusste auch Perspektive auf Holocaust Auswirkungen auf Kinder- und Jugendliteratur erst ab Mitte der 1980er Jahre. —> Fortbestand des antifaschistischen Dogmas: Trotz neuer Sichtweisen -> kommunistische antifaschistische Widerstandsmodell = dominant Antifaschistischer Mythos erhielt Risse, aber kein Paradigmenwechsel Kommunistischer Widerstand = wichtigster Antagonist des Nationalsozialismus —> Einschränkungen und Nachwirkungen: DDR-Deutung des Nationalsozialismus unterlag wenigen Veränderungen während 40-jährigen Geschichte Zeitgeschichtliche/antifaschistische KJL hatte thematische Bandbreite, aber innerhalb enger ideologischer Vorgaben Folge: Mehrheit der Werke überlebte Wende nicht / nur wenige Jahre. Didaktische Aspekte —> Historische Literatur und ihr didaktischer Charakter: Historische Romane: vermitteln Bild der Epoche ihres Verfassers (Döblin, Tucholsky). didaktischer Charakter geschichtserzählender Literatur -> variiert in Intensität und Ausprägung Spannungsverhältnis zwischen Wissensvermittlung und Unterhaltung: ○ Wissensvermittlung über historische Sachverhalte ○ Unterhaltung als Faktor für Popularität des Genres. —> Entwicklungen historischer Kinder- und Jugendliteratur: Ende des 18. Jahrhunderts: ○ Debatte über Verhältnis von Wissen und Unterhaltung ○ Historische Romane oft als Abenteuerromane mit starkem Unterhaltungsaspekt. 1950er & 1980er Jahre: ○ Phasen eines “Neubeginns” für historische Romane ○ Fokus stärker auf Erziehungsliteratur: ◆ Vermittlung von Wissen über historische Prozesse, Persönlichkeiten, Epochen und Minderheiten. —> Wandel seit den 1990er Jahren: Gattungstransgression: ○ Geschichte nicht mehr primär als historische Ereignisse gelesen ○ Fokus auf Anderswelten durch zeitliche Distanz ○ Übergang vom teleologischen Geschichtsmodell zu Figurenidentifikation ○ Konflikte mit globalen Dimensionen ersetzen vergangenheitsspezifische Probleme. Kritik: ○ Dominanz der Unterhaltung führte zu Forderungen nach Rückkehr zur klassischen Geschichtserzählung ○ Gegenargument: Es gab nie “die” klassische Geschichtserzählung ○ Potenzial neuer Gattungsvarianten (z. B. Speculative Fiction) soll didaktisch genutzt werden. —> Didaktische Konzepte und Entwicklungen: Seit den 1990er Jahren: Vielfalt an didaktischen Konzepten Fokus auf literarisches Lernen als fächerübergreifende Herausforderung: ○ Verbindung von Kinder- und Jugendmedien mit Sachfächern ○ Förderung beiläufigen Erwerbs von Weltwissen. —> Zeitgeschichtliche Kinder- und Jugendliteratur: Stärker wissensvermittelnder, aufklärerischer Charakter als historische Romane. Von Beginn an fester Bestandteil des Unterrichts. ○ Vorrangig auf Unterrichtstauglichkeit hin überprüft. Seit den 1990er Jahren: ○ Didaktischer Cjarakter tritt weniger oft zutage ○ Dominanz subjektiver Erzählformen, gekennzeichnet durch: Ellipsen u. Auslassungen, die aktiven Leser erfordern —> Parallelen zur Erwachsenenliteratur: Zeitgeschichtliche Kinder- und Jugendliteratur nähert sich der Erwachsenenliteratur an. Fokus: Authentizität und Übereinstimmung zwischen Fiktion und historischer Wirklichkeit Ähnlichkeiten: Verbindungen zu Lebensgeschichten und Adoleszenzromanen. —> Didaktische und identitätsstiftende Funktion: Bleibt Element des Unterrichts (fast aller Schulformen und Altersstufen) Inhalte zeitgeschichtlichen Literatur = identitätsstiftenden Charakter Weiterhin unverzichtbar für didaktische Zwecke, trotz Annäherung an offene Erzählformen und Erwachsenenliteratur. Text 3: Bachorz, Stephanie: Narratologie Figurenanalyse (Zur Analyse der Figuren) —> Mimetisches Figurenverständnis: Charaktere werden als Abbilder von realen Menschen