VL 12: Makroökonomisches Trilemma PDF - Humboldt-Universität zu Berlin

Summary

Diese Vorlesung der Humboldt-Universität zu Berlin (WS2425) behandelt das Makroökonomische Trilemma, insbesondere die Entwicklung vom „goldenen Zeitalter“ zur Finanzkrise. Es werden Themen wie Geldpolitik, Wirtschaftsgeschichte und das Trilemma selbst untersucht.

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Vorlesung 12 Makroökonomisches Trilemma Vom “goldenen Zeitalter” zur Finanzkrise Übersicht Datum VL-Nr Themen VL CORE-Econ 21. 10. 2024 1 Was ist VWL, was ist Wirtschaftsgeschic...

Vorlesung 12 Makroökonomisches Trilemma Vom “goldenen Zeitalter” zur Finanzkrise Übersicht Datum VL-Nr Themen VL CORE-Econ 21. 10. 2024 1 Was ist VWL, was ist Wirtschaftsgeschichte? Wohlstand und Ressourcen 1 28. 10. 2024 2 Wissenschaftstheorie, Malthus, und Industrielle Revolution 2 04. 11.2024 3 Knappheit, Arbeit und individuelle Entscheidungen 3 11.11.2024 4 Soziale Interaktion 4 18.11.2024 5 Eigentum und Macht: Interesse und Konflikt 5 25.11.2024 6 Unternehmen, Unvollständige Verträge 6, 7 02.12.2024 7 Angebot und Nachfrage, Gleichgewicht und Schocks 8, 11 09.12.2024 8 Marktversagen und Politik, Arbeitsmärkte 9, 12, 13 16.12.2024 9 Geld, Kredit, Banken. Der Goldstandard 10 06.01.2025 10 Inflation und Geldpolitik. Die deutsche Hyperinflation 15 13.01.2025 11 Fiskalpolitik und Arbeitslosigkeit 14, 17 (a) Die Weltwirtschaftskrise und politischer Extremismus 20.01.2025 12 Das Makroökonomische Trilemma. Entwicklung vom „goldenen Zeitalter“ zur Finanzkrise 17 (b) 27.01.2025 Probeklausur mit Nachbesprechung 03.02.2025 13 Außenhandel, Zahlungsbilanz und Globalisierung 18 10.02.2025 14 Rückblick und Fragen PLAN Einführung Das Makroökonomische Trilemma Das “goldene Zeitalter” 1950-73 Von Stagflation zur Finanzkrise Einführung Kontext Große Depression und 2. Weltkrieg bedeuten zunächst eine wirtschaftliche Desintegration. Allerdings werden wichtige internationale Organisationen gegründet und fördern eine Re- Globalisierung in zwei Blöcken (Ost und West). Fokus auf den Westen. Wie entwickelt sich Europa/die Welt wirtschaftspolitisch nach dieser „Stunde Null“ bis zur Finanzkrise? Können wir unser gelerntes volkswirtschaftliches Instrumentarium anwenden um die Entwicklungen zu verstehen/einzuordnen? Das Goldene Zeitalter 1950-73 Durchschn. Wachstumsrate pro Jahr Warum ist das goldene Zeitalter für Ökonomen interessant? BIP POP BIP/ POP Europa Europa Europa USA Japan  enormes Wachstum! 1890-1913 2,2 0,7 1,4 2,0 1,4 1913-1950 1,4 0,5 0,9 1,4 0,9 1950-1973 4,8 0,8 4,0 2,9 8,0 1973-1994 2,1 0,4 1,7 1,4 2,8 Das Goldene Zeitalter – Einkommensungleichheit in Deutschland Das Wachstum war inklusiv: alle Einkommensklassen profitierten in ähnlicher Weise Ist das „golden age“ replizierbar? Das Makroökonomische Trilemma Der Start in die Nachkriegszeit Weitreichende Zerstörung in Europa: Tote, Verletzte, zerstörte Gebäude, Maschinen, Infrastruktur Auflösung des Gold-Standards. Die Bedeutung internationaler Kooperation ist so sichtbar wie selten zuvor in der Geschichte. Konferenz von Bretton Woods (1944), u.a. Gründung der Weltbank und des IWF und Festlegung des Wechselkursregimes. Das Makroökonomische Trilemma – Die Optionen Es gibt drei Politikziele, die man eigentlich alle gerne erreichen würde: 1. Freiheit grenzüberschreitender Kapitalbewegungen 2. Unabhängige Geldpolitik (etwa Senkung der Zinsen durch Ausweitung der Geldmenge um Arbeitslosigkeit zu begrenzen) 3. Feste Wechselkurse „Trilemma“: nur zwei davon sind gleichzeitig erreichbar! Das Makroökonomische Trilemma: Inkompatibilität der drei Politikziele Beispiel: Unabhängige Geldpolitik bei Freiheit grenzüberschreitender Kapitalbewegungen inkompatibel mit fixen Wechselkursen Ausgangslage: Die Volkswirtschaft befindet sich in einer Krise. Die Zentralbank senkt die Zinsen, um die Aggregierte Nachfrage zu stimulieren. Dies führt zu folgender Kausalkette: Marktzinsen sinken im Inland  Kapitalabfluss ins Ausland  Abwertungsdruck auf die heimische Währung  a) Bei fixen Wechselkursen: um Wechselkurs zu verteidigen muss die Notenbank intervenieren  Neutralisierung der Ausweitung der Geldmenge  kein Effekt auf BIP b)Bei flexiblen Wechselkursen: Zentralbank muss nicht intervenieren  heimische Währung wird billiger gg. Fremdwährung  (sofern einige Voraussetzungen erfüllt sind) Erhöhte Exportnachfrage/ Verbesserte Leistungsbilanz  BIP steigt Das Makroökonomische Trilemma: Trade- offs der Politikoptionen flexible Wechselkurse führen oft zu internationalen Spannungen („beggar thy neighbour policies“). Beispiel: USA beklagen (vermeintliche) Unterbewertung der Chinesischen Währung und drohen mit Strafzöllen. fixe Wechselkurse führen eher zu intra-nationalen Spannungen: Beispiel: Festhalten der Zentralbanken am Goldstandard nach 1929 trotz Konjunktureinbruch und Deflation verschärft Krise und Arbeitslosigkeit. Das Makroökonomische Trilemma: Realisierte Politikoptionen Stark vereinfacht: Goldstandard (1, 3): Geldpolitik (und Fiskalpolitik) sehr begrenzt Bretton Woods (2, 3): Begrenzung der Kapitalmobilität Flexible WK (1, 2), zB USA und Europa nach 1973 (aber nie innerhalb Europas) Seit 1999 Euro (fixe Wechselkurse und freier Kapitalverkehr mit gemeinsamer Geldpolitik innerhalb eines Blocks) Das Makroökonomische Trilemma: Von der Zwischenkriegszeit zu Bretton Woods Die Abwendung vom Goldstandard (letzte Woche): Das (inflexible) Goldstandard-Wechselkurssystem war inkompatibel mit einer Zentralbankpolitik die heimische Politikziele verfolgt. Die Abkehr vom Goldstandard (ab 1931) war eine notwendige Bedingung für die Erholung von der Krise. Erst diese ermöglichte expansive Geld- und Fiskalpolitik um die Deflation zu beenden. Das Nachkriegssystem: 1944 vereinbarten in Bretton Woods einige Länder unter Führung der USA fixe Wechselkurs (der US$ hatte zudem weiter eine fixe Goldparität): Enge target zones: Intervention bei Abweichungen von mehr als +/- 1% , Regeln zur Änderung der Wechselkurse Einrichtung eines Krisenfonds (der IWF), Kontrolle der Kapitalmobilität De facto war das System erst ab Konvertierbarkeit der europäischen Währungen 1958 in Kraft  System funktionierte 1958-1973. Das Makroökonomische Trilemma: Das Ende von Bretton Woods 1970-73: Aufgabe des Systems von Bretton Woods Steigende Inflation in USA seit ca 1965 zwingt andere Staaten US$ zu kaufen um ihre Wechselkurse stabil zu halten. Unterschiede im Produktivitätswachstum erfordern häufige Anpassung der Wechselkurse (zB Aufwertung in D, Abwertung in UK oder F); aber diese sind politisch schwierig. Zunehmende Probleme, den Kapitalverkehr zu kontrollieren (enormer Kapitalzufluss in die BRD) System nicht nachhaltig funktional  Floating der D-Mark ab 1971, (zeitweilige) Aufhebung der Gold-Konvertierbarkeit des US$ am 15. August 1971 1973: flexible WK zu US$, innerhalb Europas Entwicklung hin zur Währungsunion Das „goldene Zeitalter“ Eine Beschreibung Das goldene Zeitalter - Wachstum Bruttoinlandsprodukt und Kapitalstock wachsen sehr schnell Durchschnitt von 13/16 OECD Ländern Das goldene Zeitalter – Krisen? Es gibt einige Währungskrisen, aber keine/kaum Bankenkrisen in der westlichen Welt (Bordo et al. 2001) Das goldene Zeitalter – “Catch-up“ Growth Um 1950: Arbeitsproduktivität in Europa relativ gering verglichen mit USA Schnelles Aufholen relativ zum reichsten und produktivsten Land: den USA. Das goldene Zeitalter – Löhne und Produktivität Beispiel USA 1950-1973: Reallöhne und Produktivität von Firmen steigen gleichmäßig Bis 1973 war Wachstum relativ inklusiv Das „goldene Zeitalter“ Interpretationen Drei Hypothesen zum Nachkriegswachstum 1. Konvergenzhypothese Bei abnehmenden Grenzerträgen in Kapital und Technologiediffusion kommt es zu Konvergenz (Vorrausage von neoklassischer Wachstumstheorie). 