Traumafolgestörungen im Alter - PDF

Summary

This presentation details trauma-related disorders in older adults. It explores the historical context and experiences of child labor, potentially traumatic events, and their influence on aging individuals.

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Traumafolgestörungen im Alter Bildquelle: http://www.spiegel.de/fotostrecke/verdingkinder -in-der-schweiz-verdingt-und-vergessen- fotostrecke-140917.html Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 1 Lernziele der Veranstaltung Nach dem regelmässigen Besuch der Vorlesung und nach dem Studium des vorgegebenen Lernstoffes …... kenne ich die Geschichte des Verdingkindwesens in der Schweiz. … kenne ich die generellen wie auch die altersspezifischen Ausprägungen und Besonderheiten von Traumafolgestörungen. … kenne ich die diagnostischen Kriterien der komplexen PTBS. … weiss ich, welche Art von Forschung am Psychologischen Institut der UZH mit ehemaligen Betroffenen von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierung durchgeführt worden ist, und kann die Ergebnisse beschreiben. Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 2 Historischer Überblick Bildquelle: https://www.aargauerzeitu ng.ch/aargau/kanton- aargau/verdingkinder- Verdingkindwesen in der kein-geld-kann-das-je- wiedergutmachen- 130226424; Feldarbeit von sechs Buben aus der Armenerziehungsanstalt «Dorneren» ob Wattenwil Schweiz im Gürbetal in den 1950er-Jahren.; KEYSTONE © Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 3 Historischer Überblick (I) (Leuenberger & Seglias, 2008; Häfeli, Lengwiler, & Vogel Campanello, 2024; Barras, Jungo, & Sager, 2024; Knüsel, Grob, & Mottier, 2024) Verdingkindwesen vom 19. Jh. bis in die frühen 1980er- Jahre Kinder wurden durch Behörden von ihren Eltern weggenommen Harte (kinderunwürdige) Arbeit für Kost und Logis ohne Bezahlung „Kindersklaven“ Bildquelle: https://www.srf.ch/audio/passage/halts-maul-du-luegst- verdingkinder-in-der-schweiz?id=10287125 Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 4 Historischer Überblick (II) (Leuenberger & Seglias, 2008; Häfeli, Lengwiler, & Vogel Campanello, 2024; Barras, Jungo, & Sager, 2024; Knüsel, Grob, & Mottier, 2024) Gründe für Verdingung à „Verletzung der sozialen Norm“ Alleinerziehende Mutter Suchterkrankung von Vater/Mutter Ausgeprägte Armut Verwaisung Missbrauch innerhalb der Herkunftsfamilie Bildquelle: https://www.swissinfo.ch/ger/wissenschaft/gestohlene- kindheit/35383026 Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 5 Historischer Überblick (III) (Leuenberger & Seglias, 2008; Häfeli, Lengwiler, & Vogel Campanello, 2024; Barras, Jungo, & Sager, 2024; Knüsel, Grob, & Mottier, 2024) Bildquelle:https://www.swissinfo.ch/ger/wissenschaft/gestohlene-kindheit/35383026 Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 6 Historischer Überblick (IV) (Leuenberger & Seglias, 2008; Häfeli, Lengwiler, & Vogel Campanello, 2024; Barras, Jungo, & Sager, 2024; Knüsel, Grob, & Mottier, 2024) Zeiten der Not und Armut in der Schweiz Weltkriege und Wirtschaftskrise Mangel an (billigen) Arbeitskräften Landwirtschaftsarbeit gesetzlich nicht geregelt (bis 1978) Kinderarbeit war die Regel Bildquelle: https://www.bernerzeitung.ch/schwarzenburg-das-armenhaus- 852721664699 Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 7 Historischer Überblick (V) Bildquelle: https://www.swissinfo.ch/ger/wissenschaft/gestohlene-kindheit/35383026 Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 8 Historischer Überblick (VI) (Leuenberger & Seglias, 2008; Häfeli, Lengwiler, & Vogel Campanello, 2024; Barras, Jungo, & Sager, 2024; Knüsel, Grob, & Mottier, 2024) Arbeit à Sozialdisziplinierung „Die Arbeit war das Mittel, mit dem sich das arme Kind in die bürgerliche Gesellschaft integrieren sollte.