betrachtet. —> Strukturalistisches Figurenverständnis: Charaktere gelten als rein textuelle Konstrukte. —> Kritik: Beide Ansätze heben die Spezifität fiktionaler Charaktere auf. Fragen: Soll die Figurenanalyse aufgegeben werden, oder ist eine Versöhnung der Ansätze möglich? Rezeptionsästhetische und interdisziplinäre Lösungsansätze: —> Grundidee: Leser*innen lösen Gegensatz zw. Textkonstrukt und lebensweltlicher Realität im Leseprozess selbstständig auf. —> Forschungsbeispiele: Ralf Schneider (2000): Figuren im viktorianischen Roman. Jonathan Culpeper (2001): Figurenrezeption im Drama. Ziel: 1) Systematische Analyse des Rezeptionsprozesses; 2) Überwindung der methodischen Schranken von Mimesis und Strukturalismus. Culpepers Figurenverständnismodell: —> Textverstehen als zyklischer Prozess: Leser*innen ergänzen Text ständig mit Vorwissen und Erinnerungen. Wechselspiel zw. textuellen und außertextuellen Informationen. —> Komponenten: “Textbasis”: Propositionale Inhalte des Textes (gesammelte Informationen). “Oberflächenstruktur”: Sprachliche Darstellung, z. B. Wortwahl. “Situationsmodell”: —> Integration von Vorwissen —> Verknüpfung von Textinformationen zur sinnvollen Interpretation. “Kontrollsystem”: —> Steuerung des Verstehensprozesses. —> Beeinflussung durch individuelle Wertesysteme und Leseziele (z. B. feministische vs. traditionalistische Lesarten). Dynamik des Figurenverständnisses: Figurenbilder ändern sich dynamisch im Leseprozess. Keine statischen Repräsentationen, sondern fortlaufende Rekonstruktionen. Reader-Response-Theorie und strukturalistische Analyse: —> Reader-Response-Theorie: Leser*innen sind „kreative Komplizen“, die Text um eigenes Wissen ergänzen. Vielfalt der Interpretationen aufgrund individueller Unterschiede (z. B. Geschlecht, Alter, Bildung, Kultur). —> Kombination mit strukturalistischen Ansätzen: Strukturalistische Methoden nützlich für Analyse der „Oberflächenstruktur“ und „Textbasis“. Ergänzung durch rezeptionsästhetische Perspektiven und Vorwissen. Herausforderungen rezeptionsorientierter Ansätze: Schwierigkeit, universelle Rezeptionsprozesse zu definieren (Variablen wie Geschlecht, Alter, Bildung etc.) Dynamik des Figurenverständnisses macht systematische Erfassung komplex Bedarf an Modellen wie Flussdiagrammen, um den Prozess zu beschreiben. Text 4: Literatur als Medium des kollektiven Gedächtnisses Allgegenwärtigkeit literarischer Texte in Erinnerungskultur Breite Gattungs und Genrevielfalt: Lyrik, Groschromane, historische Romane, Fantasy, Liebesgeschichten Erinnerungskulturelle Funktionen literarischer Texte herausbilden von Vorstellungen über vergangene Lebenswelten Vermittlung u. Konstruktion von Geschichtsbildern Aushandlung von Erinnerungskonkurrenzen u. Konflikten Literatur als symbolische Form der Erinnerungskultur —> Theoretische Grundlage Bezug Ernst Cassirer: Literatur als eigenständige symbolische Form, neben Mythos, Religion, Recht und Wissenschaft. Nelson Goodman: Literatur als spezifische „Weise der Welterzeugung“ und Gedächtniserzeugung. —> Merkmale der Literatur als symbolische Form Eigene ästhetische und sprachliche Symbolik Erzeugung von narrativen und poetischen Welten Konstruktiver Umgang mit Vergangenheit und Wirklichkeit: Schaffung alternativer oder vielschichtiger Perspektiven. —> Erinnerungskulturelles Leistungsvermögen der Literatur Vergangenheitserschließung: ○ Darstellung, Reflexion vergangener Ereignisse/ Lebenswelten ○ Schaffung Erinnerungsfiguren und kultureller Muster. Sinnstiftung: Orientierung durch narrative und symbolische Ordnungen. Kulturelle Identität: Vermittlung gemeinsamer Erinnerungen und kollektiver Werte. —> Konvergenzen