Informationspsychologie: Einführung PDF
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Dieses Dokument präsentiert eine Einführung in die Informationspsychologie. Es behandelt Themen wie Informationsverarbeitung, Wahrnehmungsprozesse, Aufmerksamkeit und Gedächtnis. Darüber hinaus werden auch die Prinzipien des visuellen Systems und der Informationsselektion erläutert.
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Informationspsychologie: Einführung Definition und Hauptbereiche Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten im Kontext von Informationsverarbeitung Ziel: Erklären, vorhersagen und beeinflussen von Informationsverarbeitungsprozessen Relevanz in der digitalen Gesellschaft Nutze...
Informationspsychologie: Einführung Definition und Hauptbereiche Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten im Kontext von Informationsverarbeitung Ziel: Erklären, vorhersagen und beeinflussen von Informationsverarbeitungsprozessen Relevanz in der digitalen Gesellschaft Nutzerorientierte Gestaltung von Informationen Vermeidung von Informationskatastrophen Schritte der Informationsverarbeitung 1. Wahrnehmung 2. Verstehen 3. Speichern 4. Abrufen 5. Anwenden Grundannahmen der Informationsverarbeitung Begrenzte Verarbeitungskapazität Selektivität Wissensbasiertheit & Kontextabhängigkeit Interaktion von Top-down und Bottom-up Prozessen “Going beyond the information given” Funktionsbereiche der Psyche Wahrnehmen Erkennen und Verstehen Denken, Urteilen, Entscheiden Lernen, Gedächtnis Motive, Ziele, Handlungen Emotionen Interindividuelle Unterschiede Kommunikation Zwischenmenschliche Beziehungen Theoretische Ansätzej 1. Behaviorismus (1910 - 1960) Fokus auf beobachtbares Verhalten Formel: Situation + Gesetz = Reaktion 2. Kognitivismus (seit 1960) Fokus auf innere Verarbeitungsprozesse Stufen: Gedächtnis, Wissen Wahrnehmung, Enkodierung/Kategorisierung, Schlussfolgern | Urteilen | Entscheiden Stimuli Reaktion Beispiel: Wahrnehmung: Ein Junge greift die Hand einer älteren Frau und geht mit ihr über die Straße. Enkodierung/Kategorisierung: Ein Junge hilft einer alten Frau über die Straße. Schlussfolgern/Urteilen: Der Junge ist hilfsbereit. R: “Das ist aber mal ein netter Junge!” Ziele der Informationspsychologie Gestaltung von Inhalt und Form von Informationsangeboten Bereitstellung benötigter Informationen am richtigen Ort Förderung von Verständnis und Nachvollziehbarkeit Unterstützung bei Einprägung und späterem Abruf Ermöglichung der praktischen Anwendung des vermittelten Wissens Informationspsychologie: Informationsaufnahme Sensorische Prozesse und Wahrnehmung Wahrnehmung ist selektiv und kann mehrdeutig sein Wahrnehmungstäuschungen zeigen Grenzen der Wahrnehmung auf Beispiele: Ebbinghaus-Täuschung, optische Täuschungen Selektivität der Wahrnehmung Datenbeschränktheit: Sinne nehmen nur bestimmte Reize auf Beispiel: Auge reagiert nur auf Licht zwischen 380-780 nm Kapazitätsbeschränktheit: Empfindlichkeit der Sinne variiert Beeinflusst durch Faktoren wie Müdigkeit, Reizüberlastung Das visuelle System Eckdaten: Wellenlängenempfindlichkeit: 380-780 nm Höhere Sensitivität für Rot als für Blau Unterscheidung: ca. 200 Farbtöne, 500 Helligkeitsstufen, 20 Sättigungsstufen Bewegtbildwahrnehmung ab 16-24 Hz, flüssig ab 70 Hz Informationsverarbeitung beginnt in retinalen Bahnen Komplexe Szenen erfordern Blicksprünge (max. 5 Fixationen/Sekunde) Raumwahrnehmung durch verschiedene Faktoren: Größenunterschiede, Geometrie, Schattierungen, Bewegung Wahrnehmungskonstanz: Formkonstanz, Helligkeitskonstanz Das auditive System Frequenzempfindlichkeit: 20-20.000 Hz Höchste Empfindlichkeit bei 1.000 Hz Räumliche Orientierung