Zusammenfassung Klinische Neuropsychologie PDF

Document Details

GleefulWisdom2858

Uploaded by GleefulWisdom2858

State University of New York College at Oneonta

Tags

clinical neuropsychology neuropsychological disorders therapy psychology

Summary

This document is a summary of the lecture notes for the course "Clinical Neuropsychology" from the winter semesters 2023/2024 and 2024/2025. It covers various topics such as neuropsychological disorders and therapies. This could be useful for students in a related psychology course.

Full Transcript

Zusammenfassung Klinische Neuropsychologie Skript/Zusammenfassung zur Vorlesung: Klinische Neuropsychologie aus dem WiSe 2023/24 und aus dem WiSe 2024/25 Aus der Vorlesungsreihe Inhaltsverzeichnis Grundlagen 4 Was sind wichtige Elemente neurop...

Zusammenfassung Klinische Neuropsychologie Skript/Zusammenfassung zur Vorlesung: Klinische Neuropsychologie aus dem WiSe 2023/24 und aus dem WiSe 2024/25 Aus der Vorlesungsreihe Inhaltsverzeichnis Grundlagen 4 Was sind wichtige Elemente neuropsychologischer Therapie? 4 Anosognosie 4 Gründe für die Anosognosie: 5 Verletzungen und Erkrankungen des Gehirns 6 Hirntumore 7 Schlaganfälle 7 Schädel-Hirn-Traumata 8 Entzündliche Prozesse des Gehirns -> Multiple Sklerose 8 Morbus Parkinson (Schüttellähmung) 10 Gedächtnisstörungen und Degenerative Prozesse 11 Amnesie 12 Bakterielle und virale Infektionen des Gehirns 14 Störungen der Raumauffassung 14 Neurobiologische Grundlagen 15 Alltagsrelevanz 16 Diagnostik 16 Alltagsorientierte Therapie 16 Neglect 16 Therapie von Neglect 18 Visuelle Agnosien 20 Wahrnehmungsformen 20 Neurobiologische Grundlagen 20 Formagnopsie, apperzeptive vs. assoziative Agnosie 20 Apraxie 21 Werkzeug- und Objektgebrauch 21 Imitation von bedeutungslosen Gesten 22 Bedeutungsvolle Gesten 22 Aphasie 24 Begleitstörungen 24 Ursachen 24 Aphasie Arten 24 Neurolinguistische Perspektive 25 Alltagsrelevanz 26 Diagnostik 26 2 Methoden 26 Instrumente 26 Therapie 27 Therapie Artikulation 27 Therapie: Phonematisches Lexikon 27 Übung der phonematischen Unterscheidungsfähigkeit 27 Psychopharmakologie 28 Anxiolytika (Tranquilizer), Sedativa und Schlafmedikamente (Insomnie) 28 Schlaf 32 Nebenwirkungen von Schlafmitteln 36 Zusammenfassung Schlafmittel 36 Antipsychotika 37 3 Grundlagen - Geschichte der Neuropsychologie nicht klar eingrenzbar, Beginn kann bei Franz Joseph Gall (1758 – 1828) gesehen werden - Gall kann als einer der ersten „richtigen“ Neuroanatomen gesehen werden -> Anfang der klinischen Neuropsychologie o Vertrat schon in Grundzügen Idee => Verhalten ist vernetzt im Gehirn - Phrenologie: Galls Theorie, dass Persönlichkeit und Fähigkeiten in spezifischen Gehirnregionen verortet sind. - Funktionelle Spezialisierung: Erste Ideen, dass verschiedene Gehirnbereiche für unterschiedliche Funktionen zuständig sind. - Interessanter Fall des Phineas Gage: o Bahnarbeiter, bei Arbeiten am Gleis Unfall mit einer Eisenstange o Führte zu merkbaren Persönlichkeitsänderungen bei Gage o Medizinischer Einblick: Sein Fall lieferte frühe Beweise für den Zusammenhang zwischen Gehirnstruktur und Persönlichkeit. o Neurologische Forschung: Gage's Geschichte ist ein Klassiker in der neuropsychologischen Literatur. o Wissenschaftliche Relevanz: Sein Fall wird oft als Wendepunkt in der Hirnforschung und Psychologie zitiert. ➔ Mögliche Klausurfrage: ➔ Womit beschäftigt sich die Neuropsychologie? o Antwort: beschäftigt sich mit gestörten neuronalen Prozessen und Strukturen und den aus diesen Störungen resultierenden Veränderungen im Erleben und Verhalten Was sind wichtige Elemente neuropsychologischer Therapie? - Medizinische Aufnahmeuntersuchung - Neuropsychologisches Erstgespräch - Neuropsychologische Diagnostik - Restitutive, kompensatorische, substituierende und/oder adaptierende Maßnahmen - Vermittlung von Störungswissen, Abbau von Vorbehalten - Aufbau von Störungseinsicht und Störungsakzeptanz - Stärkung von Eigenverantwortung & Selbstwert - Lebenszielanalyse & Lebenszielplanung - Kognitive Verhaltenstherapie zur Behandlung psychoreaktiver Störungen (z. B. Depressionen, Angsterkrankungen, Belastungs- und Anpassungsstörungen, Antriebsstörungen) - Angehörigenberatung Anosognosie - A-noso-gnosie (griechisch): Nicht-Krankheit-Erkenntnis: o Im engeren Sinne: Nicht erkennen wollen o Im weiteren Sinne: Nicht erkennen wollen - Was ist eine Anosognosie? o Nichtwahrnehmung oder Fehlwahrnehmung von Krankheit und Krankheitssymptomen o CAVE: Gilt selber nicht als nps. Störung sondern „nur“ als Begleitsymptom einer anderen Störung! o Bagatellisierung von Krankheit und Krankheitssymptomen 4 o Mangelnde oder fehlende Einsicht in die Konsequenzen von Krankheitsfolgen für die Bewältigung des eigenen Alltags o Unrealistische Einschätzung von eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten - Wichtig: Anosognosie ist keine neuropsychologische Störung. Es handelt sich vielmehr um eine Begleiterscheinung vieler neuropsychologischer Störungen, der für den Erfolg einer neuropsychologischen Therapie und für die erfolgreiche Alltagsbewältigung eine besondere Rolle zuzusprechen ist - Abgrenzung: Auch gesunde Menschen scheitern an einer realistischen Einschätzung ihrer Fähigkeiten, Eigenschaften und Bedürfnissen -> nicht automatisch pathologisch! - Anosognosie = Therapiehindernis und schlechtes prognostisches Zeichen für den Erfolg einer neuropsychologischen Therapie, weil: o Mangelnde Therapiemotivation o Fehlende Einsicht in Bezug auf die Bedeutung von therapeutischen Übungen (Bspw. bei einfachen Aufgaben zu Beginn einer Therapie wie Wörter wiederholen o.ä.) o Unrealistische Erwartungen in Bezug auf die Ziele der Therapie o Häufiger Wechsel von Therapeuten und Therapierichtungen  Primäres Therapieziel: Aufbau einer realistischen Einsicht in bleibende Behinderungen und erhaltene persönliche Ressourcen Gründe für die Anosognosie: o Erzwungene Inaktivität ▪ Angeordnete oder gesundheitliche bedingte Bettruhe erzwingt die motorische Inaktivität von Körperteilen ▪ Infusionen, Schläuche oder medizinische Geräte behindern weiter die eigene Bewegungsfreiheit des Patienten o Vernachlässigung ▪ Patienten neigen dazu, erkrankte Körperteile nicht zu bewegen und auch zu schönen -> Teil des Krankheits- bzw. Schonungsverhaltens o Scheinwahrnehmungen ▪ Patienten verwechseln lebhafte bildliche Vorstellungen mit wirklichen Wahrnehmungen ▪ Gerade im Zustand von Hirnschädigungen ist Plausibilitätskontrolle des Gehirn (Also: Stimmt das was ich da sehe oder wahrnehme?) nicht richtig funktional o Scheinbewegungen ▪ Intendierte Bewegungen führen bereits zu Aktivierungen von bewegungskodierten Hirnarealen, die Wahrnehmungen von Bewegungen erzeugen  Im Grunde genommen: Fehlattribuierungen! 5 Allgemeine Therapieprinzipien: Verletzungen und Erkrankungen des Gehirns - Hirntumore - Schädel-Hirn-Traumata - Schlaganfälle - Entzündliche Prozesse des Gehirns z.B. Multiple Sklerose - Degenerative Prozesse z.B. Demenz - Bakterielle und virale Infektionen des Gehirns - Leitsymptom für Verletzungen und Erkrankungen im Gehirn => „Hirndruck-Trias“ o Kopfschmerz o Erbrechen o Stauungspapille (Ödem im Gewebe der Sehnervpapille, i.d.R. beidseitig) o Weitere Symptome: Schwindel, Augenmuskelähmung, Bradykardie 6 Hirntumore Schlaganfälle - "schlagartig" auftretenden Ausfall von Gehirnfunktionen Oberbegriff für die akute Schädigung von Hirnarealen, die entweder infolge eines Gefäßverschlusses (Hirninfarkt, ischämischer Infarkt) oder durch eine Hirnblutung (hämorrhagischer Infarkt) entsteht Ursache von Schlaganfällen: - Ischämischer Insult o Verengung der Blutgefäße durch einen Thrombus (entsteht am Ort des Insults) oder einen Embolus (wird angeschwemmt, häufig aus dem linken Herzvorhof bei Herzrhythmusstörungen oder Vorhofflimmern; Arteriosklerose) o Wenn das Gefäßvolumen zu eng wird, werden dahinter liegenden Gehirngebiete nicht mehr ausreichend durchblutet; Nervenzellen werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und sterben ab (Nekrose) - Hämorrhagischer Insult o Durch Ruptur eines Blutgefäßes kommt es zu Einblutungen ins Hirngewebe o Unterversorgung mit Blut und Nährstoffen im Versorgungsgebiet des Blutgefäßes o Durch allgemeine Volumenzunahme im knöchernen Schädel werden die Zellen in der Umgebung der Blutung, aber unter Umständen auch lebenswichtige Zentren des Gehirns (z.B. Atemzentrum im Hirnstamm) „gequetscht“  Akute Lebensgefahr! Symptome - Verlauf/Schwere der Symptome abhängig von: o Dauer der Unterversorgung o Größe des betroffenen Bereichs o Lage des betroffenen Bereichs Risikofaktoren - Alter - Genetische Verlagerung/Disposition 7 - Arteriosklerose (u.a. begünstigt durch Diabetes) - Herzerkrankung - Übergewicht und mangelnde Bewegung - Hoher Alkoholkonsum Zeitliche Dynamik eines Insults -> hier noch ggf. nachtragen! Schädel-Hirn-Traumata - Umfasst Hirnverletzung durch Aufprall des Gehirns gegen das Innere des Schädels (häufig nach einem traumatischen Unfall) - Arten von Schädel-Hirn-Traumata: o Gehirnprellung (Kontusionssyndrom) o Gehirnerschütterung: Benommenheit nach Schlag auf den Kopf ohne Hinweise auf eine Gehirnprellung o Punch-Drunk Syndrom: Zerebrale Narbenbildung und Demenz nach wiederholten Gehirnerschütterungen (häufig bei Profiboxern; auch CTE genannt) Entzündliche Prozesse des Gehirns -> Multiple Sklerose - häufigste neurologische Erkrankung im jungen Erwachsenenalter - chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems - Ersterkrankungsalter oft zwischen dem 29 bis 40 Lebensjahr o Bei der schubförmigen Verlaufsform: Frauen häufiger betroffen als Männer - Ursachen: o Zahlreiche Hypothesen zu den Einflussfaktoren (Vitamin D-Mangel, Rauchen, veränderte Darmflora, Herkunft) o Keine Erberkrankung (MS-Gen), aber leicht erhöhtes Risiko, wenn in der Familie MS vorkommt o Autoimmunreaktion