VL2 Methoden der Psychologie WS 2024/2025 PDF
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Friedrich-Schiller-Universität Jena
2025
Karina Weichold, Judith Hercher
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Summary
This document contains lecture notes on psychological methods for the winter semester 2024/2025 at Friedrich-Schiller-Universität Jena. It covers topics such as the introduction to psychology, methods of psychology, and the different types of psychological research. The document also includes information about the examination format and schedule.
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apl. Prof. Dr. Karina Weichold Leiterin Studiengang B.A. Psychologie Vizepräsidentin Studium und Lehre M.Sc. Judith Hercher Wissenschaftliche Mitarbeiterin Vorlesung (2) Methoden der Psychologie WS 2024/2025 Institut für Psychologie...
apl. Prof. Dr. Karina Weichold Leiterin Studiengang B.A. Psychologie Vizepräsidentin Studium und Lehre M.Sc. Judith Hercher Wissenschaftliche Mitarbeiterin Vorlesung (2) Methoden der Psychologie WS 2024/2025 Institut für Psychologie Arbeitsbereich Jugendforschung Einbettung ins Studium PsyN-P1 PsyN-P2 Einführung & Methoden der Psychologie Allgemeine Psychologie B.A. Psychologie: Pflichtmodul B.A. Psychologie: Pflichtmodul B.Sc. Nebenfach: B.Sc. Nebenfach: Wahlpflichtmodul Wahlpflichtmodul 2 Veranstaltungen | 1 Klausur: 1 Vorlesung (benotete Klausur) Einführung in die Psychologie 1 Seminar (benotete Leistung) (Vorlesung) 10h Teilnahme an Methoden der Psychologie psychologischen Versuchen (Vorlesung inklusive Tutorien) (unbenotet) 10 LP 10 LP 2 Informationen zur Prüfung Die Prüfung wird in Form einer Klausur abgelegt und findet im Single-Choice-Format (ohne Hilfsmittel) sowie in Präsenz statt. Modulprüfung gemeinsam mit den Inhalten der Vorlesung „Einführung in die Psychologie“ Termin: 05.02.2025 (letzte Vorlesungswoche) Raum: Hörsaal 2 (Campus Carl-Zeiss-Straße) Wichtig! Anmeldung zur Prüfung via (14.10.-23.12.2025) fristgerechte Abgabe der Übungsaufgaben im Tutorium 3 today PSYCHOLOGIE ALS EMPIRISCHE WISSENSCHAFT 1. METHODIK DER PSYCHOLOGISCHEN FORSCHUNG 2. QUALITÄT PSYCHOLOGISCHER BEOBACHTUNGEN 3. METHODISCHE STRENGE – EIN STREIT- 4. MARIENTHAL-STUDIE 5 Einleitung Methoden für Psychologie: Grund zum Schwärmen, Grübeln – und oft auch STREIT Psychologische Forschung braucht Kreativität: schöpferischer Prozess Logik: Kunst der vernünftigen Argumentation Erfahrung: Umgang mit Mess- und Analysemethoden Starker Wettbewerb zwischen Forschenden der Psychologie Methodenentwicklung sogar teilweise explizites Ziel von Projekten 6 METHODIK DER 7 PSYCHOLOGISCHEN FORSCHUNG Wozu benötigt man gute psychologische Forschungsmethoden? Garant der Qualitätssicherung Kommunikation zwischen Wissenschaftlern Regeln für Erkenntnisgewinn und Theorienkonstruktion = verschafft der Psychologie ihre Identität als Wissenschaft Absetzen von psychologischem Allgemeinwissen 8 Theorienbildung Was ist wichtig für die Qualitätssicherung und den kommunikativen Abgleich? Bestimmung angemessener Begriffe gehaltvolle und stimmige Aussagen Schlussfolgerungen, die die Theorie bereichern Theorien, die gebildet und bewertet werden Begriffe, Aussagen, Schlüsse und Theorien sind ausschließlich sprachlicher Natur - was sie zum Ausdruck bringen, sind Denkinhalte Analyse und Bewertung sind ebenfalls auf Sprache und Denken begründet 9 …die Analyse und Bewertung wissenschaftlicher Begriffe, Aussagen, Schlüsse und Theorien ist auf Sprache und Denken begründet. Welche Vor- und Nachteile bringt dies mit sich? 10 Erfahrungsbildung Schlüssigkeit und Richtigkeit des wissenschaftlichen