durch binaurale Verarbeitung Psychische Dimensionen: Tonhöhe, Lautheit, Klangfarbe Selektive Wahrnehmung filtert Umgebungsgeräusche Das haptische System Umfasst Druck-, Temperatur- und Schmerzwahrnehmung Oberflächensensibilität: taktile Wahrnehmung, Temperatur, Schmerz Tiefensensibilität: Propriozeption, Kinästhesie Prinzipien der Wahrnehmungsorganisation Bottom-up- und Top-Down-Prozesse interagieren bei der Informationsaufnahme Wahrnehmungstäuschungen zeigen Grenzen und Funktionsweisen der Wahrnehmung Informationsselektion Selektivität und Aufmerksamkeit bei der Informationswahrnehmung Warum müssen wir selektieren? Begrenzte Wahrnehmungs- und Verarbeitungskapazität Effiziente Informationsverarbeitung notwendig Selektivität beim Sehen Informationsauswahl durch Blickbewegungen Aufmerksamkeit als Voraussetzung für Informationsaufnahme und -verarbeitung Blickbewegungen und Eye-Tracking Blicksprünge (Sakkaden) und Fixationen Eye-Tracking-Technologie: Messung von Blickbewegungen mittels Infrarotlicht Aufmerksamkeitslenkung Bottom-up-Prozesse (reizgesteuert): Neuartigkeit, Komplexität Reizgröße und Intensität Bewegung, Farbigkeit, Kontrast Position im Gesichtsfeld Reize mit Signalfunktion (z.B. eigener Name, Warnungen) Top-down-Prozesse (konzeptgesteuert): Akute Bedürfnisse (z.B. Hunger, Durst) Komplexere Bedürfnisse (z.B. Neugier) Interessen, Einstellungen, Motive Vorwissen, Schemata Orientierungsreaktion Ausgelöst durch neue, auffällige Reize Intensive Aufmerksamkeitszuwendung Autonome physiologische Reaktionen Dient dem Überleben Habituation möglich Aufmerksamkeitsverteilung Cocktail-Party-Phänomen: Selektives Hören in komplexen Umgebungen Kapazitätsaufteilung statt strikter Filterung Phänomene der Aufmerksamkeit Change Blindness: Übersehen von Veränderungen bei geteilter Aufmerksamkeit Keine Belege für Wirksamkeit unterschwelliger Wahrnehmung im Alltag Zusammenfassung Selektionsmechanismen ermöglichen Fokussierung auf wichtige Informationen Aufmerksamkeitszuwendung durch Bottom-up- und Top-down-Prozesse gesteuert Begrenzte Verarbeitungskapazität erfordert effiziente Selektion Automatische Prozesse benötigen weniger Aufmerksamkeitsressourcen Vom Wahrnehmungseindruck zur Bedeutung Ziel: Umwandlung der Pixelrepräsentation auf der Retina in eine bedeutungshaltige Repräsentation von Objekten, Szenen und Personen im visuellen Areal des Gehirns. 1. Identifikation von Merkmalen Konturen sind wichtiger für die Objektidentifikation als Farben Extraktion von Kanten durch Kontrastüberzeichnung auf der Retina Merkmalserkennung durch komplexe und hyperkomplexe Nervenzellen im Gehirn 2. Erstellen einer Objektbeschreibung Zusammensetzen einfacher visueller Merkmale zu Objekten Gestaltgesetze: Prinzipien der visuellen Wahrnehmung Prinzip der Nähe Prinzip der Ähnlichkeit Prinzip der guten Fortsetzung / Kontinuität Prinzip der Umschlossenheit Prinzip der “Guten Gestalt” 3. Objektidentifikation Erkennen von Objekten als Struktur einfacher visueller Merkmale Figur-Grund-Prinzip Vorteil: Abruf weiterer funktionaler Merkmalsinformationen Bedeutung für Informationsdesign Gestaltgesetze sollten beim Informationsdesign beachtet werden Visuelle Illusionen können unser Verständnis der visuellen Wahrnehmung verbessern Zusammenfassung Die Informationsorganisation im visuellen System erfolgt in drei Hauptschritten: Merkmalsidentifikation, Objektbeschreibung und Objektidentifikation. Gestaltgesetze und das Prinzip der “Guten Gestalt” spielen eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmungsorganisation und sollten im Informationsdesign berücksichtigt werden. Informationen enkodieren und verstehen Erwartungen und Wahrnehmung Erwartungen