Toxikologie I - Teil I - freigeschaltet 2 PDF
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Universität Münster
2024
Uni Münster
Dr. Julian Schreiber
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Summary
These are notes from an introductory toxicology course at Universität Münster. The document covers general toxicology, types of poisons – including those of natural and man-made origin–, and explores mechanisms of toxicology, with information regarding exposure, routes, and effects. The notes were offered in winter semester 2024/2025.
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Toxikologie der Hilfs- und Schadstoffe I (anorganisch) © Uni Münster – Jan Lehmann Lehrveranstaltung nach AAppO Wintersemester 2024 / 2025 Dr. Julian Schreiber Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönl...
Toxikologie der Hilfs- und Schadstoffe I (anorganisch) © Uni Münster – Jan Lehmann Lehrveranstaltung nach AAppO Wintersemester 2024 / 2025 Dr. Julian Schreiber Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! I. Allgemeine Toxikologie Was ist Toxikologie? Toxicon (Gift), Logos (Lehre) Lehre der schädlichen Wirkungen von Stoffen auf Menschen, Tiere und Umwelt Aufgaben der Toxikologie 1. Identifizierung von Gefahren 2. Risikoabschätzung 3. Toxikodynamik / -kinetik 4. Quantitative Bestimmungen Generated with ChatGPT3.5. 6 Was ist ein Gift? Stoff, der bei lebenden Organismen dosis- und / oder speziesabhängig schädliche Wirkungen hervorruft (Noxe) Gefahrenpotential (qualitativ) Art der toxischen Wirkung “Alle Ding sind Gift und nichts ohn Gift. Allein Risiko Wahrscheinlichkeit die Dosis macht, dass Gefahrenpotential und Exposition ein Ding kein Gift ist.” entscheidend für Risiko Theophrastus Bombastus von Hohenheim „Paracelsus“ (1493-1541) Exposition Art (z.B. inhalativ, verschlucken) Häufigkeit (einmalig, wiederholt) Dauer Von Quentin Massys - http://euromin.w3sites.net/Nouveau_site/mineralogiste/biographies/pic/paracelse.htm, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43352 7 Aufgaben und Teilbereiche der Toxikologie Identifizierung der schädlichen Wirkung Qualitativ / Quantitativ Pestizide / Arzneimittel Rodentizide Nachweis von Schadstoffen Gewebe- / Umweltanalytik Wirkmechanismus Toxikodynamik Umwelt / Kosmetik Toxikologie Landwirtschaft Symptomcharakterisierung Grenzwertermittlungen Therapie- und Lebensmittel Forensik / Klinik Präventionsmaßnahmen Exposition, Antidote 8 (Nicht nur) Die Dosis macht das Gift Dosis Einmalig, wiederholt Expositionsweg Spezies Trivialmaß Entspricht circa… Insektizide / Rodentizide Tropfen (wässrige Lösung) 0,05 mL Wasserorganismen Teelöffel 5 mL Esslöffel 15 mL Entwicklungsstadium Schluck (Erwachsener) 30 mL Säugling Tasse 100 – 150 mL Kind Glas 200 mL Erwachsener Atemzug (Erwachsener) 500 mL Vorbelastung Chronische Erkrankung Organschädigung 9 Arten von Giften Nach Herkunft Natürlich / Synthetisch Reagenzien Industriechemikalien Nach Struktur Pilze Pestizide / Small molecules Pflanzen Pflanzenschutzmittel Peptide Gase Elemente / Metalle Natürliche Synthetische Nach Exposition Gifte Gifte Atemgifte Kontaktgifte Bakterien