o Entzündungs- und Abwehrzellen des Körpers greifen fälschlicherweise körpereigene Strukturen (Myelinscheiden) an o Abbau der Hüllschicht von Nervenfasern (Myelinscheiden), wodurch elektrische Signale intrazellulär schlechter oder gar nicht mehr weitergeleitet werden - Symptome können vielfältig sein: o Häufigstes Erstsymptom: Empfindungsstörungen an den Armen oder Beinen (30 bis 50 % der Betroffenen) o Sehstörungen vor allem bei jungen Patienten und Ersterkrankung (~ 20% der Betroffenen) o Kognitive Störungen (etwa 40 – 70 % der Betroffenen), insbesondere kognitive Verlangsamung, Beeinträchtigungen des visuell-räumlichen und phonologischen Arbeitsgedächtnisses sowie der mentalen Flexibilität o Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen o Störungen der Muskelfunktionen: Kraftlosigkeit, Spastik u.v.m. o Sprechstörungen (z.B. verwaschene Sprache) o Psychische Störungen -> Risiko für Depression etwa 10fach erhöht 8 Kein einheitliches Erscheinungsbild, der Verlaufsformen Verlaufsform I: Schubförmig remittierende MS (engl. Relapsing Remitting MS, RRMS) - Einzelne, deutlich voneinander abgrenzbare Schübe (ein Schube kann wenige Tage bis Wochen dauern) - Es können neue Symptome auftreten oder bereits vorhandene Symptome verstärkt werden - Siehe Bild: Komplette Remission (a) oder inkomplette (b) Remission ist möglich o Bei kompletter Remission: Beschwerdefreie Intervalle von Monaten oder Jahren o Abstände der Schube sind nicht vorhersagbar - Triggerfaktoren (z.B. Infektionen) können die Wahrscheinlichkeit für einzelne Schübe erhöhen Verlaufsform II: Sekundäre chronisch progrediente MS (engl. Secondary Progressive MS, SPMS) - Zweites Krankheitsstadium: Schubförmig-remittierende MS geht in einen chronischen Verlauf über - Ausbleibende (c) oder aufgesetzte (d) Schübe, aber dynamisch ansteigende Zunahme der Symptome (mit oder ohne stabile Phasen) - Bei ca. einem Drittel der Erkrankten entwickelt sich eine SPMS nach 10 bis 15 Jahren - Medikamente, die in die Funktion des Immunsystems eingreifen, können den Zeitpunkt zum chronischen Verlauf hinauszögern Verlaufsform III: Primär chronisch progrediente MS (engl. Primary progressive MS, PPMS) 9 - schwerwiegendste Form der Erkrankung, ca. 10 bis 15 % der Fälle - von Beginn an rasche Verschlechterung der Symptomatik, keine abgrenzbaren Schübe - stetige Zunahme (e) der neurologischen Defizite ohne Rückbildung - Phasen der Stabilität oder einer kurzfristigen geringfügigen Besserung (f) können vorkommen o Meist Personen mit einem späten Krankheitsbeginn (ab ca. 40 Jahren) Behandlung u. Therapie: - Hochdosierte Cortison-Therapie (3-5 Tage) zur Hemmung der akuten Entzündung - Längerfristige Modulation oder Hemmung des Immunsystems o Symptomatische Therapie ▪ Schmerzen ▪ Depression ▪ Spastik Was ist während der Therapie zu beachten? - Patienten sind schneller ermüdbar! - Aufgrund der Blasen- und Darmentleerungsstörung muss der Patient vielleicht während der Therapie öfter auf Toilette -> oftmals sehr schambesetzt - Sprechstörungen können Hemmungen auf beiden Seiten erzeugen: Pat. vermeidet länger zu sprechen und Therapeut fragt nicht nach wenn etwas nicht verstanden wird -> Geschlossene Fragestellungen (Ja/nein) oder Pat. Antwort schreiben lassen Morbus Parkinson (Schüttellähmung) - Zellen in der Substantia nigra (schwarze Substanz, Kernkomplex im Mittelhirn) sterben ab - Folge: Beeinträchtigungen des extrapyramidalen motorischen Systems o Risiko für eine Demenz ist sechsfach erhöht (durchschnittlich 8 – 10 Jahre nach der Erstdiagnose) - Ursachen werden in einer Kombination aus genetischer Disposition und Umweltfaktoren vermutet - Kardinalsymptome: o Bewegungsverlangsamung und Bewegungsarmut (Bradykinese, Akinese) o Ruhetremor o Erhöhter Muskeltonus (Starre, Steifigkeit) der axialen Muskulatur und Extremitäten (Rigor) o Mangelnde Stabilität der aufrechten Körperhaltung (Postulare Instabilität) - Weitere Symptome: o Vegetative Symptome ▪ Talgproduktion (Salbengesicht) ▪ Speichelfluss o Psychische Symptome ▪ Depression ▪ Schlafstörung ▪ Verwirrtheit ▪ Halluzinationen o Kognitive Symptome ▪ Aufmerksamkeit ▪ Exekutivfunktionen ▪ Gedächtnis 10 ▪ Visuell-räumliche Leistungen Frühe Symptome - Hyposmien: ca 80% der Betroffenen berichten über Riechstörungen, weitere 10% können mit Hilfe von Riechtests identifiziert werden o Geruchsverlust bis zu 10 Jahre vor Beginn der typischen Symptomatik, Ursache: Veränderungen von Zellen im Riechkolben - Verdauungsbeschwerden: o Setzen oft in Form von Obstipationen Jahre vor den ersten Symptomen einer Bewegungsstörung ein - Gedächtnisstörungen und Degenerative Prozesse Gedächtnismodell von Atkinson u. Shiffrin 1. Sensorischer Speicher: a. über Sinnesrezeptoren eingehende Informationen werden in sensorischem Speicher kurzzeitig gesammelt u. gehalten 2. Enkodierung durch Aufmerksamkeitsprozesse: a. Selektion sensorischer Information: mit Aufmerksamkeit versehene selektierte Info wird ins KZG überführt 3. KZG: a. Parietallappen b. begrenzte Kapazität der Informationsspeicherung gezählt in Informationseinheiten (Chunks): Informationen zu sinntragenden Einheiten/Chunks gruppieren 11 c. Prozess des flüchtigen Zwischenspeicherns u. kurzzeitigen Haltens 4. ABG: a. Frontallappen b. Informationsaustausch zwischen ABG u. KZG über neuronale Verschaltung von Frontal- u. Parietallappen c. Prozesse der Bearbeitung u. des In-Beziehung-Setzens von Informationen: aktives Zusammenführen d. aktives Aufrechterhalten der Information im KZG/ABG durch aktive Bearbeitung u. Organisation (z.B. Wiederholung) e. Abruf von Informationen aus dem ABG f. Konsolidierung: i. durch Wiederholungen wird enkodierte Information aus KZG ins LZG überführt ii. nicht konsolidierte Informationen verblassen 5. 6. LZG: 1. langfristiger Informationsspeicher - Gedächtnisstörung = Oberbegriff für alle Einbußen des Lernens, Behaltens oder Abruf gespeicherter Informationen -> Ätiologie und Selektivität der Störung ist offen Amnesie o Isolierte schwere Störung des Lernens und Behaltens, die nicht mit anderen kognitiven Einbußen kombiniert ist o Anterograd => nach vorne gerichtet, Betroffene können neue Gedächtnisinhalte nicht konsolidieren und abrufen, setzt nach dem Insult an, zumeist sehr ausgeprägt und ohne zeitlichen Gradienten o retrograd => nach hinten gerichtet, setzt vor dem Insult an und ist mit einem zeitlichen Gradienten versehen (Ribot’sches Gesetzt: Last in – First out) o Weitere Typen der Amnesie: ▪ Traumatische Amnesie: meist du Schädel-Hirn-Traum (SHT) begründet und nur transienter Natur Dauer hängt von Schwere der Schädigung ab Gibt oft den Eindruck einer selektiven retrograden Amnesie, die jedoch nur ein Durchgangssyndrom darstellt ▪ Dissoziative Amnesie ebenfalls eine selektiv retrograde Amnesie, die sich auf die Zeitperiode eines emotional traumatischen Erlebnisses beschränkt ▪ Kosrakoff Amnesie meist auf jahrelangen Alkoholismis zurückzuführen Anterograde und retrograde Störungen setzt auf subkortikaler Ebene an (Thalamuskerne) ▪ Kindheits-Amnesie Informationen vor dem 3. Lebensjahr können nicht direkt erinnert werden Wahrscheinlich durch neuronale Interferenz (Reifung des Sprachsystems) bedingt - Störungsbilder von Gedächtnisstörungen: 12 o Demenzen: Gedächtnisstörungen sind ein Leitsymptom, sie ist jedoch progredient und geht mit anderen kognitiven Einbußen einher Diagnostik von Gedächtnisstörungen MRT, CT (Ort & Ausmaß der Schädigung) Anamnese vorhandener Beschwerden, Verlauf der Symptomatik und Strategien der Patienten im Umgang mit Beeinträchtigungen (Einbezug von Angehörigen) Abgrenzung zu (eventuell gleichzeitig vorhandenen) Störungen der Aufmerksamkeit und der Exekutivfunktionen -> Komorbidität Gedächtnisfunktionen: Orientierung (persönliche, situative, zeitlich-kalendarische, örtlich-geographische Fragen) Kurzzeitgedächtnis/Arbeitsgedächtnis (Wechsler Memory Scale Revised, WMS-R) Aufnahme und Behalten von Informationen im LZG (Verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest, VLMT) Episodisches und semantisches Gedächtnis (Autobiographisches Gedächtnis-Interview, AMI) Prozedurales Gedächtnis (Nachzeichnen im Spiegel) Alltagsleistungen Mögliche Tests die eingesetzt werden - Mini-Mental-Status-Examination/Test (MMSE/MMST) o Fragt mehrere kognitive Dimensionen ab dazu gehören u.a. (Zeitlich u. geographisch- örtliche) Orientierung, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit, Erinnerungsfähigkeit und Sprache o Interview-basierter Test, dauert etwa 10-15 Minuten o Besteht aus 30 Fragen und Aufgaben o Prüft fünf kognitive Bereiche: ▪ Orientierung ▪ Merkfähigkeit ▪ Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit ▪ Erinnerungsfähigkeit ▪ Sprache - DemTect o Der DemTect beinhaltet mit zehn Wörtern eine längere Erinnerungsliste als der MMS und vermeidet direkte Fragen zu Ort und Zeit o mit 8 bis 12 Minuten ist er mittelgradig zeitaufwendig, enthält aber keine Zeichenaufgabe o gute Sensitivität o Der Test ist mittlerweile in Deutschland gebräuchlich, wird aber nicht international eingesetzt - MoCa (Montreal Cognitive Assessment) o In einer Metaanalyse kognitiver Screeningtests schnitt das "Montreal Cognitive Assessment (MoCA)" verglichen mit dem MMST beim Aufspüren leichter kognitiver Defizite deutlich besser ab o der MMST erreichte bei MCI-Patienten (mild cognitive impairment) nur eine Spezifität von 62 Prozent, das MoCA hingegen von 89 Prozent o Der Test prüft Orientierung, Erinnerung, Sprache, Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen 13 o Es gibt drei Parallelversionen für Wiederholungsmessungen o Die Testergebnisse depressiver Patienten lagen im Mittel stets zwischen den Werten Gesunder und leicht dementer Patienten - CERAD (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease) o Ziel: schnelle, differenziertere Erfassung kognitiver