beeinflussen stark, wie wir Informationen aufnehmen und verarbeiten Hypothesentheorie der Wahrnehmung: Jeder kWahrnehmungsvorgang beginnt mit einer Hypothese Hypothesen werden mit Umweltinformationen verglichen und bestätigt oder widerlegt Steuert Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung Schemata: Mentale Strukturen mit Wissen über typische Merkmale von Objekten/ Situationen Helfen Informationen schnell zu verarbeiten und Entscheidungen zu treffen Beispiele: Skripte für soziale Situationen, Stereotype Interaktion von Bottom-up- und Top-Down-Prozessen Wahrnehmung und Verstehen ist keine Einbahnstraße Bottom-up: Reizgesteuerte Verarbeitung von Sinnesinformationen Top-down: Erwartungsgesteuerte Verarbeitung basierend auf Vorwissen/ Erfahrungen Textverstehen Lesen: Fixationen und Sakkaden, Verarbeitung von ca. 4 Buchstaben links und 14 rechts vom Fixationspunkt Herstellen von Textkohärenz durch Verbinden von Textinformationen und Hintergrundwissen Hamburger Verständlichkeitsmodell: 1. Einfachheit 2. Gliederung/Ordnung 3. Kürze/Prägnanz 4. Anregende Zusätze Förderung der Textverständlichkeit: Strukturelemente: Überschriften, Zusammenfassungen, Visualisierungen Textgestaltung: Zusammenhängend, widerspruchsfrei, überbrückbare Lücken Zusammenfassung Erwartungen erleichtern Informationsaufnahme und Verstehen Bei unerwarteten Ereignissen: Erhöhte Aufmerksamkeit und Verarbeitungskapazität nötig Textverstehen: Aufbau einer Informationsstruktur im Arbeitsgedächtnis Verständnis erreicht, wenn Textlücken geschlossen und Struktur kohärent Speichern und Abrufen von Informationen Gedächtnissysteme und ihre Funktionen 1. Sensorisches Gedächtnis (Ultrakurzzeitgedächtnis) Speichert große Informationsmengen für sehr kurze Zeit (< 2 ms) Spezifisch für Sinnesmodalitäten (z.B. ikonisches und echoisches Gedächtnis) Filtert relevante Informationen für Weiterverarbeitung 2. Arbeitsgedächtnis (Kurzzeitgedächtnis) Begrenzte Kapazität für kurzfristige Speicherung und Manipulation von Informationen Verbesserung der Kapazität durch Rehearsal und Chunking Komponenten: Zentrale Exekutive, phonologische Schleife, räumlich-visueller Notizblock, episodischer Puffer 3. Langzeitgedächtnis Langfristige Speicherung von Informationen und Wissen Unterteilung in deklaratives (Fakten, Ereignisse) und prozedurales (Handlungen) Gedächtnis Weitere Unterscheidung in episodisches (persönliche Erfahrungen) und semantisches (Allgemeinwissen) Gedächtnis Lerntheoretische Grundpositionen 3. Behaviorismus: Lernen durch Verstärkung von Reiz-Reaktions-Verbindungen 2. Kognitivismus: Lernen als Prozess der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung 3. Konstruktivismus: Lernen als aktives Konstruieren von Wissen basierend auf Erfahrungen und Vorwissen Gestaltung von Lernmaterialien 1. Cognitive Load Theory (CLT) Berücksichtigung der begrenzten kognitiven Ressourcen des Arbeitsgedächtnisses Intrinsic Cognitive Load: Inhärente Belastung der Lernaufgabe Extraneous Cognitive Load: Zusätzliche Belastung durch Gestaltung der Lernmaterialien 2. Cognitive Theory of Multimedia Learning (CTML) Multimedia-Prinzip: Kombination verschiedener Medien für höheren Lernerfolg Redundanz-Prinzip: Vermeidung redundanter Informationen Modalitätsprinzip: Kombination von Bild und gesprochenem Text Kontiguitätsprinzipien: Räumliche und zeitliche Nähe zusammengehöriger Informationen Effektives Lernen und Speichern von Informationen Aktive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff Einbettung neuer Informationen in bestehende Wissensstrukturen Nutzung multimedialer Elemente und authentischer Anwendungsbeispiele Berücksichtigung der Verarbeitungstiefe und Transferangemessenheit