BW1 - Schulpädagogik Zusammenfassung SoSe24 PDF

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This document is a summary of school pedagogy lectures for the summer semester 2024. It covers topics like the development of modern pedagogy, teacher training, and school research.

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BW1 - Schulpädagogik SoSe24 ÜBERSICHT SCHULPÄDAGOGIK INHALT Sitzung 1: Entwicklungslinien, Handlungsfelder und Herausforderungen einer (post)modernen...

BW1 - Schulpädagogik SoSe24 ÜBERSICHT SCHULPÄDAGOGIK INHALT Sitzung 1: Entwicklungslinien, Handlungsfelder und Herausforderungen einer (post)modernen Schulpädagogik................................................................................................................................................ 2 1. Was kennzeichnet eine wissenschaftliche Perspektive auf Schule und Unterricht?............... 2 2. Welchen zentralen schulpädagogischen Herausforderungen steht die Disziplin gegenüber? 5 Fazit................................................................................................................................................................ 7 Übungsaufgaben.......................................................................................................................................... 8 Sitzung3: Professionsforschung und Lehrkräftebildung............................................................................ 9 Lernziele........................................................................................................................................................ 9 Empirische Ansätze in der Lehrkräfte- und pädagogischen Professionsforschung........................... 9 1. Der Kompetenztheoretische Ansatz............................................................................................. 11 2. Der strukturtheoretische Ansatz.......................................................................................................... 18 2 Fazit........................................................................................................................................................... 19 Sitzung 4: Schulforschung und schulische Sozialisation.......................................................................... 20 Lernziele...................................................................................................................................................... 20 1. Bildungs-, Erziehungs- und Sozialisationsforschung................................................................ 20 2. Vom (Klein)kind zur Schüler:in.................................................................................................... 23 3. Schulklima und Schulmilieu.......................................................................................................... 28 Sitzung 5: Familie und Schule...................................................................................................................... 30 1. Familie im Wandel – Abkehr von Normalfamilie...................................................................... 30 2. Erziehungsstile und Milieu............................................................................................................ 32 3. ELTERNHAUS UND SCHULE..................................................................................................... 34 Fragen.......................................................................................................................................................... 35 Sitzung 6: Unterrichtsforschung und Classroom Mangement................................................................ 36 1. Qualitative Unterrichtsforschung................................................................................................. 36 2. Quantitative Unterrichtsforschung............................................................................................... 38 Zusammenfassung..................................................................................................................................... 43 Kontrollfragen............................................................................................................................................ 43 Seite 1 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 SITZUNG 1: ENTWICKLUNGSLINIEN, HANDLUNGSFELDER UND HERAUSFORDERUNGEN EINER (POST)MODERNEN SCHULPÄDAGOGIK 1. WAS KENNZEICHNET EINE WISSENSCHAFTLICHE PERSPEKTIVE AUF SCHULE UND UNTERRICHT? ➔ Schule ist unter einem Transformationsdruck (Gesellschaft, Art und Weise, Wissenschaftliche Erkenntnisse, wie Unterricht aussehen soll ändert sich)-> Grund, warum wir studieren, um Unterricht zu verändern, Wissenschaft in die Praxis tragen WISSENSCHAFTLICHE PERSPEKTIVEN/ DISZIPLINEN ➔ Wiedersprechen sich auch gegenseitig/Manigfaltig - Bildungssoziologie - Erziehungswissenschaft - Pädagogische Psychologie – Fachdidaktiken- Neurowissenschaften – Rechtswissenschaften MENSCHEN; DIE EINE MEINUNG ZU UNTERRICHT HABEN - Politiker -Verwaltung - Elternschaft - Gewerkschaften - Schulleitung - Lehrkräfte ➔ Multiparadigmatische Lehrkräftebildung 2 LOGIKEN Topdown ➔ Wichtigste Informationen eintrichtern (Theorien, Begriffe, Erkenntnisse, Handlungstipps) Bottom-Up (Erziehungs-) Wissenschaftliches Denken: denken anders, als Neurowissenschaften, alles gleichberechtigt Wiss. Methoden (-Verständnis) : Kenntnisse, wie wissenschaftliches Erkenntnisse gewonnen werden Kritisches Denken: evidenzbasiertes Denken, systematisches Denken (Denken in Theorien und Begriffen) Epistemologie: Woran machen wir fest, dass eine Aussage Wahr oder Falsch ist? Seite 2 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 JEDE: R VON IHNEN HAT CA. 10 000 BIS 12 000 STUNDEN IM UNTERRICHT VERBRACHT. - Haben viel biografisches Wissen, wie Unterricht funktioniert (Erfahrungswissen) - Subjektive Erfahrungen komprimieren sich in Subjektive Theorien-> muss nicht mit wissenschaftlichen Theorien vereinbar sein ➔ „Scientific Impotence Excuse“ (Murno 2010) o Alltagstheorien, nicht wissenschaftliche begründet o Wenn etwas nicht so ist, (zu wissen glaubt, was richtig ist) -> Ausrede man könne dies nicht wissenschaftlich begründen ➔ ! Nur das Behaupten, was man wissenschaftlich Begründen kann! ALLTAGSBEGRIFF VS. WISSENSCHAFTLICHE THEORIE Eigene Perspektive: Beobachtungstheorie, Alltagskategorien ➔ Alltagskathegorien müssen überdacht werden ➔ Emanzipation vom Alltagsdenken zum… Wissenschaftlichen Denken: Begriffe, Kategorien, Hypothesen, Theorie & Daten, Daten, Messtheorie, Instrumente Ziel wissenschaftlicher Studien ist es immer intersubjektiv nachvollziehbare (kritisierbare) Aussagen zu produzieren! Seite 3 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 ZUM PROBLEM DER NORMATIVITÄT ➔ Problem der Schulpädagogik/ generll der Pädagogik Normative Erwartungen: Kognitive Erwartungen - Ändern sich nicht - Was erwarte ich und tritt es auch - Kein Lerneffekt ein? - Lerneffekt ➔ Wissenschaftlich nicht Normativ arbeiten, sondern kognitiv DAS THEORIE-PRAXIS-PROBLEM ➔ Wissenschaftliche Theorien können