“ (Leuenberger & Seglias, 2008, S. 22) Bildquelle: https://www.swissinfo.ch/ger/wissenschaft/gestohlene- kindheit/35383026 Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 9 Historischer Überblick (VII) (Leuenberger & Seglias, 2008; Häfeli, Lengwiler, & Vogel Campanello, 2024; Barras, Jungo, & Sager, 2024; Knüsel, Grob, & Mottier, 2024) „Begleiterscheinungen“ Entwurzelung Keine Freizeit Ausschluss von sozialen Kontakten Stigmatisierung, Scham und Minderwertigkeitsgefühle Keine höhere Schule Hunger,.... Bildquelle: https://www.swissinfo.ch/ger/wissenschaft/gestohlene- kindheit/35383026 Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 10 Bildquelle: https://www.republik.ch/2024/06/22/gesittete-grausamkeit „Mit der harten Arbeit, dem schlechten oder wenigen Essen, sogar mit den Schlägen hätten sie leben können, nicht aber ohne Liebe“ (Leuenberger & Seglias, 2008, S. 157) Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 11 Bildquelle: Viele Verdingkinder standen unter kirchlicher Aufsicht. (Foto: Paul Senn. FFV, Kunstmuseum Bern, Dep. GKS) https://reformiert.info/de/recherche/die-reformierten-arbeiten-eine-mitschuld-auf-16130.html Was ist der Einfluss aversiver, d.h. schwer belastender bzw. traumatischer Kindheitsereignisse auf die psychische Gesundheit im weiteren Lebensverlauf bzw. im höheren Lebensalter? Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 12 Spezifische Traumafolgestörungen im Alter Bildquelle: Genereller Überblick https://www.pinterest.de/pin/317855686183649030/ Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 13 «Stress» über die Lebensspanne bis ins hohe Lebensalter (Glaesmer, Gunzelmann, Brähler, Forstmeier, & Maercker, 2010; Höltge, Maercker, & Thoma, 2017; Spitzer et al., 2008; Thoma, & Maercker, 2021) Ältere Menschen haben häufig mehrere Traumata im Verlauf ihres Lebens erlebt und sind im höheren Lebensalter zusätzlich einem erhöhten Risiko für unterschiedliche psychosoziale Belastungen ausgesetzt. Kriegserfahrungen Tod von nahestehende Bezugspersonen Gefangenschaft Politische Verfolgung Armut Diagnose einer schweren Erkrankung Einsamkeit Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 14 Allgemeine Hinweise (Glaesmer, Sierau & Böttche, 2020; Thoma, Salas Castillo & Maercker, 2023) Traumatisierte Personen: erhöhte Inzidenz und Prävalenz demenzieller Veränderungen Ruhestand, Trauerfälle, gesundheitliche Probleme: können PTBS-Symptome verschlimmern Verdeckte Symptomatik: Altersbezogene Einschränkungen in Mobilität, Verkleinerung des sozialen Netzwerkes, langes Bestehen der Symptomatik oder normative Schlafveränderungen können Identifikation von PTBS-Symptomen (z.B. Vermeidungsverhalten, Entfremdungsgefühle) erschweren. Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 15 Prävalenz von spezifischen Traumafolgestörungen im Alter (Böttche & Knaevelsrud, 2017; Maercker et al., 2022; Thoma, Salas Castillo & Maercker, 2023) PTBS Tiefere PTBS-Prävalenz bei älteren in Vergleich zu jüngeren Personen (à trotz höheren Raten an traumatischen Erfahrungen in der Anamnese) Prävalenz: 2.5–6.5 % Sehr wenig Vielfach auch in sub-syndromaler Ausprägung (à 5.5–13.1 %) empirisches Wissen bezüglich CPTSD im Alter Komplexe PTBS (à CPTSD) Prävalenz vermutlich tiefer als bei jüngeren Personen (à CPTSD-Prävalenz: 0.5–13 %) Prävalenz vermutlich: 3.2–6.35 % Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 16 Traumafolgestörungen – Drei lebensspannenbezogene PTBS-Typen (I) (Höltge, Maercker, & Thoma, 2017; Thoma, Salas Castillo & Maercker, 2023) 1) Aktuelle Traumata und PTBS (beruht auf einem zeitnahen Trauma) Kriminelle Gewalterlebnisse (z.B. Einbruch, Überfall) Plötzliche körperliche Schäden (z.B. nach Sturz, Verkehrsunfall) oder (die Diagnose einer) lebensbedrohliche Krankheit „Dunkelbereich“ der Folgen von Aggression und Gewalt gegenüber pflegebedürftigen alten Personen Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 17 Aggression und Gewalt gegenüber pflegebedürftigen alten Personen (I) https://www.youtube.com/watch?v=QAsk6g9OHvQ Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 18 Aggression und Gewalt gegenüber pflegebedürftigen alten Personen (II) Quantitative Bevölkerungsbefragung pflegender Angehöriger: „40 % der befragten pflegenden Angehörigen geben an, mindestens ein Verhalten gezeigt zu haben, das als Gewalt einzustufen ist. Die Befragten geben häufiger an, psychische Gewalt (32 %), körperliche Gewalt (12 %), Vernachlässigung (11 %) oder freiheitsentziehende/-einschränkende Massnahmen (6 %) auszuüben. 24 % der Befragten sagen, sie hätten die pflegebedürftige Person angeschrien oder herumkommandiert, 16 %, sie hätten sie mit Worten eingeschüchtert oder bedroht.“ (Eggert, Schnapp & Sulmann, 2018, S.17) Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 19 Traumafolgestörungen – Drei lebensspannenbezogene PTBS-Typen (II) (Höltge, Maercker, & Thoma, 2017; Thoma, Salas Castillo & Maercker, 2023) 2) Chronische PTBS (beruht auf früheren Trauma-Erfahrungen) Vermutlich 5 % aller PTBS-Fälle im höheren Lebensalter Bei Älteren: Kriegs- und Fluchttraumata (inkl. Familientrennung, Trauer, Mangelerlebnisse) Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 20 Traumafolgestörungen – Drei lebensspannenbezogene PTBS-Typen (III) (Desmarais et al., 2020; Glaesmer, Sierau & Böttche, 2020; Höltge, Maercker & Thoma, 2017) 3) Verzögert auftretende PTBS (Trauma & PTBS nicht in zeitlichem Zusammenhang) ¼ aller PTBS-Fälle Im höheren Lebensalter durch Wegfall von sozialen Rollen und Verpflichtungen à mehr Zeit für Erinnerungen Nachlassen psychischer Stressbewältigungsmechanismen à erhöhtes Stresserleben Late-onset Alzheimer- und vaskuläre Demenz: erhöhen Risiko für ein verzögertes Auftreten, für ein Wiederauftreten oder für eine Verschlechterung einer bestehenden PTBS Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 21 Traumafolgestörungen (III) (Maercker, 2015) Zusammenhang Traumatisierungsalter und PTBS-Wahrscheinlichkeit Vulnerable Phase für PTBS Adoleszenz & (12.–20. Lebensjahr) 2. Gipfel der Vulnerabilität höheres Lebensalter = prä-traumatische Risikofaktoren für die Entwicklung einer PTBS in Reaktion auf eine traumatische Erfahrung. Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 22 Traumafolgestörungen (IV) (Fischer et al., 2023; Glaesmer, Sierau & Böttche, 2020) à Keine Konstanz der (klassischen) PTBS-Symptomatik über die (Lebens-)Zeit Chronisch fluktuierende Verläufe der PTBS- Symptomatik Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 23 Traumafolgestörungen (V) (https://icd.who.int/browse11/l-m/en; Abbildung aus Maercker, 2019) Akzidentelle Traumen Man-made Traumen (Zwischenmenschliche Traumen) Typ-I- Verkehrsunfälle Kriminelle und körperliche Gewalt Traumen berufsbedingte Vergewaltigungen (z. B. Polizei, Feuerwehr) Zivile Gewalterlebnisse kurz- Arbeitsunfälle (z. B. Banküberfall) dauernde Kurzdauernde Naturkatastrophen (z. B. Wirbel-sturm, Blitzeinschlag) Typ-II- Langdauernde Naturkatastrophen sexuelle und körperliche Traumen (z. B. Flut, Erdbeben) Misshandlungen in der Kindheit Bildquelle: lang- Technische Katastrophen Geiselhaft https://www.republicworld.com/world-news/russia-ukraine- dauernde/ crisis/the-trauma-of-loss-dot-experts-contemplate-impact-of-russia- (z. B. Giftgaskatastrophen) Kriegserlebnisse wiederholt ukraine-war-on-mental-health-articleshow.html Folter und politische Inhaftierung Massenvernichtung (KZ-/Vernichtungslagerhaft) Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 24 Traumafolgestörungen (VI) – Komplexe PTBS (https://icd.who.int/browse11/l-m/en) ICD-10 