2. Die Rekonstruktionshypothese Die Zerstörung des Kapitalstocks im Krieg führt zu einer kurzfristigen Störung der Wirtschaft. Danach wird diese „Lücke“ aufgeholt. 3. Die Institutionelle Hypothese/Die “Wage Moderation“ Hypothese: Gewinne werden „fair“ zwischen Kapitalgebern und Arbeitern geteilt. 1. Konvergenz (Solow/Swan 1956) Abnehmende Grenzerträge von Kapital und Arbeit: je geringer der Kapitalstock, desto höher der Anreiz zu investieren (ceteris paribus). Implikation: weniger entwickelte Länder (weniger Kapital pro Arbeit) werden im Zeitverlauf schneller wachsen als entwickelte: Konvergenz. Langfristig wird Wachstum von Technologie getrieben. Technologiediffusion ist daher entscheidend für Wachstum. Ausgangslage nach zweitem Weltkrieg: USA viel weiter entwickelt als andere Länder.  Hohes Aufholpotenzial konnte durch Investitionen und Technologietransfer realisiert werden 1. Konvergenz (Temin 2002) Erweiterung durch Temin : Sektoraler Wandel in Europa um 1945 noch nicht abgeschlossen. Großer Anteil der Arbeiterschaft um 1945 noch in der Landwirtschaft tätig (ua als Resultat faschistischer Autarkiepolitik im Mitteleuropa). Dieser Sektor ist der unproduktivste: je grösser, desto höher das Wachstumspotential durch Verlagerung in andere Sektoren 2. Rekonstruktionshypothese (Janossy 1969) Schnelles Wachstum durch Rückkehr auf den alten Wachstumspfad. Dies führt über eine bestimmte Zeit zu extrem hohen Wachstums Ähnlich zu Solow/ Swan mit Kapitalverlust (durch Bomben, Demontagen etc.) 3. Der Institutionelle Blick – 2 Komponenten Auf nationaler Ebene Auf internationaler Ebene Arbeitnehmer und Arbeitgeber Internationale Organisationen wie vereinbaren eine „faire“ Teilung der der IMF und das System von Erlöse aus Produktivitätssteigerungen: Bretton Woods, die Europäische Starke und umfassende Gewerkschaften, die für gesamte Sektoren Löhne Zahlungsunion, die Montanunion aushandeln. und das GATT (Vorläufer der Welthandelsorganisation) Arbeitgeber haben starke Anreize, ermöglichen: Arbeitnehmer zu beteiligen (sehr geringe Arbeitslosigkeit!). 1. Stabilität von Währungen Tarifvertragsverhandlungen werden nicht 2. Wachsenden Handel und nur auf Lohnmaximierung ausgelegt, Effizienzgewinne sondern moderat geführt. Empirische Evidenz und Fazit: Hypothesen zum Goldenen Zeitalter Was sagt die empirische Forschung? Alle 3 Hypothesen wichtig, aber unterschiedlich wichtig für unterschiedliche Zeiten (zB Roses/ Wolf, OXREP 2021) Zunächst: Rekonstruktion extrem wichtig. Die Rekonstruktionshypothese kann auch Unterschiede zwischen Ländern gut erklären. Konvergenzprozess wird ab den 60er Jahren dominierend. Rekonstruktion dann eher abgeschlossen. Institutionelle Hypothese: schwerer quantifizierbar, hilft aber sowohl die spätere Phase als auch das Ende des goldenen Zeitalters zu erklären. Das „goldene Zeitalter“ und sein Ende Theorie in der Praxis Die gesamtwirtschaftliche Lage bis 1970 Hohe Investitionen und technologischer Fortschritt schufen mehr Arbeitsplätze und verringerten so die Arbeitslosigkeit (Technologiediffusion/Konvergenzhypothese). Gewerkschaften stärkten die Verhandlungsmacht von Arbeitern, was zu höheren Lohnabschlüssen führte (Verhandlung über gerechte Gewinnbeteiligung, vgl. VL 6). Arbeitskräfte kommen aus der Landwirtschaft (struktureller Wandel). Lohnverhandlung sind gemäßigt.  