Regulatory Affairs & Kartellrecht Lernzettel PDF
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This document is a summary or notes on Regulatory Affairs and Kartellrecht. It focuses on legal management roles, regulatory compliance, relevant laws, and potential consequences of non-compliance. It seems to cover various aspects of business law including corporate governance and legal challenges.
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Regulatory Affairs & Kartellrecht – Nachbereitung / Lernzettel - Aufgaben als Legal Manager Management = „being effective through people“, man muss als Legal Manager „Do“, „Manage“ und „Lead“ beherrschen um alles was man zu erledigen hat, schaffen zu können Sorgfaltspflichten des UN...
Regulatory Affairs & Kartellrecht – Nachbereitung / Lernzettel - Aufgaben als Legal Manager Management = „being effective through people“, man muss als Legal Manager „Do“, „Manage“ und „Lead“ beherrschen um alles was man zu erledigen hat, schaffen zu können Sorgfaltspflichten des UN treffen angestellten LM auch, Pflicht zur Rechtstreue, § 93 AktG, § 43 GmbHG GF hat Pflicht zu organisieren, weil nicht möglich arbeitsteiligen Prozess alles selbst zu machen ◦ kann delegieren, muss es ordentlich machen und kontrollieren Aufgaben des LM bezüglich Einhaltung regulatorischer Vorhaben im Unternehmen ◦ Prozessimplementierung zur Überwachung regulatorischer Vorhaben ▪ Monitoring & Dokumentation ◦ Policies, Kommunikation und Feedback ◦ Beratung und Dienstleistung (der GF) ! Wieviel Wissen braucht der LM aus dem Bereich Regulatory Affairs um Aufgaben zu erfüllen? ◦ Gutes Überblickswissen ◦ Problemverständnis ◦ Struktur, Funktionswissen, Zeithorizont ◦ Muss ein Prozess implementiert werden? ◦ Wissensquellen → Lücken Eigenschaften eines LM um erfolgreich in Situationen zu sein bei denen es Verstöße gegen regulatorische Vorgaben gibt? ◦ Analytische Fähigkeiten, Rationalität ◦ Judiz, Gespür und Unparteilichkeit ◦ reflektiert an Sache/Problem gehen → was ist passiert? ◦ Kommunikationsfähigkeit Fazit: Straight Face Test → wäre es für mich ok, wenn es auf Seite 1 in der Zeitung stehen würde? Cost of Compliance: ist es ggf. günstiger Vorgaben mit Strafe nicht zu befolgen, als Geld dafür auszugeben sie zu befolgen? → Abwägung - Regulatorische Vorgaben Wird ein Unternehmen wirtschaftlich tätig, muss es eine Vielzahl regulatorischer Vorgaben beachten Regulatorische Vorgaben sind Gesetze, Vorschriften, Richtlinien, Standards, die staatlich erlassen und kontrolliert werden (kein Vertragsrecht, da dieses optional und ausschließbar ist) Es gibt eine große Bandbreite an Vorgaben. Ob diese für ein Unternehmen relevant sind, hängt von der Branche, dem Land (national/international) und zum Teil von der Größe des Unternehmens ab Um die Rechtstreue des Unternehmens sicherzustellen, müssen zunächst die einschlägigen Vorschriften herausgefiltert werden Problem: Regulierungen (der EU) bringen für UN nur Reduzierungen des Betriebsergebnisses wichtige regulatorische Vorgaben ◦ KI-VO: Zweck ist harmonisierter Rechtsrahmen für Entwicklung und Nutzung von KI ◦ LKSG: Ausweitung UN-Verantwortung auf gesamte Lieferkette, Vermeidung Rechtsverstöße ◦ Umweltrecht, z.B. WEEE-RL: soll Abfälle vermeiden und Ressourcennutzung verbessern ◦ ProdSG: Sicherheitsanforderungen für Produkte, die verkauft werden ◦ Geldwäschegesetz (GWG): frühzeitige Erkennung und Prävention von Geldwäsche ◦ HinSchG: gesetzlicher Rechtsschutz von Hinweisgebern und von Offenlegung Betroffenen - Pflicht sich an regulatiorische Vorgaben zu halten folgt aus §93 I 1 AktG Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bei Vorstand AG bei GmbH ergibt sich aus §43 I GmbHG Sorgfaltspflicht beinhaltet Legalitätspflicht ◦ „Aus der Legalitätspflicht folgt die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Einrichtung eines Compliance Management Systems, also zu organisatorischen Vorkehrungen, die die Begehung von Rechtsverstößen durch die Gesellschaft oder deren Mitarbeiter verhindern.” (OLG Nürnberg – Urt. v. 30. März 2022 (Az. 12 U 1520/19)) - Sanktionierung nach § 130 OWiG handelt der Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens (unter näher bezeichneten Voraussetzungen) ordnungswidrig, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig erforderliche Aufsichtsmaßnahmen unterlässt kann mit einer Geldbuße von bis zu einer Million Euro geahndet werden (§ 130 Abs. 3 OWiG) 130 OWiG beruht auf dem Gedanken, dass Inhaber wirtschaftlich tätiger Verbände verpflichtet sind, Normverstößen entgegenzuwirken, die ihrem Organisationskreis entstammen Für Bußen gegen Unternehmen, deren Repräsentanten eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen haben, gilt § 30 Abs. 1 OWiG. - Grundlagen Kartellrecht - Wirtschaftliche Grundlagen (Wettbewerbsmodelle) - Ordoliberalismus Kartellrecht bildet den notwendigen Ordnungsrahmen, in dem sich die Marktakteure frei entfalten dürfen Zweck des Kartellrecht liegt darin, die Wettbewerbsfreiheit der Marktakteure zu gewährleisten Also: Schutz des Marktes vor Selbstzerstörung Staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen sind unerwünscht, aber zulässig, wenn es dem Schutz der Handlungsfreiheit dient - Chicago School of Economics Stärkere Zurückdrängung des Staates: ◦ ordnungspolitische Interventionen sind unerwünscht ◦ Deregulierung steht im Vordergrund Kartellrecht dient der Konsumentenwohlfahrt Maßgeblich ist, ob Verhalten der Marktakteure effizient ist: ◦ Allokative Effizienz ◦ Produktive Effizienz Inzwischen nicht mehr in der ursprünglichen Stringenz vertreten („Post-Chicago-School“) - Vorteile der effektiven Kartellbekämpfung Das Bundeskartellamt geht davon aus, dass illegal Kartellabsprachen zu rund 15% überhöhten Preisen führen (bei internationalen Absprachen 18%) Das Bundeskartellamt schätzt, dass die eigene Tätigkeit im Bereich der Kartellverfolgung einen durchschnittlichen Verbrauchernutzen von 460 Mio. € jährlich generiert (konservative Schätzungen beziehen sich auf den Zeitraum von 2009-2014) Im Jahr 2020 wurden insgesamt 349 Mio. € Bußgeld mit Hinblick auf das Kartellverbot durch das Bundeskartellamt verhangen. Im Jahr 2021 105 Mio. € - Struktur des Kartellrechts - drei Säulen des Kartellrechts Kartellverbot: Unternehmen dürfen sich nicht absprechen, um den Wettbewerb zu beschränken Missbrauchskontrolle: Marktbeherrschende Unternehmen dürfen den Wettbewerb durch Ausbeutung und Behinderung nicht weiter einschränken Fusionskontrolle: Präventive Kontrolle, die der Entstehung marktbeherrschender Unternehmen vorbeugen soll - Regulierungsmodell – Tatbestände europäisches Kartellrecht: ◦ Art. 101 AEUV: Kartellverbot ◦ Art. 102 AEUV: Missbrauchsverbot ◦ FKVO: Fusionskontrolle Deutsches Kartellrecht: ◦ §§ 1, 2 GWB: Kartellverbot ◦ §§ 19, 20 GWB: Missbrauchskontrolle ◦ –§§ 35 ff. GWB: Fusionskontrolle - Regulierungsmodell – Rechtsfolgen Behördliche Durchsetzung: ◦ Europäische Ebene: Durchsetzung durch die EU-Kommission nach VO 1/2003 (Untersagung, Geldbußen, Zwangsgelder, Entflechtung) ◦ Deutsche Ebene: Durchsetzung durch die Kartellbehörden, meist Bundeskartellamt; Geldbußen nach §§ 81 ff. GWB, 130 OwiG Behördliche Durchsetzung: ◦ EU-KOM kann nur Verstöße gegen Art. 101, 102 AEUV verfolgen; für Verstöße gegen das GWB ist sie nicht zuständig ◦ BKartA kann Verstöße gegen deutsches UND europäisches Kartellrecht verfolgen, d.h. es kann eingreifen, wenn ein Verstoß gegen Art. 101, 102 AEUV vorliegt (Abstimmung mit der Kommission nötig) UND wenn ein Verstoß gegen §§ 1, 19, 20 GWB vorliegt ◦ 2019: Harmonisierung der behördlichen Durchsetzung auf EU-Ebene („ECN+ Richtlinie“); Umsetzung im Zuge der 10. GWB-Novelle kartellrechtliches private enforcement: ◦ EU-Ebene: ▪ Art. 101 II AEUV (Nichtigkeit der Kartellabsprachen) ▪ Schadensersatz-Richtlinie (2014/104/EU), die seit Anfang 2017 das Schadensersatzrecht harmonisiert ◦ – Deutschland: ▪ § 134 BGB (Nichtigkeit der Kartellabsprachen) ▪ §§ 33 ff. GWB (Unterlassungs- und Schadens ersatzansprüche, Umsetzung der EU- Richtlinie) - Das Kartellverbot - TB-Merkmale des Art. 101 AEUV Fünf geschriebene TB-Merkmale in Art. 101 I AEUV: ◦ Unternehmen ◦ Kartellrechtlich relevante Maßnahme ◦ Wettbewerbsbeschränkung ◦ Bezwecken oder Bewirken ◦ Zwischenstaatlichkeit Ungeschriebenes TB-Merkmal: Spürbarkeit Legalausnahme in Art. 101 III AEUV - Unternehmensbegriff Definition: Jede Einheit, die eine selbständige, wirtschaftliche Tätigkeit von gewisser Dauer ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform und Art der Finanzierung. Also: Funktionaler, weiter Unternehmensbegriff Problemfälle zur Vertiefung im Selbststudium: ◦ Mitglieder eines Konzerns ◦ Handelsvertreter ◦ Staatliche Betriebe - Erfasste Maßnahmen Vereinbarungen: Jede Willensübereinstimmung über das gemeinsame Verhalten am Markt, explizite Absprachen und „gentlemen‘s agreements“. Beschlüsse: Rechtsakte, durch die eine Unternehmensvereinigung ihren Willen bildet. Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen: Koordinierung zwischen Unternehmen ohne jegliche Bindungswirkung, die jedoch faktisch auf eine bewusste Zusammenarbeit hinausläuft - Wettbewerbsbeschränkung Definition: Verhinderung oder Einschränkung des Wettbewerbs für an Vereinbarung beteiligten oder vom Beschluss betroffener Unternehmen. Horizontale Wettbewerbsbeschränkung: Unternehmen befinden sich auf derselben Marktstufe Vertikale Wettbewerbsbeschränkung: Unternehmen befinden sich auf unterschiedlichen Marktstufen (vor- oder nachgelagerten Marktstufen) - Horizontale Beschränkungen Bei horizontalen Absprachen handelt es sich meistens um sog.Kernbeschränkungen („Hard-Core-Kartelle“) Beispiele: ◦ Preisabsprachen (s. Art. 101 I lit. a) AEUV), z.B. Festpreise, Mindestpreise oder Höchstpreise ◦ Künstliche Verknappung des Angebots (s. Art. 101 I lit. b) AEUV) ◦ Gebietsaufteilung (s. Art. 101 I lit. c) AEUV) ◦ Kundenaufteilung (s. Art. 101 I lit. c) AEUV) - Vertikale Beschränkungen Beispiele: ◦ Koppelung (s. Art. 101 I lit. e) AEUV) ◦ Vertikale Preisbindung ◦ Alleinbezugs- und Alleinvertriebsvereinbarungen ◦ Exportverbote ◦ Franchising ◦ Selektive Vertriebssysteme - Zweck oder Wirkung Die Maßnahme muss die Beschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken Bezwecken: ◦ Maßnahme zielt darauf ab, sich auf den Wettbewerb negativ auszuwirken ◦ Absichten der Parteien sind nicht entscheidend Bewirken: Eine Wettbewerbsbeschränkung tritt tatsächlich ein Bündeltheorie: Wettbewerbsbeschränkende Wirkung kann auch Maßnahmen zukommen, die für sich betrachtet unbedenklich sind, aufgrund des Zusammenwirkens aber zu einer Marktverschließung führen - Spürbarkeit Grundgedanke: Das europäische Kartellrecht soll nicht bei jeder Kleinigkeit eingreifen (Bagatellkartelle) Also: Die Maßnahme muss sich spürbar auf den Wettbewerb auswirken. Beurteilungsmaßstab ist die hypothetische Situation ohne die fragliche Wettbewerbsbeschränkung Entscheidend ist die De-minimis-Mitteilung der Kommission: ◦ Bei horizontalen Beschränkungen muss der insgesamt gehaltene Marktanteil über 10% liegen ◦ Bei vertikalen Beschränkungen muss der insgesamt gehaltene Marktanteil über 15% liegen - Rule of Reason Die sog. „rule of reason“ hat ihren Ursprung im US-amerikanischen Kartellrecht. Wirkungsweise: Im Tatbestand des Kartellverbots sollen die Vor- und Nachteile der Wettbewerbsbeschränkung gegeneinander abgewogen werden („Tatbestandsreduktion“). Aber: Die Lehre hat sich im europäischen Kartellrecht nicht durchgesetzt, weil eine Abwägung im Rahmen der Legalausnahme (Art. 101 III AEUV) stattfinden kann - Zwischenstaatlichkeit Das europäische Kartellrecht soll nur eingreifen, wenn der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird Unionsorgane legen das Merkmal weit aus: Wird der Warenverkehr mittelbar oder unmittelbar, tatsächlich oder potenziell in einer Weise beeinträchtigt, die mit den Zielen eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes unvereinbar ist? Fallgruppen: Beteiligung von Unternehmen aus verschiedenen Mitgliedsstaaten, Warenaustausch über Grenze, Größten nationalen Wettbewerber (bei Gefahr der Marktabschottung) Fallgruppen auch in den Leitlinien der Kommission - Deutsches Kartellverbot Mit der 7. GWB Novelle wurde das deutsche und europäische Kartellrecht angeglichen Anwendbarkeit des GWB: ◦ Regelungen: § 22 GWB und Art. 3 VO (EG) Nr. 1/ 2003 ◦ Es handelt sich um Kollisionsnormen, d.h. diese regeln, welche Rechtsordnung anwendbar ist ◦ Grundgedanke: Das GWB ist anwendbar, wenn der Wettbewerb in Deutschland beeinträchtigt ist (Grundsatz der Inlandsauswirkung) ◦ Durch die Parallelisierung der Vorschriften im Jahre 2003 sind beide Regelwerke nebeneinander anwendbar - Anwendbarkeit des GWB Das EU-Recht geht stets vor: ◦ was EU Recht erlaubt, kann deutsches Recht nicht verbieten ◦ Was EU Recht verbietet, kann deutsches Recht nicht erlauben Ausnahme: Missbrauchsverbot ◦ weitergehendes nationales Verbot möglich ◦ siehe § 22 Abs. 3 GWB, z.B. §§ 19, 20 Abs. 2 GWB - Struktur des Kartellverbots §1 GWB Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen, Prüfung: ◦ Unternehmen ◦ kartellrechtsrelevante Maßnahme (Vereinbarung, Beschluss, abgestimmte Verhaltensweise) ◦ Wettbewerbsbeschränkung ◦ Bezwecken oder Bewirken ◦ Spürbarkeit ◦ Tatbestandsrestriktionen: Immanenzgedanke ◦ Legalausnahme nach §2 GWB TB Merkmale des §1 GWB entsprechen in ihrer Prüfung weitestgehend denen des Art. 101 I AEUV - Immanenztheorie Grundgedanke: Jeder Vertrag beschränkt die Freiheit des Unternehmens, weil er zu einem Verhalten zwingt Also: Zulässig sind Klauseln, die den wettbewerbsneutralen Hauptzweck des Vertrags sichern Beispiel: Wettbewerbsverbote in Unternehmenskauf- und Gesellschaftsverträgen beschränken zwar den Wettbewerb, sind aber nötig, um den Vertrag sinnvoll durchführen zu können - Legalausnahme, Art. 101 III AEUV und §2 GWB Grundgedanke: Nicht jede Beschränkung des Wettbewerbs muss zwangsläufig verboten sein. Manche Maßnahmen können positive Auswirkungen auf den Markt haben. Also: Nach Art. 101 III AEUV und § 2 GWB sind Ausnahmen vom Kartellverbot zugelassen Art. 101 III AEUV gilt gem. Art. 1 II VO (EG) Nr. 1/ 2003 unmittelbar, d.h. es bedarf keiner Entscheidung der Kommission, dass eine Maßnahme zulässig ist Art. 101 III AEUV und § 2 GWB haben zwei positive und zwei negative TB-Merkmale: ◦ Angemessene Beteiligung der Verbraucher ◦ Verbesserung der Warenerzeugung oder Förderung des technischen Fortschritts ◦ Unerlässlichkeit der Beschränkungen ◦ Keine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs Enge Auslegung des Art. 101 III AEUV und § 2 GWB: Anwendbarkeit nur in Ausnahmefällen - Gruppenfreistellungsverordnungen Ausgangspunkt: ◦ TB-Merkmale des Art. 101 III AEUV sind nur schwer greifbar ◦ Legalausnahme greift nur selten ein Geltende Gruppenfreistellungsverordnungen: ◦ Vertikal-VO ◦ Technologietransfer-VO ◦ Versicherungssektors-VO ◦ FuE-VO ◦ Spezialisierungsvereinbarungen-VO Allgemeine Strukturen: ◦ Definition des Anwendungsbereiches: Auf welche Arten von Vereinbarungen bezieht sich die GFVO? ◦ Erfasste Maßnahmen sind im Ausgangspunkt freigestellt. ◦ Marktanteilsregelungen: Nicht freigestellt werden Maßnahmen bei Überschreitung einer bestimmten Marktanteilsschwelle ◦ Kernbeschränkungen: Maßnahmen, die jedenfalls nicht freigestellt werden und die die gesamte Vereinbarung infizieren Graue Klauseln: Maßnahmen, die nicht freigestellt werden, aber nicht die gesamte Vereinbarung infizieren - die Vertikal-VO (2022/720) Die Vertikal-VO (oder z.T. auch Vertikal-GVO) bezieht sich auf die vertikale Wettbewerbsbeschränkungen Regelungsgehalt: Vertikale Vereinbarungen bzw. vertikal abgestimmte Verhaltensweisen (Legaldefinition Art. 1 I lit.a) Vertikal-VO) Die Vertikal-VO stellt nach Art. 2 I UAbs.1 Vertikal-VO grundsätzlich alle vertikalen Vereinbarungen vom Kartellverbot frei Rückausnahmen: ◦ Marktanteilsschwelle, Art. 3 Vertikal- VO (5 Mrd. € ▪ jeweiliger gemeinschaftsweiter Gesamtumsatz von zwei beteiligten Unternehmen mind. 250 Mio. € ▪ Ausnahme für nationale Sachverhalte: Kommission ist nicht zuständig, wenn 2/3 des jeweiligen gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes aller beteiligten Unternehmen in einem und demselben Mitgliedsstaat erzielt wird ◦ Schwelle nach Art. 1 III FKVO ▪ gemeinsamer weltweiter Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen mind. 2,5 Mrd. Euro ▪ gemeinsamer Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen in drei Mitgliedsstaaten mind. 100 Mio. Euro ▪ jeweiliger Gesamtumsatz von zwei beteiligten Unternehmen in jedem dieser Mitgliedsstaaten mind. 25 Mio. € ▪ jeweiliger gemeinschaftsweiter Gesamtumsatz von zwei beteiligten Unternehmen mind. 100 Mio. Euro ▪ Ausnahme wie oben ◦ „One-stop-shop“-Prinzip: Ist gemeinschaftsweite Bedeutung zu bejahen, bedarf es in der EU keiner Fusionskontrolle durch die nationalen Kartellbehörden, vgl. Art. 21 III FKVO, § 35 III GWB ◦ Verhältnis zwischen EU-Fusionskontrollverordnung / §§ 35 ff. GWB ▪ Zusammenschluss mit unionsweiter Bedeutung (Art. 1 II oder III FKVO) Grundsatz: exklusive Anwendung der EU-Fusionskontrollverordnung durch die EU Kommission (Art. 21 Abs. 2 EU-Fusionskontrollverordnung, § 35 Abs. 3 GWB). Sog. „One-Stop-Shop“ Ausnahme Verweisungsmöglichkeiten nach Art. 4 Abs. 4 oder Art. 9 FKVO Ausnahme bei vorrangigen Interessen der Mitgliedsstaatlichen nach Art. 21 IV FKVO, z.B. öffentliche Sicherheit, Medienvielfalt und Aufsichtsregeln ▪ kein Zusammenschluss mit unionsweiter Bedeutung Grundsatz: Exklusive Anwendung der deutschen Fusionskontrollregeln Ausnahme: Verweisung an EU-Kommission nach Art. 4 V oder Art. 22 FKVO - Schritt 2: Materiell-rechtliche Beurteilung Prüfungsreihenfolge: ◦ Relevanter Markt ▪ Abgrenzung notwendig in: räumlich ◦ umfasst das Gebiet, in dem die Erzeugnisse und Dienstleistungen vertrieben werden und in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind, um eine Einschätzung der wirtschaftlichen Macht des betroffenen Unternehmens zu ermöglichen ▪ relevante Kriterien: Einheitlichkeit der Preise, Einheitlichkeit der Marktanteile, Kundenpräferenzen, Produkt-/ Markendifferenzierung, sprachliche Barrieren, regulatorische Schranken, technische Normen, Transportkosten sachlich ◦ umfasst sämtliche Produkte, die sich auf Grund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maß austauschbar sind ▪ Nachfragemarktkonzept (Bedarfsmarktkonzept), Angebotsumstellungsflexibilität ▪ relevante Kriterien: Eigenschaften, Preise, Verwendungszweck, Qualität und Verfügbarkeit des Produktes, Marktzutrittsoptionen ▪ insbesondere: SSNIP-Test („small but significant non-transitory increase in price“), d.h. Kreuzpreiselastizität ggf. zeitlich ◦ nur dann von Bedeutung, wenn zeitlich befristetes Angebot (bsp.: Unterhaltungsbranche) ◦ Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung ▪ Betroffener Markt ▪ Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung ◦ Wettbewerbsbeschränkungen ▪ Erhebliche Beschränkung signifikanten Wettbewerbs? ▪ Störung der Preisbildungsfunktion (Anreize zur Kostenerhöhung oder Kostensenkung) ▪ Rückgang Wettbewerbsdruck und damit erhöhter Verhaltensspielraum ▪ Fähigkeit und Anreize zur Marktabschottung (insbesondere bei vertikalen Zusammenschlüssen) Zulässigkeit Zusammenschluss nach Art. 2 FKVO Prüfungsmaßstab: ◦ wird der wirksame Wettbewerb erheblich behindert (SIEC-Test)? ◦ Anwendungsfälle: marktbeherrschende Stellung, koordinierte Effekte, nicht- koordinierte Effekte. ◦ Art. 2 FKVO: SIEC-Test („significant impediment to effective competition“) → Prüfung jede Behinderung wirksamen Wettbewerbs ▪ strukturbezogene Zusammenschlusskontrolle ▪ verhaltensbezogene Zusammenschlusskontrolle (Welches Marktverhalten ist nach dem Zusammenschluss von den Beteiligten und ihrer Konkurrenten zu erwarten?) ▪ Rückgang kompetitiver Prozesse (Wettbewerbsdruck)? ▪ Unterscheide SIEC-Test (Auswirkungen auf den Wettbewerb) und SSNIP-Test (Kreuzpreiselastizität) zur Abgrenzung des relevanten Marktes ▪ Die Abgrenzung des relevanten Marktes ist aber bei der Fusionskontrolle von Bedeutung für die spätere wettbewerbliche Beurteilung → Tests bei unterschiedlichen Prüfungsschritten angewendet ◦ bei horizontalen Zusammenschlüssen kann der Wegfall der Marktteilnehmer zur Behinderung des effektiven Wettbewerbs führen ◦ vertikale Zusammenschlüsse können zur Marktverschließung führen und somit den effektiven Wettbewerb beschränken bei konglomeraten Zusammenschlüssen kann es zu nicht koordinierten Effekten kommen Verfahren - Die Fusionskontrolle erfolgt in vier Phasen: Prenotifizierungsphase: Informelle Gespräche zwischen den Beteiligten und der Kommission, in der FKVO nicht geregelt Anmeldephase: Einreichung des Antrags und der Formblätter