Defizite bei Patienten mit Demenz o Standardverfahren zur Abklärung und Objektivierung kognitiver Beeinträchtigungen bei Patienten über 50 Jahren o deutschsprachige Version der CERAD-Plus wurde von der Memory Clinic des Universitätsspitals Basel, Schweiz entwickelt o Aufgaben: Verbale Flüssigkeit, Boston Naming Test, Mini-Mental Status, Wortliste lernen, Figuren abzeichnen, Wortliste abrufen, Wortliste wiedererkennen, Figuren abrufen, Trail Making Test, phonematische Flüssigkeit o Funktionsbereiche: Sprachliches und visuelles Gedächtnis, visuokonstruktive und räumliche Fähigkeiten, Sprache, Wortflüssigkeit, Wortfindung, psychomotorische Geschwindigkeit, Aufmerksamkeit/Konzentration sowie die Leistung von exekutiven Funktionen wie Planung, Organisation, Flexibilität o individuelle Ergebnisse werden über Normwerte (z-Werte) ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung gesetzt Bakterielle und virale Infektionen des Gehirns Störungen der Raumauffassung - Störungen der Auffassung und Wiedergabe von räumlichen Verhältnissen, räumlichen Beziehungen zwischen Objekten sowie komplexen räumlichen Gebilden: o Räumlich-perzeptive Störungen o Räumlich-kognitive Störungen o Räumlich-konstruktive Störungen o Räumlich-topografische Störungen - Räumlich-perzeptive Störungen o Leistungsminderungen in folgenden Bereichen: ▪ Positionsschätzung ▪ Einschätzen der Größenverhältnisse von Objekten ▪ Einschätzen der Abstände zwischen Objekten ▪ Längen-, Entfernungs-, Orientierungs-, Winkel- und Formschätzung - Räumlich-kognitive Störungen o Leistungseinbußen in folgenden Bereichen: ▪ Mentale Rotation ▪ Maßstabstransformation ▪ Mengenkonstanz ▪ Positions- und Achsenspiegelung ▪ Mentaler Perspektivenwechsel - Räumlich-konstruktive Störungen o Folgende Einschränkungen sind charakteristisch: ▪ Unfähigkeit, Elemente zu einer ganzen Figur zusammenzusetzen ▪ Fehlerhaftes (Ab-)Zeichnen von geometrischen Figuren ▪ Fehler beim Nachbau von räumlichen Konstruktionen - Räumlich-topografische Störungen o Leistungseinbußen in folgenden Bereichen: 14 ▪ Orientierung und Navigation im Raum und in der Umgebung ▪ Orientierung auf Landkarten ▪ Nichterkennen von bekannten Landmarken ▪ Räumliches Vorstellen Neurobiologische Grundlagen Lateralisation der Raumauffassung Lateralisation des Präfrontalen Kortex: - Linke Hemisphäre: Kontrolle von sprachlichen Informationen - Rechte Hemisphäre: Kontrolle von visuell-räumlichen Informationen Dorsodorsale Route: Visuomotorische Koordination Ventrodorsale Route: Bewusste Raumauffassung Wiederholung: Die Verarbeitung der Lokation von Objekten im Raum erfolgt über den dorsalen Pfad (Wo-Pfad), genauer über die ventrodorsale Route, die für die bewusste Raumauffassung verantwortlich zeichnet. 15 - Räumlich-perzeptive Störungen treten vor allem nach parieto-okzipitalen Läsionen (überwiegend rechtshirnig) auf - Räumlich-kognitive Störungen sind meistens ein Resultat von bilateralen Läsionen in parieto- okzipitalen Regionen - Räumlich-konstruktive Störungen treten vor allem nach parietalen Läsionen o in vergleichbarem Maße nach rechts- und linksseitigen Läsionen o Gravierendere Einschränkungen bei rechtsseitigen Läsionen - Räumliche-topographische Störungen resultieren meist aus rechtsseitigen hippocampalen Läsionen Alltagsrelevanz - Teils gravierende Einschränkungen im Alltag: o Verlust von Orientierung (im öffentlichen Raum) o Probleme beim Anziehen von Kleidungsstücken o Probleme beim Ordnung halten o Unsystematisches Suchen o Probleme bei der Haushaltsführung (z.B. Kochen) o Probleme im Beruf (besonders bei technischen oder handwerklichen Berufen) Diagnostik - Abschätzung und Wiedergabe von Entfernungen - Abschätzung von Abständen zwischen Objekten - Abschätzung der Größenverhältnisse von Objekten - Abschätzung und Wiedergabe von Winkeln - Abzeichnen von geometrischen Figuren - Nachbau von räumlichen Konstruktionen - Orientierung auf Landkarten - Orientierung im Raum und in der Umgebung ➔ Mit Worten beschreiben, zeichnen oder basteln lassen! Alltagsorientierte Therapie - Ziel: Selbstständigkeit der Patient*innen verbessern - Üben und Bewältigen von Alltagssituationen - Training von Orientierungspunkten - Lesen von Straßenkarten - Einsatz von VR- oder AR-Technologie mit späterem Transfer in den Alltag Neglect - Neglect Syndrom kann im weitesten Sinne als Bewusstseinsstörung verstanden werden -> Aber: Neuropsychologisch und neurologisch ist bisher noch relativ wenig bekannt über das Neglect o Obwohl noch nicht vollständig verstanden, gibt es schon relativ viele Behandlungsmöglichkeiten welche auch wirken! -> Motto: Wer hilft hat (erstmal) Recht! - halbseitige Vernachlässigung (=Neglect) beschreibt Nichtbeachten von einer Seite des Raumes, von Objekten im Raum oder des Körpers bzw. dann einer Körperhälfte 16 - Phänomen tritt vor allem nach rechtshirnigen Läsionen auf und betrifft in den meisten Fällen die linke Seite, in ca. 35% der Fälle persistiert die Störung dauerhaft - Es werden verschiedene Formen des Neglects unterschieden: o Körperzentrierter Neglect ▪ Vernachlässigung von Dingen und Personen, die sich im linken extrapersonalen Raum befinden ▪ Körperempfindungen sind unbeeinträchtigt; beide Körperhälften werden wahrgenommen o Objektzentrierter Neglect ▪ Nichtbeachten der linken Seite von einzelnen Objekten im extrapersonalen Raum ▪ Übersehen der Wortanfänge beim Lesen o Body-Neglect & motorische Vernachlässigung ▪ Vernachlässigung von Empfindungen der betroffenen Körperhälfte ▪ Vernachlässigung der betroffenen Körperhälfte ▪ „Scheinlähmung“ der betroffenen Körperhälfte ▪ Ausbleiben von Spontanbewegungen der betroffenen Körperhälfte (insb. bei Extinktion) ▪ Verschiebung der subjektiven Körpermitte zur gesunden Seite (Pushing) - Neurobiologische Grundlagen: o Auftreten des Neglect-Phänomens sowohl bei links- als auch bei rechtsseitigen Läsionen o Ausfälle bei rechtsseitigen Läsionen sind aber schwerwiegender, rechte Gehirnhälfte ist dominant für die attentionale visuelle Verarbeitung o Häufigste betroffene Regionen: ▪ Gyrus temporalis superior ▪ Insula ▪ Putamen ▪ Nucleus caudatus - Erklärungsmodelle: o Aufmerksamkeitshypothese ▪ Übergewicht der automatischen Orientierung der Aufmerksamkeit ▪ Störung der Lösung der Aufmerksamkeit o Repräsentationshypothese ▪ Fehlen der mentalen Repräsentation ▪ Verzerrung/Stauchung der Repräsentation des Raumes entlang der Horizontalen o Transformationshypothese ▪ Visuelle, vestibuläre & propriozeptive Information ▪ kopfzentrierte, rumpfzentrierte & umgebungsbezogene Raumreferenzsysteme - Alltagsrelevanz: o Oft begleitet von einer Anosognosie und Hemiparese (Halbseitenlähmung) o Gefahren im Alltag, wenn nur die Hälfte des Raumes oder des eigenen Körpers beachtet wird 17 o Therapiehindernis bei motorischer Rehabilitation o Leistung in der Therapie wird aufgrund der ablenkungsarmen Umgebung häufig unterschätzt Therapie von Neglect - Förderung von Awareness - Pat. soll durch die verschiedenen Stufen der Awareness/Bewusstsamkeit hindurchgeführt werden mit dem Ziel das Neglect zu mindern ➔ Aber: Bei erster Konfrontation können Pat. teils sehr Reaktant und aggressiv reagieren - Informelle Unawareness: prinzipiell ist der Neglect bekannt, aber so richtig überzeugt sind die Pat. auf dieser Stufe immer noch nicht davon -> weitere Therapie ist nötig, da noch keine Handlungskonsequenz sich ergibt für den Betroffenen - Spiegeltherapie o besonders bei einem Body-Neglect eine gute Therapiemöglichkeit, um ein körperzentriertes Neglect zu behandeln o Awareness für vernachlässigte Körperbereiche taucht dann langsam im Rahmen der Spiegeltherapie wieder auf (Restitution) o Hier gilt auch wieder: Genaue Wirkprinzipien der Spiegeltherapie sind derzeit noch unklar, aber sie wirkt! - Explorationstraining o Ziel: Vermehrtes aktives Beachten der betroffenen Seite, Patient*innen sollen bestimmte Reize suchen und durchstreichen/darauf zeigen -> stetes Erinnern an die betroffene Seite o Explorationstraining kann bspw. über eine Weste oder alte Jacke in welcher viele Taschen sind mit vielen Objekten stattfinden -> Personen sollen dann die Objekte in 18 den Taschen finden, möglich sind auch Instruktionen in welchen gezielt gesucht werden soll o höchste Compliance zeigt sich, wenn die Pat. in der Übung/Therapie mit persönlichen Gegenständen konfrontiert werden -> eignet sich auch gut für ein Gespräch über die Gegenstände/Ressourcen der Pat., die Möglichkeit dazu sollte genutzt werden - Visuomotorische Prismentherapie: o 15-minütiges Aufsetzen einer Prismenbrille, durch die kurzfristige Verschiebung des Gesichtsfeldes zu einer Seite hin kann die halbseitige Vernachlässigung temporär korrigiert werden (Effekt hält bis zu 72 Stunden an) o Primäres Ziel: Aufmerksamkeitkegel in das vernachlässigte Feld wieder geben! o Therapie zeigt gute Wirksamkeit und hält auch relativ lange an mit ca. 72 Stunden, Visuomotorik jedoch „stellt“ sich langsam wieder zurück - Vestibuläre Stimulation o ca. 15-minütige Verbesserung der Neglect Symptome durch Kaltwasserstimulation des zur Läsion kontralateralen Ohres o Einführen von warmen (leicht über der Körpertemperatur) Wasser in einen der beiden Gehörbögen -> „Wasserspülung“, übertragt sich dann auf Mittel- und Innenohr o Warum wichtig: Kopfbewegung nach links (Körpereigener Reflex) durch die Wasserbewegung im Ohr o Schnelle erste Augenbewegung geht immer dahin wo mehr Aktivität ist - 19 - Kopfbewegung nach rechts = schnelle Augenbewegung nach rechts und dann langsam nach links -> auch ein nicht abzustellender körpereigener Reflex - Optokinetische Stimulation o Präsentation von (meist) nach links bewegender Streifen, der Pat. soll den Streifen mit den Augen folgen o ähnlicher Effekt wie bei der vestibulären Stimulation aber wird bevorzugter Eingesetzt da weniger umfangreich - Nackenmuskelvibrationstherapie