zwischen Literatur und kulturellen Gedächtnisprozessen Ähnlichkeiten: ○ Bildung prägnanter Erinnerungsfiguren ○ Tendenz zur Sinnstiftung durch narrative Verdichtung und Musterbildung ○ Beide Systeme „konstruieren“ Wirklichkeits- und Vergangenheitsversionen. —> Differenzen zu anderen Symbolsystemen der Erinnerungskultur Abgrenzung von Geschichte, Religion und Mythos: ○ Literatur bietet mehr Ambiguität und Fiktionalität ○ Freiere Darstellungsmöglichkeiten jenseits dogmatischer oder empirischer Zwänge. Moderne Entwicklung der Literatur: ○ Ab dem 18. Jahrhundert: ◆ Entstehung des autonomen literarischen Sozialsystems ◆ Privilegien: Ästhetische Autonomie, Reflexionspotenzial ◆ Restriktionen: Begrenzung auf den fiktionalen Bereich, Loslösung von faktischen Ansprüchen. Literatur und kollektives Gedächtnis: Schnittpunkte —> Grundlegendes: Literatur als Gedächtnisform Erinnerung ist selektiv; basiert auf konstruktiven Prozessen (Cassirer): ○ Ereignisse, Erfahrungen werden organisiert und verdichtet, um erinnerbar zu werden ○ Literatur spielt Rolle bei Verarbeitung u. Vermittlung der Vergangenheit. Drei Schnittpunkte von Literatur und Gedächtnis: 1. Verdichtung 2. Narration 3. Gattungsmuster 1. Verdichtung Definition: Verdichtung als grundlegendes Verfahren der Erinnerungskultur Funktion: ○ historische Ereignisse werden symbolisch durch Topoi, Narrative, Ikonen repräsentiert ○ Beispielhafte Erinnerungsorte: „Wir sind das Volk“: Steht für den Mauerfall 1989/ Bilder 11. September: Symbol für terroristische Anschläge Verdichtung in der Literatur: ○ Beispiel: Das Gedicht als verdichtete Form ○ Literarische Mittel: ◆ Metaphorik, Allegorie, Intertextualität: Überblendung und Zusammenführung semantischer Bereiche. ○ Kontext- und Rezeptionsabhängigkeit: ◆ Verstehen symbolisch verdichteter Erinnerungsorte erfordert spezifisches Wissen der Erinnerungsgemeinschaft. ○ Beispiele:Versailles für Deutschland (Symbol für Demütigung vor dem Zweiten Weltkrieg). 2. Narration Kollektives Gedächtnis und Erzählung ○ Erinnern basiert auf narrativen Prozessen: ◆ Auswahl und Verbindung von Erinnerungsfragmenten zu sinnvollen Geschichten ◆ Temporale und kausale Ordnungen durch Fabelbildung. Ähnlichkeiten von Literatur und Gedächtnis: ○ Literatur und kulturelle Erinnerung strukturieren Vergangenheit in sinngestiftete Geschichten ○ Welt des Kollektivgedächtnisses ist Welt der Narrative. Narrative Psychologie (Aleida und Jan Assmann): ○ Individuelle Erinnerungen: Biografische Erfahrungen werden nachträglich narrativ strukturiert ○ Kollektive Erinnerungen: Vergangenheit wird durch Geschichten im kulturellen Gedächtnis verankert. Narrative Funktionen: ○ Sinnbildung über Zeiterfahrung ○ Erinnerungsorte und -figuren häufig narrativ eingebettet 3. Gattungsmuster Definition: ○ Gattungsmuster = Formen der Kodierung von Geschehensverläufen ○ Bestandteil des kollektiven Wissens durch Sozialisation und Enkulturation. Funktion in Literatur und Erinnerungskultur: Rezeption: ○ Individuen nutzen gattungsbezogene Modelle (z. B. Bildungsroman) zur Erklärung ihres Lebenswegs. Geschichtsschreibung: ○ Historische Sinnbildung durch narrative und gattungsspezifische Strategien (z. B. Romanze, Tragödie) ○ Historische Erzählmuster prägen ideologische Perspektiven Wechselwirkung von Literatur und Erinnerungskultur: ○ Literatur verarbeitet und prägt vorhandene Gattungsmuster und speist sie zurück in die Erinnerungskultur Gattungen als Antwort auf Herausforderungen: ○ Stark konventionalisierte Gattungen bieten Orientierung in komplexen Erinnerungsprozessen ○ Neubildung von Gattungen spiegelt kulturelle und erinnerungshistorische Kontexte. Fazit —> Literatur als Gedächtnismedium: Literatur verdichtet, narrativiert und strukturiert Erinnerungen ermöglicht sinnstiftende Vergangenheitsdeutungen + vermittelt kulturelle Identität Über Verdichtung, Narration und Gattungsmuster reflektiert + gestaltet sie Erinnerungskulturen aktiv. Literatur und Gedächtnismedien anderer Symbolsysteme: Unterschiede Literatur und kollektives Gedächtnis Literatur: Medium des kollektiven Gedächtnisses Fähigkeit zur Welterzeugung und Bedeutungsstiftung Literatur unterscheidet sich durch symbolsystem-spezifische Merkmale von anderen Gedächtnismedien (Geschichtsschreibung, Gesetzestexte, religiöse Schriften): 1. Fiktionale Privilegien und Restriktionen 2. Interdiskursivität 3. Polyvalenz 1. Fiktionale Privilegien und Restriktionen Wolfgang Iser: Fiktionale Darstellungen beruhen auf zwei Formen der Grenzüberschreitung: 1. Wiederholung des Realen: Elemente der Realität werden im fiktionalen Kontext neu kontextualisiert und symbolisch überhöht. 2. Gestaltung des Imaginären: Formlose, unfixierte Elemente des Imaginären erhalten durch Fiktion eine Gestalt und Realität. Merkmale des Fiktionalen in der Literatur: Verbindung von Realem und Imaginärem: Restrukturiert kulturelle Wahrnehmungsweisen. Privilegien der Literatur: ○ Fiktive Erzählinstanzen ○ Darstellung von Innenwelten ○ Integration kontrafaktischer oder nicht belegbarer Elemente ○ Schaffung alternativer Wirklichkeiten. Einschränkungen des Fiktionalen: ○ Entpragmatisierung der Literatur ○ Eingeschränkte Referenzialität, Faktentreue und Objektivität (Unterschied zur Geschichtsschreibung, Autobiographie und Memoiren) 2. Interdiskursivität Michail Bachtin: Literatur als vielstimmiges Medium repräsentiert, integriert unterschiedliche Diskurse einer Erinnerungskultur. Gegenüberstellung: ○ Wissenschaftliche Spezialdiskurse (z. B. Geschichtswissenschaft, Theologie): Begrenzte Fokussierung ○ Literatur: Ermöglicht Vielfalt und Überlagerung von Diskursen. Literatur als reintegrierender Interdiskurs 3. Polyvalenz Komplexität der Verdichtung: Literatur steigert Verdichtungsleistung der Erinnerung + erzeugt ambivalente Darstellungen von Vergangenheit. Unterscheidung zu anderen Medien: Hochkomplexe, mehrdeutige Darstellungen einzigartig für Medium Literatur. Fazit Literatur als Gedächtnismedium besitzt einzigartige Eigenschaften: Nutzung von fiktionalen, diskursiven und polyvalenten Strukturen. Ermöglicht vielschichtige und flexible Zugänge zur kollektiven Erinnerung. Text 5: Birkmeyer: Erinnerung als didaktische Kategorie Der erinnerungsethische Rahmen Kontext und Relevanz der Holocaust-Erinnerung —> Herausforderungen: Wissensverlust junger Generationen über die NS-Zeit Diffuser Antisemitismus, Neonationalismus und historisches Distanzgefühl Instabile kulturelle Identitäten und Bildungskrisen. —> Bedeutung der Erinnerung: Erinnerung als ethische Suchbewegung; schafft Sinn und Orientierung Holocaust als unvergleichliches Ereignis; symbolische Bedeutung wächst Krisen der Erinnerungskultur und des Literaturunterrichts —> Krise der Erinnerungskultur: Überforderung durch Imperativ „Du sollst Dich erinnern“ Gefahr der ritualisierten und leeren Gedenkpraxis Wissensverlust durch Abstraktion und Medialisierung. —> Krise des Literaturunterrichts: Legitimations- und Adaptionsprobleme Schüler reagieren mit Abwehr auf moralische Zumutungen Schwierigkeit, Anschlüsse an gesellschaftliche Diskurse herzustellen. Ziele eines zukunftsfähigen Erinnerungsdiskurses —> Medienkritisches Gedächtnis: Kompetenz zur Analyse medialer Codierungen, Diskursregeln und Holocaust-Narrative Schutz vor Verflachung, Dekontextualisierung und