ICD-11 (F62.0 Anhaltende Persönlichkeits- 6B41 Komplexe PTBS veränderung nach Extrembelastung) Häufig man-made Typ-II Trauma: sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlungen in der Kindheit Kernsymptome PTBS Affektive Dysregulation: Erhöhte emotionale Reagibilität, gewalttätige Ausbrüche Erneutes Wiedererleben des Traumas Negatives Selbstkonzept: Überzeugung von sich Vermeidung selbst als schwach, zerbrochen und wertlos Anhaltende Wahrnehmung einer erhöhten Problematische Beziehungen: Schwierigkeiten, aktuellen Bedrohung Beziehungen aufrechtzuerhalten Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 25 Traumafolgestörungen (VII) (Höltge, Maercker, & Thoma, 2017; Thoma, Salas Castillo & Maercker, 2023) Altersspezifische Besonderheiten Erinnerungen an Trauma(-ta) weniger angst- und affektbesetzt (Kollektives) Trauma als trauriger Schicksalsschlag à Bagatellisierungstendenz PTBS-assoziierte Symptome wie Entfremdungsgefühle, Vermeidungsverhalten, Schlaf- und Konzentrationsstörungen durch altersbedingte Veränderungen „überdeckt“ Scham, Unwissenheit über PTBS „Do it yourself“-Ideal der älteren Generationen Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 26 Traumafolgestörungen (VIII) (Höltge, Maercker, & Thoma, 2017; Thoma, Salas Castillo & Maercker, 2023) Mögliche Folgen Ältere Personen sprechen PTBS-assoziierte Symptome häufig nicht an, weil sie diese als normale Erscheinungen des Alterns interpretieren und dadurch weniger negativ erleben. Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 27 Traumafolgestörungen im Alter Ehemalige Verdingkinder Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 28 Studien mit Betroffenen von Fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierung (FZUF) Übergeordnete Fragestellung Was ist der Einfluss von aversiven, d.h. schwer belastenden bzw. traumatischen Kindheitsereignissen auf die psychische Gesundheit im höheren Lebensalter? 1. Kohorte (Maercker et al.): 2011–2013 (N = 141 ehemalige Verdingkinder) 2. “Kohorte” (Höltge et al.): 2016 (N = 12 ehemalige Verdingkinder) 3. Kohorte (Thoma et al.): 2019–2022 (N = 253 Betroffene von FZUF inkl. ehemalige Vedingkinder, Kontrollgruppe) Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 29 1. Kohorte (Maercker et al.) 2011–2013 (I) (Kuhlman et al., 2013) Stichprobe N = 141 ehemalige Verdingkinder Geschlechterverteilung: 41 % Frauen Aktuelles Alter: M = 77 Jahre (61–101 Jahre) Durchschnittsalter bei Verdingungsbeginn: M = 5.7 Jahre Dauer der Verdingung: M = 11 Jahre (inkl. M = 3 Pflegefamilien) Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 30 1. Kohorte (Maercker et al.) 2011–2013 (II) Krammer et al. 2016 Hauptfragestellung Wie hängen Kindheitstraumata mit Symptomen der klassischen und komplexen PTBS in einer nicht-klinischen Stichprobe ehemaliger Verding- kinder zusammen? Explorative Fragestellung Sind Assoziationen zwischen Kindheitstraumata und komplexer PTBS mit der „sozialen Anerkennung als Opfer“ und der „dysfunktionalen Enthüllung“ zu finden? Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 31 1. Kohorte (Maercker et al.) 2011–2013 (III) Krammer et al. 2016 Aus: Krammer et al., 2016, S. 599 Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 32 1. Kohorte (Maercker et al.) 2011–2013 (IVa) „Social Acknowledgment“ / Soziale Anerkennung (als Opfer) à Assoziiert mit Erholung nach Trauma à Salutogenetischer Faktor nach Traumatisierung Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 33 1. Kohorte (Maercker et al.) 2011–2013 (IVb) „Social Acknowledgment“ / Soziale Anerkennung (als Opfer) Bildquelle: http://www.ncrp.us/welcome-home- parade/https://www.history.com/news/vietnam-war- veterans-treatment Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 34 1. Kohorte (Maercker et al.) 2011–2013 (IVc) „Social