Denkens und Sprechens reichen nicht aus, um Qualität zu sichern Es bedarf auch der Prüfung der Übereinstimmung von Theorie und Wirklichkeit Gibt es für Begriffe, Aussagen und Schlussfolgerungen Gegenstücke in der Lebenswirklichkeit? Gedachtes und Gesagtes muss mit einschlägigen Beobachtungen übereinstimmen 11 ZUR QUALITÄT PSYCHOLOGISCHER 12 BEOBACHTUNGEN Qualitätssicherung von Beobachtungen 1. Wahl der Proband:innen 2. Sammeln, Erheben, Sichern von Beobachtungsdaten 3. Gestaltung der Untersuchungssituation 4. Auswertung und Interpretation von Beobachtungsdaten 13 Qualitätssicherung von Beobachtungen 1. Wahl der Proband:innen zufällige Begegnung vs. bestehende Personengruppen vs. mühevolles Rekrutieren Zusammenstellung der Proband:innengruppe Größe der Stichprobe Merkmale der Stichprobenselektion 14 Qualitätssicherung von Beobachtungen 2. Sammeln von Daten Vorliegen kompletter Beobachtungsdaten zu einer Person ist die Seltenheit Beobachtungskonzept Passendes Beobachtungsverfahren Mögliche Reaktionen der Probanden Notwendige technische Unterstützung Beobachtungen müssen für die Auswertung dokumentiert und geordnet werden 15 Qualitätssicherung von Beobachtungen 3. Gestaltung der Untersuchung Angemessene Gestaltung der Untersuchungssituation Einhaltung förderlicher Bedingungen außerhalb des Labors (z.B. in der Schule) Laborexperiment (= Modellsituation): Verhältnisse herstellen, über die die Theorie eine Aussage trifft Kompliziertere Testaufgaben mit unterschiedlichen Instruktionen Test von „Versuchshypothesen“ (Aussage, die im Experiment überprüfbar ist) 16 Qualitätssicherung von Beobachtungen 4. Auswertung und Interpretation Inhaltliche Zusammenfassung von Daten Kategorisierung / Skalenbildung Verschlüsselung (z.B. Diagnosesysteme) notwendig? Zusammenfassung von Messwerten über die Person oder über Zeitabschnitte Analyse fehlender Werte (Missings) Erst nach dem Vorliegen geordneter Daten ist ihre Übereinstimmung mit den Untersuchungshypothesen zu testen Gemeinsamkeits- und Unterschiedlichkeitshypothesen 17 Methodische Strenge EIN STREIT- DER 19 PSYCHOLOGISCHEN FORSCHUNG Wie streng müssen psychologische Methoden umgesetzt werden? Gibt es Ausnahmen? 20 Wie streng müssen psychologische Methoden umgesetzt werden… … damit das Fach Anerkennung als moderne wissenschaftliche Disziplin erhält? „harte“ vs. „weiche“ Methoden 21 „Harte“ bzw. quantitative Methoden Zwei Basisprinzipien: Präzision (Genauigkeit von Beobachtung und Argumentation) Objektivität (Sachlichkeit, Treue zum Gegenstand): Ausschluss persönlicher Vorurteile, Interessen und Sichtweisen, hohe Übereinstimmung zwischen Wissenschaftlern sichernd Verlangt möglichst weitgehende Explikation von Begriffen und Schlussfolgerungen Theorien sollen systematisch ausgearbeitet sein Formal logische und mathematische Ableitungen sind bevorzugt Postulierte Zusammenhänge zwischen Konstrukten und 22 Beobachtungsdaten sollen nachgewiesen werden „Harte“ bzw. quantitative Methoden Präzise und objektive Beobachtung durch… Messinstrumente, die Ergebnisse weitgehend unabhängig vom Beobachter liefern Erprobte Fragenkataloge und Antwortkategorien Aufzeichnungsgeräte (Audio/ Video), die wiederholte Wiedergabe und Prüfung erlauben Automatische Auswertungssysteme 23 „Harte“ bzw. quantitative Methoden Weitere Anforderungen an die Untersuchung Verlässlichkeitsprüfungen (indiv.. Mehrfachmessungen) Häufung von Beobachtungen (mehrere Personen) Replikationen, möglichst durch mehrere unabhängige Forschende Einrichtung und Betrieb von Laboratorien (zuverlässige Herstellung von entsprechenden Laborsituationen, je nach Fragestellung und notwendiger Bedingung) Statistische