Haushaltschemikalien Oral wirksam Tiere Lebensmittel Arzneimittel Nach Wirkung Zellgifte Spez. Organwirkung Kanzerogen / teratogen 10 Abgrenzung Arzneimittel und Gift Therapeutische Wirkung eines Arzneimittels Ausreichende Dosis zur Plasmakonzentration Arzneimittel indikationsabhängigen Behandlung Therapeutische Breite Toxische Wirkung Bereich zwischen therapeutischer und toxischer Dosis Therapeutische toxische Wirkung Wirkung Enge ther. Breite Überdosierung Wechselwirkungen Zeit Risikobewertung notwendig 11 Giftwirkung Wirkung / Wirkmechanismus Toxikodynamik Toxikodynamik Toxikokinetik “Was macht das Gift “Was macht der Einfluss auf Toxikodynamik mit dem Organismus?” Organismus mit dem Gift?” Expositionsart / -dauer Expositionsphase Exposition Dosis Reaktivität Resorption Verlauf der Vergiftung Toxikokinetik Toxikokinetische Phase Distribution / Einfluss auf Toxikokinetik Exkretion Metabolisierung Geschlecht, Alter, Rasse Biotransformation Allgemeinzustand Toxikodynamische Kontaktart Phase Wirkort Toxische Wirkung 12 Expositionswege Expositionsweg Entscheidend für Toxikodynamik und -kinetik Umwelt, Pflanzen und Tiere Lebensmittel / (Trink)wasser Umwelt Verseuchte Böden (Kontakt) Herkulesstaude (Kontakt) Tierbisse / -stiche (lokal, systemisch) Oral / GIT inhalativ Lebensmittel, Wasser (oral) Textilien und Möbel dermal Textilien, Möbel Kontakt and inhalativ intravenös Industrie, Arbeit, Verkehr Kontakt and inhalativ Industrie, Arbeit und Verkehr 13 Arten der Vergiftungen Akute Vergiftung Kurzzeitige, maligne Giftaufnahme Häufig reversibel Toxizität Organ 150.000 – 200.000 Fälle pro Jahr in Deutschland Hepatotoxisch Leber Immunotoxisch Immunsystem Chronische Vergiftung Langzeitexposition Kardiotoxisch Herz Schleichender Beginn Myelotoxisch Knochenmark Langanhaltende, z.T. irreversible Symptome Kumulation des Giftes Nephrotoxisch Niere Neurotoxisch Nerven Lokale / Systemische Vergiftungen Begrenzte Giftwirkung auf der Haut, in der Pulmotoxisch Lunge Lunge, etc. Umfassende Giftwirkung im gesamten Organismus oder mehreren Organen 14 Toxikokinetik (Konzentrations)Veränderung eines Gift Giftes im Organismus über die Zeit Vgl. mit Pharmakokinetik Lunge Haut Magen (L)ADME-Modell (Liberation (Exposition)) Atmung Blut (Dünn)Darm Absorption (Resorption) Distribution Metabolismus Elimination Exkretion Körpergewebe Niere Leber Urin Stuhl 15 Resorption und Resorptionsmechanismen Giftaufnahme durch Zellen und Gewebe Passiv Carrier Aktiv Phagozytose 1. Passive Diffusion (konzentrationsabhägig) Hydrophobe Moleküle Ethanol, CO 2. Erleichterte Diffusion durch Carrier und Poren (konzentrationsabhängig) Kleine, hydrophile Moleküle MW 10 µm) Erythrozyt https://www.doccheck.com/de/detail/photos/42589-schema-der-menschlichen-lunge 17 Haut Grobstruktur der Haut Oberhaut (Epidermis) Hornschicht (Resorptionsbarriere) Körnerschicht Keimschicht Stachelzellschicht Basalschicht Lederhaut (Dermis) Kollagen, Haarwurzeln, etc. Unterhaut (Subkutis) Fettschicht Toxikologische Bedeutung Resortion lipophiler Stoffe und Stoffgemische durch passive Diffusion Kaum durchlässig für hydrophile Stoffe und Stoffe mit hohem MW Lokal wirksame