Schizophrenie I PDF
Document Details
Uploaded by AdaptableOak1405
MSB
Tags
Summary
This document provides an overview of schizophrenia, covering various aspects such as symptoms, subtypes, and treatment options, as well as background details of genetic and other factors. It is likely a lecture or educational resource focused on the medical field.
Full Transcript
## 1. Störungsbilder in ICD-10 und ICD-11 ### Störungsbilder im ICD-10 - Schizophrenie (F20) mit verschiedenen Subtypen - Schizotype Persönlichkeit (F21; wird bei den Persönlichkeitsstörungen besprochen) - Anhaltende wahnhafte Störung (F22) - Akute vorübergehende psychotische Störung (F23) - Induz...
## 1. Störungsbilder in ICD-10 und ICD-11 ### Störungsbilder im ICD-10 - Schizophrenie (F20) mit verschiedenen Subtypen - Schizotype Persönlichkeit (F21; wird bei den Persönlichkeitsstörungen besprochen) - Anhaltende wahnhafte Störung (F22) - Akute vorübergehende psychotische Störung (F23) - Induzierte wahnhafte Störung (F24) - Schizoaffektive Störung (F25) ### Änderungen im ICD-11 kennen ### Störungsbilder im ICD-11 - Schizophrenie (6A20) ohne Subtypen, sondern mit Beschreibung der Symptompräsenz, des Schweregrades des Verlaufs - Schizoaffektive Störung (6A21) - Schizotype Störung (6A22) - Akute vorübergehende psychotische Störung (6A23) - Wahnhafte Störung (6A24) - die induzierte wahnhafte Störung kann nicht mehr separat kodiert werden, sondern kann ggf. als wahnhafte Störung erfasst werden ## 2. Schizophrenie ### Diagnosekriterien nach ICD-10 - Merkmale auswendig können - einen Monat lang entweder mindestens ein Merkmal unter (1) oder zwei Merkmale unter (2): - (1) - Gedankenlautwerden, -eingebung, -entzug, -ausbreitung (passiv) - Kontroll- / Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten; Wahnwahrnehmungen (die mein Verhalten kommentieren, rote Fliege des Nachrichtensprechers ist ein Zeichen an mich) - dialogische oder kommentierende Stimmen; Stimmen aus einem Körperteil (2 Stimmen, die über mich sprechen) - bizarrer Wahn (Patient kann von Wahn nicht abgebracht werden, bizarr = nicht mit der Realität vereinbar zB.: Nachbarin hat mir einen Chip implantiert) - (2) - sonstige anhaltende Halluzinationen jeder Modalität begleitet von Wahn oder überwertigen Ideen (durch gute Argumente kann der Patient abgebracht werden) - Gedankenabreißen, Zerfahrenheit, Danebenreden, Neologismen - katatone Symptome - negative Symptome (z.B. Apathie, Alogie, inadäquate Affekte, Asozialität) - wenn Patienten auch die Kriterien der F32 oder F30 erfüllen, müssen der Symptome unter a zuvor aufgetreten seien; Symptome nicht durch FO, F1x.0,2,3,4 verursacht ### Epidemiologie - Punktprävalenz: 0,3–0,5% - Lebenszeitrisiko: 1–2% der Bevölkerung; vergleichbare Häufigkeiten in allen Kulturen - Geschlecht: ♂:♀ 1:1 (in manchen Studien diskret höherer Anteil an Frauen) - Häufigkeitsgipfel: Männer ► 15. –24. LJ, Frauen ► 25. –34. LJ - im Kindesalter ca. 2% der Fälle; nach dem 40. LJ (Spätschizophrenie) ca. 20% der Fälle ### Ätiologie/Pathogenese: Genetische Faktoren - Polygenie und unvollständige Penetranz (Einwirken von Umweltfaktoren und anderen Faktoren, verschiedene Gene, muss nicht auftreten) - Hinweise auf Kopplung an DNA-Marker an den Chromosomen 