Aufbereitung anfallender Daten, Nutzung leistungsfähiger mathematischer Verfahren, elektronische 24 Datenverarbeitung Welche Kritik könnte man an der „strengen / harten“ psychologischen Methodik üben? 25 Das Gegenstück zur Strenge Positivismus Beobachtungen, die sich auf Tatsachen stützen Grundlage: Wissenschaftslehre von Auguste Comte (1798-1857) negative vs. positive Formen der Wissenschaft Negativ: Mythen, Ideologien Positiv: Wissenschaft, die sich nur auf Tatsachen stützt Vorteile des Bezugs auf Tatsachen: Übereinstimmung zwischen Wissenschaftlern (Ende Gelehrtenstreit); praktische Anwendung (Ende von Hilflosigkeit und Aberglaube) 26 Leittheorie der modernen Naturwissenschaft „Weiche“ bzw. qualitative Methoden Kritik an harten Methoden Objektivität und Präzision unmöglich, auf das komplexe Seelenleben des gesellschaftlich organisierten Menschen anzuwenden (holistische Perspektive) Qualitative vs. quantitative Forschung Qualitative Forschung = Prinzipien der Subjektivität und der Lebensechtheit Aktive, selbstbestimmte Rolle des handelnden/ erlebenden Menschen und Forschungsgegenstand Lebensechtheit der Untersuchungssituation Unaufdringlichkeit der Methoden 27 „Weiche“ bzw. qualitative Methoden Ideal der Selbsterkenntnis Trennung zwischen Untersuchenden und Proband:innen wird möglichst gering gehalten Lebensechtheit: gewohnten Alltag studieren, verschiedene Kontexte einbeziehen Subjektorientierung (freies Gespräch, offenes Interview), wobei Wissenschaftler z.T. zu Gästen oder Mitwirkenden werden Unaufdringlichkeit: Proband soll sich frei und unbeobachtet fühlen Scheuen sich, Festlegungen zu treffen; Fokus auf Einzelfallanalysen; kaum Häufung oder Zusammenfassung von 28 Daten über Personengruppen Optimum Kombination qualitativer und quantitativer Forschungsmethoden Paradebeispiel: Marienthal-Studie (Jahoda, Lazarsfeld, & Zeisel, 1933) Die Arbeitslosen von Marienthal: Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit = Meilenstein in der Entwicklung der empirischen Sozialforschung 29 Marienthal-Studie Setting / Ausgangslage Arbeitersiedlung in der Nähe Wiens Weltwirtschaftskrise / Schließung einer Fabrik führte zu Massenarbeitslosigkeit individuelle Folgen? Musterbeispiel zur Theorienbildung in Kombination quantitativer, qualitativer, vorgefundener und erhobener Daten Kontakt zu Menschen und offizielle Informationen als Quelle für Datenerhebungen Kleidersammlungen, Sprechstunden, Angebote inklusive teilnehmender Beobachtungen Dokumentation Erhebung von Journalen zur Zeiteinteilung 30 Amtliche Statistiken etc. Marienthal-Studie Forschungsfrage Subjektive Wirkung von Langzeitarbeitslosigkeit Umgang mit der Situation Einfluss auf die Kinder das Zeiterleben den Umgang untereinander 31 Marienthal - Studie https://www.youtube.com/watch?v=XHQQKpViEjA 32 Marienthal-Studie Methoden Offizielle Daten, Statistiken und Dokumente Verdeckte Beobachtung Teilnehmende Beobachtung Mündliche Befragung Schriftliche Befragung Beispiele: 1. Protokoll Haushaltsführung 2. Beobachtungen im Straßenverkehr, z.B. Anzahl der Gehpausen 3. Zeitverwendungsbögen (Selbstbericht) 33 Marienthal-Studie Ergebnisse breiter Einblick in das Leben Langzeitarbeitsloser z.B. 4 Haltungstypen in Zeiten extrem knapper ökonomischer Ressourcen / Verschiebung des Zeitbudgets / Prokrastination (1) Ungebrochene (2) Resignierte (3) Verzweifelte (4) Apathische „Das wichtigste Ergebnis der Marienthaler Untersuchungen war: Arbeitslosigkeit bewirkt Resignation und Apathie und nicht den Willen, die Welt und die ökonomische und soziale Ordnung radikal umzugestalten.“ Jahoda (1983) 34 DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! 35