nicht direkt in die Praxis übertagen werden ➔ Schule funktioniert anders, als Wissenschaft, Wissenschaft anders, als Schule PROFESSIONSFORSCHUNG ➔ Was zeichnet eine Lehrkraft aus? / Verschiedene Metaphern Bäcker: formt, richtige Rezepte kennen Gärtner: muss das Gemüse pflegen-> Mensch hat mehr Möglichkeiten sich zu entwickeln, nicht nur von Genen/Anlagen und Biotischen und Abiotischen Faktoren abhängig, nicht so stak von Umweltbedingungen determiniert, auch intrinsisch Handwerk: Unterricht als Handwerk -> kann Prozess nicht automatisieren, von SuS und Klasse abhängig LK als Jongleur Seite 4 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 2. WELCHEN ZENTRALEN SCHULPÄDAGOGISCHEN HERAUSFORDERUNGEN STEHT DIE DISZIPLIN GEGENÜBER? „International vergleichend zeigt sich also zunächst einmal, dass das globalisierte Projekt Beschulung eines ist, welches Kinder und Jugendliche als Schülerinnen und Schüler homogenisiert und dies Homogenisierung in Jahrgangsklassen und altersgemäßen Entwicklungsparadigmen fortsetzt: Man nimmt an, dass Kinder in einem bestimmten Alter bestimmte ähnliche Entwicklungen machen und damit ähnliche Lerninhalte fokussieren können.“ (Hummrich 2017: 162) ➔ Pisa Schock EMPIRISCHE BEFUNDE - Third International Mathematics and Science Study (TIMSS): 55% der Befragten SEK 1 Lehrpersonen gaben an, dass „Begabungsunterschiede zwischen Schüler/innen“ ein starkes Berufserschwernis seien (Baumert et al. 1997: 211) - Roeder (1997): Lehrer:innen sehen Notwendigkeit der Binnendifferenzierung, aber sind skeptisch, ob diese umsetzbar ist - Reh (2005) – Lehrer:innen befürchten übereinstimmend gegenüber Jahrgangsmischung, nicht allen Kindern „gerecht“ werden zu können BILDUNGSEXPANSION- SCHULBESUCH AN VERSCHIEDEN SCHULARTEN 1952 UND 2012 Bildungsexpansion: immer mehr SuS machen höheren Bildungsabschluss/gehen ans Gymnasioum Seite 5 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 - Knapp 60% der Absolventen erreichen die Studienberechtigung - 2010: 24% beginnen ein Universitätsstudium, 15% ein Fachhochschulstudium - 8% ohne Hauptschulabschluss (insbesondere ein Problem in den neuen Bundesländern) - 15% der 25-34 jährigen ohne Berufsausbildung Mehr Bildungschancen, aber weniger Bildungsgerechtigkeit ➔ Gymnasienbesuch in D sehr stark von Soz. Herkunft abhängig Seite 6 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 GESCHLECHTERDISPARITÄTEN FAZIT - Das deutsche Bildungssystem ist einerseits gesellschaftlichen Wandel ausgesetzt (Inklusion, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, etc.) und andererseits innovationsbedürftig - Als zukünftige Lehrpersonen kommt Ihnen hier eine hohe Verantwortung und ein hoher Erwartungsdruck entgegen Seite 7 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 - Sie sollen Innovationen in die Schulen tragen, gleichzeitig müssen Sie als Novizen das Handwerk des Unterrichtens erlernen - Wenn aber gegenwärtige Praxis problematische Effekte 8Inklusion, soz. Disparitäten ect.) erzeugt, lässt sich die Praxis nicht einfach imitieren - Wenn didaktische Ansätze nicht an die Praxis anschließen, lassen sie sich nicht umsetzen Mein Tipp: Halten Sie dieses Spannungsverhältnis aus und bleiben Sie kritisch, neugierig und innovativ! (Besuchen Sie also aufmerksam meine Vorlesung!) ÜBUNGSAUFGABEN - Was ist nachweislich erfolgreich für die Unterrichtsentwicklung? - Was kennzeichnet Alltagsdenken? - Welche der folgenden Aussagen ist eine normative Aussage? Seite 8 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 SITZUNG3: PROFESSIONSFORSCHUNG UND LEHRKRÄFTEBILDUNG LERNZIELE - Sie kennen wesentliche Diskurs-und Entwicklungsliniender Lehrkräfte-und Professionsforschung - Sie kennen „Mythen“ der Lehrkräftebildung und können diese vor dem Hintergrund empirischer Befunde entkräften und einordnen - Sie können die Kontroverse um die Professionsforschung reflektiert einordnen und für Ihren eigenen Professionalisierungsweg nutzbar machen EMPIRISCHE ANSÄTZE IN DER LEHRKRÄFTE - UND PÄDAGOGISCHEN PROFESSIONSFORSCHUNG ➔ Lektüre Edwald Therart, Hedda Bennewitz: Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf. 2. Aufl. WARUM MACHEN WIR PROFESSIONSFORSCHUNG ➔ Verschiedene Herrausforderungen, ohne konkrete Verfahrensabläufe, keine klatren Wege , große Entscheidungen Beruf oder Profession? -> klarer Unterschied zwischen Beruf und Profession, Profession: klare Handlungsabläufe, muss keine großen Entscheidungen treffen Angebot Nutzen Struktur- Antinomien – Unterricht - Classroom Manager - Reflective Practioner – Institution – Paradoxien – Schule 2 VERSCHIEDENE PROFESSIONEN Arno Combe/ Werne Helsper Hrg.: Pädagogische Professionalität - Strukturtheoretischer Ansatz - Pädagogisches Fallverstehen: verstehen, was ist Problem/ Sachlage -> Kollegiale Fallberatung, was muss getan werden, dass sich die Situation sich verändern Andreas Helmke: Unterrichtsqualität und Lehrerprofession - Unterrichtsforschung: welche Kompetenzen braucht eine LK um profesionell Handeln zu können Seite 9 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 WAS KENNZEICHNET PROFESSIONEN? 1. Basierend auf einer wissenschaftlichen Erkenntniskritik verpflichteten Wissensbasis 2. Ungewissheit der Handlungsentscheidungen unter Rücksichtnahme von Besonderheiten und Spezifik der Situation a. Keine klaren Ansätze, sind nicht standartisierbar 3. Auf andere Menschen bezogen a. Vgl.: Handwerk/ Profession haben immer Klienten-> Klienten-Professions-Verhältnis 4. Krisenintervention und –prophylaxe, welches in persönliche Integrität eingreift a. Tritt man in persönliche Integrität ein? b. Krisen: Adoleszenz, Bildungsprozesse als Krise? 5. i.d.R. nur in Face-to-Face-Interaktionen mit Ungewissheit, reziprokes Klienten Professionellen-Verhältnis 6. Mit universalistischem Anspruch1 a. Sind wir Zuständig, für alle SuS? i. Universalistischer Ansatz: Ja ii. Partikularistischer Ansatz: Nein ANSÄTZE DER PROFESSIONSFORSCHUNG Berufsbiografische Ansatz - Basierend auf der Idee einer lebenslangen Professionalisierung - Biografische Verortung des pädagogischen Verständnisses - Berufsbiografische - Bewältigung von Entwicklungsaufgaben Kompetenztheoretische Ansatz - Basierend auf der Idee vermittelbarer praktischer Wissensbestände - Starke Verknüpfung zu statistischer Unterrichtsforschung - (sozial-)Technologieorientiert Strukturtheoretische Ansatz - Basierend auf der Idee eines Klienten Verhältnisses - Ungewissheit und Spannungsverhältnis (Antinomien) von pädagogischen Handlungssituationen - Reflexionsorientiert 1Helsper, W. (2021) Professionalität und Professionalisierung pädagogischen Handelns: Eine Einführung. 