o Vibrator wird in regelmäßigen Sitzungen an einen bestimmten Punkt in der Nackenmuskulatur gehalten o Anregung der Aufmerksamkeitszuwendung zur betroffenen Seite Visuelle Agnosien - zerebrale Sehstörungen, bei denen für denselben Ausschnitt des Gesichtsfeldes erhaltene und gestörte Sehleistungen bestehen o Sehen ist hier eigentlich in Ordnung aber die Wahrnehmung ist bei visueller Agnosie gestört Wahrnehmungsformen - Erkennen von Dingen (temporal) => Was Pfad! o Perzeptive Phase: ▪ Erkennen von Formen (primär) und Farben (sekundär) ▪ Integration von Formen und Farben zu Objekten -> Objektkonstanz o Assoziative Phase: ▪ Anschluss von Objekten an semantisches Gedächtnis und Sprache - Visuomotorische Koordination (dorsodorsal) => Wo Pfad! o Erkennen der Richtung und Geschwindigkeit von Bewegungen o Multiple Repräsentation von körperzentrierten Koordinatensystemen - Wahrnehmung räumlicher Beziehungen & Raumauffassung (ventrodorsal) Neurobiologische Grundlagen a) Dorsaler Pfad = Wo Pfad o führt zum Parietallappen o Spezialisiert auf visuelle räumliche Wahrnehmung und visuelle Lokation b) Ventraler Pfad = Was Pfad o Führt zum okzipito-temporalen Übergang o Spezialisiert auf visuelle Musterwahrnehmung und visuelle Identifikation Formagnopsie, apperzeptive vs. assoziative Agnosie - Formagnosie (Störung des Erfassens von kontinuierlichen Linien und Formen) o Linien können in Orientierung und Länge nicht verglichen werden o Formen können nicht voneinander unterschieden werden und Linien können nicht über Krümmungen hinweg verfolgt werden o Es werden keine illusorischen Kanten wahrgenommen  Störung des ventralen Pfades, Anwendung der Gestaltgesetze funktioniert nicht mehr - Apperzeptive bzw. integrative Agnosie (Störung des Wechselspiels zwischen lokalen Merkmalen, globalen Formen und dem Wissen über die Zusammenhänge von Veränderungen von Merkmalen bei „mentaler Rotation“) o Wahrnehmung einzelner Merkmale 20 o Keine Integration der Merkmale zum Gesamtbild o Wahrnehmung von Helligkeit und Farbe ist erhalten Assoziative Agnosie (Fehlender Anschluss an das semantische Gedächtnis, Fehlbenennung gesehener: Patienten sehen, aber erkennen nicht Apraxie - Apraxien beschreiben fehlerhafte motorische Aktionen, die nicht auf eine allgemeine motorische oder kognitive Störung zurückzuführen sind und nur bei bestimmten Handlungen auftreten - In der Regel sind beide Körperhälften betroffen, typischerweise stehen drei Domänen motorischer Aktionen im Zentrum der Symptome: 1. Werkzeug- und Objektgebrauch 2. Produktion kommunikativer Gesten 3. Imitation von Gesten - Es könne zusätzlich folgende Symptome auftreten: o Ersetzen der geforderten durch eine andere Bewegung o Überschießende Bewegungen o Annähern an die richtige Bewegung nach mehreren Versuchen o Abdriften von der Zielbewegung Werkzeug- und Objektgebrauch - Direkter Schluss von der Struktur auf den Zweck einzelner Werkzeuge oder die Funktion von Objekten gestört - Mangelnde Geschicklichkeit bei Erhalt der Imitationsfähigkeit - Gestörte Auswahl von zielführenden motorischen Aktionen (in Abhängigkeit von der Struktur und von spezifischen Eigenschaften von Objekten) - Fehlendes (implizites) Verständnis von mechanischen Zusammenhängen & Regeln - Semantisches Wissen über den Gebrauch vertrauter Werkzeuge und Objekte nicht abrufbar - Fehlender Zugang zu Wissen über den Ablauf von Einzelhandlungen (Scriptwissen) - Gestörte (Zentrale) Kontrolle bei mehrschrittigen Handlungen Imitation von (bedeutungslosen) Gesten - Fehlende Aufmerksamkeit und Kenntnis des menschlichen Körpers Produktion von sprachersetzenden Gesten - Vorliegen einer ideatorischen Apraxie (fehlender Bewegungsplan) vs. ideomotorischen Apraxie (gestörte Umsetzung eines Plans in motorische Aktionen) Werkzeug- und Objektgebrauch - Einfache objektbezogene Handlungen (z.B. Kämmen mit einem Kamm, Aufschließen eines Vorhängeschlosses oder Einschlagen eines Nagels) können nicht korrekt ausgeführt werden - Wichtige Bestandteile von Aktionen werden ausgelassen oder entstellt ausgeführt (z.B. falsches Halten des Kammes oder Drücken des Hammers auf einen Nagel) - Störungen des Gebrauchs von Objekten und Werkzeugen treten fast immer gemeinsam mit einer Aphasie auf Fehler bei mehrschrittigen Handlungen: 21 - Auslassen von Handlungsschritten - Perseverationen - Verwechslung von Werkzeugen oder Objekten - Verlust des übergeordneten Handlungsziels ➔ Achtung: Gestörte mehrschrittige Aktionen im Gebrauch von Werkzeugen und Objekten können auch eine Folge eines dysexekutiven Syndroms sein! Imitation von bedeutungslosen Gesten - Bedeutungslose Gesten und Fingerstellungen können nicht nachgestellt werden - Unterscheidung zu bedeutungsvollen Gesten: Diese können verstanden und aus dem Gedächtnis abgerufen werden - Aufgabe: Imitieren der Gesten oder Imitieren der Fingerstellungen Bedeutungsvolle Gesten - Bedeutungslose Gesten und Fingerstellungen können nicht nachgestellt werden - 2 Arten von bedeutungsvollen Gesten I. Kommunikative Gesten II. Pantomimische Darstellungen des Objektgebrauchs - Dabei kann es zu folgenden apraktischen Symptomen kommen: o Perseverationen von inkorrekten Bewegungen o Deuten auf Orte, an/mit denen das Objekt angewendet werden kann Mund- und Gesichtsapraxie - Betrifft vor allem Bewegungen des Mundes und der Artikulationsorgane, aber auch Bewegungen der oberen Gesichtshälfte - Symptome o Unvollständige oder umständliche wirkende Bewegungen des Mundes und des Gesichts 22 o Mund-Zungen-Bewegungen (z.B. Drücken der Zunge gegen die Wangeninnenseite oder Schnalzen) werden durch einfaches Öffnen und Schließen des Mundes ersetzt o Bewegungen der oberen Gesichtshälfte (z.B. Naserümpfen) können nicht ausgeführt werden Neuroanatomische Grundlagen - Apraxien sind in den meisten Fällen ein Symptom von Läsionen der linken Gehirnhälfte, v.a. für Bereiche des unteren Parietallappens wurden Hinweise auf die Bedeutung der Region für die Entstehung von Apraxien gefunden - Für einige Formen der Apraxie konnten genauere Läsionsorte identifiziert werden: o Imitieren von Handstellungen: Läsionen parietal links o Imitieren von Fingerstellungen: Läsionen prämotorisches Areal links o Handlungssequenzen: links- und rechtsseitige diffuse Läsionen (frontal intoniert) o Mund- und Gesichtsapraxie: links- und rechtsseitige Hirnläsionen möglich; „Broca- Region“ (i.d.R. links) Alltagsrelevanz - Alltagsrelevanz ist häufig gering, da Apraxien gut kompensiert werden können, Pat. zeigen selten motorische Auffälligkeiten bei automatisierten Handlungen oder bei spontaner nichtsprachlicher Kommunikation - Aber: Apraxien gehen häufig mit rechtsseitigen Hemiparesen und Aphasien einher, diese zusätzlichen Störungen durchbrechen automatisierte Routinen und Scriptwissen und erfordern damit „bewusstere“ motorische Koordinationen, Strukturwissen und Problemlösungen o Zudem erschweren Apraxien die motorische Rehabilitation (bei Paresen oder halbseitigen Vernachlässigungen) Therapie - Eine Therapie ist nur erforderlich, wenn es tatsächlich zu Einschränkungen im Alltag kommt! - Eine zusätzliche Aphasie erschwert den Therapieverlauf - Eine Imitationsstörung kann zu Erschwernissen in der Physio- oder Ergotherapie führen, wenn neue Bewegungen gelernt werden sollen - Kontextspezifisches Lernen (Encoding Specificity): Häufig können in der Therapie erlernte Bewegungen nicht auf den Alltag übertragen werden ➔ Alltagsnahes Training! - Führen der Gliedmaße zur Handlungsinitiierung - Gemeinsames Durchführen der Handlung von Patient*in und Therapeut*in - Vormachen der Handlung durch den*die Therapeut*in, Nachmachen durch den*die Patient*in - Schrittweises Verketten der Handlung (Chaining): o Die Handlung wird in Teilschritte zerlegt o Einzelne Sequenzen werden geübt o Schließlich werden die Teilschritte zu komplexen Handlungsabläufen zusammengefügt - Einüben von Skripten/Skriptwissen o Detailliertes Erlernen von Wissen über Werkzeuge/Objekte und ihre Beschaffenheit o Übung des Werkzeug- und Objektgebrauchs 23 o Fehlende Dekontextualisierung des Wissens beachten (Erlerntes bleibt an die spezifischen Umstände und Gegenstände gebunden, unter denen Wissen erworben wurde)! - Gestentraining o Erarbeiten eines Repertoires an sprachersetzenden Gesten und gemeinsames Üben mit Angehörigen - Strategietraining o Verbalisierung der Handlungsschritte o Aufschreiben von Handlungsabfolgen o Aufzeigen von Bilderreihen von Handlungen in der richtigen Reihenfolge - Explorationstraining o Schließen von der Form eines Werkzeugs oder Objekts auf dessen Funktion o Erlernte Fähigkeiten bleiben nur erhalten, wenn Patient*innen sie im Alltag und in verschiedenen Kontexten regelmäßig üben Aphasie - Störung der Sprach- und Sprechfähigkeit, die fast nie mit einem komplexen Ausfall aller sprachlichen Fähigkeiten einhergeht - sind nicht direkt sprachlich, aber doch eng mit der Sprach verbunden Begleitstörungen - Apraxie (bes. Mund- und Gesichtsapraxie) - Rechenstörung/Akalulie - Räumlich-konstruktive Störungen - Gedächtnisstörungen Ursachen - Schlaganfall - Tumore - Schädel-Hirn-Verletzungen - Hirnatrophie/Hypoxie - Demenz (Primär progrediente Apahsie) - Entzündliche Erkrankungen des ZNS Aphasie Arten Broca-Aphasie - Agrammatismus (Fehlen von Funktionswörtern, Überwiegen von Inhaltswörtern), Sprechapraxie, Dysarthrie Wernicke-Aphasie - Paragrammatismus (viele Funktionswörter, leeres Gerede), Neologismen, semantische Paraphasien, phonematische Paraphasien, beeinträchtigtes Sprachverständnis Leitungs-Aphasie: - Gestörtes Nachsprechen, phonematische Paraphasien, gutes Sprachverständnis, fehlender Paragrammatismus 24 Global-Aphasie: - Unfähigkeit, differenzierte sprachliche Äußerungen zu produzieren (phonematische entstellte Wörter, Sprachautomatismen, Sprechapraxie, beeinträchtigtes Sprachverständnis) Neurolinguistische