1, 5, 6 (Dysbindin: 6p22), 8 (Neuregulin: 8p12-21), 13 (G72: 13q22-34), 18, 22 (Gene müssen nicht gelernt werden) - Proteine beeinflussen Embryonalentwicklung des Gehirns und Glutamat-Neurotransmission ### Ätiologie/Pathogenese: morphologische Faktoren - **strukturell** (cCT, cMRT): erweiterte Ventrikel 1-3 (reliabelster Befund), Atrophie frontal, frontotemporal, limbisch; inkonsistente Korrelationen zur Symptomatik (geringere Gehirnmasse) - **strukturell** (post-mortem): verminderte Dichte und abnorme Anordnung von Neuronen im Kortex und limbischen System; Hinweise auf Migrationsstörung in Ontogenese - **funktionell** (PET, fMRT): Hypofrontalität assoziiert mit Chronizität und Defizitsymptomen; verminderte Aktivierung bei neuropsychologischen Aufgaben ### Hirnstrukturelle Veränderungen im Verlauf - Veijola et al. (2014). Longitudinal Changes in Total Brain Volume in Schizophrenia - **Erstuntersuchung:** Gesamtvolumen bei SZ -3% - **Längsschnitt: nach 9 Jahren** | Region | Schizophrenie | Kontrollen | P* | | |-----------------------|-------------------|----------------|-------------------|-----| | Frontal lobe | -0.31 (0.21) | -0.24 (0.13) | 0.07 | gelb = nicht signifikant | | Parietal lobe | -0.21 (0.21) | -0.15 (0.13) | 0.053 | | | Temporal lobe | -0.22 (0.17) | -0.14 (0.07) | 0.001 | | | Occipital lobe | -0.35 (0.29) | -0.30 (0.24) | 0.34 | | | Cerebellum | -0.33 (0.19) | -0.34 (0.15) | 0.75 | | | Lateral ventricles | -0.35 (0.43) | -0.21 (0.16) | 0.02 | | ### Ätiologie/Pathogenese: neurochemische Faktoren - **Dysbalance mehrerer Transmittersysteme:** - mesokortikale dopaminerge Unteraktivität (Negativsymptome) - mesolimbische dopaminerge Überaktivität (Positivsymptome) - serotonerge Überaktivität - Verminderung der glutamatergen Neurotransmission - **Hypothesen über Transmitterstörungen abgeleitet von Modellpsychosen:** - Amphetaminpsychose (dopaminerg) - LSD-Psychose (serotenerg) - Ketaminpsychose ### Ätiologie/Pathogenese: Dopaminhypothese der Schizophrenie - **bei Patienten mit Schizophrenie:** - Unterfunktion des mesocorticalen Systems → bedingt direkt Negativsymptome - konsekutiv verminderte Aktivierung der glutamaterger Neurone sowie der GABAergen Inhibition - übermäßige Aktivierung des mesolimbischen Dopaminsystems → bedingt Positivsymptome - **Implikation:** Negativsymptome treten zuerst auf; dies ist nicht immer nachweisbar ### Ätiologie/Pathogenese: neurologische und neuropsychologische Faktoren - **neurological soft signs:** Störungen der Feinmotorik („clumsiness“) bei ca. 50% der Patienten und Angehörigen 1. Grades, Sakkadierung der langsamen Augenfolgebewegungen (abgehackte Blickbewegung = Sakkaden) - **neuropsychologische Befunde:** - Schizophrene sind in vielen kognitiven Leistungen schlechter (Konzentration, Merkfähigkeit, exekutive Funktionen) - neuropsychologische Defizite auch bei abgeklungenen Symptomen (starker prädiktiver Wert, erst dann negativ Symptome ein Marker für Schizophrenie... psotiv Symptome eher seltener Marker) - Korrelationen a.e. zu negativen Symptomen - Hinweise, dass die Defekte ein trait / Risikomarker sind (sind bereits früh erkennbar - Leistungstests in der Schule, alle 2-3 Jahre. Wenn Leistung im Verhältnis zu Mitschülern abflacht (kein MOTIVATIONSVERLUST darf vorliegen), dann kann das ein Hinweis auf Vulnerabilität für Schizophrenie) ### Ausmaß neuropsychologischer Beeinträchtigungen - **globale kognitive Beeinträchtigung:** im Mittel um ca. SD 1,5 zur gesunden Norm verschoben - **besonders ausgeprägte Defizite in** - Aufmerksamkeit - verbalem Gedächtnis - exekutiven Funktionen - **antipsychotische Medikation meist mit:** - allenfalls geringen positiven, teils mit negativen Effekten - **ca. 25% der Patienten zeigen normwertige Leistungen** ### Ätiologie/Pathogenese: gestörte familiäre Kommunikation - Entwertung und häufige Kritik, untergründige Feindseeligkeit, Kombination mit entmündigender Überprotektion („expressed emotion“) - Diskordanz zwischen geäußerter Mitteilung und verdeckter Botschaft („double bind“) - Rollendiffusion, z.B. Kind als Ersatzpartner ### Ätiologie/Pathogenese: Entwicklung und Persönlichkeit - **Entwicklungsdefizite:** - können sich an keine Situationen in der Kindheit detailliert erinnern = fehlen des Biografischen Gedächtnisses, dies führt zu Ich-Schwäche - Ich-Schwäche - Trennungs- und Individualisierungsprobleme in den ersten Lebensjahren - Persistieren der Mutter-Kind-Symbiose (Kind als Ersatzpartner) - „broken home“ (zerrüttete Familien) - **Persönlichkeit:** asthenisch-schizoider Typ mit Distanz, Reserviertheit, geringem emotionalen Kontakt, hoher Empfindlichkeit und Schwierigkeiten im Umgang mit Emotionen ### Ätiologie/Pathogenese: sonstige Faktoren - **Life Events:** belastend oder entlastend, z.B. Todesfälle, Verlust- und Trennungssituationen, sexuelle Begegnungen, Prüfungen (Verhaltenstherapie, um zu lernen, mit stressigen Situationen umzugehen und den Ausbruch der Schizophrenie zu verringern) - **pränatale mütterliche Infekte:** Nordhalbkugel ► mehr Kranke in Wintermonaten (Januar bis März) geboren; Südhalbkugel ► mehr Kranke in den Sommermonaten (Juli bis September) geboren (wegen der Entzündungsfaktoren, die in der Blutlaufbahn sind und durch die Nabelschnur ins Kind übertragen werden können) - **soziale Schicht:** Einfluss eher gering, möglicherweise eher Drift (Verlust des Status durch Erkrankung) - **Umwelt:** höheres Risiko in Städten ### Symptome: Einteilung nach Bleuler - Einteilung in **Grundsymptome** (grundlegend und charakteristisch) und **akzessorische Symptome** (passager und komplizierend) - **Grundsymptome** - (Merke: „4 A“, also Assoziationen, Affekte, Ambivalenz, Autismus) - formale Denkstörungen: u.a. Störungen der Assoziationen (Gedanken brechen ab) - Störungen der Affektivität: u.a. inadäquate Affektivität (Parathymie), verflachte Affekte, Ambivalenz (Empfindung absolut gegensätzlicher Gefühle) (traurige Geschichte, Patient lacht aber) - Ich-Störungen: u.a. Autismus (Rückzug aus der Wirklichkeit, überwiegendes Binnenleben), Entfremdungserlebnisse (Depersonalisation, Derealisation) (Extremitäten fühlen sich fremd an, Die Welt fühlt sich fremd an) - **akzessorische Symptome** - Wahn (Verfolgung, Beeinträchtigung, Kontrolle, Vergiftung, Größe) - Halluzinationen (Sinnestäuschungen, Trugcharakter kann nicht erkannt werden) - katatone Symptome (starr, oder Patient wach jedoch nicht ansprechbar) ### Symptome: Einteilung nach Schneider - Einteilung in **Erstrangsymptome** (beweisen beim Ausschluss einer organischen Ursache eine Schizophrenie, sind aber nicht obligat) und **Zweitrangsymptome** (können, müssen aber nicht vorliegen) - **abnorme Erlebensweise** - **Halluzinationen** - dialogisierende, kommentierende, (imperative) Stimmen, Gedankenlautwerden (Gedanken können von anderen gehört werden, jeman beeinflusst mich, leibliche Beeinflussungserlebnisse, Körper wird bestrahlt) - sonstige akustische Halluzinationen (Koenästhesien im engeren Sinne, Tiere unter der Haut, die Gänge graben -> hier gibt es keinen Faktor von außen, also nieman der mich beeinflusst, optische, olfaktorische oder gustatorische Halluzinationen) - **schizophrene Ich-Störungen** - Gedankeneingebung, -entzug, -ausbreitung; Willensbeeinflussung (Gedanken stecken andere an) - **Wahn** - Wahnwahrnehmung (einer realen Wahrnehmung eine besondere, objektiv nicht existente Bedeutung im Sinne einer Eigenbeziehung zugeschrieben) (Der Nachrichtensprecher mit seiner roten Fliege, Darüber wird eine Nachricht mitgeteilt) - können nicht genau benennen, was nicht stimmt - einfache Eigenbeziehung (Verstimmung mit ängstlich-misstrauischer Färbung), Wahneinfall (Manifestation konkreter Wahnideen, später tauchen dieser immer wieder aut) ### Symptome: Faktorenanalytische Einteilung - drei (bzw. vier) distinkte Symptomgruppen: - **Positivsymptome:** produktive Symptomatik mit Wahn und Halluzinationen sowie Störungen des Ich-Erlebens - **Negativsymptome:** die „A“s - **Desorganisation:** formale Denkstörungen, Inkongruenz von Denken und Handeln, katatone Symptome teils auch hier eingegliedert - **zusätzlich:** Hinweise auf vierten Cluster affektives Syndrom (depressive oder maniforme Symptomatik) ### Symptome: Positivsymptome - **= Paranoia** - **Wahn:** krankhafte falsche Beurteilung der Realität, die erfahrungsunabhängig auftritt und an der mit subjektiver Gewissheit festgehalten wird ► wird also nicht durch bessere Erfahrung korrigiert; bizarrer Wahn widerspricht jeder Lebenserfahrung, nicht bizarrer Wahn kann in der Realität vorkommen (aber auch teilweise kulturabhängig) - **Halluzinationen:** Sinnestäuschungen, die alle Modalitäten betreffen können und für real gehalten werden (Stimmen, Akoasmen, Zönästhesien, andere) - **Störungen des Ich-Erlebens:** Störungen, bei denen die Ichhaftigkeit des Erlebens verändert wird oder bei denen die Grenze zwischen dem Ich und der Umwelt durchlässig erscheint; wie Gedankeneingebung, Gedankenentzug, Gedankenausbreitung ### Symptome: Negativsymptome - **Alogie** (Sprachverarmung): Verlängerung der Antwortlatenz, Wortkargheit; Ursache sind Denk- und Ausdrucksstörungen sowie gestörte Kommunikationsfähigkeit - **Affektverflachung:** Verarmung des Fühlens sowie der emotionalen Ausdrucks- und Reaktionsfähigkeit („die ganzen Gefühle / der Spaß sind weg“) - **Apathie:** Mangel an Antrieb und Energie, Interesselosigkeit, Abschwächung des Willens ( „mir fehlt der Schwung, etwas zu tun“) ► motivationaler Aspekt - **Anhedonie:** Unfähigkeit, Freude zu empfinden („ich kann mich nicht mehr freuen“) - **Asozialität:** eingeschränkte oder fehlende Konfliktfähigkeit durch Mangel an sozialen Kontakten - **Aufmerksamkeitsstörungen:** Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit ### Symptome: Desorganisation - **formale Denkstörungen:** Gedankenabreißen, Danebenreden (Antworten haben nichts mit der Frage zu tun), Zerfahrenheit (Wortsalat; die Sprache ist nahezu unverständlich und linguistisch desorganisiert, teilweise auch Neologismen) - **desorganisiertes Verhalten:** reicht von kindlicher („läppischer") Albernheit bis zu unvorhersehbarer Erregung, Probleme bei Alltagsaktivitäten - **katatones Verhalten:** Haltungsstereotypien (Einnahme bizarrer Körperhaltungen), Rigidität (Verharren in steifer Körperhaltung), Negativismus (Sperrung gegen oder Ausführung des Gegenteils vom Verlangten), Erregung (sinnlose motorische Aktivität ohne Außenreiz), Stupor (Nachlassen der Reagibilität auf die Umgebung), Echolalie, Echopraxie (Patient bleibt so liegen, wenn das Kissen unterm Kopf weggezogen wird, "Kommen Sie mal mit" und da Patient bleibt stehen, motorische Reaktion werden wiederholt, Untersucher kratzt sich am Kopf, Patient kratzt sich am Kopf, Wiederholen, was der andere gesagt hat) ### Subtypen der Schizophrenie (ICD-10) - **Paranoid-halluzinatorische Schizophrenie** (ICD-10: F20.0) (ergo Positivsymptome) - **Hebephrene Schizophrenie** (F20.1) - **Katatone Schizophrenie** (F20.2) - **Undifferenzierte Schizophrenie** (F20.3) (keine prignante Symptome steht im Vordergrund) - **Postschizophrene Depression** (F20.4) (Nach der Schizophrenie eine Depression) - **Schizophrenes Residuum** (F20.5) (Rest einer Schizophrenie) - **Schizophrenia simplex** (F20.6) - **Sonstige Formen** (F20.8) ### Subtypen: Paranoid-halluzinatorische **Schizophrenie** - **allgemeine Kriterien der F20 erfüllt** - **Wahnphänomene oder Halluzinationen müssen vorherrschen** - **verflachter oder inadäquater Affekt, Katatonie oder Zerfahrenheit können vorkommen, dominieren aber nicht das klinische Bild** - **Beginn eher später (20–30 J)**; **Persönlichkeit bleibt bei spätem Beginn oft intakt; oft schizoide, sensitive Persönlichkeiten** - **häufigste Form der Schizophrenie** ### Subtypen: Hebephrene Schizophrenie - **allgemeine Kriterien der F20 erfüllt** - **Kriterium 1 oder 2:** (1) eindeutige und anhaltende Verflachung oder Oberflächlichkeit des Affekts, (2) eindeutige oder anhaltende Inadäquatheit des Affekts - **Kriterium 1 oder 2:** (1) zielloses, unzusammenhängendes Verhalten, (2) eindeutige Denkstörungen (weitschweifig, zerfahren) (beides kann bestehen) - **Halluzinationen oder Wahn können vorkommen, bestimmen aber nicht das klinische Bild** (qualitativ = Symptome können ähnlich sein, quantitativ = Auswirkung sollte unterschiedlich sein) - **Beginn in der Adoleszenz bzw. im frühen Erwachsenenalter (15–25 J) mit Leistungsknick;** in Vorstadien oft inadäquate Beschäftigung mit Religion, Philosophie, Esoterik, Parapsychologie ### Subtypen: Katatone Schizophrenie - **allgemeine Kriterien der F20 erfüllt** - **mindestens zwei Wochen lang eines oder mehrere Merkmale:** (1) Stupor, (2) Erregung (sinnlose Aktivität ohne Bezug zu Außenreizen), (3) Haltungsstereotypien, (4) Negativismus, (5) kataleptische Starre, (6) wächserne Biegsamkeit, (7) Befehlsautomatismen (automatisches Befolgen von Anweisungen) (Patient folgt den Aufforderungen nicht, wenn ich versuche den Arm des