Stoffe: Reizungen, Verätzungen https://flexikon.doccheck.com/de/Haut 18 Gastrointestinaltrakt (GIT) Grobstruktur des GIT Magen Dünndarm Organ Aufgabe Dickdarm Magen Ansäuerung der Nahrung, Mastdarm Proteindenaturierung und Verdau, Abtötung von Bakterien Peristaltik Pankreas Produktion von Rhythmische Kontraktion (exokrine Verdauungsenzymen Zunehmende Kontraktilität Funktion) (Lipase, Amylase, Transport und Zerkleinerung Proteasen) des Speisebreis Dünndarm Resorption (hauptsächlich Diffusion lipophiler Fremdstoffe) Toxikologische Bedeutung Dickdarm Wasser- und Elektrolyt- Resorption von Giften resorption, Stuhlbildung Lokale Wirkung auf Mastdarm Speicherung, Ausscheidung Schleimhäute von Stuhl Vaupel, P., Schaible, H.-G. & Mutschler, E. Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen. (Hirzel Verlag, 2017) 19 Leber Zentrales Stoffwechselorgan Produktion der Gallensäuren Entgiftung, Metabolismus, First-Pass-Effekt Speicherung von Glucose, Fetten, Vitaminen Eiweißbildung (Albumin, Gerinnungsfaktoren, etc.) Fettsynthese (Cholesterin, Triacylglyceride) Pfortader Venöses Blut Zufuhr der durch Magen und Darm resorbierten Stoffe First-Pass-Effekt Applikation ohne First-Pass-Effekt Injektion i.v., i.m., s.c., intrathekal Transdermal Inhalativ Bukkal, sublingual, nasal Z.T. rektal https://www.blutwert.at/leberwerte/leber.php 20 Metabolismus: First-Pass und Biotransformation Umwandlung von Stoffen durch Stoffwechselprozesse Hauptsächlich Leber Darm, Plasma, Lunge, etc. Phase-I- Häufig Umwandlung in hydrophilere Metabolit und inaktive Stoffe Phase-I-Reaktionen Arzneistoff, („Funktionalisierung“) Exkretion Toxin Oxidation, Reduktion, Hydrolyse Phase-II-Reaktionen (“Konjugation”) Glucuronsäure, SO42- Phase-II- Glycin, Glutathion S Metabolit Methylierung, Acetylierung Metabolisierung ist stoffspezifisch 21 Distribution und Verteilungsräume Transport des Giftes durch den Körper (Verteilung) Blutzellen 4% Verteilung über Blutbahn + Plasma 6% = Blut 10 % Abhängig von Stoff- und Gewebeeigenschaften + Interstitium 25 % = Extrazellularraum 35 % Stoffeigenschaften + Intrazellularraum 65 % Molekulargewicht = Gesamtkörperwasser 100 % Lipophilie Säure-Base-Eigenschaften Proteinbindung Plasma Gewebe frei frei Gewebeeigenschaften Durchblutung Gewebe-pH Membranpermeabilität Proteingebunden Proteingebunden 22 Lipophilie und Verteilungsvolumen Log P Wert Verteilungskoeffizient Methanol -0,8 zwischen Wasser und Ethanol -0,1 Octanol = Ibuprofen 3,5 >1 lipophiler 500 Da lipophile Verbindungen Galle Entero- hepatischer Kreislauf Lunge (pulmonal) volatile Stoffe (Anästhetika) Haut Lunge Niere Darm Haut (dermal) Ausschwitzen, absondern Schweiß Luft Urin Stuhl Abschuppung (Desquamation) 24 Niere Aufgaben der Nieren Kontrolle des Wasser- und Elektrolythaushalts Ausscheidung hydrophiler Substanzen Rückresorption wichtiger Substrate Blutdruckregulation Funktion des Nephrons Lokalisiert im Nierenmark Ca. 1 Mio pro Niere 180 l Primärharn pro Tag Filtration über das Nierenkörperchen Aktive Sezernierung von anionischen / kationischen Fremdstoffen Rückresorption von Wasser, Elektrolyten, Glucose