Vorverfahren (Phase I): Erste Prüfung des Vorhabens, die innerhalb von 25-35 Tagen abgeschlossen sein muss Hauptverfahren (Phase II): Prüfung des Vorhabens auf Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt, muss innerhalb von 90 Tagen abgeschlossen werden Entscheidung und Rechtsschutz - Entscheidungsmöglichkeiten: Freigabe des Zusammenschlusses Untersagung des Zusammenschlusses Freigabe mit Auflagen/Bedingungen - Rechtsschutz: Klagen nach Art. 263 ff. AEUV vor dem EUG Beteiligte Unternehmen sind ohne weiteres klagebefugt Dritte müssen konkret darlegen, wieso sie durch die Entscheidung der Kommission unmittelbar und individuell betroffen sind - Zusagenverfahren Zusammenschlussbeteiligte können Verpflichtungszusagen anbieten, die das Zusammenschlussvorhaben abändern, um alle wettbewerblichen Bedenken der EU-Kommission auszuräumen und eine Untersagung abzuwenden Kommission kann dann Freigabe unter Bedingung der Einhaltung der Zusagen erteilen Merkmale des Zusagenverfahrens: ◦ Zusagen in Phase 1 und Phase 2 möglich ◦ möglich: Veräußerungszusagen oder andere geeignete Abhilfemaßnahmen (z.B. Lizenzvergabe) ◦ starke Formalisierung (Mustertexte) ◦ Kommission prüft Zusagen i.d.R. durch Markttest auf Wirksamkeit ◦ Einsatz von Treuhändern („Monitoring Trustee“, „Divestiture Trustee“, „Hold Separate Manager“) während der Umsetzung der Zusagen - Verzugsverbot, Art. 7 FKVO bis Freigabe durch die Kommission darf ein Zusammenschluss nicht vollzogen werden Verboten sind bereits alle Handlungen, die der Umsetzung des Zusammenschlusses dienen, vor allem, wenn sie das Marktverhalten oder die Marktstruktur beeinflussen Verstoß ist bußgeldbewehrt; Rechtsgeschäfte sind schwebend unwirksam - Aktuelle Anpassungen (im digitalen Bereich) Digital Market Act (DMA): Zusammenschluss von Digitalunternehmen unterliegt strengeren Aufgreifkriterien 26. März 2021: Veröffentlichung Ergebnisse der Bewertung von Verfahrens- und Zuständigkeitsaspekten der EU-Fusionskontrolle durch die EU-Kommission. Nach Auffassung der Kommission, bedarf es keiner grundsätzlichen Änderungen der FKVO; hinsichtlich digitaler Plattformen sei Art. 22 FKVO ausreichend - Aufgreifkriterien im digitalen Bereich Problem: ◦ Aufgreifkriterien im deutschen und europäischen Recht sind traditionell umsatzbezogen ◦ Relevante Unternehmen erzielen kleine Umsätze ◦ insbesondere im digitalen Bereich ist nicht Umsatz entscheidend, sondern Kundenzahl (Netzwerkeffekte) ◦ Kartellbehörden fehlen Kontrollinstrumente ◦ Deutsche Lösung in der 9. GWB-Novelle (2017): neues Aufgreifkriterium, §35 Ia GWB ◦ Gesetzgeber hat mit dem Kriterium der Gegenleistung dem Umstand Rechnung getragen, dass insbesondere internetbasierte Anbieter, welche nur geringe Umsätze erwirtschaften, trotzdem ein erhebliches Wettbewerbspotenzial aufweisen können ◦ Beteiligten setzen weltweit mehr als 500 Mio. Euro um ◦ ein Unternehmen (meist Erwerber) setzt im Inland mehr als 50 Mio. Euro um ◦ anderes beteiligtes Unternehmen setzt weniger als 17,5 Mio.Euro um ◦ Gegenleistung beträgt mehr als 400 Mio. Euro ◦ Zielunternehmen ist im Inland in erheblichem Umfang tätig Deutsche Fusionskontrolle - Aufgreifkriterien Zuständigkeit des BkartA, §35 GWB ◦ weltweiter Umsatz aller beteiligten Unternehmen mind. 500 Mio. € ◦ ein beteiligtes Unternehmen hat im Inland einen Umsatz von mind. 50 Mio. € ◦ ein weiteres Unternehmen hat im Inland einen Umsatz von mind. 17,5 Mio. € - Formelle Fusionskontrolle Anmeldepflicht: einzelne Zusammenschlusstatbestände ◦ Vermögenserwerb, § 37 I Nr. 1 GWB ▪ unproblematisch sind Asset Deal und gesellschaftsrechtliche Verschmelzung ▪ Leitsätze für Prüfung: „Betriebliche Teileinheit, die im Rahmen der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Veräußerers qualitativ eine eigene Bedeutung hat.“ „Tragende Grundlage der Unternehmensstellung“ „Übertragung der Marktstellung“ ▪ Beteiligte Unternehmen: Erwerber und veräußerter Vermögensteil ◦ Kontrollerwerb, § 37 I Nr. 2 GWB ▪ gleichzeitiger Anteilserwerb ▪ Alleinkontrolle auch: Beteiligungen unter 50% aber mit Erwerb Stimmmehrheit ▪ Mitkontrolle Vetrorechte (Verhinderung wesentlicher strategischer Entscheidungen von Ziel-Ges) ▪ Beteiligte Unternehmen: Erwerber und Target; bei Mitkontrolle: alle, die mit kontrollieren ◦ Anteilserwerb, § 37 I Nr. 3 GWB ▪ Anteile an KapGes oder PersGes ▪ Beteiligung durch Treuhänder ▪ Erstmaliges Erreichen der jeweiligen Stufe: 1. Stufe: 25 % - 49,99 % 2. Stufe: 50 % - 100 % ▪ Beteiligte Unternehmen: Erwerber und Target (wichtig: Fiktion Gründung Joint Venture) ▪ Sonderfall: Gemeinschaftsunternehmen, § 37 I Nr. 3 GWB Erwerb gemeinsamer Kontrolle nicht notwendig Überschreitung Prozentschwellen ausreichend GWB fingiert horizontalen Zusammenschluss der MU auf dem Markt des Gemeinschaftsunternehmens (Umsatzberechnung) Beteiligte Unternehmen: Erwerber, Target, alle weiteren Gesellschafter, die 25% oder mehr der Kap-Anteile oder Stimmrechte halten ◦ Erwerb eines wettbewerblich erheblichen Einflusses, § 37 I Nr. 4 GWB ▪ Auffang-TB (z.B. bei Anteilserwerb unter 25% bei Vorliegen von Plusfaktoren) ▪ bloße Mitwirkungsrechte aus Gesellschafterstellung reichen nicht ▪ Leitsatz: „Erwerber und Zielgesellschaft treten als Folge des gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflusses nicht mehr unabhängig voneinander am Markt auf.“ ▪ Beteiligte Unternehmen: Erwerber und Target Besonderheiten der dt. im Vergleich zur EU-Fusionskontrolle ◦ auch die Überschreitung einer Anteilsschwelle von 25% ist anmeldepflichtig ◦ auch ein Anteilserwerb von unter 25% löst dann eine Anmeldepflicht aus, wenn damit ein für den Wettbewerb erheblicher Einfluss verbunden ist ◦ Gemeinschaftsunternehmen sind auch dann anzumelden, wenn sie keine Vollfunktions- Gemeinschaftsunternehmen sind - Materiellrechtliche Prüfung, § 36 GWB SIEC-Test Folge: im dt. Recht wohl so zu verfahren wie in FKVO - Verfahren Fusionskontrolle in drei Schritten ◦ Anmelde- und Anzeigepflicht ◦ Vorverfahren, § 40 I GWB: BKartA muss innerhalb 1 Monats entscheiden, ob es in die Prüfung eintritt; entscheidet es nicht, gilt die Freigabe als erteilt ◦ Hauptverfahren: BKartA muss innerhalb von vier Monaten prüfen, ob es den Zusammenschluss freigibt; entscheidet es nicht, gilt die Freigabe als erteilt ebenfalls gilt Vollzugsverbot nach § 41 GWB - Entscheidung und Rechtsschutz Entscheidungsmöglichkeiten ◦ Freigabe des Zusammenschlusses; wichtig: Freigabefiktion (nach Abmahnung) ◦ Untersagung des Zusammenschlusses ◦ Freigabe mit Auflagen/Bedingungen, § 40 Abs. 3 GWB ◦ Entscheidungen werden ausführlich begründet ◦ Bekanntmachung im Bundesanzeiger und auf Website Kartellamt Rechtsschutz ◦ Beschwerde gegen Entscheidung des BKartA zum OLG Düsseldorf, § 73 I GWB ◦ Rechtsbeschwerde gegen Entscheidung des OLG Düsseldorf zum BGH, § 77 I GWB ◦ Drittbeschwerden Beigeladener nach § 73 Abs. 1 GWB ◦ Einstweiliger Rechtsschutz, d.h. insbesondere Anordnung der aufschiebenden Wirkung, soweit diese nicht gesetzlicher Regelfall ist, §§ 66, 67 GWB - Ministererlaubnis, § 42 GWB Verfahren, § 42 III, IV GWB ◦ Antrag der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bei BMWi, § 42 III GWB ◦ Stellungnahme der Monopolkommission, § 42 IV GWB ◦ Entscheidung des Wirtschaftsministers, ggf. mit Bedingungen und Auflagen (§ 42 II GWB) ◦ Materiell-rechtliche Prüfung, § 42 I GWB: ◦ Gesamtwirtschaftliche Vorteile überwiegen die Wettbewerbsbeschränkung oder es liegt ein überragendes Interesse der Allgemeinheit vor ◦ Keine Gefährdung der marktwirtschaftlichen Ordnung - Änderungen durch die 10. und 11. GWB-Novelle Im Rahmen der 10. GWB-Novelle wurde 2021 zusätzlich der § 39a GWB eingefügt (sog. Aufforderungsregel) BKartA kann ein Unternehmen durch Verfügung verpflichten, als besonders gefährlich eingestufte Zusammenschlüsse in bestimmten Wirtschaftszweigen anzumelden (Fusionskontrolle nach § 36 Abs. 1 GWB) ◦ Erreichen bestimmter Schwellenwerte, ◦ BKartA muss zuvor eine Sektoruntersuchung nach § 32e GWB im betreffenden Wirtschaftszweig durchgeführt haben (Sektoruntersuchung ist Marktstudie zu den Strukturen und Wettbewerbsbedingungen) ◦ ab in Kraft treten der 11. GWB-Novelle geht der § 39a GWB in dem § 32f II GWB auf Durchsetzung des Kartellrechts - Grundzüge der Durchsetzung zwei Wege der Kartellrechtsdurchsetzung: ◦ behördliche Durchsetzung, zB. Durch die Europäische Kommission oder das Bundeskartellamt (public endorcement) ◦ Private Durchsetzung, zB. Kartelleinrede (§ 134 BGB), Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche (private enforcement) keine Bedeutung in Deutschland hat die strafrechtliche Sanktionierung (aber: Monopolkomission steht Strafen für Kartellrechtsverstöße positiv gegenüber). - Befugnisse der EU-Kommission Verfügungen nach Art. 7 VO 1/2003 ◦ Feststellung des Kartellverstoßes, Art. 7 I 1 und 4 VO 1/2003 ◦ Abstellung des Kartellverstoßes, Art. 7 I 1 VO 1/2003 ◦ Maßnahmen struktureller Art, Art. 7 I 2 und 3 VO 1/2003, zB Zerschlagung des Unternehmens (Resolution des EP) Einstweilige Maßnahmen nach Art. 8 VO 1/2003 Verpflichtungszusagen nach Art. 9 VO 1/2003 - Geldbußen Geldbuße nach Art. 23 II VO 1/2003: ◦ Schuldhafter Kartellverstoß notwendig ◦ Rechtsirrtum ist unbeachtlich: Unternehmen kann sich nicht auf Unkenntnis des Kartellrechts berufen ◦ Scharfe Sanktion: Bis zu 10% des Gesamtumsatzes aus dem Vorjahr; abzustellen ist auf den gesamten Konzern („wirtschaftliche Einheit“) ◦ Bemessung der Geldbuße nach den Leitlinien der Kommission Rekordfälle: ◦ 2009: Intel mit 1,06 Mrd. € (Marktmissbrauch) ◦ 2016: Lkw-Kartell zwischen 1997 und 2011, bestehend aus Daimler (1,09 Mrd. €), DAF (750 Mio. €), Volvo/Renault (670 Mio. €), Iveco (495 Mio. €) ◦ 2017-2019: Google (3x Marktmachtmissbrauch: 2,4 Mrd.€, 4,34 Mrd.€ und 1,49 Mrd.