Patienten zu biegen und dies ganz schwer geht) - **Komplikation:** febrile (perniziöse) Katatonie (starke Muskelverkrampfung heizt den Körper auf, über 40 Grad, Muskel gehen kaputt, setzen Abfallprodukte frei, die Nieren und Organe schädigen, fiebrig, bösartig) - **Beginn häufiger im jüngeren Erwachsenenalter (15–25 J), oft plötzlich; prognostisch eher günstig** - **Dauer:** Stunden bis Wochen, unbehandelt auch Jahre; hierbei keine Amnesie! ### Subtypen: Undifferenzierte Schizophrenie - **allgemeine Kriterien der F20 erfüllt** - **keine F20.0-2,4-5 oder Symptome sind so zahlreich, dass Kriterien für mehr als eine Subgruppe F20.0-2,4-5 erfüllt** ### Subtypen: Postschizophrene Depression - **eine der F20.0-3 während der letzten 12 Monate vorliegend, aktuell nicht** - **eines der Kriterien der F20.0-3 muss noch da sein** - **depressive Symptomatik mindestens F32.0 (leichte Episode)** (mehr zu depressiven Störungen später) ### Subtypen: Schizophrenes Residuum - **in der Vergangenheit F20.0-3 vorliegend, aktuell nicht** - **mindestens vier negative Symptome** (Verlangsamung/Aktivitätsminderung, Affektverflachung. Passivität/Mangel an Initiative, Verarmung der Sprache, geringe nonverbale Kommunikation, verminderte soziale Leistungsfähigkeit und Körperpflege) - **chronisches Stadium einer früheren akuten schizophrenen Episode** (gedrückte Stimmung kommt bspw. nur bei Postschizophrene Depression vor, ist kein Negativsymptom. tritt die negative Stimmung neben den 4 negative Symptomen auf, dann reden wir von Komorbidität) ### Subtypen: **Schizophrenia** simplex - **schleichende Progredienz aller drei Merkmale:** (1) Veränderung der Persönlichkeit mit Rückzug und Interessenverlust, (2) allmählich zunehmende negative Symptome, (3) deutlicher Verfall sozialer Vollzüge, schulische, berufliche Leistungsfähigkeit - **niemals positive Symptome, nie Kriterien für F20.0-3 erfüllt** - **keine FO** (organische Störung) - **charakteristische Negativsymptomatik des Residuums ohne vorherige produktive Symptome** ### Subtypen: Koenästhetische Schizophrenie - **gekennzeichnet durch:** - **Koenästhesien** (bizarre Empfindungen; z.B. Nichtvorhandensein von Organen, Gefühl der Organschrumpfung, Levitation, motorische Bannungszustände) (gedanklich) - **Körperhalluzinationen** (z.B. Gefühl innerlich zu verbrennen, Spüren einzelner Blutgefäße, Verfaulen der Leber, elektrisiert-werden am Genitale) mit dem Kriterium des **von außen Gemachten** (fremde Mächte, ...) ### Einteilung der Schizophrenie (ICD-11) - **keine Subtypen mehr** (früher Annahme, dass man auschließlich eine Schizophrenie erleidet, in Längsschnittstudien zeigte sich aber, das man versch. Schizophrenien erleiden kann) - **moderneres Verständnis von Schizophrenie als einem Spektrum mit vielfältigen Symptompräsentationen, die über die Zeit variieren können** - **Beschreibung des Verlaufs:** erste Episode, mehrfache Episode, kontinuierlich - **Beschreibung der Symptome, quantitativ:** symptomatisch, in Teilremission, in Vollremission - **Beschreibung der Symptome, qualitativ:** Positivsymptome, Negativsymptome, depressive Symptome, manische Symptome, psychomotorische Symptome, kognitive Symptome ### Verlauf der Schizophrenie - **Beginn:** akut oder