Verwenden wir das Arbeitsmarktmodel mit Preis und Lohnsetzung…. Das Goldene Zeitalter: Theorie in der Praxis Gewinnkurve verschob sich nach oben, weil die Produktivität rapide anstieg Die Lohnkurve verschob sich nach oben, weil die Verhandlungsmacht der Arbeiter gestiegen war aber gemäßigt, weil: informelle Vereinbarung zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern, die Zugewinne durch technologischen Fortschritt zu teilen, existiert. ein großes Arbeitskräftepotential aus der Landwirtschaft vorhanden ist (in D außerdem etwa 8 Mio. Flüchtlinge und Vertriebene nach 1945!). Kollaps des Nachkriegsabkommens Lohnkurve verschob sich immer weiter nach oben (Ende des sektoralen Wandels, in BRD: Mauerbau, Arbeiter verlangten höhere Reallöhne). Gewinnkurve verschob sich allmählich nach unten: Ölpreisschocks in den 1970ern Abnehmendes Produktivitätswachstum  Wir sind in einer Situation, in der die Arbeiter versuchen (C) als Lohn zu verhandeln, aber die inflationsstabilisierende Arbeitslosenrate von 4% auf 7 % steigt (BD) Hohe Arbeitslosigkeit durch Ölschocks und steigende Lohnforderungen Große Verhandlungslücke verschärft Inflation Wenig Spielraum für Investitionen, weil Reallöhne so hoch sind Kollaps des Nachkriegsabkommens Ab ca 1970: Stagflation Abbildung zeigt Inflation und Arbeitslosigkeit in entwickelten Volkswirtschaften Stagflation: Zustand in dem beides vorherrscht Hohe Arbeitslosigkeit Hohe Inflation Die Phillipskurve „verschwindet“ Das Ende des Goldenen Zeitalters Man kann das Ende des Goldenen Zeitalters deshalb als Angebotskrise verstehen: Ölkrise drückt Profite, verringert Investitionen. Hohe Verhandlungsmacht der Gewerkschaften drückt Profite, verringert Investitionen. Niedrige Investitionen führen zu stagnierender Produktivität (auf der Angebotsseite).  Der Öl-Schock und die stagnierende Produktivität machen eine Aufrechterhaltung des vorangegangen Systems unmöglich. 20 Min Pause Von Stagflation zur Finanzkrise Wie endete die Stagflation? Positive und negative Aspekte in Zeiten der Großen Moderation Die Reaktion auf Stagflation Politikmaßnahmen konzentrierten sich darauf, die Machtbalance von Unternehmern und Arbeitern zu ändern: 1. Restriktive Geld- und Fiskalpolitik: Der Staat drückte die aggregierte Nachfrage und tolerierte hohe Arbeitslosigkeit so lange, bis die Inflation wieder sank (in der VWL-Theorie: Rolle von Erwartungen (Lucas 1972, Sargent 1975, etc.)). 2. Verschiebung der Lohnkurve nach unten, durch Kürzungen in Arbeitslosenhilfen und Versuche, die Gewerkschaftsmacht einzuschränken. 3. Beginnende Deregulierung von Produkt-, Arbeits- und Kapitalmärkten. Dieses “Politikpaket” hatte verschiedene Auswirkungen auf die Wirtschaft. Hier sind einige… Folge I: Die Wiederauferstehung der Phillipskurve Ende der Stagflation Die Korrelation zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation (Phillipskurve) wurde seit den 1980ern wieder deutlich negativ Aber: sie blieb schwächer als vorher (siehe z.B. Blanchard, Cerutti und Summers 2015) Folge II: Die Große Moderation Empirische Regularität bezüglich der Volatilität von Wachstumsraten des BIP (=die Stärke der Konjunkturausschläge): Volatilität in den Wachstumsraten sehr hoch in den Zwischenkriegsjahren Hoch in der direkten Nachkriegszeit Volatilität merklich geringer seit der 1980er Jahre Dieses Phänomen wird Great Moderation genannt: Volatilität der Wachstumsraten sinkt. Quelle: Ritschl