€) - Kartellrechts-Compliance Compliance: Ein System im Unternehmen, das zur Verhinderung von Rechtsverstößen dient Drei Säulen: ◦ Aufklärung der Mitarbeiter (Schulungen, Info-Broschüren) ◦ Überwachung des Unternehmens (Compliance-Officer) ◦ Sanktionierung der Verstöße (Kündigung, Schadensersatz) Die bloße Existenz eines Compliance-Systems führt nicht dazu, dass eine Geldbuße gemindert wird (sehr umstritten). - Kronzeugenregelung Regelung: Art. 4a VO EG 773/2004 und Kronzeugenmitteilung der Kommission Zweck: Unternehmen sollen sich selbst anzeigen und dafür belohnt werden, damit mehr Kartelle aufgedeckt werden. Unternehmen muss alle Informationen über das Kartell mitteilen und kooperieren. Erster Kronzeuge wird völlig befreit, weitere können auf Ermäßigung hoffen. - Dawn Raids Unter dem Begriff „dawn raids“ werden unangekündigte Durchsuchungen der Kartellbehörden bei Unternehmen verstanden. Zulässigkeit: Art. 20 ff. VO 1/2003 Untersuchung kann in Geschäftsräumen und in Privatwohnungen erfolgen. Kartellbehörde kann Beweismaterial durchsehen, kopieren und beschlagnahmen Vorbereitung: ◦ Verhaltensrichtlinien für Durchsuchungen (wer ist wofür zuständig?) ◦ Kommunikationswege und Liste mit Notfall-Kontaktdetails (externe Anwälte) ◦ „Dawn Raid Task Force” und „Shadow Team” ◦ Schulungen Durchsuchung ◦ Defensive Kooperation ◦ Dienstausweise und Durchsuchungsbeschluss prüfen ◦ keine Dokumente oder EDV-Dateien vernichten ◦ externe Anwälte beauftragen ◦ EDV-Spezialisten (forensisch) beauftragen ◦ Kopien sichergestellter Dokumente anfertigen Beendigung ◦ Abschlussbesprechung mit Sicherstellungsverzeichnis und Durchsuchungsprotokoll ◦ Sicherstellung und Beschlagnahme widersprechen ◦ Kontaktdetails des federführenden Beamten aufnehmen - Maßnahmen des BKartA Das BKartA kann ähnliche Maßnahmen ergreifen wie die EU-Kommission: ◦ Feststellung des Kartellverstoßes, § 32 I, III GWB ◦ Abstellung des Kartellverstoßes, § 32 I GWB ◦ Maßnahmen struktureller Art, § 32 II GWB ◦ Vorteilsabschöpfung, §§ 32 II a, 34 GWB ◦ Einstweilige Maßnahmen, § 32a GWB ◦ Verpflichtungszusagen, § 32b GWB ◦ Geldbußen, §§ 81 ff. GWB - Änderungen durch die 10. GWB-Novelle die Änderungen durch die 10.GWB-Novelle im Rahmen der Durchsetzung des Kartellrechts dienen hauptsächlich der Umsetzung der sog. ECNplus-Richtlinie Ziel: Steigerung der Effektivität der Kartellverfolgung und Harmonisierung der europaweiten Kartellrechtsdurchsetzung ◦ Stärkung der Kartellbehörden im gerichtlichen Bußgeldverfahren ◦ Kronzeugenprogramm findet gesetzliche Verankerung in §§ 81 h-n GWB ◦ Verpflichtung von Unternehmen und ihren Mitarbeitern zur Sachverhaltsaufklärung, §§ 59 ff. GWB ◦ Änderungen bei der Bußgeldzumessung, §§ 81 ff. GWB - Private Durchsetzung Rechtsquellen: ◦ EU-Ebene: Schadensersatz-RL ◦ nationales Recht: §§ 33 ff. GWB Zwei Arten des private enforcement: ◦ „Defensive“ Durchsetzung – Kartellverstoß als Nichtigkeitseinwand nach § 134 BGB ◦ „Offensive“ Durchsetzung – Geltendmachung von Ansprüchen - Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch ist in § 33 GWB geregelt ◦ Voraussetzung: vorliegender oder drohender Kartellrechtsverstoß (AEUV oder GWB) Verschulden ist nicht erforderlich Passivlegitimiert sind Betroffene (§ 33 III GWB) und qualifizierte Einrichtungen (§ 33 IV GWB) Schadensersatzanspruch ist in § 33a GWB geregelt Voraussetzungen: Kartellrechtsverstoß (AEUV oder GWB), Verschulden, Schaden Bei Kartellen wird Schaden vermutet, § 33a II GWB - Follow-on-Klage Ausgangspunkt: Aufdeckung von Kartellrechtsverstößen durch Private ist beinahe unmöglich Daher: Follow-on-Klage in § 33b GWB Mechanismus: ◦ Kartellbehörde (EU-KOM oder national) ermittelt den Rechtsverstoß und ergreift eine Maßnahme (Abstellungsverfügung, Bußgeld usw.). Entscheidung der Behörde bindet Zivilgerichte. Folge: Geschädigte können den Nachweis des Kartellrechtsverstoßes einfacher führen - weitere Sonderregelungen Passing-on-Defence in § 33c GWB: Schädige kann sich nicht ohne weiteres darauf berufen, dass der Kartellschaden auf weitere Marktstufe abgewälzt wurde Gesamtschuldnerische Haftung der Kartellbeteiligten in § 33d GWB Bevorzugung der Kronzeugen nach § 33e GWB Auskunftsansprüche der Geschädigten, § 33g GWB Sonderregelung zur Verjährung in § 33h GWB - Kartellrecht bei Arbeits- und Bietergemeinschaften Arbeitsgemeinschaft (ARGE): ◦ mehrere Unternehmen verpflichten sich einem Dritten gegenüber, eine Leistung zu erbringen ◦ Kauf-, Werk- oder Dienstvertrag; meist im Baugewerbe Bietergemeinschaft: ◦ mehrere Unternehmen geben gemeinsam ein Angebot zur Erbringung einer Leistung ab ◦ erhält die Gemeinschaft den Zuschlag, wird sie als ARGE fortgesetzt Problem: Oft sind die Unternehmen aktuelle oder potentielle Konkurrenten → Beschränkung der Handlungsfreiheit durch die Abrede? Bedenklich ist die Abrede, wenn ◦ die Unternehmen die Leistung allein erbringen könnten ◦ insb.: ausdrückliches oder konkludentes Wettbewerbsverbot Unbedenklich ist die Abrede, wenn: ◦ die Unternehmen die Leistung nicht allein hätten erbringen können ◦ die Unternehmen zwar die Leistung allein hätten erbringen können, dies aber wirtschaftlich nicht zweckmäßig und kaufmännisch nicht vernünftig wäre Kontrollfrage: Ist die ARGE ein zusätzlicher Marktteilnehmer oder ein Zusammenschluss von Konkurrenten? Vergaberecht – Lernzettel Einführung, Rechtsgrundlagen und Prinzipien VergabeR gibt es zur Sicherung der Interessen der verschiedenen Marktteilnehmer ◦ Private/Bieter ▪ Teinhabe am Wettbewerbs ▪ fairer und transparenter Wettbewerb ▪ Gleichbehandlung aller Bieter ▪ Rechtschutz ◦ öffentliche Auftraggeber ▪ Mittel zur Marktübersicht ▪ wirtschaftliche Vergabe Konsequenz: Einschränkungen der Privatautonomie Impulse des VergabeR ◦ national: kommt aus Haushaltsrecht ◦ europäisch: Wettbewerbs- und Kartellrecht Abgrenzung: ◦ oberhalb bestimmten EU-Schwellenwerts gelten EU-Vorschriften und EU-weite Ausschreibeverfahren sind notwendig ◦ unterhalb bestimmten EU Schwellenwerts gelten nationale Vorschriften und es muss nur national ausgeschrieben werden - wesentliche nationale Gesetze: GWB, aufgeteilt in Abschnitte zum Vergabeverfahren und zum Nachprüfungsverfahren Vergabeverordnung VgV ◦ wesentliche Vorgaben für Liefer- und Dienstleistungen ◦ besondere Regelungen für „freiberufliche Leistungen“ (insb. Planungsleistungen) ◦ Verweis auf EU VOB/A (Vergabe von Bauleistungen und teilweise Geltung für Bauleistungen, vgl. § 2 VgV Sektorenverordnung SektVO ◦ Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Bereich der Sektoren (Versorgungswirtschaft) Konzessionsverordnung (KonzVgV) ◦ Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionen ◦ Anwendungsbereich umfasst auch die „Sektorenauftraggeber“ VS-VgV (Verteidigung und Sicherheit) ◦ Verweis auf VOB/A-VS (Vergabe von Bauleistungen - Vergabeprinzipien, § 97 GWB Wettbewerbsgrundsatz, § 2 I EU VOB/A, § 2 I UVgO Geheimhaltungsgebot, § 14 VIII EU VOB/A, § 3 UvgO, § 5 VgV ◦ sichere Verwahrung/Speicherung der Angebote durch den AG ◦ Verpflichtung zur Verschwiegenheit (MA, externe Berater und Bieter) Transparenzgebot ◦ Dokumentation des Verfahrens durch AG, über alle wesentlichen Entscheidungen in Vergabeakte (zeitnah und chronologisch) ◦ konkrete Angabe der Zuschlagskritieren mit Gewichtungen, Wertungsmatrix mit etwaigen Unterkriterien, Bekanntgabe des genauen Verfahrensablaufes ◦ Bindung an vorgegebene Zuschlagskriterien, Eignungskriterien, Wertungsgrundsätze, Mindestanforderungen etc. Gleichbehandlungsgebot/Diskriminierungsverbot, §97 II GWB, §2 II EU VOB/A, §2 II UVgO ◦ keine Bevorzugung örtlicher/nationaler Bieter ◦ gleiche Fristen für alle Beteiligten ◦ alle haben gleiche Chance, es sei denn es gibt validen Grund weshalb es nicht geht ◦ Bieterfragen und Antworten müssen allen Bietern bekannt gegeben werden, wenn sie neue Informationen beinhalten ◦ möglichst identischer Informationsstand bei allen Bietern (Ausgleich bei vorbefassten Bietern) ◦ keine überzogenen Eignungsanforderungen ◦ Anerkennung gleichwertiger ausländischer Berufsabschlüsse & sonst. Eignungsanforderungen Mittelstandsförderung/Losvergabe ◦ Fach- und Teillose, § 5 VOB/A, § 2 IV UvgO ◦ Verzicht auf Lose nur zulässig bei wirtschaftlichen oder technischen Gründen, §97 IV GWB Grundsatz der Wirtschaftlichkeit - Rechtsanspruch auf Einhaltung des Vergabeverfahrens, §§ 97 VI, § 160 ff. GWB Bieter können Verstöße überprüfen lassen rüge innerhalb von 10 Kalendertagen nach Kenntnis des Verstoßes, § 160 III GWB Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer möglich, Beschwerde vor OLG AG kann u.U. zur Einhaltung gezwungen werden, ggf. Schadensersatz möglich - neue Grundsätze des GWB Verhältnismäßigkeit, § 97 I GWB ◦ in Erwägungsgründen der EU-RL erwähnt ◦ geeignet, Zweck zu erreichen ◦ erforderlich, da kein milderes Mittel verfügbar ◦ Angemessen (Abwägung Vor- und Nachteile) ◦ Bsp.: § 123 V GWB oder § 122 IV GWB / § 127 III GWB Berücksichtigung „strategischer Ziele“, § 97 III GWB ◦ betreffen soziale und ökologische Aspekte und Qualität & Innovation ◦ Beziehung zum Auftragsgegebstand ◦ Einbeziehung des Produktionsprozesses ◦ Ausdehnung auf Auftragsausführung ◦ Bsp.: § 127 I GWB oder § 128 I GWB Pflicht zur elektronischen Vergabe, § 97 V GWB Anwendungsbereich - Auftraggeber, § 98 GWB öffentlicher Auftraggeber, §99 GWB ◦ Sonderfall: öffentliche Auftraggeber im funktionalen Sinn ▪ Hintergrund für Begriffseinführung: AG sollten nicht durch die Wahl der Rechtsform über Anwendung des VergabeR entscheiden können (keine „Flucht ins PrivatR“) Sektorenauftraggeber, § 100 GWB Konzessionsgeber, § 101 GWB - öffentlicher Auftrag, § 103 I GWB entgeltlicher Vertrag Beschaffung von Leistungen ◦ Lieferung von Waren (Lieferaufträge, § 103 II GWB) ◦ Ausführung von Bauleistungen (Bauaufträge, § 103 III GWB), hat 3 Alternativen (?) ◦ Erbringung von Dienstleistungen (Dienstleistungsaufträge, § 103 IV GWB) Sonderfall: Dienstleistungs- und Baukonzession, § 105 GWB ◦ Gegenleistung nicht Entgelt, sondern Recht zur Nutzung der eigenen Leistung (ggf. zzgl. Entgelt), z.B. Parkplatzpacht ◦ entscheidend: vollständige oder überwiegende Übernahme des wirtschaftlichen Risikos durch den AN, § 105 II GWB - EU-Schwellenwerte, Anwendungsbereich nach § 106 GWB sind normiert und werden regelmäßig aktualisiert höhere EU-Schwellenwerte für Sektorenauftraggeber ◦ bei öffentlichen Aufträgen in den Bereichen, § 102 GWB ▪ Trinkwasserversorgung ▪ Energieversorgung (Strom, Gas, Wärme) ▪ Verkehr (ÖPNV/SPNV, Häfen, Flughäfen) ◦ bei gemischten Leistungen (Liefer-, Bau- oder DL), Schwerpunkt maßgeblich, § 110 GWB ◦ bei unterschiedlichen Regelungen / diversen Tätigkeiten, Sonderregelungen, §§ 111f. GWB Berechnung der Schwellenwerte, § 3 VgV, § 2 SektVO ◦ Maßgeblicher Zeitpunkt, § 3 III VgV: Tag der Absendung der Bekanntmachung der beabsichtigten Auftragsvergabe ◦ Umgehungsverbot, §3 II VgV: Unzulässigkeit sachwidriger Aufteilung in mehrere Aufträge ◦ Einzelheiten der Berechnung, §3 IV-XII VgV: u.a. Lose, Optionen & Rahmenvereinbarungen ◦ Sektorentätigkeit, § 2 SektVO: spezielle Regelung - Ausnahmeregelungen allgemeine Ausnahmen, § 107 GWB ◦ in allen vier EU-Vergabe-RL vorgesehen ◦ öffentliche AG, Sektoren-AG, Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen besondere Ausnahmen ◦ § 116 GWB ▪ bestimmte Rechts-DL, F&E-DL, finanzielle DL, Kredite, Darlehen, Bereitstellung/Betrieb von öffentlichen Kommunikationsnetzen ◦ § 117 GWB,bei Verteidigungs-/Sicherheitsrelevanz ▪ Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen ▪ Pflicht, die Vergabe nach anderen Vorgaben durchzuführen ◦ §§ 137 – 140 GWB, besondere Ausnahmen im Sektorenbereich ▪ Aufträge zu anderen Zwecken als einer Sektorentätigkeit ▪ Beschaffung von Wasser, Energie oder Brennstoffen im Rahmen der Versorgung ▪ Vergaben an verbundene Unternehmen ▪ Vergaben durch oder an Gemeinschaftsunternehen ▪ Ausnahme für unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzte Tätigkeiten öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit, § 108 GWB ◦ Vergaberechtsfreies Inhouse-Geschäft, wenn: ▪ öffentlicher AG ähnliche Kontrolle über AN hat, wie über eigene Dienststelle, ▪ AN mehr als 80% seiner Tätigkeiten für AG bzw. vom AG kontrollierte Aufträge ausführt ▪ an AN keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht (Ausnahme: priv. KapBet ohne Sperrminorität) Anwendungsbereich VergabeR nicht eröffnet, wenn ◦ kein öffentlicher AG (Ausnahme: Fördermittel) ◦ kein öffentlicher Auftrag (Inhouse-Geschäft) ◦ Unterschreiten EU-Schwellenwerte (Ausnahme: Haushaltsrecht, Fördermittel) ◦ Ausnahmen in GWB ◦ bei Binnenmarktrelevanz gelten dennoch die EU-Grundfreiheiten (Transparenz, Nichtdiskriminierung etc.) Verfahrensarten und Grundstruktur eines Vergabeverfahrens freie Wahl zwischen offenem und nicht offenem Verfahren Ausnahme-TB: Verhandlungsverfahren, Wettbewerblicher Dialog, Innovationspartnerschaft - Offenes Verfahren, § 119 III GWB Vorbereitung ◦ Markterkundung ◦ Aufstellung eines Zeitplans ◦ Erstellung Vergabeunterlagen ▪ Bestandteile, § 29 VgV Aufforderung zur Angebotsabgabe Bewerbungsbedingungen Vertragsunterlagen einschließlich Leistungsbeschreibung Angebotsformular Bietergemeinschaftserklärung, § 43 VgV Erklärung für Nachunternehmerleistungen Möglichkeiten für Spielraum im Verfahren ◦ Zulassung von Nebenangeboten, § 35 VgV ▪ Vorschläge der Bieter, die eine andere Lösung als die der Hauptangebote bieten und von den Hauptvorschlägen der AG abweichen ◦ Funktionale Leistungsbeschreibung ▪ Beschreibung nur der Funktion der Leistung; die erforderlichen Maßnahmen, um die Funktion zu erreichen, bleiben den Bietern überlassen Beginn des Verfahrens ◦ Bekanntmachung: erfolgt über entsprechendes digitales Portal ◦ Bieterfragen etc. sind bei Unklarheiten zulässig ▪ bei Beantwortung muss darauf geachtet werden, dass Antwort allen Bietern zugänglich ist und Frist dass Auskunft bis spätestens 6 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist zur erteilen ist, § 20 III VgV ◦ Angebotsabgabe durch Bieter eingereicht ▪ wesentliche Punkte unterschrieben / signiert und formgerecht fristgerecht, ausgefülltes Angebotsformular mit allen geforderten Erklärungen Mindestbedingungen eingehalten ◦ Prüfung sowie Wertung der Angebote mit Möglichkeit der Aufklärung ▪ Beachte: Nachverhandlungsverbot, § 15 V VgV - nicht offenes Verfahren, § 119 IV GWB Ablauf deckungsgleich, wie offenes Verfahren zusätzlich: Teilnahmewettbewerb → beschränkter Bieterkreis Ablauf ähnlich, nur zuerst 1. Angebot, dann Verhandlungsphase und zum Schluss erst letztverbindliches Angebot, welches dann geprüft wird Verhandlung nicht zwingend → Zuschlag auf Erstangebot zulässig, wenn Möglichkeit in Bekanntmachung vorbehalten - Wahl Verfahrensart nach § 14 VgV - Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb / wettbewerblicher Dialog, § 14 III VgV Bedürfnisse nicht ohne Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllbar umfasst konzeptionelle/innovative Lösungen kann aufgrund konkreter Umstände nicht ohne Verhandlungen vergeben werden (z.B. Art, Komplexität, rechtlicher oder finanzieller Rahmen oder damit einhergehender Risiken) Leistung – insbesondere technische Anforderungen – nicht ausreichend genau gemäß Anlage 1 zur VgV beschreibbar Ausnahme-TB, § 14 IV VgV ◦ vorheriges (nicht) offenes verfahren, in dem keine ordnungsgemäßen oder nur unannehmbare Angebote eingereicht wurden → kein Teilnahmewettbewerb, wenn alle geeigneten Bieter einbezogen werden, die form- und fristgerechte Angebote abgegeben haben ◦ nur 1 UN → zusätzliche Vorr. Absatz 6 ◦ Dringlichkeit ◦ Forschungs-, Versuchs-, Untersuchungs- oder Entwicklungszweck ◦ zusätzliche Lieferleistungen wg. technischen Gründen ◦ Warenbörse ◦ Insolzenz ◦ Auftrag nach Planungswettbewerb ◦ Wiederholung gleichartiger DL - Innovationspartnerschaft, § 19 VgV Ziel: Entwicklung einer innovativen Liefer- oder DL und deren anschließender Erwerb Voraussetzung: Beschaffungsbedarf kann nicht durch am Markt bereits verfügbare Liefer- oder DL befriedigt werden Spezielle Verfahrenskonstellationen - Auftragsänderung während Vertragslaufzeit wesentliche Änderungen erfordern grundsätzlich ein neues Vergabeverfahren, § 132 I GWB, wenn ◦ Änderung Bedingungen einführt, die im ursprünglichen Vergabeverfahren andere Bieter oder Angebote ermöglicht oder andere Teilnehmer interessiert hätten ◦ wirtschaftliches Gleichgewicht zu Gunsten des AN verschoben wurde und dies im ursprünglichen Auftrag nicht angelegt war ◦ Auftragsumfang erheblich ausgeweitet wird oder der AN ausgewechselt wird und dies nicht ausnahmsweise erlaubt ist geringfügige Auftragsänderung, Abs. 3: wenn sich der Gesamtcharakter nicht ändert, der Wert der Änderung unterhalb des EU-Schwellenwerts bleibt und bei Liefer- und DL nicht mehr als 10% und bei Bauaufträgen nicht mehr als 15% des ursprünglichen Werts beträgt Auftragsänderungen sind ausnahmsweise zulässig nach Abs, 2, wenn ◦ Vergabeunterlagen klare, genaue und eindeutig formulierte Überprüfungsklauseln oder Optionen enthielten und sich der Gesamtcharakter nicht ändert ◦ zusätzliche Leistungen erforderlich sind und ein AN-Wechsel aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht erfolgen kann (Preis darf nicht um mehr als 50% im Vergleich zum Ursprungsauftrag steigen) ◦ Auftragsänderung aufgrund von unvorhersehbaren Umständen erforderlich wird, uns sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert ◦ AN-Wechsel aufgrund Überprüfungsklauseln oder Umstrukturierung oder Eintritt öff. AG in Subunternehmeverträge - Kündigung öffentlicher Aufträge, § 133 GWB AG darf öffentlichen Auftrag/Vertrag kündigen, wenn ◦ wesentliche Vertragsänderung eine Neuausschreibung begründet ◦ bei Zuschlagserteilung zwingender Ausschlussgrund vorlag ◦ erfolgreiches Vertragsverletzungsverfahren durchgeführt wurde nach Kündigung darf AN Vergütung für erbrachte Leistungen fordern ◦ Einschränkung nach Kündigung wegen fehlender Eignung des AN, wenn erbrachte Leistungen für AG nicht von Interesse sind ◦ Grundsatz: SE sind durch Kündigung nicht ausgeschlossen Angebotswertung und Abschluss des Verfahrens - Prüfung und Wertung 1. Formale Angebotsgründe (Ausschlussgründe) ◦ zwingende Ausschlussgründe, z.B. § 57 I VgV ◦ fakultative Ausschlussgründe 2. Eignungsprüfung ◦ Eignungskriterien dürfen ausschließlich Folgendes betreffen: ▪ Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung ▪ Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit ▪ technische und berufliche Leistungsfähigkeit ◦ AG prüft Nicht vorliegen von Ausschlussgründen ▪ Zwingende Ausschlussgründe, z.B. § 123 GWB ▪ fakultative Ausschlussgründe, § 124 GWB ▪ Selbstreinigung, § 125 GWB, steht Ausschluss entgegen, wenn UN Schäden ausgeglichen hat UN die Tatsachen und Umstände des Fehlverhaltens durch aktive Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden und AG umfassend geklärt hat konkrete Maßnahmen eingeleitet hat, um weitere Straftaten oder weiteres Fehlverhalten zu vermeiden ◦ weitere Detailregelungen in den §§ 42 ff. VgV ▪ Nachforderung von Unterlagen, § 56 VgV AG kann Bieter unter Beachtung Transparenzgebot und Gleichbehandlung auffordern UN-bezogene Unterlagen nach zu reichen oder zu vervollständigen → dürfen NICHT für Angebotswertung relevant sein! ◦ Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE), §§ 48 III, 50 VgV ▪ Vorläufiger Eignungsnachweis ▪ keine Benutzungspflicht, aber Annahmepflicht ▪ wiederverwertbar ▪ AG „kann“ Beibringen oder Originale verlangen 3. Prüfung ungewöhnlich niedriger Preise, § 60 VgV ◦ bei Anschein eines unangemessenen Preises 1. Prüfung anhand vorliegender Unterlagen 2. schriftliches Aufklärungsverlangen über Ermittlung an den Bieter, ggf. mit Antwortfrist ◦ bei Bestätigung des unangemessenen Preises: Zuschlagsverweigerung / Zuschlagsverbot 4. (eigentliche) Wertung, z.B. § 127 GWB, § 58 VgV ◦ Maßstab: vorab bekannt gemachte Wertungskriterien ◦ wenn Preis alleiniges Kriterium: preisgünstigstes Angebot gewinnt ◦ bei weiteren Kriterien (z.B. technisch oder gestalterisch) ▪ Entscheidung anhand Gewichtung der einzelnen Kriterien ▪ ggf. Zuhilfenahme (vorab bekanntgemachter) Unterkriterien ▪ ggf. durch Wertungsmatrix ◦ AG darf Festpreis oder Festkosten vorgeben, § 58 VgV ▪ Wettbewerb ausschließlich nach qualitativen, umweltbezogenen und/oder sozialen Zuschlagskriterien zulässig - Zuschlag Vorbereitung des Zuschlags durch Mitteilung an alle Bieter („Vorabinformation“) ◦ notwendiger Inhalt, § 134 I GWB ▪ Name des Bieters, der den Zuschlag erhalten soll ▪ Gründe für die Nichtberücksichtigung des jeweiligen unterlegenen Bieters ▪ frühester Zeitpunkt des Zuschlags ▪ Wartefrist: Zuschlag darf erst 15 Tage nach Absendung der Vorabinformation bzw. 10 Tage bei Versand per Fax/E-Mail/elektronisch erteilt werden zivilrechtlich: Annahme des Angebotes des erfolgreichen Bieters, § 145 BGB grds. keine Formerfordernisse muss innerhalb der Bindefrist erfolgen, sonst gilt er als neues Angebot, das vom Bieter wiederum angenommen werden muss (Notfalls: Verlängerung der Bindefrist) nach Zuschlag ist der Vertrag von Wettbewerbern nicht mehr angreifbar (außer bei Nichtigkeit nach § 135 GWB) - Aufhebung des Verfahrens keine Pflicht des AG zur Erteilung des Zuschlags aber: vorvertragliches Vertrauen der Bieter darauf, dass ihre Aufwendungen für die Angebogsbearbeitung nicht von vornherein nutzlis sind Folge: AG