schleichend; falls schleichend oft Prodromalsymptome wie Wahnstimmung, Gefühl des Nichtfassbaren, Vermutung diffuser Veränderungen der Außenwelt, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, vages Denken, Antriebsminderung, Verstimmung, Leistungsinsuffizienz - **Verlauf:** kontinuierlich oder episodisch (schub- oder wellenförmig) - **Prognose:** Langzeitstudien zufolge Drittelregel ► 1/3 folgenlose Ausheilung, 1/3 mit Rückfällen und leichtem Residuum, 1/3 mit beträchtlichen bis schweren Dauerdefekten - Residualzustände ► hohe Variabilität, z.B.: (a) uncharakteristisch: Leistungsminderung, reduzierte Belastbarkeit, (b) Negativsymptomatik (Apathie, Affektverflachung), (c) mehr oder weniger milde Positivsymptome - im Laufe der Zeit oft Strukturverformung ► zunehmender sozialer Rückzug, realitätsferne, idiosynkratische Denk- und Erlebensweisen ### Diagnostik: Einführung - Prüfung der Störungskriterien insbesondere zur Abgrenzung von anderen Erkrankungen dem Kapitel der psychotischen Störungen - Ausschluss einer organisch bedingten bzw. substanzinduzierten Psychose - **obligat gemäß der S3-Leitlinie bei Erstmanifestation:** - körperliche / neurologische Untersuchung - Labor: Differential-Blutbild. Blutzucker und HbA1c, ALAT (GPT), GGT, Krea / eGFR. Natrium, Kalium, Calcium, BSG, CRP, TSH (Hämoglobin von Glucose gebunden, wichtig für Diabetis Unter-/Überzuckerung kann Psychosen auslösen, Leberwerte, Nierenwerte, Entzündungswerte, Schilddrüse) - Drogenscreening im Urin - strukturelle Bildgebung mit MRT (T1, T2, FLAIR), CT bei Nichtverfügbarkeit oder Kl (Zahlen/Buchstaben muss man nicht wissen in Klausur. BeReispielfrage: Was ist bei der Diagnostik von Schizophrenie obligat?) - **fakultativ gemäß der S3-Leitlinie bei Erstmanifestation:** - Lumbalpunktion bei Hinweisen auf sekundäre somatische Genese - Ausschluss von Infektionserkrankungen (HIV, Lues) - Neuropsychologische Untersuchung - EEG bei Hinweisen auf epileptisches Geschehen - in höherem Alter Demenzdiagnostik ### Differentialdiagnosen der Schizophrenie (ICD-10) - psychotische Symptome bei Demenz (F00-F03) - Delir ohne / bei Demenz (F05.0, F05.1) (akut) - organische Halluzinose (F06.0), organische katatone Störung (F06.1), organische wahnhafte Störung (F06.2) - substanzinduzierte Störungen (F1X; hier insbesondere F1X.5 oder F1X.7) - schizotype Störung / schizotype Persönlichkeitsstörung (F21) - wahnhafte Störung (F22) - akute vorübergehende psychotische Störungen (F23) (bei kurzem bestehen von Symptomen, zu kurz für eine Schizophrenie, beeinflussbare gesunde Person, die in einer Beziehung zu einer Schizophrenen Person ist, nimmt die **Erkrankung** an, Bei Trennung von der schizophrenen Person, kann die Störung wieder heilen) - induzierte wahnhafte Störung (F24) - schizoaffektive Störung (F25) - Wahn bei affektiven Störungen (F30.2/F31.2/F31.5/F32.3/F33.3) - pseudopsychotische Symptome bei Borderline-Persönlichkeitsstörung (F60.31) ### Therapieverfahren: Überblick - **Pharmakotherapie:** Antipsychotika (ggf. Benzodiazepine, Antidepressiva) - **nicht-invasive Stimulationsverfahren:** Elektrokonvulsionstherapie (EKT) - **psychotherapeutische und psychosoziale Interventionen:** - Psychoedukation - kognitive Verhaltenstherapie - neuropsychologische Therapie - Ergotherapie - ... ### Neurochemie und Pharmakotherapie - **Dysbalance telenzephaler Dopaminsysteme** - **1. mesolimbische Hyperaktivität:** verstärkte Aktivierung von (D2) Rezeptoren (► Positivsymptome) - **2. mesokortikale Hypoaktivität:** verminderte Aktivierung von D₁ Rezeptoren (► Negativsymptome) - Antipsychotika reduzieren Positivsymptome durch D2-Rezeptorblockade. Das mesokortikale Dopaminsystem und damit die Negativsymptome werden indirekt beeinflusst, z.B. durch Wirkung an Serotonin-Rezeptoren. ### Klassifikation der Antipsychotika - **Wirkprofil** - **klassisch** - **Potenz:** hoch (hohe Affinität für die Bindung an Rezeptoren, ergo, kleine Dosis geben, Haloperidol, Flupentixol) - **Potenz:** mittel (Chlorpromazin, Perazin, Melperon) - **Potenz:** niedrig (Pipamperon, Promethazin) - **konventionell**, **1st generation** - **atypisch** - **Potenz:** (Risperidon, Olanzapin, Aripiprazol) - **Potenz:** (Clozapin, Quetiapin) - **Potenz:** (Amisulprid) - **2nd generation**, wenn das Med **keine** Bewegungsstörung auslöst - **Wirkprofil:** - **klassisch:** höheres Risiko für extrapyramidalmotorische Störungen (EPMS) - **atypisch:** geringeres Risiko für extrapyramidalmotorische Störungen; teils **bessere** Wirkung auf Negativsymptomatik (extrapyramidal: Treppen steigen, Fahrrad fahren) - **Potenz / Potency** - Maß für die Aktivität einer Substanz: - Potenz korreliert mit D2-Affinität - Welche Dosis / Konzentration ist zum Erreichen eines definierten Effekts erforderlich? - **hochpotent:** geringe Konzentration erforderlich - **niedrigpotent:** hohe Konzentration erforderlich - Referenzsubstanz Chlorpromazin ### Pharmakodynamik der Antipsychotika - **Antipsychotika blockieren D2-Rezeptoren und reduzieren dadurch positive Symptome** (meist kompetitiver Antagonismus, Aripiprazol und Cariprazin sind Partialagonisten) - im Wettstreit mit dem Transmitter, Rezeptor wird nur geblockt, löst nichts aus - gehen an D2Rezeptor, blockieren Rezeptor, aber lösen Wirkung gering aus - dadurch könnten Negativsymptome behandelt werden, aber dort gibt es D1 Rezeptoren, demnach wirken die nicht - **zusätzliche Effekten** (erwünscht / unerwünscht) durch Blockade weiterer Rezeptoren (*angenommene* Wirkung) | Rezeptor | Haloperidol | Risperidon | Olanzapin | Amisulprid | Aripiprazol | (angenommene) Wirkung | |-------------|-------------|------------|-----------|-------------|-------------|-------------------------------------------------------------------| | D2-Rezeptor | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | Wirkung auf Positivsymptome, antidopaminerge Effekte | | m₁-Rezeptor | ✓ | ✓ | ✓ | | | anticholinerge Symptome, weniger frühe EPMS | | H₁-Rezeptor | | ✓ | ✓ | | | Sedierung, Gewichtszunahme durch **Fressattacken**, da Sattigungsgeruhi vertoren geht | | 5-HT2A-Rezeptor| | ✓ | ✓ | | ✓ | Sedierung, Wirkung auf Negativsymptome, weniger EPMS | | 5-HT2c-Rezeptor| | ✓ | ✓ | | | Gewichtszunahme, Wirkung auf Negativsymptome, weniger EPMS | | a₁-Rezeptor | | ✓ | ✓ | | | orthostatische Dysregulation | | | | | | | | *Auswahl von Rezeptoren mit bekannter Relevanz | | | | | | | | Daten von https://pdsp.unc.edu/; Länge der Balken basiert auf der Affinität als pK |