1. Auflage. S. 20 Seite 10 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 1. DER KOMPETENZTHEORETISCHE ANSATZ Frage: Was macht eine gute LK aus, Entwicklung im Laufe der Zeit 1.1 PERSÖNLICHKEITSPARADIGMA ➔ Was macht eine gute LK aus? ENTWICKLUNG DER FORSCHUNG ZUM LEHRER:INNENBERUF Deutsche Tradition nach 1945 „Geisteswissenschaftliche Pädagogik“ - geisteswissenschaftlich-kulturtheoretische Betrachtung des Lehrerberufs - kaum empirisch fundierte Konzeptionen und Befunde zum Lehrerberuf - Konzentration auf Eigenschaften der Erzieherpersönlichkeit - normative Programmatiken, Mahnrufe, Empfehlungen DER GEBORENE ERZIEHER (Eduard Spranger) - Der Lehrerberuf wird zur adäquate Existenzform des geborenen Erziehers (braucht gewisse Eigenschaften) - Lehrer-Sein aus Berufung - Idealistisches Lehrerleitbild Seite 11 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 LEHRER: INNENPERSÖNLICHKEIT Fragt man Lehrer nicht nach dem Bild, das sie sich von ihrem Beruf machen, sondern nach der Größe, die über die Qualität ihrer Berufsarbeit entscheidet, nennen sie oft ihre Persönlichkeit (vgl. Herrmann & Hertramph, 1997, S. 154-155). […] Unklar ist allein schon, was unter Persönlichkeit zu verstehen ist. Zumindest drei Bedeutungen sind zu unterscheiden: Persönlichkeit im Sinne der psychometrischen Theorien der Persönlichkeitspsychologie, Persönlichkeit als ethische Kategorie und Persönlichkeit als Bezeichnung für die spezifische Eigenart des Individuums. Zumeist ist die letzte Bedeutung gemeint, wenn Lehrkräfte auf die Persönlichkeit als Determinante ihrer Wirksamkeit verweisen.“ (Herzog & Makarova 2014, 85) ➔ Persönlichkeit als diffuser Begriff PERSÖNLICHKEITSPARADIGMA Unterrichtsforschung der 1950er- und 1960er-Jahre - auch: „eigenschaftsorientierte Lehrerforschung“ - Ziele: Identifizierung allgemein gültiger Merkmale einer positiven Lehrerpersönlichkeit (Welche Merkmale braucht man als LK) - Vorhersage und Erklärung des Lehrerfolgs über Personenmerkmale (vgl. auch Rheinberg & Bromme, 2001, S. 298ff.) Berücksichtige Prädiktoren (zur Vorhersage eines Merkmals herangezogene Variable) des Lehrerfolgs - Nach Behavioristischem Ansatz (Welche Konditionierungsweisen braucht es im Unterricht) - Intelligenz - Einstellungen - Motive - Merkmale des Sozialverhaltens (bspw. Führungsstil) - fachliche Kenntnisse - didaktische Fertigkeiten - Kriterium des Lehrerfolgs > Schüler:innenleistung & weitere Merkmale (Angstfreiheit, Selbstbilder) ➔ alles grundsätzlich plausibel, aber macht das die LK-Persönlichkeit aus? -> führt zu Binsenweisheit Kritik - inkonsistente Befundlage, Fülle an Detailergebnissen - allgemeingültiges Persönlichkeitsprofil der erfolgreichen Lehrkraft konnte nicht identifiziert werden - stattdessen Binsenweisheiten: gute Lehrkräfte sind eher freundlich und heiter als grausam und depressiv etc. - zu allgemeine Ebene zur Beantwortung der Frage nach optimalem Lehrer:innen-verhalten Seite 12 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 - konkrete Lehrer:innen-Schüler:innen-Interaktion nicht erfasst - Ursache- Wirkungsbeziehungen auf dieser Ebene Big Five KONSEQUENZEN DER PERSÖNLICHKEITSFORSCHUNG - Bei der Annahme stabiler Persönlichkeitseigenschaften: Eignungsfeststellung und reflexive Berufswahl - Bei Annahme relative Veränderbarkeit: Coachings - Akzeptanz individueller Eigenarten Seite 13 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 1.2 PROZESS-PRODUKT-PARADIGMA ➔ Nicht mehr fokus auf LK sonder auf den Prozess ➔ Was muss im Unterricht getan werden? - Lehkräftehandeln (Prozess) - Wirkung auf Schüler:innenseite (Produkt)- durch systematische Beobachtung des Unterrichtsgeschehens - „Analyse der Wirkung einzelner Verhaltensmuster und Fertigkeiten der Lehrenden auf eng umschriebene Indikatoren des Schülerverhaltens“ (S. 299) - Vorgehen: Erfassung quantifizierbarer Lehrer:innenverhaltensweisen - Kriterium: erfolgreiche Vermittlung von Fachinhalten, also das Lernen der Schüler (Lernzuwachs) (vgl. Rheinberg & Bromme 2001, S. 299ff.) VON INPUT- ZUR OUTPUT-ORIENTIERUNG/ „‘Guter‘ Unterricht hieße demnach ‚lernwirksamer‘ Unterricht.“ (S. 20)2 Visible Learning John Hattie „auf die LK kommt es an“ - Bedeutet, auf die Unterrichtsqualität/Feedback/… kommt es an (-> Rahmenbedingungen) - Sind nicht von Persönlichkeit abhängig, sondern von Verhalten (Verhalten ist ERLERNBAR) ➔ Welche Lernerfolge werden durch welche Handlungserfolge KRITIK - Lernzuwachs zwar besonders wichtig, aber nicht das einzige Kriterium des Lernerfolgs - Variablen wurden möglichst fachneutral erfasst - wechselseitige Abhängigkeit der Bedingungsvariablen erfolgreichen Unterrichts bzw. des Schülerlernens - gegenläufige Wirkung gleicher Instruktionsmaßnahmen bei unterschiedlichen Schülern - einseitige Perspektive Lehrer „wirkt auf“ Schüler 2 Andreas Helmke: Unterrichtsqualität und Lehrerprofession Seite 14 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 PROFESSIONELLE WISSENSDOMÄNEN ➔ Welches Wissen ist am wichtigsten (Pädagogisches Wissen schneidet am schlechtesten ab) PÄDAGOGISCHES WISSEN 1. Konzeptuelles bildungswissenschaftliches Grundlagenwissen - Erziehungsphilosophie, bildungstheoretische und historische Grundlagen von Schule und Unterricht - Theorie der Institution - Psychologie der menschlichen Entwicklung, des Lernens und der Motivation 2. Allgemeindidaktisches Konzeptions- und Planungswissen - Metatheoretische Modelle der Unterrichtsplanung - Fachübergreifende Prinzipien der Unterrichtsplanung - Unterrichtsmethoden im weitesten Sinne 3. Unterrichtsführung und Orchestrierung von Lerngelegenheiten - Inszenierungsmuster von Unterricht - Effektive Klassenführung (classroom management) - Sicherung einer konstruktiv-unterstützenden Lernumgebung 4. Fachübergreifende Prinzipien des Diagnostizierens, Prüfens und Bewertens ➔ Gibt es Studien über welches Wissen als LK am wichtigsten ist? Seite 15 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 FORSCHUNGSLAGE - Zumeist Studien mit distalen Indikatoren (= Welche Noten hatten sie SuS in dem jeweiligen Fach?), die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen - Kaum Untersuchungen zur prädikativen Validität pädagogischen Wissens - Aber: Kulturelle Skripts der Unterrichtsführung: „Inszenierungsmuster“ - Effiziente Klassenführung mit effektiver Zeitnutzung ist ein robuster Prädikator für Lernfortschritt der SuS - „situationsadäquate Geduld“ für konstruktiv-unterstützende Lernumgebung FACHWISSEN/ FACHDIDAKTISCHES WISSEN - Distale Indikatoren sind inkonsistent, am ehesten für SEK und Mathematik - Qualitative Studien zeigen, dass konzeptuelles Fachverständnis von Lehrkräften erheblich variiert und Unterricht stark prägt o Was verstehe man an dem Fach + wie möchte man dies vermitteln - Reicheres Mathematikverständnis eröffnete variantenreiches Repräsentations- und Erklärungsrepertoire o Umso mehr Fachwissen, umso flexibler ist man in den Handlungen (mehr Varianz, Sachen anderst erkläre,…) KOMPETENZDIMENSION AM BSP MATHEMATIK NACH BALL/HILL/BASS 2005 Common Knowledge of Content: mathematisches Alltagswissen Specialised Knowledge of Content: professionelles Wissen Konwledge of Students and Content: Fehlvorstellungen, typische Fehler, Schwierigkeiten, Schülerstrategien -> Welche systematischen Fehler könnten auftreten? Seite 16 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 „Fachwissen scheint eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für qualitätsvollen Unterricht und Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler zu sein. Fachwissen ist die Grundlage, auf der fachdidaktische Beweglichkeit entstehen kann. […] Über das Zusammenspiel [von pädagogischen und fachlichen Wissens] von Lehrkräften ist so gut wie nichts bekannt.