Perspektive Schema des Informationsflusses beim Sprechen, Hören, Schreiben und Lesen von Wörtern: Lautsprache und Schriftsprache sind über zwei Routen verbunden: - die Phonem-Graphem- Konversion - das orthographische Lexikon 25 Das orthographische Lexikon hat auch direkten Anschluss an das semantische Lexikon. Beim Lesen kann über diese direkte Verbindung der Wortsinn aktiviert werden, ohne dass die genaue Wortform erkannt wird (siehe den Abschnitt über „Tiefendyslexie“). Die motorische Planung der Artikulation ist auch für stilles Sprechen notwendig. Stilles Sprechen ist ein Mechanismus des sprachlichen Arbeitsgedächtnisses. Die Schleife über die motorische Planung der Artikulation entspricht daher der Aktivität des sprachlichen Arbeitsgedächtnisses beim Lesen und Schreiben. Bei ungeübten Lesern ist diese Aktivität äußerlich sichtbar, wenn sie sich die Wörter mit Mundbewegungen vorbuchstabieren. Im unteren Teil der Abbildung ist der Umweg der Phonem- Graphem-Konversion über die motorische Planung der Artikulation vereinfacht dargestellt. Genau genommen wird durch die innere Artikulation die phonetische Gestalt und nicht die phonematische Struktur der Wörter produziert. Beispiel 17 zeigt, dass das einen Unterschied machen kann, wenn die Kontrolle durch das orthographische Lexikon ausfällt. Funktionale Klassifikation - Einschränkungen im Sprachverständnis - Auffälligkeiten in der Sprechgeschwindigkeit / Sprechdurchfall - Sprachanstrengung - Aprosodie (Mangel an Sprechmelodie) & Dysprosodie (Abweichungen in der Sprechmelodie) - Probleme in der Artikulation (Sprechapraxie, Dysarthrie) - Wortfindungsstörungen/Vertauschen von Wörtern/fehlender Zugriff auf das semantische Wortgedächtnis (semantische Paraphasie) - Neologismen (Wortneubildungen) - Umschreibungen/Füllwörter - Phonematische Paraphasie (Silben, Lauten) - Konsonant-Vokal-Automatismen & Perseverationen (Verdoppelungen, wiederkehrende Floskeln) - Agrammatismus (Zerfall des Satzbaus, Telegrammstil, Satzabbrüche) - Satzverschränkungen/Überreiche Produktion von Funktionswörtern/Leerlauf der Sprache (Paragrammatismus) Alltagsrelevanz - Beeinträchtige Kommunikation im Berufsleben, in der Öffentlichkeit, im Freundeskreis und in der Familie - Verlust von sozialer Anerkennung & soziale Ausgrenzung - Verzicht auf Kommunikation - Sozialer Rückzug und in letzter Konsequenz auch Vereinsamung! Diagnostik Methoden: - Einschätzen der Spontanansprache - Nachsprechen (Silben – einfache Wörter – Zusammengesetzte Wörter – Sätze) - Benennen (einfache Gegenstände – spezielle Gegenstände – Szenen) - Verständnis prüfen (einfache Kommandos – Zweischrittk. – komplexe Syntax) - Lesen/Schreiben (einzelne W.- zusammengesetzte W.) Instrumente - Aachener Aphasie Test (AAT) 26 - Aachener Aphasie Bedside Test (AABT) - Basal Minnesota Test zur Differentialdiagnose der Aphasie (BMTDA) - Amsterdam Nijmegen Everyday Language Test (ANELT) - Communicative effectiveness Index (CetI) Therapie - Allgemeiner Zeitrahmen für eine Sprachtherapie o Mindestens 60 angeleitete Übungsstunden o Mindestens 5 (besser 10) angeleitete Sitzungen pro Woche o Danach: Eigenverantwortliche Fortführung mit geringerer aber regelmäßiger Trainingsfrequenz (z.B. 2 x wöchentlich) und Übertragung der neuerworbenen sprachlichen Fähigkeiten in Routinen des Alltags (Überwindung der Encoding Specificity) - Hilfreich: Angehörigentraining in Angehörigengrupppen - Ziel: Automatisierung und Flexibilisierung von neuen sprachlichen Fähigkeiten in verschiedenen kommunikativen Situationen des Alltags Therapie Artikulation - möglichst viele sprachliche Anreize bieten, um die Sprachproduktion anzuregen: o Fragen stellen o Ermunterung zu sprachlichen Äußerungen o Unvollständige Wörter und Sätze ergänzen lassen o Wörter und Sätze nachsprechen lassen o Alltagsbezüge herstellen o Sprachäußerungen belohnen - Wichtig: Auf die Korrektur von Fehlern verzichten! - Ziel ist es, ein flexibles Umschalten zwischen sprachlicher und nicht-sprachlicher Kommunikation zu üben: o PACE-Therapie (promoting aphasics communicative efficacy) o Training nahe am Alltag des Patienten, z.B. Einkauf o Durchführung idealerweise als Gruppentherapie Therapie: Phonematisches Lexikon - Die korrekte Artikulation von einzelnen Phonemen trainieren o Modellhaftes Vorsprechen o Vorgabe des Sprechrhythmus o Visuelle Darstellung der richtigen Mund und Zungenstellung o Fehler korrigieren! - Phonematische Struktur von Wörtern und Sätzen trainieren (Melodic-Intonation-Therapy): Silven von Wörtern im rhythmischen Wechsel zwischen einem hohen und einem tiefen Ton sprechen und/oder singen lassen. Der rhythmische Gang der „Melodie“ erleichtert die motorische Planung der Artikulation (günstig auch bei Sprechapraxie) und trainiert die Abfolge von artikulatorischen Bewegungen Übung der phonematischen Unterscheidungsfähigkeit o Darbietung von Bildpaaren, die sich nur in einem Phonem unterscheiden (s.g. phonematische Minimalpaare, z.B. Tanne – Wanne – Kanne) o Fehler werden korrigiert! Übergang zu einem höheren Schwierigkeitsgrad erfolgt erst, wenn ein niedrigerer Schwierigkeitsgrad fehlerfrei bewältigt wurde 27 Psychopharmakologie Anxiolytika (Tranquilizer), Sedativa und Schlafmedikamente (Insomnie) - Was ist Angst? Unterscheidung zwischen Normaler und Pathologischer Angst! o Normaler Angst: Adaptiv auf eine konkrete Bedrohung wie bspw. Säbelzahntiger oder andere lebensbedrohliche Gefahren -> Folge daraus: Physiologische (Angst- )Reaktionen wie Steigerung der Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck, Schweißproduktion der Hände, hier sind die Angstreaktionen normal und auch erwünscht o Pathologische Angst: Angst ohne besonderen oder bestimmbaren Auslöser wie bspw. Bei der GAS oder bei sozialer Angst angesprochen zu werden, wenn die Angst nicht mehr beherrschbar ist dann wird sie auch die Lebensqualität beeinträchtigen, Ursachen der Angstentstehung können dabei vielfältig sein u.a. Angstentstehung durch Modelllernen der Eltern - Interessant: (pathologische Angst) lässt sich auch riechen (sog. Angstschweiß), denn Schweiß bei pathologischer Angst riecht anders als Schweiß nach körperlicher Anstrengung Kurz & knapp: Wenn Ängste so stark werden das sie unbeherrschbar sind und nicht das Leben beeinträchtigen dann sind sie pathologische Ängste! - Warum ist die Behandlung von Ängsten so wichtig? - Angststörungen mit einer der häufigsten psychischen Störungen in der 12-Monats-Prävalenz und dazu entstehen Angststörungen auch schon sehr früh mitunter im Kindesalter - Angststörungen lassen sich in zentralen Relaisstationen im Gehirn verorten die bei Angstreaktionen angesprochen werden - Dazu lassen sich verschiedene Relaisstationen für die unterschiedlichen Störungen unterscheiden: o Amygdala: Relaisstation für Spezifische Phobien und Agoraphobie 28 o Bed nucleus striae terminalis (BNST): Relaisstation für GAS, Panikstörung und soziale Phobie - Angststörungen sind häufig chronisch, Studien zeigen das nach 9 Jahren nur knapp 30% wirklich zuverlässig austherapiert sind -> dauerhaft behandelt und die Ängste sind weg oder beherrschbar - Allgemeine Behandlungsempfehlungen für Angststörungen o Therapie von Angsterkrankungen setzt sich, neben allgemeinen Maßnahmen wie Sport, Stressreduktion, Psychoedukation und achtsamkeitsbasierten Interventionen, aus psychotherapeutischen und pharmakologischen Elementen zusammen ▪ Verhaltenstherapie ▪ Kognitive Verhaltenstherapie ▪ Soziales Kompetenztraining ▪ Expositionstherapie - Einteilung von Anxiolytika Antidepressiva Selektive-Serotonin- - Escitalopram Wiederaufnahme- - Sertralin Hemmer (SSRI) - Paroxitin Serotonin-Noradrenalin- - Venlafaxin Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Trizyklische - Clomipramin (werden nur benutzt, wenn Pat. Nicht oder Antidepressiva (TZA) nur unzureichend auf SSRI reagiert) Noradrenerges und - Mirtazapin spezifisch serotonerges Antidepressivum (NaSSA) MAO-Hemmer - Moclobemid (nur sehr begrenzter Einsatz bei sozialen Phobien) - Escitalopram und Sertralin aus der Gruppe der Antidepressiva funktionieren gut auch bei der Behandlung von Angststörungen - SSRIs kommen v.a. zum Einsatz bei der Behandlung von sozialen Phobien Antikonvulsiva GABA-Analoga - Gabapentin - Pregabalin Phenyltiazine - Lamotrigin 29 Benzodiazepine Benzodiazepine - Aprazolam - Diazepam - Lorazepam Merke: SSRIs werden zum Teil auch eingesetzt wegen der sedierenden Nebenwirkung der Präparate - Aber es ist hier durchaus noch weitere Forschung nötig, um die Wirkungsweise von Anxiolytika noch besser zu verstehen - Wirkmechanismen anxiolytischer Psychopharmaka - Benzodiazepine spielen große Rolle in der pharmakologischen Behandlung, denn sie setzen direkt am GABA-Rezeptor an - GABA-Rezeptor hat bei Behandlung einen verstärkten Polaritätsmechanismus und verstärkten Natriumeinstrom o Affinitätssteigerung des Rezeptors für GABA physiologische Verstärkung der GABA Hemmung - Benzodiazepine wirken schnell und gut, aber: Bei Einnahme länger als 3 Wochen kann es zu einer Abhängigkeit kommen -> Bspw. Tavor welches häufig eingesetzt wird zur Sedierung, bei Auftritt eines Deliriums und auch bei einer Vielzahl von psychologischen Störungen 30 - Weitere erwünschte Wirkungen: o Anxiolyse (Linderung von Angstzuständen oder Angstsymptomen) o Sedierung bis Hypnose o Antikonvulsion (Behandlung oder Verhinderung von epileptischen Anfällen - Weitere unerwünschte Wirkungen von Benzodiazepinen: o Rebound-Phänomene o Beeinflussung der Schlafarchitektur (Stören den REM Schlaf) o Muskelhypotonie und Ataxie (erhöhte Sturzgefahr) o Tagesmüdigkeit und Schläfrigkeit mit Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit und des Reaktionsvermögens o Kumulation u. Hang-over Effekte o Anterograde Amnesie (Merkfähigkeit neuer Bewusstseinsinhalte/Gedächtnisinhalte ist massiv beeinträchtigt) Wichtig: Benzodiazepine können bei längerer Einnahme (länger als 3 Wochen) abhängig machen und dürfen auch nur vorsichtig und langsam abgesetzt + 5 Eliminationshalbwertzeiten müssen abgewartet werden, bevor nach der letzten Einnahme ein Auto gefahren werden darf oder gefährliche Arbeiten durchgeführt werden dürfen -> weil, Benzos können Einfluss nehmen auf die Aufmerksamkeit und das Reaktionsvermögen - Auch Cannabispräparate zeigen vielversprechende Werte in der Behandlung von Angststörungen, aber: noch viel zu wenig Daten und Forschung in diesem Bereich o Dennoch: Besonders durch das komplexe Wirkspektrum könnten sich Cannabispräparate bei komplexen Angststörungen als hilfreich erweisen Sedativa - Zu den Arzneimitteln mit sedierender Wirkung zählen unter anderem o Benzodiazepine z.B. Midazolam, Diazepam, Lorazepam. o Antidepressiva z.B. Mirtazapin, Amitriptylin, Trazodon. ▪ Eine der Nebenwirkungen von Antidepressiva = Sedierung o Narkotika z.B. Propofol, Etomidat, Ketamin. o Barbiturate z.B. Phenobarbital. o Antipsychotika wie Promethazin, Chlorprothixen. - Barbiturate als Sedativa, stammen aus Salzen der Barbitursäure o mit einer nennenswerten Wirkung an GABAA-Rezeptoren und damit Angehörige der Gruppe der GABAergika => in der Regel haben sie eine dämpfende Wirkung auf das Zentralnervensystem o Aber wegen der Gefährlichkeit der Überdosierung werden Barbiturate heutzutage fast kaum noch benutzt -> Ausnahme: Pentobarbital als Behandlung von Epilepsie bei Kindern o Besonders gravierendste Nebenwirkung: Tödliche Atemlähmung bzw. Atemdepression, einfach gesagt: Körper hört auf zu atmen ▪ Exkurs: Atemdepression bzw. Atemlähmung auch Grund warum Barbiturate für Hinrichtungen genutzt werden 31 Schlaf - gewöhnlich periodisch auftretender, der Erholung dienender Zustand der Ruhe und des Sich- Abschließens der Umwelt unter Herabsetzung oder Aufhebung des Tagesbewusstseins und der willkürlichen Bewegung (Motorik) - kann aufgeteilt werden oder unterschieden werden in: a. orthodoxer Schlaf (Non-REM-Schlaf, traumloser Schlaf) b. paradoxer oder REM Schlaf (engl. Rapid-eye-movement, Träume können auftreten) - Schlaf gliedert sich dann nochmal in verschiedene Schlafphasen oder auch Schlafzyklen genannt o Einschlafphase auch N1 genannt: orthodoxer Schlaf geringer Schlaftiefe, Hirnaktivität reduziert sich allmählich und Muskelaktivität nimmt ab, leitet nach spätestens 50 Minuten über in nächste Phase o Leichter Schlaf (N2): Charakteristisch sind hier sog. Schlafspindeln und K-Komplexe im EEG, macht erheblichen Teil des Gesamtschlafs aus, weiteres „Herunterfahren“ des Organismus o Tiefschlaf (N3): wird auch als Slow-Wave-Sleep (SWS) bezeichnet, gekennzeichnet durch langsame aber hochamplitudige Delta Wellen im EEG, Körper erreicht hier tiefsten Entspannungszustand o Nach N3 dann wieder wechsel in den Leichtschlaf und REM Schlaf -> Zyklus! - Schlafstörungen auch Insomnie genannt bezeichnet Störung des Schlafzyklus an mglw. Verschiedenen Stellen, es wird daher unterschieden zwischen o Einschlafstörungen: Einschlafphase N1 dauert deutlich länger als bei gesunden Menschen, im Extremfall bis zu mehreren Stunden aber mind. > 30 Minuten 32 o Durchschlafstörung: Schlafzyklus wird ungewollt unterbrochen, Erwachen > 30 min vor gewünschtem Zeitpunkt, meist bei Betroffenen aber „mitten in der Nacht“ ➔ Schlafstörungen/Insomnien führen in jedem Fall zu einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit im Alltag! - Weitere Unterscheidung zwischen Akut/Stress-assoziiert (< 3 Monate, aber trotzdem subjektiv belastend) oder chronisch (≥ 3 x pro Woche während ≥ 3 Monaten und auch subjektiv als belastend empfunden) - Schlafstörungen begleitet fast alle psychiatrischen und neupsychiatrischen Erkrankungen und sind deshalb wichtig für die Behandlung - Schlaf ist ähnlich wie Stress ein großer Triggerfaktor für psychisches Wohlbefinden -> Veränderungen in diesen Bereichen haben üblicherweise auch großen Einfluss auf das allgemeine Wohlbefinden - Schlafregulation: - Wachheit o Neuropeptid Orexin (gelb) wird im lateralen Hypothalamus produziert und interagiert mit Neuronen im Kortex und Thalamus - Monoaminerge Zellgruppen (hellgrün), die über Produktion von Transmittern diffus innervieren: o Zerebralen Kortex o Basales Vorderhirn o Lateralen Hypothalamus 33 o Thalamus - Synaptische Homöosthase-Hypothese: o postuliert, dass eine wichtige Funktion von Schlaf darin besteht, im Wachzustand gestärkte Verbindungen zwischen den Synapsen im Gehirn wieder auf ein Ausgangsniveau zu bringen (Down-scaling) ▪ Hypothese ist auch ganz gut nachzuweisen! - Ursachen einer Insomnie o Zirkadiane Rhythmusstörung ▪ Jet lag ▪ Schichtarbeit ▪ Schlafstörungen bei Blinden o Zentralnervös wirksame Substanzen die zu Insomnie führen können ▪ Hypnotika (Benzodiazepine, Barbiturate) - Rebound-Insomnie / Hangover ▪ Antihypertensiva (z.B. Beta-Blocker) ▪ Asthma-Medikamente (Theophyllin, β-Sympathikomimetika) ▪ Hormonpräparate (z.B. Thyroxin, Steroide, etc.) 34 ▪ Antibiotika (z.B. Gyrasehemmer) ▪ Diuretika ▪ Antriebssteigernde Antidepressiva (z.B. MAO-Hemmer, Serotonin-Reuptake- Hemmer) ▪ Alkohol und andere Rauschmittel ▪ Stimulierende Substanzen (Koffein und synthetische Substanzen, z.B. Amphetamine, Ecstasy etc.) o Organische Erkrankungen, die die Schlafqualität negativ beeinträchtigen können ▪ Herz und Lungenerkrankungen ▪ chronische Nierenerkrankungen/Magen-Darmerkrankungen ▪ Hormonelle Erkrankungen (z. B. Schilddrüse) ▪ Chronischer Schmerz z.B. bei rheumatischen Erkrankungen ▪ Bösartige Erkrankungen und chronische Infektionen ▪ Epilepsien ▪ Extrapyramidalmotorische Erkrankungen (z. B. M. Parkinson) ▪ Polyneuropathien ▪ Ruhelose Beine („restless legs“) -> äußert sich durch persistierendes Kribbeln in den Beinen, Betroffenen halten nur kurze Momente des Stillstands aus ▪ Schlaf-Apnoe Syndrom Insomnietherapie o Phytopharmaka oder auch pflanzliche Mittel ▪ Baldrianwurzeln ▪ Bryophyllum ▪ Orangenblüten ▪ Melissenblätter ▪ Passionsblumenkraut ▪ Hopfenzapfen ▪ Kalifornisches Mohnkraut ▪ Kavarhizom (Rauschpfeffer) => Bindung an GABA A Rezeptor o Antihistaminika der 1. Generation -> setzen am H1 Rezeptor an, (gewünschter) Nebeneffekt: Müdigkeit ▪ Diphenhydramin ▪ Doxylamin (Valocordin Doxylamin®) o Benzodiazepine -> Aber: Siehe Probleme der Benzodiazepine ▪ Lorazepam (z.B. Tavor®) ▪ Oxazepam (z.B. Oxazepam ratio®) o Z-Drugs -> Wichtig: Wirken gut und schnell, aber Abhängigkeitspotenzial! Sie setzen am GABA A Rezeptor, ähnlich wie Benzos aber an einer anderen Stelle ▪ Zopiclon ▪ Zolpidem o Antidepressiva -> auch hier Nebenwirkung der Müdigkeit wird hier gewünscht ▪ Mirtazapin (Remeron®, Remergil®, Mirtazapin®), Off-Label) -> bis 30mg zum schlafen möglich, AD Wirkung fängt idR. Erst über 30mg an ▪ Trazodon (Trazodonl®, Trazimera®, Off-Label) ▪ Trimipramin (Stangyl®, Generika, Off-Label) ▪ Doxepin (Aponal®, Doxepin®, Off-Label) o Antipsychotika 35 ▪ Quetiapin (Seroquel®, Off-Label) -> Antipsychotische Wirkung fängt erst bei 400mg an, hier wird also auch die Nebenwirkung (Müdigkeit) gewünscht und gezielt herbeigeführt ▪ Promethazin (Promethazin-neurax®) - Alternative Behandlung von Schlafstörungen-> Orexin-Rezeptor-Antagonisten: Ziel Blockade des Orexin Rezeptors, funktioniert auch recht gut ohne besondere Nebenwirkungen aber braucht noch weitere Langzeitstudien, Grundannahme ist dabei das der Orexin Rezeptor überaktiv ist und deswegen „gebremst“ werden muss - Weitere alternative Behandlung von Schlafstörungen => Melatonin: Hormon welches von Zirbeldrüse produziert wird, Autisten haben niedrigen Melatoninspiegel hier ist also Gabe von Melatonin nötig - Melatoninproduktion findet im Alter im weniger statt, ältere Menschen schlafen deshalb immer weniger und das ist auch einer der Gründe warum sich Schlafstörungen im Alter häufen Nebenwirkungen von Schlafmitteln - Interaktionen o Zentral dämpfende Arzneimittel wie beispielsweise Beruhigungsmittel, Anxiolytika, Opioide, Neuroleptika oder Antidepressiva sowie Alkohol können die unerwünschten Wirkungen verstärken. o Die Kombination mehrerer dämpfender Wirkstoffe kann unter Umständen lebensgefährlich sein. o Einige Schlafmittel interagieren mit CYP450-Isoenzymen - Unerwünschte Wirkungen o Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen der Schlafmittel gehören: o Zentrale Störungen wie Müdigkeit, kognitive Störungen und Schläfrigkeit am nächsten Tag („Hangover“), Kopfschmerzen, Schwindel, Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit o Psychiatrische Störungen und paradoxe Reaktionen o Mundtrockenheit, gastrointestinale Störungen o Anterograde Amnesie o Viele Schlafmittel können zu einer psychischen und körperlichen Abhängigkeit führen und bei einem raschen Absetzen Entzugserscheinungen auslösen Zusammenfassung Schlafmittel - Bevor intensive pharmakologische Therapie gestartet wird sollten Umweltfaktoren und äußere angeschaut werden, also: 36 o Schlafhygiene o Verhaltenstherapie - Wichtige Medikamente bei Einschlafstörung: Antipsychotika - schizophren (Griechisch) = „Spaltung der Seele“, eines der spannendsten psychologischen Krankheiten weil sehr vielfältig und Behandlung teils sehr vielschichtig - Damit ist nicht die Spaltung des Menschen in zwei Persönlichkeiten gemeint, sondern es beschreibt die Tatsache, dass schizophren Erkrankte zwei Wirklichkeiten kennen: 1. „allgemeine“ Wirklichkeit“ : stimmt mit dem normalen Verständnis und Empfinden weitgehend mit der Durchschnittsbevölkerung überein 2. „private“ Wirklichkeit: Menschen nehmen Sinneseindrücke wahr, die Gesunde nicht nachvollziehen können -> Erste Hürde im Umgang damit durch das Umfeld bspw. Eltern, Konfliktpotenzial zwischen Umgebung und den Betroffenen in diesem Punkt o Interessant: Blinde von Geburt aus haben bisher noch keine Psychose entwickelt, zumindest bisher noch nicht beschrieben - Ca. 