Simplifizierung. —> Europäischer Erinnerungsraum: Perspektivwechsel von nationalen zu grenzübergreifenden Projekten Orientierung an universellen Menschenrechten. Didaktische und ethische Ansätze — > Reflexion und Ambivalenz: Ablehnung einer Moral von Gut und Böse. Förderung der Autonomie, Reflexion und Verallgemeinerung ethischer Prinzipien (Kant, Habermas). —> Literarische Bildung: Auseinandersetzung mit Holocaust-Literatur als Möglichkeit, aktive Teilnahme am kollektiven Gedächtnis zu fördern. Balance zwischen Überforderung und Wertschätzung literarischer Qualität. Zentrale Erkenntnisse zur Erinnerungskultur —> Erinnerung vs. Denken: Erinnerung erzeugt Sinn und Ethik aber an soziale und kulturelle Rahmungen gebunden Kulturelle Konstruktionen von Erinnerung unterliegen ideologischen und staatlichen Interessen. —> Ethischer Universalismus: Erinnerung als individuelle, autonome Reflexion, nicht als kollektive Identifikation Ziel: Gesellschaftsformen schaffen, die weitere Opfer und Täter verhindern. Erinnerungen im literaturdidaktischen Feld Grundannahmen und Zielsetzung: Erinnerung als Paradigma der Literaturdidaktik: Fraglich, ob sinnvoll und anwendbar; erfordert spezifische Voraussetzungen Abkehr von Empathie-zentrierter Literaturdidaktik: Fokus auf sinnstiftendes Denken statt bloßem Affekt Ethik des Suchens: Holocaust-Literatur als Impuls für ein fragendes, diskursfähiges Lernen. Didaktische Zielsetzungen Diskursfähigkeit: Jugendliche sollen in gesellschaftliche Vergangenheitsdiskurse eingebunden werden Selbstreflexion: Verbindung von ästhetischen und ethischen Dimensionen literarischen Erinnerns Kommunikative Öffentlichkeit: Erinnerung soll gesellschaftliche Partizipation fördern. Methodologische Perspektiven Synthese von Ästhetik und Ethik: Literatur als Brücke zwischen Sinnfragen und ethischen Orientierungen Weg von Betroffenheitsaffekten: Ziel ist nachhaltiges Denken, nicht kurzfristige Emotionalität Fragile Lernhaltung: Erinnerung als unabschließbarer Prozess des Sammelns, Vergessens und Konstruierens. Literatur und Medien Symbolisches Erprobungsfeld: Literatur als Raum für Auseinandersetzung mit Erinnerung und Traditionsbrüchen Medienkritik: Darstellung von NS-Geschichte in Filmen prägt stark das Geschichtsbild Unabschließbarkeit der Erinnerung: Neue Codierungen und Interpretationen stets möglich. Ethische Dimension Literatur gegen das Vergessen: Aufgabe, Prozesse des Verschwindens und Vergessens zu durchbrechen. Didaktische Konsequenzen Emergenter Lernprozess: Erinnerung als dynamischer, schulischer Lernprozess Relevanz und Transparenz: Erinnerung muss systematisch konzipiert und verständlich gemacht werden. Zusammenfassend Erinnerung als didaktisches Konzept ist ein Prozess, der ethische und ästhetische Dimensionen integriert, Diskursfähigkeit fördert und Literatur als Medium nutzt, um Fragmente von Geschichte und Kultur zu rekonstruieren und im Lernen lebendig zu halten Erinnerungen an das Verbrechenskontinuum der Moderne Didaktische Grundlagen —> Unterscheidung von Reflexionsform und Handlungswissen: Reflexionsform: Begründungshorizonte schulischen Lernens und Wissens. Handlungswissen: Operationalisierung dieser Begründungshorizonte im Unterricht. —> Kritik an methodischer Unmittelbarkeit: Fokus auf didaktische Reflexion statt rein pragmatischer Ansätze. Erinnerung als Leitkategorie —> Anforderungen an Erinnerung: Anschlussfähigkeit an kulturwissenschaftliche Standards. Entwicklung handlungsleitender Perspektiven für den Unterricht. —> Erinnerungskultur der Moderne: Ziel: Kollektives Gedächtnis gegen das Verbrechenskontinuum der Moderne. Herausforderungen: Abstraktion und