“ (Baumert & Kunter 2006: 496) 1.3 EXPERTEN-NOVIZEN-PARADIGMA WAS IST EIN EXPERTE? - Eine Person, die auf einem bestimmten Gebiet dauerhaft Leistungsexzellenz zeigt - Expertise kann zumeist nur in einem Fach erworben werden - Expertisenforschung: Typischerweise wird dem Experten kontrastierend ein Novize gegenübergestellt und untersucht, welche besonderen Eigenschaften ihn/sie zu Hochleistungen befähigen. - Greifen häufig auf implizites Wissen zurück, können diese nicht beschreiben, kann man aber beobachten BEFUNDE DER EXPERTISENFORSCHUNG erklärungsmächtigster Faktor: wohlorganisierte Wissensbasis, die die Informationsaufnahme, die Informationsverarbeitung sowie das Lösungsverhalten von Experten prägt. INFORMATIONSAUFNAHME - Experten können in ihrem Gebiet mehr sinnvolle Muster erkennen; - problemrelevante Informationen werden effizienter erkannt und selektiert; - bei der Problemlösung wird am Anfang sehr viel Zeit für die Problemrepräsentation investiert WAS ZEICHNET EXPERTENLEHRER (GEGENÜBER BERUFSNOVIZEN) AUS? - kategoriale (umfassendere und systematisierende) Wahrnehmung des Unterrichtsgeschehens (Lehrkräfteblick -> Fokussierter - Vielzahl an Handlungsroutinen, die zu unterschiedlichen Unterrichtssituationen passen - schnell, erfolgreich und situationsadäquat Handeln - hochgradig verdichtetes Interpretations- und Handlungswissen - Voraussetzung für routiniertes Expertenhandeln - verfolgen situationsangemessen ein elaboriertes Repertoire von Handlungszielen - können eine größere Zahl verschiedener Teilziele zugleich verfolgen MONITORING - Worauf achten Lehrpersonen? Worauf richten sie Ihre Blicke? (Studien zum „Lehrerblick“) - Novizen nehmen auffällige Ereignisse wahr, Experten entwickeln situationsbezogene Beobachtungsrelevanzen (organisierte kognitive Schemata), - „expert teachers were aware of behavioural cues that told them when to change their approach“ (Westermann 1991, 297) -> nehmen sehr genau wahr, wann die Stimmung kippt - Allgegenwärtigkeit und “running commentary on events taking place” (Doyle 1984, 273) Tipp: unterschwellig lösen „Ich sehe, dass du den Raum verlässt,…) Seite 17 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 2. DER STRUKTURTHEORETISCHE ANSATZ Lektüre: Rolf-Torsten Kramer, Hilke Pallesen (Hrg.) Lehrerhabitus „Immer dann, wenn diese Professionalisierung nicht erfolgt, erscheint der Lehrerhabitus als eine mehr oder weniger implizit bleibende und im Rücken der Lehrkräfte wirkende Fortsetzung des Herkunfts-, des eigenen erworbenen und des eigenen Schülerhabitus.“ (Helsper 2018, S.132) INTERAKTIONISTISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE - Basieren auf dem Konzept des Arbeitsbündnissen, der doppelten Kontingenz - Wissen über Struktur und Funktionsweisen pädagogischer Interaktionen relevant, systemische Perspektive - Fallverstehen als Kernaufgabe des professionellen Handelns - Reflexionskompetenz statt Technologie PARADOXIEN, ANTINOMIEN, WIDERSPRÜCHE Seite 18 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 REKONSTRUKTION – WAS GESCHIEHT HIER? Konstruktion eines „doppelten Timos“ (Grundproblem des Bewertens) Mittel zur Sicherung der pädagogischen Zukunft 2 FAZIT - Es kommt (nur) auf den Lehrer an-… Sondern: Es kommt auf den Unterricht an - Unterricht hängt von der Persönlichkeit der Lehrkraft ab… Sondern: Die Persönlichkeit der Lehrkraft hat einen Einfluss auf die Professionalisierung und damit auch auf das Unterrichtsgeschehen - Fachinhalte, die nicht „lehrplanrelevant“ sind, bringen nichts in der Lehrkräftebildung Sondern: Fachliches Wissen liefert die Basis, um pädagogisch flexibel Handeln zu können ZUSAMMENFASSUNG - Weitgehende Ablösung des Alleinvertretungsanspruchs des Persönlichkeitsparadigmas - Lehrkräftebildung wird als Kompetenzvermittlung betrachtet - Einerseits Fokus auf die Frage der Ermöglichung “lernwirksamen” Unterrichts, andererseits der reflexiven und professionellen Ausgestaltung von Ungewissheit Seite 19 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 SITZUNG 4: SCHULFORSCHUNG UND SCHULISCHE SOZIALISATION LERNZIELE - Sie kennen die Konzepte Sozialisation, Bildung und Erziehung und deren Unterschiede und Bezüge - Sie verstehen die grundlagentheoretischen Annahmen der Sozialisationsforschung und können daraus Konsequenzen für pädagogisches Handeln ziehen - Sie kennen erste schultheoretische Erklärungen für schulische Phänomene und können schulische Sozialisationsprozesse aus einem breiten Blickwinkel betrachten 1. BILDUNGS-, ERZIEHUNGS- UND SOZIALISATIONSFORSCHUNG ERZIEHUNG (- Wissenschaft)– BILDUNGS (Wissenschaft) – SOZIALISATION ➔ Direnzieren Intentionale Beeinflussung Transformation Transformation - Zweckgebunden - Nicht direkt steuerbar - Systemisch/ nicht - Zielgerichtet (bildung passiert steuerbar, aber in - Auf Verhalten bezogen einfach) Kontext der Sozio- - Transformativ (neuer gesch. Zugang zu Welt) (Zieit/…)Einzuordnen - Auf Kognition bezogen - Prozessual - Veränderter Weltbezug - Identitätsentwicklung - Raizon-d´ètre-> ➔ Wie lernt man zu sein, Seinsgrund) wie man glaubt zu sein? Selbstbestimmung vs. Formale (= Kompetenzwissen), Rollenerwartungen, Fremdbestimmung materiale (= Wissensorientiert) Kompetenzentwicklung, Bedürfnisorierentierung und kategoriale Bildung Entwicklungskrisen und ➔ Klafki formal und aufgaben kathgorial zusammen (Kathegoriale Bildung) Erziehungsstile Welt- und Selbst-Verhältnisse Modell der produktiven Realitätsverarbeitung EINORDNUNG SOZIALISATIONSFORSCHUNG - Biologische Vorraussetungen - Identität - Lebenslanges Lernen Seite 20 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 ONTOGENESE UND PHYLOGENESE PRIMÄRE UND SEKUNDÄRE SOZIALISATION Gleichaltrige: wenn man nicht von einem positiven Effekt des Peer-Learnings ausgehen würde, dann bräuchte man keine gestuften Klassen ZENTRALE ÜBERLEGUNGEN DER SOZIALISATIONSFORSCHUNG These: Kleinkinder sind nicht in der Lage zwischen Subjektiver, Objektiver und Sozialer Wlt zu Unterscheiden Seite 21 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 PRIMÄRE, SEKUNDÄRE UND TERTIÄRE SOZIALISATION Sozialisation als eine Abfolge von Entwicklungskrisen -> Theorie: Erziehung als Unterstützung bei Entwicklungskrisen SOZIALISATORISCHE INTERAKTIONEN LITERATUR: Georg H. Mead. Geist Identität und Gesellschaft Me - Vorstellung, wie jemand ist, welche Erwartungen der Person entspricht - Play: Nachspielen von Sozialen Rollen (universelle Rollen/ Erwartungen) - Muss ein Verständnis für soz. Kontexte haben, reproduzieren diese + verallgemeinern Self - In sozial komplexen Situationen - Game: Generalisierung anderer, automatisch so verhalten, wie es andere von diesen erwarten - Gesellschaftliche Erwartungen an einen Seite 22 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 KONZEPT DER KO-KONSTRUKTION „Ruhig neben dem Vater im Bus zu sitzen, ist für ein vierjähriges Kind ein Spiel. […] Im Gegensatz dazu sind die Interaktionen des Mädchens mit einer Freundin ganz real, zum Beispiel wenn es die Freundin überredet, etwas gegen ihren Willen zu tun: Hier sind zwei Kinder wirklich damit beschäftigt, ihr Sozialleben aufzubauen und sich zu sozialisierten Wesen zu entwickeln.