50 % der Betroffenen mit einer psychotischen Störung sind nicht erwerbsfähig und sind daher eine „Belastung“ für die Gesellschaft - Akustische Halluzinationen „Stimmen hören“ mit imperativem Charakter stellen hohes Risiko für Suizid dar! - Prävalenzen Psychotische Störungen: 37 ➔ Psychosen spielen bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen dahingehend eine große Rolle, da: Großteil erträgt das was er erlebt nicht - Kennzeichen einer Schizophrenie o Komplexe den ganzen Menschen umfassende Störung des Erlebens und Fühlens ▪ Des Denkens ▪ des Wollens ▪ des Verhaltens ▪ der Kommunikation ▪ Erwartung der Umwelt können nicht erfüllt werden ▪ Abnahme der Leistungsfähigkeit ▪ Beeinträchtigungen im Alltag - Prognose der Heilung: o 1/3 = gute Remission mit psychopathologisch und sozial nur wenigen/geringen Restsymptomen => einigermaßen Symptomfrei o 1/3 mäßiggradige Residualbildung o 1/3 schwere Endzustände, Patienten sind weitgehend auf Versorgung angewiesen - Betroffene einer psychotischen Störungen haben ein 10fach so hohes Risiko an einer Demenz zu erkranken als die Referenzpopulation „Normalbürger“ -> Große Herausforderung in der Therapie der Patienten insbesondere beim Älter werden - Patienten aus dem Autismus Spektrum haben eine bis zu 8fach höhere Wahrscheinlichkeit an einer psychotischen Störung zu erkranken Dopamin und Psychose 38 - 4 Bahnen die für die Dopaminhypothese eine Rolle spielen ↑ - heutzutage noch immer keine gute Erklärung warum Psychosen genau auftreten - Dopamin spielt zwar eine Rolle und bisherige Antipsychotika greifen auch in den Dopaminkreislauf aber dennoch nicht allein aufklärend -> bspw. Haloperidol Was spielt alles eine Rolle beim Auftreten eines psychotischen Schubs? - Genetik, Jahreszeiten aber auch fehlende oder unzureichende Ernährung in der frühkindlichen Entwicklung - In der Pubertät bis hin zum jungen Erwachsenensein spielen dann auch noch Faktoren rein wie: o Migration o Wohnort/Stadtteil o Soziale Isolation o Drogen(missbrauch) o Stress ➔ die erste Episode tritt dann üblicherweise um das 25. Lebensjahr herum auf, kann aber schon bereits ab dem 15 Lebensjahr auftreten (Spannbreite) 39 - Schizophrenie = gestörtes neuronales Netzwerk, Beginn schon sehr früh also teilweise im Kindesalter o vollkommen aufgehobene und gestörte Netzwerkstruktur 40 - Positiv Symptome können entstehen aufgrund eines „Überangebots“ an Dopamin bspw. im Limbischen System - Negativsymptome können entstehen bei einem Unterangebot von Dopamin (Zu wenig Dopamin!) - Basalganglien u. Substantia Nigra sind für Motorik zuständig, mit Antipsychotikum wird andocken am Rezeptor blockiert - Dilemma der Antipsychtischen Therapie: Überangebot an Dopamin kann nicht selektiv blockiert/therapiert werden, Negativsymptome bzw. Unterangebot an Dopamin im Präfontalen Cortex wird auch erstmal schlechter - Chemisch heterogene Gruppe von Pharmaka mit antipsychotischem Wirksamkeitsschwerpunkt und unterschiedlichem NW-Profil Einteilung nach o Chemischer Struktur 41 oDosisabhängig auftretenden antipsychotischen Wirkungen („neuroleptische Potenz“) und Nebenwirkungen (EPS) o „Atypie“ - Wichtigste Differenzierung heute ist die Abgrenzung zwischen o Antipsychotika der ersten Generation (FGA) o Antipsychotika der zweiten Generation (SGA) o Antipsychotika der dritten Generation Neuroleptische Potenz (aber wird heutzutage nicht mehr so richtig benutzt) Neuroleptika wirken umso stärker antipsychotisch, je größer ihre extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen sind. → Begriff der neuroleptischen Potenz, ist ein Maß für die Nebenwirkungen. Die neuroleptische Potenz wird im Chlorpromazin-Index (CPZi) angegeben. Beispiel: CPZ-Äquivalent: 1 mg der Substanz entspricht x mg Chlorpromazin. Chlorpromazin als Standardwirkstoff hat einen CPZi = 1, Haloperidol CPZi = 50, dies heißt, dass 1 mg Haloperidol eine neuroleptische Potenz vergleichbar mit 50 mg Chlorpromazin hat. Einteilung: Niederpotente Neuroleptika CPZi ≤ 1,0 Mittelpotente Neuroleptika CPZi = 1,0-10,0 Hochpotente Neuroleptika CPZi > 10,0 Hochpotente Antipsychotika Mittelpotente Antipsychotika Niederpotente Antipsychotika in niedriger bis mittlerer Dosis gute antipsychotische Wirkung, geringe antipsychotische sehr gute antipsychotische mäßige Sedierung Wirkung, deutliche Sedierung Wirkung ohne Sedierung, – > z.B. Zuclopenthixol – > z.B. Levomepromazin hohes EPS-Risiko (Ciatyl®), Perazin (Perazin (Neurocil®), Melperon – > z.B. Haloperidol (Haldol®), Neurax®) (Melperon®) und auch Fluphenazin (Fluphenazin Pipamperon Neurax®) Neuere Nomenklatur: Antipsychotika der ersten Antipsychotika der zweiten Antipsychotika der dritten Generation (FGA) Generation (SGA) Generation - Benperidol - Amisulprid - Aripiprazol (relativ - Haloperidol - Clozapin Gewichtsneutral! - Bromperidol - Olanzapin Wenig Zunahme!) - Flupentixol - Paliperidon - Reagila - Fluphenazin - Quetiapin - Fluspirilen - Risperidon - Perphenazin - Sulpirid - Pimozid - Ziprasidon - Trifluoperazin - benutzt wird heute am häufigsten das Haloperidol in der Klasse der FGA - bei den SGAs werden Quetiapin und Risperidon am häufigsten benutzt 42 Wirkmodell der Antipsychotika Hauptindikationen für Antipsychotika - Schizophrene Störungen - Andere (organische) Psychosen o Alkoholhalluzinosen - Demenzassoziierte Verhaltensstörungen - Bipolar affektive Störungen o manische Episoden o Depression bei bipolar affektiver Störung o Phasenprophylaxe - Schizoaffektive Störungen - Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (bei Aggression) - Bestimmte neuropsychiatrische Erkrankungen o Tic-Störungen o L-DOPA-induzierte Psychosen - Depression mit psychotischen Symptomen (in Kombination mit Antidepressiva) - Augmentationstherapie bei unipolarer Depression und Augmentationstherapie bei therapierefraktären Angst- und Zwangsstörungen - Schmerzsyndrome und Schlafstörungen Wirkungseintritt Bei schizophrenen Erkrankungen sollte bei schwerer Symptomatik innerhalb von 2 Wochen eine Besserung eintreten, bei leichterer Symptomatik kann bis zu 6 Wochen abgewartet werden. Bei Manien gelten kürzere Zeitintervalle Wechsel des AP - bei unzureichender Wirkung - bei störenden NW - bei störenden Interaktionen - bei unzureichender Adhärenz oder auf Wunsch des Pat. bei eingeschränkter Lebensqualität 43 Behandlungsdauer Je nach Indikation und Verlauf der Erkrankung unterschiedlich Schizophrenie: - mindestens 1 Jahr nach der 1. Akutphase, ggf. 2 Jahre - nach 1. Rückfall mindestens 2-5 Jahre - nach mehreren Rückfällen 5 Jahre mit anschließend schrittweiser Dosisreduktion auf niedrige Erhaltungsdosis. Das Antipsychotikum sollte niemals abrupt abgesetzt werden, sonst erhöht sich das Rückfallrisiko! Sehr langsames Ausschleichen zu empfehlen, z.B. Dosisreduktion von 20-25% innerhalb von 3 Monaten Bisher erforschte und bestätigte Risikofaktoren für „Schizophrenie“ - Anfangs Annahme das Schizophrenie eine degenerative Erkrankung sei welche auch wieder vorüber gehe -> mittlerweile überholt, es handelt sich stattdessen um eine Entwicklungsstörung welche zum Teil schon vor der Geburt beginnen kann o Faktoren vor der Geburt können sein: Schwangerschaftsstörungen, Drogenabusus der Mutter oder Gewalterfahrungen - Patienten mit Missbrauchserfahrungen z.T. schwer zu behandeln, auch die Abgrenzung zur PTBS kann durchaus schwierig sein o U.a. Kinder welche emotionalen Missbrauch erfahren haben können so bspw. nur wenig Bezug zum Kind herstellen -> Emotionaler Missbrauch! - Cannabis in der Adoleszenz (Potenzierung bei Trauma), Kumulative „dosisabhängige“ Auswirkungen auf das Psychoserisiko um bis zu 17-fach erhöht o Aber: Cannabis kann auch in der Therapie bei besonders schwer therapierbaren Psychosen helfen 44 - Bereits in der Neuronalen Differenzierung (also Vorgeburtlich) können die Schädigungen einsetzen - Psychose beginnt um das 15 – 20 Lebensjahr üblicherweise, danach „housekeeping“ => Gehirn beginnt Gleichgewichtszustand anzustreben und zu erreichen - Deswegen ist in der Therapie einer Psychose auch die Betrachtung der sozialen Umstände wie bspw. des Umfelds enorm wichtig o Psychopharmakologie ermöglicht erstmal einen Zugang zum Patienten und mit der Psychotherapie (Verhaltenstherapie) kann dann der Patient unterstützt werden beim erreichen einen Gleichgewichtszustands Therapie Erfolg und Beginn der Therapie 45 - Generell lässt sich sagen: Je früher begonnen wird mit der Behandlung, desto besser ist der Therapieerfolg oder auch Outcome o Aber Studie von Liebermann = retrospektiv, daher sehr unterschiedliche Kohorte -> Pat. die erst nach 2 Jahren behandelt wurden sind dann auch ganz andere Kohorte o Weitere Schwierigkeit ist auch - Aber: Normotypische Pat. reagieren anders auf das Auftreten einer Psychose als bspw. Menschen mit Autismusspektrumsstörung oder ähnlichem -> daher wichtig immer das Klientel zu beachten über welches gesprochen wird, die Behandlung eines psychotischen Autisten muss anders erfolgen als die eines nicht Autisten - Interessant: Anhand der Sprachmelodie lassen sich in Zukunft (wahrscheinlich) mithilfe von KI-Depression bzw. Suizidalität erkennen, jetzt schon vielversprechende Ergebnisse aber noch Fragen offen... o Kann die KI so gut differenzieren? - Warum wurde bei Blinden (von Geburt an blind) keine Psychose berichtet= o Blinde können sich zwar eine Außenwelt erschaffen (u.a. über Tasten oder Berichten von anderen), aber eben nur durch Hilfeleistung anderer o Abgleich der inneren Welt von Blinden mit der äußeren Welt ist bei Blinden nicht möglich, Netzwerke für den Abgleich wie etwa das visuelle Netzwerk sind bei Blinden gestört o Kongenital Blinde können deshalb keine visuellen und auditiven Halluzinationen haben, besonders imperative Stimmen nicht möglich, weil: Abgleich mit de realen Welt nicht möglich ▪ Bspw. Stimme sagt „Spring von der Brücke“ aber