et al 2016 Folge II: Die Große Moderation - Erklärungsansätze Optimistisch Bessere Fiskal- und Geldpolitik (Bernanke) Wir messen GDP heute besser (Christina Romer) Pessimistisch Glück, keine große Rezession durch externe Faktoren wie z.B. Ölpreisänderungen gehabt zu haben (Stock & Watson) Struktureller Wandel hin zu Sektoren mit geringerer Volatilität (z.B. Ritschl et al.) Folge III: Ungleichheit, Beispiel USA Das Produktivitätswachstum steigt wieder. Geringe und stabile Inflation. Aber kaum Teilen der Gewinne mit den Arbeitern (Stagnation der Reallöhne). Geringe Reallöhne führen zu sinkender Arbeitslosigkeit und zunehmender Ungleichheit. Die Große Moderation als „Ruhe vor dem Sturm“ – 3 Empirische Beobachtungen 1. Anstieg der Schulden 2. Anstieg der Hauspreise 3. Anstieg der Ungleichheit  Waren dies Folgen der angebotsorientierten Politik?  Inwiefern hängen sie mit der Finanzkrise zusammen? Finanzderegulierung und Schuldenaufnahme Ia: Der Finanzakzelerator in der Theorie Ein Hauskredit ist ein Kredit mit Collateral (Sicherheit). Wenn Häuserpreise steigen, dann steigt der Wert der Sicherheit und man kann sich mehr leihen. Dies nennt man Finanzakzelerator. Es kann eine Blase entstehen. Dieser Kreislauf kann auch umgekehrt ablaaufen und zum „Teufelskreis“ in der Krise werden. Finanzderegulierung und Schuldenaufnahme Ib: Der Finanzakzelerator in der Praxis (USA) End of golden age of capitalism: 1973 140 120 Household debt to income ratio 100 House price index 80 (2005=100) 60 40 20 0 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Finanzderegulierung und Schuldenaufnahme II Ärmere Haushalte haben geringeres Vermögen und hohe Schulden. Daten für USA 2007 Wenn Kreditgeber steigende Hauspreise erwarten, vergeben sie eher Hypothekenkredite Manchmal wurden Kredite an Haushalte ohne jedes Eigenkapital gegeben (Sub-prime Borrowers) und die Kreditrisiken weiter verkauft Dies ist eine Folge von Banken-Deregulierung (und der Idee, das jeder ein Eigenheim besitzen sollte). Finanzderegulierung und Schuldenaufnahme III Schulden werden hier relativ zu GDP gemessen. Alle Schuldenarten steigen, va. aber Schulden im Finanzsektor und Schulden privater Haushalte. Finanzmarkt-Deregulierung IV – Übertragung in den Bankensektor Folgen der Deregulierung: Großzügig bewertete Häuser konnten als Sicherheiten genutzt werden, Haushalte mit geringeren und mittleren Einkommen wurden somit anfällig für fallende Hauspreise. Banken kauften und verkauften mehr Finanzanlagen, die auf gebündelten Hauskrediten basierten (mortgage-backed securities) und die in grossem Umfang auch Subprime-Hypotheken beinhalteten. Immer umfangreichere Kreditgeschäfte bei geringem Eigenkapital der Banken (leverage!) Die Folgen der Lohnpolitik – USA als Extrembeispiel Keine oder geringe Reallohnsteigerungen am unteren Ende der Einkommensverteilung. Ungleichheit steigt u.a., weil Kapital Rendite erwirtschaftet und Leute mit geringem Einkommen i.d.R. kein oder wenig Kapital haben. Von Stagflation zur Finanzkrise Die Finanzkrise als Folge von Wirtschaftspolitik Die Finanzkrise: Der Beginn im Immobilienmarkt Fall der Häuserpreise: 1. Angebot für Häuser kurzfristig unelastisch („Häuserproduktion reagiert kaum auf Nachfrage“) 2. Fallende Preise als Resultat (A B) 3. Erwartung von weiterem Preisverfall vertieft die Krise (BC) Der Akzeleratorprozess in der Krise Die Finanzkrise: Von der Immobilienkrise zur generellen Krise I Fallende Hauspreise ab 2006 lösten negativen Feedback-Prozess aus: Andere Investitionen und Konsum fielen (wealth targeting), besonders unter ärmeren Haushalten mit Subprime-Krediten. Spillover-Effekte auf