“ (Furth 1982: 190) REZIPROZITÄT Lernen durch Interaktion, va mit Gleichaltrigen Asymmetrische/Komplementäre Interaktion: einseitige Hingabe, giebt etwas, die andere Seite aber nicht, zB Kinder groß ziehen Symmetrische Situation: ausgewogenes Verhältnis, Freundschaften, zwischen Gleichaltrigen 2. VOM (KLEIN)KIND ZUR SCHÜLER:IN VON DER PERSON ZUR ROLLE UNIVERSALISTISCHE UND PARTIKULARISTISCHE ROLLEN Affektivität vs. Affektive Neutralität Diffusität vs. Spezifität Partikularismus vs. Universalismus Zuschreibung vs. Erringen Gemenschaftsorientierung vs. Selbstorientierung Seite 23 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 DIE SCHULE –EIN MODERNER ZWANGSVERBAND? ZINNECKER (1975) – DER HEIMLICHE LEHRPLAN ➔ Lehren von gesellschaftlichen Erwartungen ➔ Schule als große Sozialisationinstanz „Hierarchische Ordnung: Der Lehrer ist Platzverteiler, Rednerlistenführer, Zeit- und Proviantmeister. Er erwartet Gehorsamkeit auch ohne Angabe von Gründen. Die Schüler lernen, sich in ein formales System von Über- und Unterordnungen einzufügen. Sie erfahren, dass konformes Verhalten belohnt und abweichendes Verhalten bestraft wird. Leistungsbezogene Konkurrenz: Der Lehrer ermahnt die Faulen und lobt die Fleißigen. Er unterrichtet kollektiv und zensiert individuell. Die Schüler lernen, dass der eigene Leistungserfolg auf dem Misserfolg der Konkurrenten fußt. Sprachliche Normierung: Der Lehrer normiert die im Klassenzimmer zugelassene Sprache. Er unterdrückt den Jargon der jugendlichen Subkulturen. Die Schüler passen sich an. Sie erlernen die Sprache der Schule (und das ist die Mittelschichtsprache) oder sie schweigen. Maskierung: Die Lehrer erwarten möglichst in allen Fächern „intrinsische Motivation“ und sachbezogene persönliche Interessen. Das ist aber objektiv eine Überforderung. Deshalb müssen sich die Schülerinnen und Schüler arrangieren. Und dabei sind sie ausgesprochen erfinderisch und zumeist auch erfolgreich. Philipp Jackson (1975, S. 28) nennt das „Maskierung“: „Die Klassenetikette verlangt, interessiert zum Lehrer zu blicken und bei passender Gelegenheit die Stirn gedankenvoll in Falten zu legen – auch wenn man mit seinen Gedanken kilometerweit weg ist.“ (a.a.0.)“ (Meyer 2007: 168f) 2.1 SOZIALISATION UND GESCHLECHT Der Weg zum Schulkind über die Geschelchterrolle: zB in Schulen keine Geschlechterneutrale Toiletten mehr Geschlechter spielen ab dem Schulalter eine viel größere Rolle Seite 24 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 - Jungen als Bildungsverlierer? o Mehrheit der Abiturient:innen ist weiblich, Hauptschulabsolvent:innen sind mehrheitlich männlich (vgl. z.B. Dammasch, 2008) o IGLU-Studien: Mädchen schneiden deutlich besser im Lesen ab, Lesen auch in Freizeit häufiger (vgl. Bos et al., 2003) o Aber: bessere Abschlüsse der Mädchen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie „im Verlauf ihrer Schulzeit ein signifikant geringeres Selbstvertrauen und ein zerbrechlicheres Fähigkeitsselbstkonzept als Jungen“ entwickeln (Popp, 2011, 87) DOING GENDER IM UNTERRICHT - Jungen werden eher als störend, Mädchen eher als lieb eingeschätzt (vgl. Budde, 2005) - Schule eher als Übung von Männlichkeitspraxen, als Übung in Mathematik oder Englisch (vgl. ebd., 12) ➔ Dilemma: sich entweder wie ein richtiger Junge verhalten oder wie es in der Schule erwartet wird, entsprechen dann aber nicht dem Bild hegemonialer Männlichkeit (vgl. ebd.) ➔ verhaltensauffällige Mädchen haben jedoch zusätzlich das Problem, nicht als richtiges Mädchen anerkannt zu werden (vgl. ebd.) 2.2 ÜBERGÄNGE UND SELEKTION Grundlegendes Spannungsverhältnis von Integration und Selektion (Vgl. Luhmann/Schorr 1988) Integrierende vs. Selektierende Systeme „Deutschland hat im internationalen Vergleich einen Sonderweg eingeschlagen“ (Prengel 2011: 30) SCHULEINGANGSPHASE - Faust (2006): Es gibt kaum empirische Forschungen zu den unterschiedlichen Modellen der Schuleingangsphase - Puhani / Weber (2005) können zeigen, dass ältere Schüler in der vierten Klasse deutlich bessere Leistungen erbringen und im Vergleich häufiger das Gymnasium besuchen Seite 25 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 - In den unterschiedlichen Bundesländern sehr unterschiedlich gestaltet - Didaktische Möglichkeiten und Herausforderungen sind dadurch gerahmt SCHERENEFFEKTE These der differentiellen Lernmilieus ➔ Kompositionseffekt Institutionelle Unterschiede Befunde zum Schereneffekt - Berlin: Grundständiges Gymnasium mit besonderem Profil ab 5. Klasse - 7-8 % der SuS wechseln auf grundständiges Gymnasium - Lehmann & Lenkeit (2008): SuS schneiden auf dem grundständigen Gymnasium am Ende der Klasse 6 deutlich besser ab, als beim Verbleib auf der Grundschule - Baumert et al (2009) unter Kontrolle der Zuweisungsmechanismen mithilfe von Propensity Score Matching-Verfahren: Lesekompetenzen verlaufen parallel, auch in Mathematik keine bedeutenden Unterschiede PISA 2001 UND 2022 Die Analysen belegen einen straffen Zusammenhang zwischen Schichtzugehörigkeit und erworbenen Kompetenzen über alle Domänen hinweg (....). Die Entwicklung des Zusammenhangs von sozialer Herkunft und Leistung scheint ein kumulativer Prozess zu sein, der lange vor der Grundschule beginnt und an Nahtstellen des Bildungssystems verstärkt wird.“ (PISA 2001, S. 37). Kompetenzunterschiede ebenfalls enorm Abstand der Leseleistungen war 2000 mit 111 PISA Punkten am größten unter allen OECD Staaten (entspricht ca. 2,5 Jahren Lernrückstand) Auch 2009 gehört Deutschland noch zu dem ersten Drittel der OECD Ländern mit stärksten Leistungsunterschieden in Abhängigkeit des sozioökonomischen Status (vgl Ehmke/Jude 2010) LEISTUNGSFREMDE SOZIALE FILTER Meritokratische Illusion: PISA zeigte auch bei gleichen kognitiven Fähigkeiten und gleicher Leseleistung besuchen die statushöheren Jugendlichen dreimal häufiger ein Gymnasium Raymond Boudon (1994) Seite 26 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 Primäre Effekte: Erziehung, Bildungserfahrungen, Bildungskapital Sekundäre Effekte: Bildungsentscheidungen, institutionelle Benachteiligungen WOHLWOLLENDE DISKRIMINIERUNG? - Laut Studie: 13 0000 Hamburger Fünftklässer - Für Gymnasialempfehlung von Eltern mit Abitur reichen 65 Punkte, für bildungsfernere Schichten, 98 Punkte - Ditton(2007, 2013) zeigt: Eltern mit Abitur wünschen knapp 9 mal häufiger Gymnasium für ihre Kinder als Eltern die max. Hauptschulabschluss haben gl. Geißler 2014, S. 366 Deutliche Dominanz von Schulformabstiegen (vgl. Dahrendorf 1965; Kemmler 1976; Bellenberg 1999; Autorengruppe 2020) KLASSENWIEDERHOLUNG - In der Studie Visible Learning hat Klassenwiederholung einen negativen Effekt (vgl. Hattie 2013) - Deutschsprachiger Raum: Seit 1990er größer angelegte Studien, z.B. Bellenberg (1999) Längsschnittstudie in NRW: Hauptschule keine Leistungseffekte; etwas neg. akad. Selbstkonzept - Ehmke, Drechsel & Carstensen (2008), PISA-I-Plus: Kaum Verbesserungseffekte durch Wiederholungen in Mathematik - Klemm (2009) – Auf Bundeslandebene stark variierende Wiederholungsraten, aber ohne nennenswerte Effekte, daher als „Instrument der Qualitätssicherung in den Schulen“ (S.11) nicht effektiv Seite 27 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 „Die Forschung zeigt, dass die Drohung mit der Nicht-Versetzung kein motivierender Faktor für Lernende ist. Die Nicht-Versetzung führt nicht zu einer allgemeinen Verbesserung der Lernleistung oder zu einer Anpassung entwicklungsmäßig unreifer Lernender. Wirtschaftlich gesehen ist die Wiederholung einer Klasse eine Verschwendung der in die Bildung investierten Gelder. […] Einer der vielleicht erschreckendsten und teuersten Effekte der Nicht-Versetzung ist der Schulabbruch. […] Die Entscheidung, dass Lernende eine Klasse wiederholen müssen, erfolgt auf relativ willkürliche und wenig konsistente Weise. Diejenigen, die davon betroffen sind, sind mit größerer Wahrscheinlichkeit arm, männlich und gehören einer Minderheit an“ (Hattie, 2013, S. 117f.) SCHULPÄDAGOGISCHE KONSEQUENZ Die Befunde verdeutlichen die Notwendigkeit des Einbezugs von typischen schulischen Entwicklungsaufgaben und Bildungskrisen in das professionelle Handeln und in die Schulorganisation. 3. SCHULKLIMA UND SCHULMILIEU Schulklima, -milieu und -kultur Seite 28 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 BEISPIEL GEWALT UND SCHULE Meta-Analysen von Cook et al 2010, Steffgen 2013: Signifikante, moderate Effekte von Maßnahmen zum Schulklima gegen Gewalt, Mobbing und weniger Schulausschlüsse Seite 29 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 SITZUNG 5: FAMILIE UND SCHULE 1. FAMILIE IM WANDEL – ABKEHR VON NORMALFAMILIE DAS MODELL DER BÜRGERLICHEN FAMILIE - Erst Ende des 17./ Anfang des 18 Jh. Eingang in die deutsche Alltagssprache - Trennung von häuslichem Leben (w) und Arbeit (m) als Keimzelle des Modells der bürgerlichen Familie - Trennung von öffentlich und privat (auch Gesellschaftlich konnotiert) - Strukturelle Kopplung von Ehe und Familie, Vollendung durch Elternschaft - Besondere Rolle des Kindes als Individuum, Eigentümlichkeit der Kindheit PLURALISIERUNG: ABKEHR VON DER NORMALFAMILIE Familienbildungsprozess: Neben Elter(n)-Familien mit biologischen Elter(n), Adoptions-, Pflege- (nehmen zeitweise Kinder auf, derren leibliche Familien die Aufgabe nicht übernehmen, als Ersatz zu staatlichen Angeboten), Stief-, Patchworkfamilien, Inseminationsfamilien (=irgendeine Art kpnstlicher Befruchtung) Generationszusammensetzung: Ein-Elter/Zwei-Elter-Familien, Vaterfamilien (15%), Mutterfamilien (85%) (statistisches Bundesamt 2010), Regenbogenfamilien (= gleichgeschlechtliche Eltern) Wohnform: Einen oder mehrere (Commuter-Familien = mehrere Wohnsitze) ➔ Diskussion um Elternbegriff: existierte nur im Plural -> geht davon aus, dass es immer ein Vater und eine Mutter gibt (Vorschlag Singular: Elter) Binokulare Familienformen: Besitzen Mehrer Familien (z.B Patchwork- Familien) Biologische Elternschaft: genetische Eltern Soziale Elternschaft: Nehmen die Rolle der Eltern ein, müssen nicht mit Biologischen Eltern übereinstimmen, wichtiger im Schulkontext Definition Familie: als persönliche Beziehung Intergenerationale Beziehung „Familie ist eine Lebensform, in der zumindest eine Generationenbeziehung in Formeiner Elter-Kind-Beziehung vorhanden ist. […] Oder kurz gefasst sind Familien in Generationenbeziehungen personalisierte Care- Strukturen, die durch Übernahme einer Mutter- und/oder Vater-Position im Lebensalltag des Kindes generiert werden und auf Grundlage dieses persönlichen Wissens einen lebenslangen Bestand haben können.“ (Böhnisch/Lenz2014:178) ➔ Familie als persönliche Beziehung, für welche eine intergenerationale Beziehung relevant ist Seite 30 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 GRUNDMERKMALE UND WANDLUNGSTENDENZEN 1. Modernisierung der Kindheit und Machtasymmetrien: Kindzentrierung statt Elternzentrierung, Verhandlungshaushalt (Positionen der Kinder werden mit berücksichtigt) statt Befehlshaushalt, von Autoritäten zu Respekts- oder Vertrauenspersonen 2. Ungleichzeitigkeit des Alterns -> Umgang mit Reziprozität dreht sich dadurch um. 3. Umgang mit Reziprozität: unausgeglichen vs. Ausbalanciert -> nur einseitig ➔ Größere Studien: Shell Studie -> Beziehungen zwischen Eltern und Kindern ist besser geworden, oft nichtmehr akut krisenhaft, auch nicht in der Pubertät ➔ Rechts, welches ist die wichtigste Vertrauensperson Gewalt in der Erziehung Seite 31 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 2. ERZIEHUNGSSTILE UND MILIEU ÄLTERE STUDIEN - Kohn/Schooler (1981): je höher die soziale Schicht so höher auch der Wert der sozialen Selbstbestimmung, umso geringer Anpassung und Autorität - Bernstein (1972): Unterschicht vermehrt Strafen, Mittelschicht eher Entzug emotionaler Nähe - Kritik: Zu enger Schichtbegriff und Varianz innerhalb der Gruppen sei erheblich - Neuere Forschung konzentriert sich auf Bildungsaspirationen und Schulorientierungen der Eltern SINUS STUDIE „ELTERN UNTER DRUCK“ (MERKLE/WIPPE RMANN 2008) - Nicht nur Unterscheidung in soziale Schichten, sondern auch in kulturelle Schichten - Kritik: private Studie, betreiben sehr viel Marktforschung Seite 32 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 Seite 33 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 WESHALB IST ES ALS LEHRPERSON WICHTIG UNTERSCHIEDLICHE ERZIEHUNGSSTILE ZU KENNEN? - Kinder haben mglw. unterschiedliches Verständnis über die Bedeutung von Regeln - Strafen werden sehr unterschiedlich wahrgenommen - Unterschiedliche Vorstellungen darüber, was Autoritäten sind - Individuelle /naturalistische Leistungszuschreibungen - Unterschiedliche Perspektiven auf individuelle Bedürfnisse.. - Eltern haben unterschiedliche Ansprüche an Lehrer/Schule Etc. „Die (…) massive Trennungslinie sozialer Abgrenzung verläuft heute zwischen aktiven Eltern, die sich um ihre Kinder kümmern, sie bewusst erziehen und intensiv fördern, gegenüber Eltern, die die Entwicklung ihrer Kinder laufen lassen. Diese Eltern sind schnell mit ihren Kindern überfordert, stellen an sie eher niedrige Anforderungen und sind oft schon zufrieden, wenn sie nicht kriminell oder schwanger werden. Der Anteil der Eltern liegt bei etwas mehr als einem Fünftel. Diese Trennungslinie trennt die Ober- und Mittelschicht von den Milieus am unteren Rand der Gesellschaft.“ (Merkle/Wippermann 2008: 8) 3. ELTERNHAUS UND SCHULE „Wie die Kinder als Akteure in schulischen Prozessen auftreten, ob sie sie erdulden, erleiden oder bewältigen, ist (…) auch davon abhängig, wie die Eltern selbst das Verhältnis zur Schule gestalten. (…) Empirische Studien zeigen, dass insbesondere die kulturelle Praxis und der Mittelschicht von den Lehrern anerkannt wird ferner institutionellen Praxis der normativen entspricht. Das ermöglicht den Mittelschichtseltern auch stärker in die Schulangelegenheiten einzugreifen, während die Eltern unterer sozialer Schichten dazu tendieren, ihre (Schul )verantwortung den Lehrern zu übertragen.