darf ein Verfahreverfahren grds. immer aufheben er ist Bietern jedoch zum SE verpflichtet, wenn nicht bestimmte Aufhebungsgründe vorliegen Aufhebungsgründe, § 63 VgV ◦ kein Angebot entspricht den Bewerbungsunterlagen ◦ Verfahrensgrundlagen haben sich wesentlich geändert ◦ kein wirtschaftliches Ergebnis des Vergabeverfahrens ◦ andere schwerwiegende Gründe Rüge und Rechtsschutz Ziel des Bieters ist Zuschlag selbst du erhalten wenn keine Erteilung, dann Rüge, dann Nachprüfungsverfahren, dann sofortige Beschwerde - Rüge Vorgehen: ◦ Prüfen, § 160 III GWB: Richtigkeit der Form, fristgerecht, materielle Berechtigung (Grund der Rüge) ◦ Reaktion des AGs: ggf. zurückweisen und Verfahren anpassen, Teilentscheidung zulässig (teilweise Zurückweisung) Wirkung: ◦ Voraussetzung für ein Nachprüfungsverfahren, § 160 III GWB ◦ keine aufschiebende Wirkung der Rüge (kein Suspensiveeffekt), Fortsetzung des Vergabeverfahrens bleibt möglich Frist: ◦ Auffang-TB, § 160 III 1 Nr. 1 GWB ▪ Verstoß „erkannt“, Rüge innerhalb von 10 Kalendertagen ◦ Verstöße in Bekanntmachung, § 160 III 1 Nr. 2 GWB ▪ „Erkennbarkeit“, Rüge bis Ablauf Bewerbungsfrist oder Angebotsabgabe ◦ Verstöße in Vergabeunterlagen, § 160 III 1 Nr. 3 GWB ▪ „Erkennbarkeit“, Rüge bis Ablauf Bewerbungsfrist oder Angebotsabgabe - Nachprüfungsverfahren / sofortige Beschwerde Voraussetzung Nachprüfungsverfahren ◦ AG hilft Rüge nicht ab, Antrag innerhalb von 15 Kalendertagen Verfahrensgegenstand, § 155 GWB ◦ öffentliche Aufträge, Konzessionen Prüfungsgegenstand, § 156 II GWB, § 97 VI GWB ◦ Bestimmungen über das Vergabeverfahren Wirkung ◦ Suspensiveffekt und Zuschlagsverbot, § 169 GWB, ◦ Beschleunigungsgrundsatz, § 167 GWB Pflichten des AG ◦ vollständige Vergabeakte einreichen, § 163 II GWB ◦ Akteneinsicht gewähren, § 65 GWB ◦ Prüfungsgegenstand ▪ Zulässigkeit, insbesondere öffentlicher AG, Auftrag, EU-Schwellenwert etc vorherige Rüge, Präklusion, § 160 III GWB Form und Inhalt des Antrags, § 161 GWB Antragsbefugnis, § 160 II GWB ▪ Begründetheit des Antrags (Rechtsverletzung) ◦ Entscheidungsinhalt, § 168 GWB ▪ Zurückweisung des Antrags oder Treffen von geeigneten Maßnahmen (keine Bindung an Anträge) Zweck der sofortigen Beschwerde ◦ Rechtsmittel gegen Entscheidung der Vergabekammer ▪ sofortige Beschwerde bei OLG (Vergabesenat) gem. §§ 171 ff. GWB, innerhalb von zwei Wochen § 172 I GWB ▪ aufschiebende Wirkung entfällt 2 Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist, daher bei Beschwerde des Antragstellers zusätzlich Verlängerung der aufschiebenden Wirkung zu beantragen, § 173 I GWB - Schadensersatzprozess Sekundärrechtsschutz: Bieter hat SE als Ziel mögliches Vorgehen: SE-Prozess vor ordentlichen Gerichten (AG, LG) Datenschutzrecht – Lernzettel Grundbegriffe des DSR - Zweck des Datenschutzrechts: Schutz vor unberechtigtem Umgang mit personenbezogenen Daten freier Verkehr personenbezogener Daten, vgl. Art. 1 EU-DSGVO → europarechtlich abgeleitet aus Art. 8 EU-Grundrechtecharta - Verfassungsrechtliche Grundlagen des DSR Grundlage in D lange das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, nach Volkszählungsurteil aber nicht schrankenlos gewährleistet IT-spezifisches Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme aus allgemeinem Persönlichkeitsrecht abgeleitet → neue Form des Informations- und Infrastukturschutzes → Ergänzung des technikbezogenen Schutzes des Fernmeldegeheimnisses, Art. 10 GG heute: ◦ neue Bedrohungsszenarien für informationelle Selbstbestimmung ◦ kein Existieren von harmlosen Daten mehr ◦ Kontrollverlust: Sammlung, Auswertung oder Weitergabe personenbezogener Daten nicht mehr gänzlich nachvollziehbar und transparent ◦ DSGVO und neues BDSG sollen „Garanten“ der informationellen Selbstbestimmung sein und die Bürger informieren und aufklären → Folge: hohe Anforderungen an Informations-/Transparenzpflichten ◦ Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 I GG (Menschenwürde) und Art. 2 I GG (allg. Persönlichkeitsrecht) hergeleitet ◦ Einzelner hat Recht, über Preisgabe und Verwendung seinder Daten zu bestimmen; ist Herr der ihn betreffenden Daten → Folge: Zugriff auf Daten einer Person bedarf einer gesetzlichen Grundlage Datenschutz-Grundverordnung (EU) 2016/679 gilt seit 25.05.2018, Übergangsfrist für Unternehmen zwei Jahre unmittelbar-direkte Wirkung in allen Mitgliedsstaaten der EU Ziele vgl. Art. 1 DSGVO: ◦ Schutz Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und Schutz derer pbD ◦ Stärkung des freien Verkehrs pbD zahlreiche Öffnungsklauseln, die unmittelbare Pflichten der Mitgliedsstaaten zum Tätigwerden oder optionale Befugnis für spezifische und/oder abweichende Regelungen regulieren keine spezielle Datenschutzrechtskompetenz im Grundgesetz → DS als Querschnittsaufgabe → Regelung auf Bundes- und Landesebene, sowie bereichsspezifische Gesetze und Landesgesetze → Konsequenzen der föderalen Datenschutzbestimmungen: teilweise Intransparenz über die jeweils anzuwendenden Vorschriften - Normadressaten der DSGVO Verantwortlicher: ◦ natürliche/juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über Zwecke und Mittel der Verarbeitung von pbD entscheidet, vgl. Art. 4 Nr. 7 DSGVO Auftragsverarbeiter: ◦ natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die pbD im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet, vgl. Art. 4 Nr. 8 DSGVO ◦ keine Anwendung auf Verarbeitung pbD a.) durch Behörden zum Zweck der Strafverfolgung b.) durch natürliche Personen im persönlichen und familiären Bereich (vgl. sachl. Anwendungsbereich Art. 2 II lit. C DSGVO) Ziele der DSGVO, vgl. Art. 1 DSGVO ◦ stärkere Vereinheitlichung des DS in der EU ◦ Stärkung der Betroffenenrechte, insb. Informationspflichten, Recht auf Vergessenwerden, Widerspruchsrecht ◦ Lockerung der Zweckbindung pseudonymisierter Daten ◦ Stärkere Konturierung der Einwilligungsvoraussetzungen, vgl. Art. 7 DSGVO Neujustierungen für Regelungsspielräume der Mitgliedsstaaten insb. Bei: ◦ Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung und im öffentlichen Bereich ◦ besondere Verarbeitungssituationen für z.B. privilegierte Zwecke oder Gesundheitsdaten - Strukturmerkmale Datenschutzrecht Grundsatz: Verbot mit Erlaubnisvorbehalt → pbD dürfen nur dann verarbeitet werden, wen eine Rechtsgrundlage vorliegt, andernfalls ist die Verarbeitung verboten. Abwehrrecht des Einzelnen gegenüber staatlichen/Privaten Eingriff Zulässigkeit einer Datenverarbeitung durch Einwilligung oder gesetzlichen Erlaubnistatbestand Art. 6 I DSGVO Auftragsverarbeitung als Fall einer gesetzlich normierten Erlaubnis der Datenverarbeitung durch Dritte bei weisungsgebundener Verarbeitung im Auftrag (d.h. Ohne Entscheidungsbefugnis) → kein Dritter, vgl. Art. 4 Nr. 10 DSGVO Grundprinzipien nach Art. 5 DSGVO: ◦ Rechtmäßigkeit (vgl. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt), Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz (Abs. 1 lit. a) ◦ Zweckbindung (Abs. 1 lit. b) ◦ Datenminimierung (Abs. 1 lit. c) ◦ Richtigkeit der Datenverarbeitung (Abs. 1 lit. d) ◦ Speicherbegrenzung (Abs. 1 lit. e) ◦ Integrität und Vertraulichkeit (Abs. 1 lit. f) besondere Kategorien pbD, Art. 9 I DSGVO ◦ sensible Daten → Verarbeitung grundsätlich untersagt ◦ Ausnahmen in Art. 9 II und III DSGVO und nach IV in nationalen Gesetzen Anonymisierung ◦ Verändern von pbD, so dass Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse ▪ nicht (absolute Anonymisierung) oder ▪ nur unter unverhältnismäßig großem Aufwand (relative/faktische Anonymisierung) einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können ◦ keine definition in DSGVO ◦ h.M. lässt relative Anonymisierung für den Ausschluss des Personenbezuges genügen → Rechtsfolge: wenn keine Zuordnung zu einer Person möglich ist, liegen keine pbD vor, keine Anwendung DSGVO (streng genommen nach Wortlaut nur bei absoluter Anonymisierung der Fall) Pseudonymisierung ◦ Ersetzen des Namens und anderer Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen, um die Bestimmung des Betroffenen wesentlich zu erschweren, vgl. Art. 4 Ziff. 5 DSGVO ◦ Bestimmbarkeit ist weiterhin gegeben, denn es gibt eine Zuordnungsregel, kein Vorliegen Anonymität ◦ Rechtsfolge: pbD liegen vor, DSGVO bleibt anwendbar, aber erweiterte Verarbeitungsbefugnisse Verarbeitung, Art. 4, Ziffer 2 DSGVO ◦ jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe in Zusammenhang mit pbD, Art. 4, Ziff. 2 DSGVO ◦ Vorphase der anderen Datenverarbeitungsvorgänge → Daten erhoben für Weiterverarbeitung inbegriffen ◦ Form und Quelle der Datenerhebung ist irrelevant ◦ bspw. Speichern (Erfassen, Aufnehmen, Aufbewahren), Verändern (inh. Umgestaltung oder Verknüpfen von verschiedenen Daten), Übermitteln, Löschen (Endphase der Datenverarbeitung) sachlicher Anwendungsbereich, Art. 2 DSGVO ◦ automatisierte Verarbeitung pbD ◦ nichtautomatisierte Verarbeitungen pbD, die in einem Dateisystem gespeichert ist/werden soll ◦ nicht auf ausschließlich persönliche oder familiäre Datenverarbeitungen, Art. 2 Abs. 2 DSGVO räumlicher Anwendungsbereich, Art. 3 DSGVO - Anwendungsvorrang DSGVO, BDSG, Spezialgesetze per se Anwendungsvorrang DSGVO, aber wegen Öffnungsklauseln vorrangige Regelugen im BDSG möglich, soweit kein Widerspruch zur DSGVO → subsidiär - Grundsätze nach Art. 5 DSGVO Rechtmäßigkeit, Treu & Glauben, Transparenz (Abs. 1 lit. a) ◦ Datenverarbeitung ist rechtmäßig, wenn Grundsatz „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ eingehalten wird, Art. 6 I DSGVO ◦ Grundsatz von Treu und Glauben im deutschen Recht aus §242 BGB bekannt ◦ Transparenzverbot schlägt sich auf Informationspflichten, Art. 12 ff. DSGVO nieder → Informationen müssen leicht zugänglich und verständlich sein und Betroffener muss dadurch Verarbeitung nachvollziehen können Zweckbindung (Abs. 1 lit. b) ◦ pbD dürfen nur für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden ▪ festgelegt – Akt der Selbstbindung ▪ eindeutig – Inhalt muss eindeutig sein und der Inhalt muss festgelegt werden ▪ Legitim – Zweck, wenn Betroffene eine Einwilligung gegeben haben oder Zweck gesetzlich vorgesehen ist (→ Rechtmäßigkeit) ◦ konkreter Verarbeitungszweck muss daher zuvor festgelegt und Betroffenem mitgeteilt werden ◦ Zweckbindung = eine der wichtigsten Informationssperren, welche Betroffene schützen sollen, dient auch der Transparenz ◦ Lockerung der Zweckbindung durch Art. 6 Abs. 4 DSGVO ▪ Zweckänderung