der kongenital Blinde weiß gar nicht wie ein Brücke aussieht Nebenwirkungen von Antipsychotika Nebenwirkungen: EPS Extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen: Besonders unter 1. Generation AP, deutlich weniger unter 2. Generation AP Frühdyskinesien Wahrscheinlichkeit 2-25% Typischer Beginn 1.Woche Risikofaktoren: v.a. hochpotente 1.Generations AP, junge Männer, plötzliche Dosiserhöhung, parenterale Applikation, EPS in der Anamnese Symptome Hyperkinetisch, dyskinetisch oder dyston: krampfartiges Herausstrecken der Zunge, Blickkrämpfe, Ophistotonus, Trismus, Hyperkinesien der mimischen Muskulatur, Schiefhals, auch lebensbedrohliche Stimmlippenkrämpfe und Schlundkrämpfe Therapie: Biperiden p.os. oder i.v. EPS: über Basalganglien - Nucleus ruber - Substanzia nigra 46 Spätdyskinesien -> sehr schlecht für den Pat. da meist irreversibel Wahrscheinlichkeit 15-20% 3-5% /Jahr 1. Generations AP , 0,5% / Jahr AAP Typischer Beginn 3 Monate bis mehrere Jahre Risikofaktoren: v.a. 1. Generations AP, Dauer und Dosis der Antipsychotikatherapie, hohes Alter, weibliches Geschlecht, affektive Störung, zerebrale Vorschädigung, Diabetes Symptome Verzögert auftretende hyperkinetische Dauersyndrome, intensive, abnorme, unwillkürliche, oft stereotype Bewegungen in der Zungen-, Mund-und Gesichtsmuskulatur, auch der distalen Muskulatur, Verschlechterung durch affektive Anspannung, nicht im Schlaf Potentiell irreversibel, auch nach Absetzen des AP (30-50%), auch unter 2. Generatios AP gibt es Spätdyskinesien (unter Clozapin extrem selten) Therapie: Umstellung auf Clozapin, sehr schwierige Therapie S3 Leitlinie: Unbestrittenes Dosierungsprinzip - Antidepressiva und auch Antipsychotika bergen bei hoher Dosierung auch vielfach Risiken und Nebenwirkungen o Bspw. bei Frauen oder Pat. die bereits eine schwierige Beziehung zu ihrem Körperbild ist ein Medikament zu bevorzugen welches nicht unbedingt eine Gewichtszunahme begünstigt - Niedrigste mögliche Dosis, um die Symptome zu kontrollieren wird angestrebt - Geschlechterunterschiede beim Ansprechen auf Antipsychotika: 47 o Frauen haben häufig eine Vorgeschichte mit physischem, emotionalem und sexuellem Missbrauch o latrogener Prolaktin Anstieg vermeiden -> bei Frauen deswegen geeignetes Mittel = Quetiapin - Längerer Gebrauch von Antipsychotika ist darüber hinaus kritisch zu sehen, Studien zeigten Einnahme von Neuroleptika führte zu einer Hirnvolumenverminderung o Erregte Diskussionen und Ausgang immer noch nicht ganz klar, Evidenz für die Hirnvolumenminderung immer noch nicht ganz klar Antidepressiva Schweregradeinteilung depressiver Episoden nach ICD-10 Hauptsymptome - Depressive, gedrückte Stimmung - Interessenverlust und Freudlosigkeit - Verminderung des Antriebs mit erhöhter Ermüdbarkeit (oft selbst nach kleinen Anstrengungen) und Aktivitätseinschränkungen Zusatzsymptome - Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit - Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen - Schuldgefühle und Gefühl von Wertlosigkeit - Negative und pessimistische Zukunftsaussichten - Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung oder Suizidhandlung - Schlafstörungen - Verminderter Appetit 48 Depression ist eine Erkrankung des Gehirns Übersichtsbild: Monoaminmangelhypothese - Depression besteht ein relativer Mangel an Monoaminen (v.a. Noradrenalin und Serotonin) im synaptischen Spalt -> ist insbesondere auf eine verminderte Produktion der genannten Neurotransmitter zurückzuführen - Hypothese beruht hauptsächlich auf pharmakologischen Beobachtungen: o Substanzen, die die Wiederaufnahme oder den Abbau von Noradrenalin und Serotonin hemmen, wirken Antidepressiv z.B. SSRI, MAO Hemmer o Pharmaka, die zur Entleerung der Speicherversikel der Monoamine führen (z.B. Reserpin) oder deren Biosynthese beeinträchtigen (z.B. a-Methylthyrosin), können depressive Symptome auslösen ➔ Die meisten heute gebräuchlichen Antidepressiva folgen dem aus der Monoaminmangelhypothese abgeleiteten Wirkmechanismus - Verstärkung der serotonergen, noradrenergen und/oder dopaminergen Neurotransmission - Durch Hemmung der Wiederaufnahme am jeweiligen Transportermolekül (SSRI/SNRI) - Durch Hemmung des abbauenden Enzyms (MAOH) oder indirekt (z.B. Mirtazapin) Aber: - Serotonin Hypothese greift zu kurz, Metaanalyse von 17 Studien in welcher der klinische Nutzen von Antidepressiva in Frage gestellt wird - Unklar ist, ob Veränderungen in den monoaminergen Systemen und der Empfindlichkeit der entsprechenden Rezeptoren kausal an der Entstehung einer Depression beteiligt sind - Antidepressiva hemmen die Wiederaufnahme von Monoaminen unmittelbar, während die antidepressive Wirkung erst nach einer Latenzzeit eintritt - Amphetamine und Kokain erhöhen ebenfalls die Konzentration von Noradrenalin und Serotonin im synaptischen Spalt, wirken aber bei depressiven Pat. nicht antidepressiv 49 - Der Entzug der essenziellen Aminosäure Typtophan aus der Nahrung führt zwar zu einer Senkung des Serotoningehalts im Gehirn, löst jedoch keine Depression aus Vergleich der Netzwerkzentralität nach Medikamentgabe (Escitalopram) - Bereiche hoher Zentralität sind orange eingefärbt, bereits nach ca. 3 Stunden kommt es also (nach Gabe von 20mg Escitalopram) zu starken Veränderungen der funktionellen Netzwerkarchitektur im gesamten Gehirn Neuroendokrine Hypothese - Bei depressiven Patienten sind CRF-Spiegel im ZNS und Plasmacortisolspiegel hoch, und letztere lassen sich durch synthetische Kortikoide schlecht reduzieren - Die neuroendokrine Hypothese geht davon aus, dass eine CRF-Überfunktion kausal verantwortlich ist -> in diesem Sinne besitzen Antagonisten an CRF1 Rezeptoren antidepressive Eigenschaften Stresshormonsystem - In einer Stresssituation (egal ob subjektiv oder objektiv stressig) produziert der Hypothalamus CRH (Corticotropin Releasing Hormon) 50 - Hypophyse -> ACTH | Nebenniere -> Cortisol und Adrenalin | Cortisol -> Glucocorticoidrezeptoren - CRH ↓ Stresshormonsystem und Depression - bei depressiven Pat. sind die Glucocorticoidrezeptoren herunterreguliert -> das bedeutet: immer mehr Cortisol! - Im Tierexperiment mit Mäusen konnte gezeigt werden, das gängige Antidepressiva die Glucocorticoidrezeptoren mit der Zeit heraufregulieren - Noradrenalin und Serotonin beeinflussen die Freisetzung von Corticotropin Releasing Hormon (CRH) im Hypothalamus! - folgende Beobachtungen weisen darauf hin, dass Veränderungen dieses Systems das für die Stressantwort wichtig ist, die Entstehung einer Depression begünstigen können: o erhöhte Plasmaspiegel von Cortisol bei depressiven Pat., die sich nach Besserung einer depressiven Episode normalisieren o erhöhte CRH-Spiegel in Liquor o eine antidepressive Wirkung von CRH-Antagonisten im Tiermodell Zusammenwirken neurobiologischer Systeme - Dysregulation der HPA-Achse: Stress aktiviert CRH → ACTH → Cortisol, beeinflusst Immunsystem, autonomes Nervensystem, Stoffwechsel und erhöht kardiovaskuläres Risiko 51 Veränderungen des Neurons bei Stress Weitere Ansatzpunkte von Antidepressiva: - Hinweise, das Antidepressiva zur Ausschüttung des Wachstumsfaktors BDNF (Brain-derived neurotrophic factor) führen o Molekül fördert die Entstehung neuer Nervenzellen, die frische Zellen helfen evtl. gegen Depression - Chronischer Stress führt zu einer Verminderung von BDNF im Hippocampus -> BDNF- neuroplasticity hypothesis - BDNF-Spiegel sind vermindert bei Pat. mit einer Depression, möglicher Marker für Depressionen? Funktionelle Hirnveränderungen bei MDD 52 - Neuronale Dysfunktionen bei psychischen Störungen: Unterschiedliche Gehirnnetzwerke zeigen Hyper- oder Hypoaktivität in Bereichen wie dem Default Mode Network, der Salienzverarbeitung und der Emotionsregulation, was zu Symptomen wie Grübeln, Angstvermeidung, negativer Verzerrung oder kognitiver Dyskontrolle führt - Kommunikation im Nervensystem: o Aminosäuren (Glutamat, Gylcin, GABA) o biogene Amine (Acetylcholin, Dopamin, Noradreanlin, Adrenalin, Serotonin) o Neuropetide (endogene Opiate, Peptidhormone) Mögliche Auslöser Faktoren für eine Depression - Umweltfaktoren - Psychosoziale Faktoren: Traumata, Verlusterlebnisse, chronische Überlastung, Stress - Persönlichkeitsvariablen - Gen-Umwelt-Interaktion - Genetische Prädisposition - Organische Faktoren (Hirnerkrankung, körperliche Allgemeinerkrankung, Substanzen) - Neurobiochemische (Serotonin, Noradrenalin, Dopamin) und neuroendokrinologische Korrelate (Cortisol) Therapiemöglichkeiten Antidepressiva - heterogene Gruppe von Pharmaka mit stimmungsaufhellenden und/oder antriebsverbessernden Effekten - Antidepressiva sind wirksame Medikamente gegen Depressionen - Wirksam u.a. auch bei Zwangsstörungen, Angststörungen oder Schmerzsyndromen - 50 – 75% der Wirkung gehen auf Placebo- und unspezifische Effekte zurück - Antidepressiva haben keine schützende Wirkung vor Suiziden und Suizidversuchen - Antidepressiva machen nicht abhängig! - fast alle der ca. 30 in DE zugelassenen Antidepressiva bewirken eine Erhöhung der intrasynaptischen Serotonin- und/oder Noradrenalinkonzentration im synaptischen Spalt über verschiedene Mechanismen Neurotransmitter übertragen Signale zwischen Nervenzellen durch Freisetzung, Bindung an Rezeptoren und Wiederaufnahme. 53 Trizyklische und SSRI Dual wirksame Sonstige Tetrazyklische Amitryptylin Escitalopram Mirtazapin (NaSSA) Agomelatin Clomipramin Fluoxetin Venlafaxin (SNRI) Ketamin Doexpin Fluvoxamin Dulexetin Nortiptylin Paroxetin Mianserin (NaRI) Psilocybin Trimipramin Sertralin Bupropion (DNRI) Johanniskraut Trizyklische Antidepressiva Selektive Serotonin rückaufnahme Inhibitoren (SSRI) Tetrazyklische Antidepressiva - Therapieprinzipien Psychopharmakotherapie - Möglichst Monotherapie! - Behandlung möglichst frühzeitig ansetzen - Je nach Schweregrad: o Leichte und mittelsch

Use Quizgecko on...
Browser
Browser