Enthistorisierung des Holocaust. Parzellierung und Privatisierung der Erinnerung in massenkulturellen Feldern. Herausforderungen der Erinnerungskultur —> Ambivalenz bei Jugendlichen: Interesse an der Vergangenheit vs. Überdruss durch schulische Vermittlungsformen Defizite im historischen Wissen über Nationalsozialismus, Antisemitismus und Holocaust. —> Probleme des Unterrichts: Autohypnotische Szenarien: Lernen ohne Kontexte Rituelle Arrangements: Lernen ohne geistige Inspiration. Generationsspezifische Erinnerungskultur —> Konflikt zwischen Generationen: Verpflichtung der 3. und 4. Generation auf Erinnerungskonzepte der 1. und 2. Generation. Gefahr: Nationalsozialismus bleibt äußerlicher Belehrungsgegenstand. —> Kritik an traditionellen Erinnerungsmustern: Fokus der 2. Generation auf Widerstand gegen Verdrängen und Schweigen. Vernachlässigung drängender ethischer Fragen in der Auseinandersetzung mit Holocaust-Dokumenten. Didaktische Neuausrichtung —> Ziel von Holocaust-Lektüren: Keine reine Suche nach historischer Wahrheit oder Fakten. Fokus auf den Umgang mit Fakten und deren ethische Einordnung (Ruth Klüger). Perspektive auf die menschliche Identität und die Möglichkeit des Massenmords als ethisches Problem. —> Kritik an Pädagogisierung: Vermeidung generationsspezifischer Erfahrungen als didaktische Norm. Förderung eines sinnerfüllten, individuellen Umgangs mit Holocaust-Literatur. Zusammenfassend Der Unterricht muss sich von starren pädagogischen Mustern lösen und Jugendlichen ermöglichen, sich selbst und die Vergangenheit in ethischen, historischen und persönlichen Kontexten zu hinterfragen. Erinnerung als Symbiose aus Wissen, Orientierung und Wertehaltung Kritik an verkürzten Holocaust-Didaktiken Reduktion auf Ambivalenz zwischen: ○ Aufklärerisch-pädagogischen Zielen. ○ Literarisch-ästhetischen Befunden Kritik: methodisch eindimensional Erinnerung als Symbiose aus Wissen, Einsichten, Werten,Orientierung Erinnerung als ethisches Korrektiv Schutz vor: ○ Vergessen, Überforderung, Gleichgültigkeit ○ Faszination von Macht und Täterschaft im Nationalsozialismus. Fokus auf anthropologische Dimensionen des Bösen und der Gewalt Universalistisch ausgerichtete Demokratie- und Menschenrechtserziehung. Walter Benjamins Erinnerungsverständnis Erinnerung als verdichtete Zeiterfahrung (Kairos), keine Raummetapher (Archiv) Theologisch-ästhetischer Ansatz: Erinnerung als Hoffnung auf zukünftige Korrektur. —> Herausforderungen: ○ Nicht in empirische Gedächtnistheorien integrierbar ○ Bindung an Verlust- und Katastrophenerfahrung der Moderne ○ Reflexives Gegen-Gedächtnis der vergesslichen Moderne. Erinnerung als dialogischer Erfahrungsmodus Verbindung von: ○ Subjektiver/persönlicher Erinnerung ○ Objektiv-öffentlicher Erinnerung. Dialog zwischen: ○ Erfahrungsmodus (Phantasie, Reflexion) ○ Materialerschließung (Texte, Artefakte, Zitate). Ziel: Antizipierende Phantasie für die Verbindung von Vergangenem und Zukunft. Erinnerung als ethischer Optativ Fokus auf das: ○ Uneingelöste, Aufgeschobene, Unerledigte der Vergangenheit ○ Wunsch- und Hoffnungsdimension der Geschichte. Erinnerung als Erschließungswissen, nicht als Erkenntnisweise. Probleme der Erinnerungsfähigkeit Ursachen für Erinnerungsverlust: ○ Pädagogisierte und ideologisierte Geschichtsvermittlung ○ Mangel an imaginationsfähigen Denkweisen (z. B. jüdische Hermeneutiktradition). Fehlende Kulturfertigkeit, das Unerledigte und Wartende im Vergangenen zu denken. Erinnerung als gesellschaftliche Praxis Ziel: Herstellung von Öffentlichkeit durch Erinnerungsgemeinschaften Funktion ○ Distanzierung von übermächtiger Realität ○ Fokus auf Brennpunkte der