beim Enkodieren Anwendung von Strategien wie Wiederholung, Chunking und elaborative Verarbeitung Formen der Informationsverarbeitung Grundlagen Basiert auf dem Limited-Capacity-Modell Erklärt Informationsverarbeitung im Gehirn und begrenzte kognitive Ressourcen Zentrale Unterscheidung: Automatische vs. kontrollierte Prozesse Automatische Prozesse “Autopilot”-Modus Schnell und effizient Erfordern wenig bis keine bewusste Aufmerksamkeit Beispiel: Autofahren auf bekannter Strecke Können fehleranfällig sein Auch als “kognitiver Geizhals” bezeichnet Kontrollierte Prozesse Benötigen aktive Aufmerksamkeit und mentale Anstrengung Langsamer als automatische Prozesse Verbrauchen mehr kognitive Ressourcen Wichtig für komplexe Aufgaben, Problemlösung und Kreativität Beispiel: Lösen eines komplexen mathematischen Problems Können zur “Selbsterschöpfung” führen Priming Form des impliziten Gedächtnisses Verbesserte Verarbeitung eines Reizes durch vorherige Präsentation Beeinflusst Entscheidungen und Verhalten Theoretische Ansätze Zwei-Prozess-Modelle (z.B. Elaboration-Likelihood-Modell) Heuristiken: Mentale Abkürzungen für schnelle Entscheidungen Beispiele: Verfügbarkeitsheuristik, Ankerheuristik Kognitive Verzerrungen und Effekte Bestätigungsfehler Verlustaversion Halo-Effekt Stereotype Threat Selbsterfüllende Prophezeiungen Praktische Anwendungen Entscheidungsfindung Lernen neuer Fähigkeiten Informationsdesign Gestaltung von Benutzeroberflächen Zusammenfassung Die Informationspsychologie unterscheidet zwischen automatischen und kontrollierten Prozessen der Informationsverarbeitung. Automatische Prozesse sind schnell und effizient, aber können zu Fehlern führen. Kontrollierte Prozesse sind langsamer, aber flexibler und wichtig für komplexe Aufgaben. Diese Konzepte finden sich in verschiedenen Modellen und Ansätzen wieder und haben Auswirkungen auf Entscheidungsfindung, Lernprozesse und die Gestaltung von Informationssystemen. Emotional Design in der Informationspsychologie Grundlagen Emotionen sind komplexe psychophysische Reaktionsmuster Funktionen von Emotionen: Anzeiger von Relevanz und Motivatoren Schnelle Situationsevaluation Vorbereitung adaptiven Verhaltens Unterstützung von Lernprozessen Koordination sozialer Beziehungen Theoretische Modelle Component Process Model (Scherer) Kognitive Bewertung Physiologische Reaktionen Subjektives Erleben Ausdrucksverhalten Handlungsbereitschaft Self-Determination Theory (Deci & Ryan) Fokus auf intrinsische Motivation Broaden-and-Build Theory (Fredrickson) Positive Emotionen erweitern Denk- und Handlungsrepertoire Emotional Design nach Norman 1. Instinktives Design: Visuelle Wahrnehmung, intuitive Gefühle 2. Verhaltensdesign: Bedienung, Effizienz, Benutzererfahrung 3. Reflektierendes Design: Selbstbild, Zufriedenheit, Erinnerungen Product-Attachment (Mugge) Strategien für langfristige Produktbindung: Pleasure (Freude) Selfexpression (Selbstdarstellung) Group affiliation (Gruppenzugehörigkeit) Memories (Erinnerungen) Anwendungen Multimedia-Lernumgebungen (CATLM) Emotion-als-Facilitator-Hypothese: Emotionales Design verbessert Lernprozess Emotion-als-Suppressor-Hypothese: Emotionales Design kann Lernprozess beeinträchtigen Wissenschaftskommunikation Unterhaltsame Elemente fördern Emotionen und Wissenserwerb Interaktive Systeme Erfassung des emotionalen Nutzerzustands für adaptive Systemreaktionen Zusammenfassung Emotional Design zielt auf die Schaffung freudvoller und emotional bereichernder Erfahrungen ab, im Gegensatz zu klassischen Usability-Aspekten. Es berücksichtigt verschiedene Ebenen des Designs und strebt eine langfristige emotionale Bindung zwischen Nutzern und Produkten an.