zulässig, wenn Einwilligung oder andere Rechtsgrundlage oder andere Ausnahme nach Art. 5 I lit b oder Art. 6 Abs. 4 (Interessensabwägung: Erhebungskontext, Art der Daten, Folgen für Betroffene, Kompabilitätstest) Datenminimierung (Abs. 1 lit. c) ◦ Verarbeitung pbD muss dem Zweck angemessen und dafür erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein (Datenminimierung) ◦ Umsetzung durch Pseudonymisierung und Anonymisierung, soweit für Datenverwender möglich und verhältnismäßig → Eingriff in Grundrechte soll so gering wie möglich erfolgen Richtigkeit der Datenverarbeitung (Abs. 1 lit. d) ◦ Voraussetzungen ▪ Daten müssen sachlich richtig und erforderlichenfalls auf dem neusten Stand sein und ▪ es sind angemessene (technische und organisatorische) Maßnahmen zu treffen, damit pbD, die im Hinblick auf die Verarbeitungszwecke unrichtig sind, unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden können ◦ aktive ausdrückliche Pflicht des Verantwortlichen nach DSGVO Speicherbegrenzung (Abs. 1 lit. e) ◦ Speicherung der pbD in einer Form, welche die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist ◦ Ausnahme: vorbehaltlich der Durchführung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen, ausschließlich für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke verarbeitet, dann ist längere Speicherung zulässig Integrität und Vertraulichkeit (Abs. 1 lit. f) ◦ Gewährleistung von Datensicherheit als zentrales Prinzip des DSR ◦ erfolgt durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen unter Berücksichtigung: ▪ Stand der Technik ▪ Implementierungskosten ▪ Art, Umfang, Umstände und Zwecke der Verarbeitung ▪ Risiko für Betroffenen - Datenschutzrechtliche Informationspflichten Informationspflichten, Art. 13 (Direkterhebung) und Art. 14 (Dritterhebung) ◦ Informationen in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form ◦ klare und einfache Sprache ◦ Form: schriftlich oder andere (ggf. auch elektronisch) ◦ Ausnahmen: ▪ Betroffener verfügt bereits über Informationen ▪ Bei Dritterhebung zusätzlich: im Falle der Unmöglichkeit, des unverhältnismäßigen Aufwands, des Unterfallens unter Berufsgeheimnis oder wenn Erlangung eine Rechtsvorschrift regelt ◦ in Praxis wird in Datenschutzhinweisen bzw. in einer Datenschutzerklärung in den Informationspflichten weitgehend nachgekommen - Betroffenenrechte Auskunftsrecht, Art. 15 ◦ Umfang: Auskunft ob pbD verarbeitet werden (auch Negativauskunft) und welche ◦ Mitteilung Verarbeitungszweck, Empfänger, Speicherdauer etc. ◦ Frist: spätestens innerhalb eines Monats ◦ Identitätsprüfung: keine Auskunft an unbefugte Dritte ◦ Grenzen bei großen Datenmengen durch Konkretisierung oder bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen Ablehnung oder Kostenerstattung Recht auf Berichtigung (Art. 16) und Löschung (Art. 17) ◦ Berichtigung: Betroffener kann Vervollständigung oder Richtigstellung seiner pbD verlangen ◦ Löschung: ▪ zudem Recht auf Vergessenwerden, Art. 17 Abs. 2 ▪ Ausnahmen, wenn Verarbeitung erforderlich ist zur Erfüllung einer rechtspflicht für Archiv- oder Forschungszwecken zur Geltendmachung und Verteidigung von Rechtsansprüchen Recht auf Einschränkung der Verarbeitung, Art. 18 ◦ Verantwortlicher darf weiterhin speichern, Daten aber nicht mehr wie bisher verwenden → nur mit individueller Einwilligung des Betroffenen zulässig ◦ bedingtes bzw. zeitlich beschränktes Recht → steht Betroffenen nur in den in Art. 18 I genannten Fällen zu Recht auf Datenübertragbarkeit, Art. 20 ◦ Betroffener darf seine beim Verantwortlichen automatisiert verarbeiteten Daten in gängigem und maschinenlesbarem Format verlangen und selbstständig an Dritte übermitteln ◦ Betroffener kann auch direkte Übertragung vom Verantwortlichen an Dritte verlangen ◦ Verarbeitung erfolgt aufgrund einer Einwilligung (Art. 6 I lit. a oder Art. 9 II S. 1 lit. a) oder zur Vertragserfüllung (Art. 6 I lit. b) ◦ Grenze: Berührung Rechte Dritter ◦ Umfang: vom Betroffenen bereitgestellte Daten Widerspruchsrecht, Art. 21 ◦ bei einwilligungsloser, rechtmäßiger Verarbeitung nach Art. 6 I e oder f ◦ Ausnahmen, Art. 21 I S. 2 ▪ Interessen des Verantwortlichen überwiegen persönliche Gründe, die Betroffener idR. Darlegen muss (Interessensabwägung) ▪ Verarbeitung dient Geltendmachung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen ◦ bei Widerspruch gegen Verarbeitung zu Direktmarketing-Zwecken keine Interessensabwägung erforderlich, d.h. Verantwortlicher muss unverzüglich handeln Automatisierte Entscheidungen und Profiling, Art. 22 ◦ Unzulässigkeit von ausschließlich automatisierter Verarbeitung (Bewertung von persönlichen Merkmalen), Ausschließlichkeit bei Einsatz von Computerprogrammen ohne menschliche Mitwirkung ◦ Ausnahmen nach Abs. 2, Anfechtungsrecht durch Betroffenen ◦ Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO sind zu beachten Datenschutz-Folgeabschätzung, Art. 35 ◦ Voraussetzung: Verarbeitung hat wahrscheinlich hohes Risiko, Regelfälle Art 35 III - Rechtsgrundlagen der Datenverarbeitung, Art. 6 DSGVO Rechtmäßig iSd. Art. 6 I DSGVO ist eine Datenverarbeitung, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: ◦ betroffene Person hat ihre Einwilligung zur Verarbeitung gegeben ◦ Verarbeitung ist für Erfüllung eines Vertrags oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlichen ◦ Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ◦ Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen ◦ Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde ◦ Verarbeitung ist zur Wahrnehmung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt Einwilligung, Art. 6 I lit. a DSGVO ◦ Definition Einwilligung nach Art. 4 Ziff. 11 ◦ Bedingungen für die Einwilligung nach Art. 7 ▪ Willensbeurkundung des Betroffenen, die freiwillig und für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt und ▪ die betroffene Person zustimmt, dass die betreffenden pbD erhoben, verarbeitet oder/und genutzt werden dürfen ◦ Freiwilligkeit, Art. 4 Ziff. 11, 7 Abs. 4 ▪ Einwilligung darf nicht erpresst worden sein, z.B. durch Ausnutzung Machtposition oder Lockvogelangebote ▪ Einwilligung in AGB, problematisch, wenn überraschende Klausel, oder unangemessen benachteiligend ▪ Kopplungsverbot: Erbringung der Leistung darf nicht von einer Einwilligung in Datenverwendung für andere Zwecke abhängig gemacht werden, soweit keine zumutbare Alternative ◦ Informiertheit, Art. 4 Ziff. 11 ▪ Betroffene muss wissen, welche Daten verwendet werden, er sie verwendet und welchem Zweck die Verwendung dient Einsichtsfähigkeit: Betroffener muss Tragweite seiner Entscheidung erkennen, Geschäftsfähigkeit nicht erforderlich Hinweispflicht: Einwilligung muss als solche gekennzeichnet sein Umfang der Datenverarbeitung: Betroffene muss wissen, welche Daten verwendet werden und was mit diesen Daten geschehen soll Zweck der Datenverwendung muss für den Betroffenen deutlich erkennbar sein Empfänger oder zumindest Kategorien von Empfängern der Daten sind zu nennen ◦ Bestimmtheit, Art. 4 Ziff. 11 ▪ keine Generalermächtigungen ▪ Zwecke sind abschließend anzugeben und so zu formulieren, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der Erteilung der Einwilligung absehen kann, zu welchen Zwecken eine Datenverarbeitung erfolgen kann ▪ bei schriftlicher Einwilligung, die noch andere Sachverhalte betrifft, muss das Ersuchen um eine Einwilligung in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache so erfolgen, dass es von den anderen Sachverhalten klar zu unterscheiden ist, Art. 7 Abs. 2 ◦ Angemessenheit: bei Formulareinwilligungen (AGB-Kontrolle) ◦ Verständlich und leichter Zugang: Einwilligungen sind generell in verständlicher, leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zur Verfügung zu stellen ◦ Widerruflichkeit, Art. 7 Abs. 3 ▪ jederzeitiger Widerruf der Einwilligung durch betroffene Person möglich ▪ Widerruf wirft für die Zukunft, sodass die Rechtmäßigkeit der bis zum Widerruf erfolgten Datenverarbeitung nicht infrage gestellt wird ▪ Hinweis auf recht zum Widerruf muss noch vor der Abgabe der Einwilligung erfolgen ▪ Widerruf der Einwilligung muss so einfach wie die Erteilung der Einwilligung sein ◦ Formalien ▪ idR. Keine Formvorgabe, kann auch mündlich erfolgen ▪ aber: Nachweis-/Rechenschaftspflicht: Verantwortliche müssen nachweisen, dass die betroffene Person eingewilligt hat, Art. 7 Abs. 1 ▪ Hervorhebung der Einwilligungserklärung gegenüber anderen Textpassagen ▪ Zeitpunkt: Einwilligung muss vor Datenverwendung erfolgen, eine nach Verarbeitung eingeholte Einwilligungserklärung ist nicht ausreichend ▪ Einwilligung Minderjähriger nach Art. 8 (ab 16 Jahren, nicht aber unter 13) Vertragsdurchführung, Art. 6 I lit. b DSGVO ◦ bspw. bei Abwicklung Bestellung/Versand von Waren, Abwicklung Garentiefällen oder Personalabrechnungen auf Basis des Arbeitsvertrages ◦ oder Vorvertraglich z.B. bei Verarbeitung von Bewerberdaten Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen, Art. 6, I lit. c DSGVO ◦ Verarbeitung notwendig um rechtliche Verpflichtung erfüllen zu können, der der Verantwortliche unterliegt ◦ bspw. Erhebung Kontaktdaten im Restaurant aufgrund Corona-VO ◦ Rechtsgrundlagen können Vorschriften aus Melderecht oder Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge sein, nicht aber zivilrechtliche Verträge mit Dritten Schutz lebenswichtiger Interessen, Art. 6 I lit. d DSGVO ◦ Verarbeitung erforderlich um lebenswichtige Interessen des Betroffenen oder einer anderen natürlichen Person zu schützen ▪ lebenswichtig = Datenverarbeitung zum Schutz bestimmter höchstpersönlicher Rechtsgüter ▪ Verarbeitung sensibler Daten zum Schutz ohne Einwilligung gem. Art. 9 II lit. c, wenn Person aus körperlichen oder rechtlichen Gründen außerstande ihre Einwilligung zu geben Wahrnehmung/Ausübung öffentlicher Interessen/Gewalt, Art. 6 I lit. e DSGVO ◦ Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde ▪ Träger hoheitlicher Gewalt: Bund, Länder und Gemeinden und ihre Behörden und Privatpersonen, denen eine Aufgabe übertragen wurde ▪ Zentrum der Betrachtung: öffentliche Aufgabe, durch Rechtsvorschrift definiert ▪ Erforderlichkeit = Verhältnismäßigkeit berechtigtes Interesse, Art. 6 I lit. f DSGVO ◦ „Die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.