den Finanzsektor durch Subprime Hypotheken (MBS). Investitionen fielen ebenfalls, was zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führte. Die Finanzkrise: Von der Immobilienkrise zur generellen Krise II Starker Schock für Konsum und Investitionen (vgl. Große Depression 1929). Rückgang bei Investitionen excl. Häusermarkt sogar am stärksten. Erwartungen extrem wichtig Die Finanzkrise: Von der generellen Krise zur Bankenkrise I Verbreitung von komplexen Finanzierungsinstrumenten (MBS, CDOs etc.) erschwerte die Bewertung von Finanzunternehmen (wie Banken, Versicherungen etc.). Dadurch stieg das Ausfallrisiko für Interbankenkredite enorm an. Banken bekommen extreme Liquiditäts- & Solvenzprobleme (nicht mehr einfach zu trennen). Die Finanzkrise: Von der generellen Krise zur Bankenkrise II Weitere Effekte, welche die Krise verstärken: Geringe Eigenkapitalquoten der Banken durch Deregulierung. Liquiditätsprobleme: das hohe Risiko einer Pleite führte dazu, dass Banken keine Kredite mehr vergeben wollten bzw. nur zu hohen Zinssätzen (Kreditklemme). “Fire sales” (erzwungener Verkauf von Wertpapieren) beschleunigte den Verfall von Wertpapierpreisen und führte zur Illiquidität und Insolvenz von Banken. Bank-run auf Northern Rock, Sept. 2007 Die Finanzkrise: Eindämmung der Krise Viele Banken waren hoch verschuldet und am Rande der Insolvenz. Staat versucht Bank Runs durch die Re-Kapitalisierung von Banken und öffentliche Garantien zu verhindern. Aktive Fiskalpolitik: Erhöhung der Staatsausgaben um Rückgang in Konsum und Investitionen abzufedern. Aktive Geldpolitik: Zinssenkungen, aber schnell unwirksam, da an der 0-Linie (Zero Lower Bound). Zentralbank beginnen Anleihen zu kaufen (Quantitative Easing). „Erwartungsmanagement“ (Draghi 2012: „whatever it takes“). Epoche Zeit Vorherige, Was Ökonomen Vor- Problem herrschende gelernt haben denker Meinung Märkte sind - Instabilität ist ein 1920er und Kollaps der inhärentes Merkmal selbst- Weltwirt- aggregierten der Wirtschaft korrigierend, - Aggregierte schaftskrise Nachfrage, effizient und Nachfrage kann hohe und durch sichern den persistente Politikmaßnahmen vollen Einsatz stabilisiert werden Arbeitslosig- von - Die Nachfrage ist keit wichtig Ressourcen Makroökonomische Das goldene Zeitalter des Bestimmtes Niveau an Seit den späten - Hohe Profite, Investitionen und hohes Friedman Lucas Sargent Lehren aus dem Produktivitäts- Kapitalismus Arbeits- 1960ern wachstum und losigkeit kann sinkende niedrige erreicht Profite, Arbeitslosigkeit Investitionen sind dauerhaft werden, schwer vereinbar indem durch und letzten - Die Angebotsseite Intervention abnehmendes ist wichtig ein Punkt auf Produktivitäts - Institutionen sind wichtig der Phillips- wachstum kurve gewählt Jahrhundert? wird Von der Märkte Finanzmarkt- - Schuldenbasierte Minsky Stagflation und Finanz- und Shiller können Immobilienblasen zur selbst- Hausmarktcrash Shin können - ohne Finanzkrise korrigierend 2008 geeignete Brunner und effizient Regulierungen - -meier sein, v.a. die Ökonomie destabilisieren Finanzmärkte; - Institutionen sind angebots- wichtig freundliche - Ebenso Geld und Institutionen Geldpolitik Zusammenfassung Einordnung der Krisen 1. Die Große Depression: Nachfragekrise 2. Ende Goldenes Zeitalter: Angebotskrise 3. Finanzkrise: Immobilien- und Bankenkrise Ökonomen haben aus den Erfolgen und Fehlern dieser drei Epochen gelernt Erfolgreiche Politikmaßnahmen in jeder Epoche konnten die folgenden Krisen nicht verhindern, haben sie zT mitverursacht Keine einzelne Denkschule hat Politikvorschläge, welche in jeder der Epochen alle Krisen verhindert hätten – stay tuned!