Beobachtung und Verständigung. Narrative des Erinnerns ermöglichen: ○ Kommunikation, generationelle Verständigung ○ Vereinfachung komplexer Vergangenheiten für Reflexion und Austausch. Literarische Texte sind selbst ethisch dimensioniert Erinnerung und ethische Reflexion ○ Ethische Reflexion während der Rezeption ○ Doppelte Bewegung des Lesers: ◆ Verständnis der Bedrohung durch Zivilisationskälte ◆ Eigene ethische Orientierung begründen und kommunizieren. Erinnerung als ethische Haltung: ○ Ziel: Holocaust in seiner barbarischen Evidenz sinnfällig machen. Literaturunterricht: ○ Heute ethisch geprägt ○ Reflexion über das Unfassbare des Holocaust Literaturdidaktische Ansätze —> Ethik an und über Literatur: Texte bieten Leerstellen und narrative Arrangements, die: ○ Nachfrageangebote liefern ○ Vorstellungsbildung fördern (indirekte Darstellungen). Dialektik von Erinnern und Vergessen: ○ Gefahr des Verschwindens des Holocaust hinter kulturellen Produkten Ethik des Suchens Nicht moralisierende Inhalte, sondern: ○ Ästhetische Wirkungen und Reflexionen durch literarische Darstellung ○ Moralisch-diskursive Anschlüsse an Texte ermöglichen. Ästhetische Erfahrung: Reflexive Dimension durch mögliche Welt- und Empfindungsweisen. Narrative Ethik Erzählungen bieten Räume für moralische Theoretisierungen. Vier zentrale Aspekte narrativer Strukturen: 1. Bezug zur Moral: Menschen operieren mit Sinn, Symbolen und Geschichten 2. Stabilisierung und Problematisierung von Identitäten: Genuin personal und kollektiv. 3. Symbolische Bedeutung: Präsentative (nicht diskursive) Symbolisierungen, emotional und moralisch aufgeladen. 4. Reflexion durch fiktionalen Raum: Moralische Bewertungen durch ethische Einbildungskraft (Ricœur) imaginier- und variierbar. Im didaktischen Raum zielt Erinnerung auch auf einen ethischen Modus des rhetorischen Gedächtnisses der Literatur Problematik des Deutschunterrichts Defizite: Deutschunterricht oft als Krypto-Geschichtsvermittlung Kritik (Hopster, 1992): ○ Literatur als Material für historisches Wissen, ohne Förderung eines historisch-literarisch-ästhetischen Bewusstseins ○ Schüler erkennen nicht die Konstruiertheit historischen Schreibens ○ Historische Stoffe werden als unmittelbare Vergangenheit interpretiert Erinnerung im Unterricht: ○ Kein moralischer Automatismus Ziel: Offener Denk- und Erfahrungsraum, wo individuelle und kollektive Erinnerungen verschmelzen. Literatur als Medium kollektiven Gedächtnisses Literatur verknüpft Gedächtnisrhetorik und Erinnerungskontinuum Texte als erinnerungshistorische Narrative Astrid Erlls Typologie der Rhetorik des kollektiven Gedächtnisses (nach Assmann): 1. Erfahrungshafter Modus: Alltagserinnerung, kommunikatives Gedächtnis. 2. Monumentaler Modus: Mythos eines kulturellen Sinnhorizonts. 3. Historisierender Modus: Abgeschlossene Vergangenheit, Gegenstand wissenschaftlicher Geschichtsschreibung. 4. Antagonistischer Modus: Verhandlung konkurrierender Erinnerungen. 5. Reflexiver Modus: Selbstbeobachtung der Erinnerungskultur. Kritik und Erweiterung der Typologie Keine intrinsischen Textmerkmale als Garantien für Eignung im kollektiven Gedächtnis. Wirkungspotenziale hängen von: ○ Leser-Erwartungen und Lesestrategien ○ Textstrukturen (Erzählerdiskurs, Symbolik, Metaphorik, Intertextualität, etc.). Ethischer Modus Erweiterung der Typologie um den ethischen Modus: ○ Leser nimmt eine fragende, ethische Haltung ein ○ Diskursive Reflexion ethischer Horizonte an markanten Textstellen. Leitziele für diese Lektürehaltung: ○ Gründlichkeit ○ Intensität der Gefühle ○ Überraschender Eindruck ○ Authentizität des Ausdrucks ○ Zusammenhang der Darstellung