Acknowledgment“ / Soziale Anerkennung (als Opfer) https://www.srf.ch/news/schweiz/ich-bitte-sie-von-ganzem-herzen-um-entschuldigung Bildquelle: https://www.beobachter.ch/g esellschaft/administrativ- versorgte/verdingkinder- endlich-etwas-gerechtigkeit Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 35 1. Kohorte (Maercker et al.) 2011–2013 (V) Social Acknowledgment Questionnaire (SAQ) Drei Subskalen Allgemeine Anerkennung z.B. „Bedeutende Personen des öffentlichen Lebens aus meinem Wohnort (z.B. Bürgermeister, Pfarrer) haben mir nach dem Vorfall ihre Anteilnahme ausgedrückt.“ Familiäre Infragestellung z.B. „Meine Familie findet meine Reaktion nach dem Vorfall übertrieben.“ Allgemeine Infragestellung z.B. “Irgendwie bin ich seit dem Vorfall nicht mehr ein ‚normales‘ Mitglied der Gesellschaft.“ Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 36 1. Kohorte (Maercker et al.) 2011–2013 (VI) Krammer et al. 2016 à Resultate Es gibt signifikante Assoziationen zwischen Kindheits- Aus: Krammer, Kleim, Simmen-Janevska & traumata und Symptomen der klassischen und der Maercker, 2016, S. 599 komplexen PTBS Gefundene Effekte sind stärker für Symptome der klassischen PTBS als für Symptome der komplexen PTBS (à unerwartetes Ergebnis) Soziale Anerkennung und dysfunktionale Enthüllung mediieren diesen Zusammenhang zum Teil Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 37 1. Kohorte (Maercker et al.) 2011–2013 (VII) Küffer, Thoma & Maercker, 2016 Hauptfragestellungen Wie hängen Kindheitstraumata der Elterngeneration mit der psychischen Gesundheit ihrer (erwachsenen) Kinder zusammen? à Transgenerationale Traumaweitergabe? Welche Faktoren übersetzen diesen potenziellen Zusammenhang? à Elterliches Erziehungsverhalten? Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 38 1. Kohorte (Maercker et al.) 2011–2013 (VIII) Küffer, Thoma und Maercker, 2016 à Resultate Kinder von ehemaligen Verdingkindern berichten häufiger von physischem Missbrauch und einer höheren Anzahl von Kindheitstraumata Jedoch nicht mehr „Psychopathologie“ im Vergleich zu Kontrollen Problematisches Erziehungsverhalten der Eltern: à Mütter und Väter: weniger emotionale Wärme à Mütter: mehr bestrafend Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 39 Studien mit Betroffenen von Fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierung (FZUF) Übergeordnete Fragestellung Was ist der Einfluss von aversiven, d.h. schwer belastenden bzw. traumatischen Kindheitsereignissen auf die psychische Gesundheit im höheren Lebensalter? 1. Kohorte (Maercker et al.): 2011–2013 (N = 141 ehemalige Verdingkinder) 2. “Kohorte” (Höltge et al.): 2016 (N = 12 ehemalige Verdingkinder) 3. Kohorte (Thoma et al.): 2019–2022 (N = 253 Betroffene von FZUF inkl. ehemalige Vedingkinder, Kontrollgruppe) Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 40 Unterschiedliche Lebensverläufe nach schwierigen Erlebnissen in Kindheit und Jugend Das Projekt besteht aus drei Studien. Die Hauptstudie, eine Längsschnittsstudie, befasst sich mit einer Kohorte von Schweizer*innen mittleren und höheren Lebensalters, die von FZUF in ihrer Kindheit und/oder Jugend betroffen waren. Diese Studie untersucht die Folgen auf die weiteren Lebensverläufe der Betroffenen, auf ihre psychische und physische Gesundheit im Verlaufe der Zeit und die damit verbundenen Vulnerabilitäts- und Resilienzfaktoren. Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 41 3. Kohorte (Thoma et al.) 2019–2022 (I) Stichprobe Risikogruppe (RG) In Kindheit und/oder Jugend (bis zum 18. Lebensjahr) betroffen gewesen von FZUF für mindestens 1 Jahr N = 132 (~71 Jahre, 42 % Frauen) Kontrollgruppe (KG) Gleichaltrige, Nichtbetroffene N = 125 (~71 Jahre, 51 % Frauen) Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 42 3. Kohorte (Thoma et al.) 2019–2022 (II) Rekrutierung Risikogruppe (RG) Liste erstellt durch das Bundesamt für Justiz bei der Bearbeitung der Gesuche für Solidaritätsbeiträge (https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/gesellschaft/fszm/solidaritaetsbeitrag.html) Mund-zu-Mund-Propaganda von teilnehmenden Betroffenen Rekrutierung Kontrollgruppe (KG) Über UFSP-Probandenpool Über Bekannte von Studienmitarbeitenden Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 43 3. Kohorte (Thoma et al.) 2019–2022 (III) (Thoma et al., 2021a; Thoma et al., 2021b; https://www.nfp76.ch/de/ZYwwIq4IOWL9kQwd/projekt/projekt-thoma) Signifikante Gruppenunterschiede bezüglich Missbrauch und Vernachlässigung Physischer Missbrauch RG: 73.5 %; KG: 23.2 % Risikogruppe: Sexueller Missbrauch RG: 58.4 %; KG: 28.8 % Nicht nur insgesamt signifikant häufiger, Emotionaler Missbrauch RG: 81.1 %; KG: 49.6 % sondern auch Physische Vernachlässigung RG: 90.9 %; KG: 44.0 % schwergradiger und Emotionale Vernachlässigung RG: 98.4 %; KG: 72.8 % häufiger mehrfach traumatisiert. Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 44 3. Kohorte (Thoma et al.) 2019–2022 (IV) (Thoma et al., 2021a; Thoma et al., 2021b; https://www.nfp76.ch/de/ZYwwIq4IOWL9kQwd/projekt/projekt-thoma) Prävalenz von psychischen Störungen in der RG und KG 80 * 70 Kontrollgruppe Risikogruppe Aktuell 70 60 RG: 56.8 % * 50 KG: 36 % 46 40 38 * Vergangenheit 30 35 * 20 27 26 RG: 84.1 % 19 17 10 14 11 KG: 76.8 % 8 7 0 Angststörungen Depressionen Schlafstörungen PTBS Rauchen Psychosomatische Störungen Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 45 3. Kohorte (Thoma et al.) 2019–2022 (V) (Thoma et al., 2021a; Thoma et al., 2021b; https://www.nfp76.ch/de/ZYwwIq4IOWL9kQwd/projekt/projekt-thoma) Ehemalige Betroffene … 🩺 sind aktuell häufiger in medizinischer Behandlung 😷 leiden häufiger an körperlichen Krankheiten (z.B. Diabetes, Schlaganfall) 🧡 haben ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Probleme (z.B. Rauchen, Übergewicht) 😣 zeigen generell mehr Krankheitssymptome (z.B. körperliche Schmerzen) ⚡ berichten häufiger von körperlichen und psychischen Stresszuständen 😕 zeigen ein generell tieferes psychisches Wohlbefinden Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 46 Zusammenfassung Verdingkindwesen à schwarzes Kapitel der Schweizer Geschichte Traumata in der Kindheit werfen einen langen Schatten auf das Leben der Betroffenen (und darüber hinaus à transgenerationale Weitergabe) Traumafolgestörungen im Alter gekennzeichnet durch altersspezifische Besonderheiten (akute, chronische oder verzögert auftretende PTBS) und Besonderheiten in der klinischen Präsentation der Symptomatik Betroffene von FZUF (inkl. ehemalige Verdingkinder) à höheres Risiko für die Entwicklung von psychischen Störungen und körperlichen Beschwerden und Krankheiten Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 47 Buchtipps à Ergebnisse des NFP76 „Fürsorge und Zwang“ Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 48 Buch- und Filmtipps à Ehemalige Verdingkinder Leuenberger, M., Seglias, L. (Hrsg.) (2008). Versorgt und vergessen. Zürich: Rotpunktverlag. Reichenbach, P. (Produzent) & Wohlwend, L. & Honegger, A. Imboden, M. (Regisseur). (2011). Der (2004). Gestohlene Seelen. Verdingbub [Film]. Schweiz: Elite Film. Zürich: Huber Traumafolgestörungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 49 Referenzen (I) Avenir Suisse (2024). Sind die Gesundheitskosten der Jungen zu hoch? https://www.avenir-suisse.ch/sind-die-gesundheitskosten-der- jungen-zu-hoch/. Zugriff am 12. März 2024. Barras, V., Jungo, A., & Sager, F. (2024). Diffuse Verantwortlichkeiten Strukturen, Akteur:innen und Bewährungsproben. (Vol. 2). Schwabe. Bundesamt für Statistik (2024). 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