“ (Soremski/Lange 2010: 38) - Zwei Welten: Familie als intime Einheit persönlicher Beziehungen vs. Schule als überpersönlicher Organisation mit gesellschaftlichen Ansprüchen und Leistungen - Schule führt zu Familienkonflikten, Familienkonflikte können Schule getragen werden - Weites und enges Kooperationsverständnis GLEICHBERECHTIGUNG VON SCHULE UND FAMILIE „Der staatliche Erziehungsauftrag der Schule, von dem Artikel 7,1 GG ausgeht, ist in seinem Bereich dem elterlichen Erziehungsrecht nicht nach-, sondern gleichgeordnet. Diese gemeinsame Erziehungsaufgabe von Eltern und Schule, welche die Bildung der einen Persönlichkeit des Kindes zum Ziel hat, lässt sich nicht in einzelne Komponenten zerlegen. Sie ist in einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken zu erfüllen.“ (Bundesverfassungsgericht, 1972). - Einfluss des sozioökonomischen Status in Grundschule recht hoch - Hart & Risley(1995), SuS bei Schuleintritt bei niedrigen Schichten 2,5 MioWörter, obere Schichten 4,5 MioWörter - gesprochene Wörter in der Familie, Wie viel wied in den Familien kommuniziert, Vorleseverhalten,… - Auch Eltern sprechen die Sprache der Schule häufig nicht (vgl. Clinton, Hattie & Dixon, 2007), FlaxmereProjekt -> Einrichtung von Verbindungspersonen Seite 34 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 JOHN HATTIE – EMPIRISCHE ERGEBNISSE Was weniger eine Rolle spielt: Was eine Rolle spielt: - Bezug staatlicher Transferleistungen - Elternunterstützung beim Lernen - Familienstruktur (Scheidung, Väter im - Sozioökonomischer Status Haushalt, etc, Adoption, Geschwister, - Häusliches Anregungsniveau Berufstätigkeit der Mutter) - Fernsehkonsum WAS ZEICHNET ERFOLGREICHE KOOPERATIONEN AUS? - Stärkeres Schulengagement der Eltern erzeugt positivere Einstellung zur Schule der Kinder - Gemeinsames Kooperationsverständnis - Erfolgreich sind v.a. Ansätze, die darüber informieren, wie Eltern zuhause optimal unterstützen könnenVEREINBARUNGEN - Eltern, Lehrer, Kind - Gesprächsbereitschaft und gegenseitige Anerkennung - Zunächst Abklärungen der Erwartungen von Lehrern/Schülern an die Schule - Darauf aufbauend: Wie können Eltern unterstützen? Wie kann Lehrer unterstützen - Positive schriftliche Fixierung - Verwenden einfacher Sprache - Verhaltensverträge o Konkrete statt allgemeine Ziele (Sven soll in den nächsten zwei Wochen pünktlich aus der Pause zurückkommen) o Belohnung für gutes Verhalten o Gelingensbedingungen definieren (Sven sitzt auf seinem Platz, wenn es zum zweiten Mal klingelt) o Häufigkeit (nach jeder großen Pause), o Belohnung festlegen (Sven erhält jedes Mal einen Sticker von der Lehrerin, wenn er nach der großen Pause pünktlich zurückgekommen ist) o Krumm (2006): home-basedreinforcement / school-based reinforcement ZUSAMMENFASSUNG - „Normalfamilie“ hat sich sowohl als Orientierungsgröße wie empirisch stark gewandelt - Mehrheit der Kinder wohnt dennoch mit Kernfamilie zusammen - Erziehungsstile sind stark milieuabhängig - Sozioökonomischer Status der Familie beeinflusst Lernerfolg der SuS - Elternkooperation als wichtiges Element der Organisation von Lernprozessen - Unterstützung, um lernanregende Umgebung im Elternhaus zu ermöglichen FRAGEN - Was wird in der Forschung als bester Erziehungstiel bezeichnet? - Weshalb ist es als Lehrperson wichtig unterschiedliche Erziehungsstiele zu kennen? Seite 35 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 SITZUNG 6: UNTERRICHTSFORSCHUNG UND CLASSROOM MANGEMENT Quantitative Forschung Qualitative Unterrichtsforschung - Variablenbasiert - Fallbasiert - Messungen, Zahlen, Statistiken, große - Beschreibung der Kontraste von Datensätze Phänomenen - Identifikation von Kausalitäten (Welche - Prozess- und Phänomen orientiert Variablen bewirken welche Effekte?) - Kontrastiv - Analytisch - interpretativ - Verallgemeinernd - Statistisch - Interessiert sich für Qualität ➔ Ist das Pädagogisch angebracht? ➔ Nicht um Qualität und Quantität, sondern um die Art der Datenerhebung o Beobachtungen o Befragungen o Inhaltsanalysen 1. QUALITATIVE UNTERRICHTSFORSCHUNG Qualitative Unterrichtsforschung misst nicht was im Unterricht passiert, sondern wie es passiert „Qualitative Unterrichtsforschung interessiert sich für Unterricht in seiner sozialen Verfasstheit und richtet den Blick auf die symbolisch, sprachlich, körperlich und materiell vermittelten Wissenspraktiken bzw. Wissenskommunikationen, die im Unterricht vollzogen werden. Damit werden nicht Lehrer- oder Schülerhandlungen in ihrer isolierten Form fokussiert (und nachträglich als Lehrangebot, das zu einer Leistung aufseiten der Schülerinnen und Schüler führt, wieder aufeinander bezogen), sondern es wird der soziale Sinn rekonstruiert, der in wechselseitiger Bezugnahme von Personen aufeinander in zeitlichen, räumlichen und materiellen Gegebenheiten emergiert bzw. hervorgebracht wird.“ (Proske & Rabenstein 2018, S. 8f Soziale Verfasstheit: Unterricht nie als feststehender Ablauf, sondern immer nur in sozialen Interaktionen Sozialer Sinn (Max Weber): Beispiel Rüdiger: Das ist aber eine schöne Uhr! Beate: Die habe ich geschenkt bekommen Rüdiger: Achso? Beate: Ich habe seit Jahren nichts mehr geklaut… ➔ Irrelevant, was Rüdiger gemeint hat, sondern welcher Sinn sich in einer Situation durchsetzt ➔ Problem der doppelten Kontingenz: Grundproblem des Theorieansatzes des symbolischen Interaktionismus (George Herbert Mead) Seite 36 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 ➔ Wie schaffen es Menschen miteinander zu Kommunizieren, ohne in die andere Person hinein schauen zu können UNTERRICHT BILDET EIN EIGENES KOMMUNIKATIONSSYSTEM MIT BESONDEREN REGELN - Verhandlung der Sache unter deren Abstinenz - Zweck: Weitergabe von Wissen in spezifischen zeitlichen und räumlichen Kontexten (institutionalisierte Kommunikation) - Von außen festgelegten Themen (z.B. Lehrplan) - Kommunikation im Klassenverband - Konstitutiv mit der Feststellung von Graduierungen und Leistungen -> abstrus im Alltag LEISTUNG Folgende Begebenheit findet am Bahnhof statt: A: Entschuldigung, könnten Sie mir bitte sagen, wie spät es ist? B: 13.25 Uhr! A: Richtig, sehr gut gemacht. IRF/IRE – Muster: Initaion = Frage, Response, F/E= Feedback/Evaluation ➔ In den 1970ern kritisiert „Richtet man den Blick dagegen auf den antwortenden Schüler (=Responses), so zielt die Kommentierung der (adäquaten oder inadäquaten) Antwort nicht allein auf das geäußerte Wissen, sondern immer auch auf ihn. […] Damit schulischer „Stoff“ im Unterricht kommuniziert werden kann, muss es etwas geben, dass Lehrer zu bewerten bzw. zu korrigieren haben, und gerade das, was sie kommentieren und bewerten, erzeugen sie durch ihre Fragen.“ (Kalthoff 2000, S. 435) Phänomen des „Lehrerechos“ ➔ Am häufigsten Kritisiertes Phänomen (Bsp: Herr Grusek) ➔ Pseudopartizipation ➔ Lehrervortrag mit verteilten Rollen Stellt man an diese Sequenz die Frage „Wer spricht hier?