“ (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) ▪ Anzunehmen etwa bei Kundenbeziehungen als „maßgebliche und angemessene Beziehung“ oder bei Direktwerbung und der Verarbeitung im für die Verhinderung von Betrug unbedingt erforderlichen Umfang ▪ ggf. auch anzunehmen zum Zweck der Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten ▪ mögliche Kontrollfrage für die Interessenabwägung: Konnte der Betroffene zum Zeitpunkt der Erhebung und angesichts deren Umstände vernünftigerweise absehen, dass möglicherweise eine Verarbeitung für diesen Zweck erfolgen wird? ▪ Interessenabwägung sollte im Zweifel für die Heranziehung der Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses dokumentiert werden (Rechenschaftspflicht) ▪ Achtung: Berechtigtes Interesse sollte nicht als generelles „Auffangbecken“ für schwer legitimierbare Datenverarbeitungen missbraucht werden. Ein Interesse an einer Datenverarbeitung muss tatsächlich berechtigt sein! - Auftragsverarbeitung Ziele und Regelungsmittel der Auftragsverarbeitung ◦ Ziel der Art. 28 ff. DSGVO ist Einschaltung Dritter in Datenverarbeitung zu vereinfachen, um wirtschaftlich sinnvolle Handlungsweisen zu ermöglichen ◦ keine Anwendung auf Verarbeitung personenbezogener Daten a.) durch Behörden zum Zweck der Strafverfolgung b.) durch natürliche Personen im persönlichen und familiären Bereich ◦ Regelungsmittel: ▪ Auftraggeber ist primär für Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben verantwortlich: muss Zulässigkeit der Datenverarbeitung prüfen bleibt „Herr der Daten“ ist dem Auftragnehmer gegenüber weisungsbefugt ▪ AN agiert als verlängerter Arm des AG → sind als rechtliche Einheit zu betrachten ▪ Datenübertragung an AN ist unter Voraussetzungen der Art. 28 ff. DSGVO zulässig, wozu auch die Datenübertragung an weitere AN (Unterauftragnehmer) zählt ▪ Einsatz von weiteren (Unter-)Auftragnehmern durch den AN erfordert vorherige Genehmigung durch den Verantwortlichen, Art. 28 II DSGVO ▪ AN ist für de Verarbeitung der Daten mitverantwortlich, an ihn richten sich selbstständige datenschutzrechtliche Pflichten ▪ Möglichkeiten für Rechtmäßigkeit der Datenübertragung an AN: Art. 28 DSGVO Abgrenzung der Auftragsverarbeitung zur gemeinsamen Verantwortlichkeit ◦ gem. Art. 26 I DSGVO handelt es sich um „gemeinsam Verantwortliche“, wenn sie gemeinsam die Zwecke und die Mittel der Verarbeitung festlegen ◦ es bedarf eines „Joint Controllership Agreement“, in dem in transparenter Form festgelegt wird, wer welche Verpflichtungen erfüllt, insbesondere die Betroffenenrechte und die Informationspflichten nach Art. 13 und 14 DSGVO Auftragsverarbeitung im Konzern ◦ auch erforderlich, da kein echtes Konzernprivileg besteht ◦ Ausnahme, Art. 6 I lit. f: kleines Konzernprivileg → Verantwortliche in UN können berechtigtes Interesse haben pbD innerhalb UN-Gruppe für interne Verwaltungszwecke zu übermitteln, ggf. gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 26 Voraussetzung der Auftragsverarbeitung ◦ Begründung eines Auftragsverhältnisses: 1. Auftragsverhältnis 2. Schriftform oder elektronische Form (Art. 28 Abs. 9 DSGVO) 3. Auftragsverarbeitung kann auch außerhalb der EU stattfinden (Art. 3 DSGVO) 4. sorgfältige Auswahl des Auftragnehmers 5. Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 28 III DSGVO im AV-Vertrag ◦ Durchführung eines Auftragsverhältnisses: 1. Erstkontrolle durch den Auftraggeber 2. regelmäßige Kontrollen im Verlauf des Auftrags 3. Einhaltung der Weisungen und der notwendigen technischen und organisatorischen Maßnahmen (Art. 28 I, III lit. c, Art. 32 DSGVO), Hinweispflichten Auftragnehmer 4. Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nach Voraussetzungen des Art. 37 DSGVO ◦ Pflichten des für die Verarbeitung Verantwortlichen: ▪ Weisungsgebundenheit des AN nach Art. 29 DSGVO ▪ Kontrollpflichten des AG (Art. 30 ff. DSGVO), daneben eigene Pflichten des AN Mindestinhalte der AV-Vereinbarung nach Art. 28 Abs. 3 DSGVO ◦ Inhalt des AV-Vertrag ist Katalog des Art. 28 III DSGVO maßgeblich ◦ Katalog nicht abschließend, explizit genannte Punkte sind jedoch verbindlich ◦ Art. 28 III S. 1 und 2 DSGVO: Inhalt und Dauer des Auftrags ◦ inhaltliche Anforderungen an den Auftrag sind in der DSGVO in Art. 28 III geregelt und orientieren sich stark am bisherigen BDSG ◦ AN und AG müssen sich an die Vorgaben zu Technisch-organisatorischen Maßnahmen nach Art. 32 DSGVO halten und geeignete Maßnahmen für die Sicherheit der Verarbeitung treffen, TOMs sind an verschiedenen Parametern auszurichten, Art. 32 DSGVO ◦ zu beachten sind Grundsätze der Datenverarbeitung gem. Art. 5 DSGVO ◦ Einhaltung genehmigter Verhaltensregeln gemäß Art. 40 oder eines genehmigten Zertifizierungsvefahrens (Art. 42) kann als Faktor herangezogen werden um hinreichende Garantien nachzuweisen (Art. 28 Abs. 5 DSGVO) ◦ Mitteilungspflichten des Auftragnehmers bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht, Art. 33 II ◦ Kontrollpflichten des AG ▪ Erstkontrolle: AG muss vor Beginn der Datenverarbeitung vergewissern, dass der Auftragnehmer die TOM eingehalten hat, Art. 28 I DSGVO ▪ Im Verlauf des Auftrags: muss der AN dieser Kontrollpflicht regelmäßig nachkommen, normalerweise alle 1-3 Jahre ausreichend ▪ Dokumentation der Kontrollen empfehlenswert ▪ AN hat nach der DSGVO selbst die Pflicht die TOM einzuhalten ◦ Auftragnehmer darf nur auf dokumentierte Weisung des Auftraggebers arbeiten, Art. 29 ◦ Hinweispflicht: Auftragnehmer muss den Auftraggeber darauf hinweisen, dass die Weisungen gegen Datenschutzrecht verstoßen (Art. 28 Abs. 3 lit. h DSGVO) ◦ Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nach den Vorgaben des Art. 37 DSGVO ◦ Einhaltung der technischen und organisatorischen Maßnahmen (Art. 32 DSGVO) ◦ Pflicht zur Bestellung eines „Repräsentanten“ (Art. 27 Abs. 1 DSGVO) ◦ Pflicht zur Führung eines Verzeichnisses für Verarbeitungstätigkeiten (Art. 30 Abs. 2 DSGVO) ▪ Name/Kontaktdaten des AN (u. von dessen DSB) und von jedem AG, ▪ Kategorien von Verarbeitungen im Auftrag der jeweiligen AG, ▪ ggf. Übermittlung in Drittstaaten, Dokumentation geeigneter Garantien, ▪ allgemeine Beschreibung der technisch und organisatorischen Maßnahmen/TOMs (wenn möglich, was in der Regel der Fall sein sollte). ◦ Pflicht zur Zusammenarbeit mit der Datenschutzaufsicht (Art. 31 DSGVO) ◦ Beschränkungen für den Datentransfer in Drittländer (Art. 44 DSGVO) ◦ Meldepflicht bei DS-Verletzungen an den Verantwortlichen: „unverzüglich“ (Art. 33Abs. 2 DSGVO) Folgen von Verstößen gegen AV-spezifische Pflichten und Sanktionen ◦ Art. 83, 84 DSGVO regeln die Sanktionen bei Verstößen gegen die VO ◦ Strafrechtliche Sanktionen sollen die Mitgliedstaaten selbst festlegen ◦ Art. 83 Abs. 4 lit. a DSGVO gilt für Verstöße gegen Pflichten im Rahmen der ◦ Auftragsverarbeitung: ▪ Geldbuße bis zu 10 Mio EUR oder bis 2% des weltweiten Jahresumsatzes (höherer Betrag ist maßgebend) ◦ Maßgebend für die Höhe der Geldbuße sind die in Art. 83 Abs. 2 DSGVO genannten Umstände (u.a. Art und Schwere des Verstoßes, Vorsatz oder Fahrlässigkeit, Schadensminderungsmaßnahmen). ◦ Sanktionen können bei Verstößen nicht nur den Verantwortlichen selbst, sondern auch explizit den Auftragsverarbeiter treffen, z.B. bei Verstößen des Auftragsverarbeiters gegen seine Verpflichtungen aus Art. 28 Abs. 2 bis 4 DSGVO Internationale Datenübertragung - Relevanz von Drittstaatentransfers Ausgangslage: ◦ Datenübermittlung an Dritte ist als ein Unterfall der Datenverarbeitung nach dem Grundgedanken des Art. 6 DSGVO grds. Unzulässig und bedarf einer gesetzlichen Grundlage (mögl. Lösung auch Auftragsverarbeitung iSd. Art. 28 DSGVO) ◦ Daten werden häufig grenzüberschreitend an Dritte im Ausland übermittelt ◦ Problem: nicht in jedem Land ist automatisch von einem angemessenen Datenschutzniveau auszugehen (Ausnahme EU/EWR-Mitgliedsstaaten, da DSGVO gilt und angemessenes DS- Niveau angenommen grundsätzlich wird) ◦ Lösung: neben Legitimierung einer Datenweitergabe an Dritte muss daher stets zusätzlich ein angemessenes Datenschutzniveau im Land des Empfängers der Daten sichergestellt werden (Art. 44 DSGVO), z.B. durch zusätzliche Verträge ◦ Durchführung in zwei Stufen! (Erlaubnis-TB + angemessenes Schutzniveau) Grundlegendes zum angemessenen Datenschutzniveau ◦ Länder außerhalb der EU/EWR werden in DSGVO als „Drittländer“ bezeichnet ◦ grds. besteht Handlungsbedarf bei der Datenweitergaben an Drittländer ◦ ein angemessenes Datenschutzniveau muss stets vor der Datenweitergabe und sowohl von Verantwortlichen als auch von Auftragsverarbeitern sichergestellt werden (Art. 44 DSGVO) - Möglichkeiten der Sicherstellung des angemessenen Datenschutzniveaus, Art. 44 → bei (Unter-)Auftragsverarbeitern mit Sitz außerhalb der EU/EWR: Sicherstellung des angemessenen Datenschutzniveaus durch folgende drei Möglichkeiten: Angemessenheitsbeschlüsse, Art. 45 ◦ Datenermittlung erfolgt aufgrund eines Angemessenheitsbeschlusses der EU-Kommission, → keine spezielle Freigabe erforderlich, Verwaltungsakt der EU ▪ alle Vertragsstaaten der EWR (auch außerhalb EU) ▪ angemessenes DS-Niveau für Kanada, Schweiz und weitere wie z.B. Neuseeland bestätigt ▪ USA hat seit 10.07.2023 wieder einen (EU-US-Data Privacy Framework: Selbstzertifizierung für US-UN), als Nachfolger des 2020 für Ungültig erklärten EU-US Privacy Shield geeignete Garantien, Art. 46 ◦ Datenübermittlung vorbehaltlich geeigneter Garantien, Art. 46 DSGVO, wodurch keine Genehmigung der Aufsichtsbehörde mehr erforderlich ist, bspw. durch: ▪ rechtlich bindende und durchsetzbare Dokumente zwischen den Behörden oder öffentlichen Stellen ▪ Verbindliche interne DS-Vorschriften / „Binding Corporate Rules“, immer Einzelgenehmigung erforderlich ▪ genehmigte Verhaltensregeln von Verbänden ▪ genehmigte Zertifizierungsmechanismen ▪ Standarddatenschutzklauseln der EU dürfen grundsätzlich nicht abgeändert werden: zusätzliche Klauseln / Garantien sind möglich, dürfen aber weder mittelbar noch unmittelbar im Widerspruch zu den SCC stehen oder die Grundrechte / Grundfreiheiten Betroffener beschneiden wegen Schrems II Urteil müssen UN generell vorab prüfen, ob SCC im Drittland für den konkreten Datentransfer angesichts der dortigen Rechtslage in unveränderter Form konkret eingehalten werden können falls nicht: zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich oder Rückgriff auf den Ausnahmetatbestand des Art. 49 DSGVO → Aktuelle Rechtslage im jeweiligen Land sollte verfolgt werden!