https://next.amboss.com/de/search?q=niere&v=overview&m=ETY8so https://doi.org/10.52778/9783804740549 25 Enterohepatischer Kreislauf Gallenblase Speicherung und Eindickung des Gallensekrets Gallensäuren dienen der Fettverdauung (Emulgierung, Mizellbildung) Eliminierung von Fremdstoffen über die Galle (biliär) Darm-Leber-Kreislauf Aktive Sezernierung von Galle in den Dünndarm von Gallensäuren und Gallensäurenkonjugaten Rückresorption nach Sezernierung über die Galle Starke Verlängerung der biologischen Halbwertszeit Reduktion der Elimination Bedeutend für bestimmte Stoffe MW >500-700 Vitamine (B12), Arzneistoffe und Gifte https://doi.org/10.52778/9783804740549 26 Bioverfügbarkeit Ausmaß und Geschwindigkeit mit der eine Verbindung nach Plasmakonzentration Resorption unverändert am [%] = 100 Wirkort verfügbar ist... Resorptions- / Distributionsphase sowie Eliminationsphase Toxische Wirkung Latenz-, Wirk-, Abklingzeit cmax Therapeutische Wirkung Ermittlung durch area under the Wirkzeit curve (AUC) Latenzzeit Abklingzeit AUC Angabe als F [%] AUCx beliebige Applikation Zeit AUCi.v. intravenös Resorptions- und Eliminationsphase Distributionsphase (Metabolismus, Exkretion) 27 NOAEL und LOAEL No / lowest observed adverse effect level Basis für Grenz- und Resorption Metabolismus Richtwerte Distribution Exkretion NOAEL Schnelle Exkretion Höchste Dosis ohne signifikant Schnelle metabolische Inaktivierung toxische Effekte im Vergleich Langsame / geringe Resorption zur Kontrollgruppe Geringe Gewebepenetration LOAEL Niedrigste Dosis mit signifikant toxischen Effekten im Vergleich Gewebeakkumulation zur Kontrollgruppe Gesättigte Biotransformation Statistische Erfassungsgrenze einer toxischen Wirkung Schnelle und hohe Resorption Unzureichende Organfunktion 28 Toxikodynamik Wirkung eines Giftes auf Cl Cl Dichlordiethylsulfid den Organismus / auf Zellen S („Lost, Senfgas“) Charakterisierung Cl Cl Letalität S 100 % Symptomatik Wirkdauer 50 % Wirkort (lokal, systemisch) Cl LD50 Cl Wirkmechanismus S Dosis-Wirkungs-Beziehungen (ir)reversible Schäden? Dosis Ionenkanäle, z.B. Ach- Zielstrukturen (Targets) Membranen GPCR, etc. Esterase DNA / RNA Organellen Membranen Membranproteine Lösliche Proteine DNA / RNA U.v.m. (z.B. Melittin) (z.B. TTX, Ergotamin) (z.B. Sarin) (z.B. Aflatoxine) (z.B. CN-) 29 Pharmakologisch-Toxikologische Größen Dosis-Wirkungs-Kurven Log [Konzentration] gegen Effekt Charakterisiert durch Steilheit, Wendepunkte und obere Asymptote Wendepunkte ED50: Dosis halbmaximaler (therapeutischer) Effekt TD50: 50% der Versuchstiere zeigen LOEL Toxizitätsanzeichen LD50: 50 % der Versuchstiere sterben LOAEL Therapeutisches Fenster NOEL NOAEL Konzentrationsbereich zwischen minimaler therapeutischer Wirkung und minimaler toxischer Wirkung Therapeutic index (TI) TI = TD50 / ED50 https://derangedphysiology.com/main/cicm-primary-exam/required-reading/pharmacodynamics/Chapter%20413/therapeutic-index-ed50-td50-and-ld50 30 Prüfverfahren der Toxikologie Aufwand Kanzerogenität Chronische Toxizität Reproduktionstoxizität Toxizität bei wiederholter Gabe Pharmakokinetik Akute Toxizität (systemisch, lokal) Mutagenität Zeit Wochen Monate Jahre 31