“, dann ist es nicht der Schüler, sondern die Lehrperson, die durch den Schüler eine richtige Antwort verlautbaren lässt. Wird der Antwortraum durch Lehrpersonen eingeengt, tendieren Schüler dazu, das zu formulieren, was Lehrpersonen hören möchten. Seite 37 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 INTERAKTIVE KONSTITUTION DES UNTERRICHTSTHEMAS (VGL. BAUERSFELD & VOIGT, 1986) Bsp: Zufallsexperiment Matheunterricht - Trichterförmige Kommunikation - Spitzen die Situation so weit zu, bis klar ist, was gemeint ist - Schüler:Innenpartizipation geht darauf hinaus auf ein bestimmtes Phänomen zu kommen ZENTRALE PRÄMISSEN DER QUALITATIVEN UNTERRICHTSFORSCHUNG Unterricht wird als nicht vollständig von Lehrpersonen planbar/steuerbar angesehen Unterricht ist interaktives Konstrukt Unterricht ist kontingent (Dinge passieren auf eine bestimmte Weise, welche auch anders durchgeführt werden könnten) und Kontingenzbewältigung (Proske / Meseth / Luhmann / (Beier)) Unterricht ist mit widersprüchlichen Anforderungen verbunden (Helsper) Unterricht besitzt eine eigene Feldlogik jenseits pädagogischer Idealisierungen (Breidenstein) Unterricht kann nicht auf Lehr-Lern-Prozesse reduziert werden Pädagogische Handlungen basieren auf pädagogischen Arbeitsbündnis (Oevermann, Wernet) Schule ist Teil von Lehrer und Schülerbiografien (Helsper, Thiersch, Kramer) Peer-Kultur und Schulwelt überlagern sich (Helsper, Breidenstein, Krappmann/Oswald) Unterrichten ist immanent mit Bildung verbunden und kann ohne Bildungstheorie nicht verstanden werden (Gruschka) Unterricht ist soziale Praxis sui generis Unterrichts- und Schulkultur sind zu beachten (Kolbe) Unterrichtsphänomene (Was ist Leistung? Wer gehört dazu? Was wird diszipliniert?) sind soziale Praktiken Wann gilt eine Antwort als eine gute Antwort? ➔ Unterrichtsforschung stellt das, was die Didaktik normalerweise unterstellt, in Frage: Dass wir bereits wissen, was Unterricht eigentlich ist. ➔ „Festzuhalten bleibt, dass die von den beteiligten AutorInnen verfolgten Ansätze nicht auf einen Nenner zu bringen sind. Der Band liefert mithin keine einheitliche Antwort auf seine Ausgangsfrage.“ (S. 248) 2. QUANTITATIVE UNTERRICHTSFORSCHUNG „Schulischer Unterricht ist kein Selbstzweck, sondern verfolgt als Hauptziel die Ermöglichung, Anregung und Aufrechterhaltung individueller Lernprozesse.“ (Helmke 2009: 20) Klarheit und Strukturiertheit + Hoher Anteil an Lernzeit -> Lernleistung Seite 38 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 Beispiel, was gemessen werden kann: Geschätzte versus gemessene Zeit (Videografie) Redeanteil Lehrperson BASISDIMENSIONEN GUTEN UNTERRICHTS Kognitive Aktivierung Köassenführung, Regelklarheit und Struktur Unterstützendes Unterrichtsklima Seite 39 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 HATTIE Studie VISIBLE LEARNING Unterrichtsmerkmale: kann man im Unterricht selbst beeinflussen Rahmenbedingungen: Schulstrukturen ➔ Wie Qualitätsvoll ist der Unterricht „Die internationale Forschung zeigt, dass kein anderes Merkmal so eindeutig und konsistent dem Leistungsniveau und dem Leistungsfortschritt von Schulklassen verknüpft ist wie die Klassenführung“ (Helmke 2009: 174). Seite 40 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 DIE SOZIALE ORDNUNG DES UNTERRICHTS „Experienced teachers attend to the event, but keep monitoring the classroom“ (van den Bogert et al 2004) ➔ Sehr explizite Hnadlungsanweisungen Monitoring: Übersicht erhalten über die Situation Professionswissen: Expert*innen kennen sich besser in Lehr-Lern Theorien aus und können Unterrichtsprozesse entsprechend begründen Zeitmanagement Unterrichtsorganisation: Zeitdiebe = Unterrichtsbeginn, Übergänge, Technikprobleme, etc., Rituale und Routine helfen Regeln: Frühzeitige, verbindliche Etablierung von Regeln, kontinuierliche Einhaltung, Kontrolle (Unverzüglichkeit, Minimalprinzip, usw.), Plakatierung, Commitment, Erklärung und Akzeptanz Unterrichtsstörungen: Low-Profile-Ansatz: Anticipation: Gewahrsein möglicher Störquellen Deflection: Sparsame Aktion, knappe Signale (Blicke, name dropping) Reaction: Ignorieren, unverzügliches undramatische Reaktionen WODURCH ZEICHNET SICH ERFOLGREICHES CM AUS? Maßgeblicher Ausgangspunkt ist Kounins Studie „Disccipline and Group Management in Classrooms“ (1970) Seite 41 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 Sechs Merkmale des Experten-Novizen Ansatzes 1. Monitoring 2. Verhaltensregeln 3. Standardisierung von Handlungsabläufen 4. Übergänge 5. Aktivitätsfluss 6. Umgang mit Störungen MONITORING - Worauf achten Lehrpersonen? Worauf richten sie Ihre Blicke? (Studien zum „Lehrerblick“) - Novizen nehmen auffällige Ereignisse wahr, Experten entwickeln situationsbezogene Beobachtungsrelevanzen (organisierte kognitive Schemata), - „expert teachers were aware of behavioural cues that told them when to change their approach“ (Westermann 1991, 297) - Allgegenwärtigkeit und “running commentary on events taking place” (Doyle 1984, 273) WEITERE ELEMENTE VON EXPERTEN - Experten formulieren klar, was sie möchten und was nicht und wie man im Falle der Verstöße reagiert - Handlungsabläufe werden standardisiert (Prozeduren) - Steuerung des Unterrichtsflusses: Übergänge klar und deutlich markieren, schnell („time flow“) - Klare Ankündigung der Aktivitätsstruktur: keine flip-flops - Unterrichtsstörung: Vermeiden der Interaktionsfalle, entscheidend ist Aufrechterhalten des Unterrichtsflusses STABILISIERUNG VON HANDLUNGSVEKTOREN - Für Beendigung des alten Handlungsprogramms verwenden Experten MEHR Zeit, dafür WENIGER für die Etablierung eines neuen Handlungsvektors Experten bringen knappe, präzise und eindeutige Handlungsanweisungen Sie kommunizieren mit, wie sich nicht beteiligte SuS verhalten sollen Ignorieren / Übersprechen von Störungen (nicht die Zügel aus der Hand nehmen lassen) Aufbau eines Spannungsbogens Auch unbeteiligte oder störende Schüler werden mobilisierend aufgerufe NOVIZEN - „Sind froh“, wenn störende Schüler gerade mal ruhig sind - Sie konzentrieren sich auf störende Schüler, wenn diese stören und haben weniger dies Gesamtklasse im Blick - Durch Interaktionen mit „Störern“ wird es schwer, Handlungsprogramm klar zu formulieren UMGANG MIT SEKUNDÄREN HANDLUNGSVEKTOREN Seite 42 von 43 BW1 - Schulpädagogik SoSe24 Strategien: gezieltes Ignorieren / Isolieren, affilierende Blicke, flüchtige Aufgreifen von Kommentaren, ‚mobilisierendes‘ Aufrufen, beiläufige / kurze Zurechtweisungen, danach sofort demonstrative Abweisung, KEINE öffentliche Verhandlung ZUSAMMENFASSUNG - Qualitative Unterrichtsforschung untersucht die interaktive Konstitution des Unterrichts und dessen soziale Regulierung - Qualitative Analysen versuchen Phänomene und deren soziale Logik zu explizieren und nicht sie zu verbessern - Quantitative Unterrichtsforschung ist funktional auf die Verbesserung der Lernleistungen von Lernenden bezogen und variablenorientiert - Die quantitative Unterrichtsforschung zeigt, dass die Tiefenstrukturen des Unterrichts wesentlich relevanter sind, als die Oberflächenstrukturen - Classroom-Management, Meta-Kognition, Feedback, Klarheit, Kognitive Aktivierung sind wesentliche Aspekte, die aus dieser Sicht guten Unterricht ausmachen KONTROLLFRAGEN Wer hat den sozialen Sinn begründet? Welcher Aspekt gehört nicht zu der Kategorie der Sichtstrukturen? Seite 43 von 43

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