PB1 Kohlenhydrate - Stoffchemie PDF
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Berner Fachhochschule
Dr. Steffen Theobald
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These lecture notes cover carbohydrate chemistry, including nomenclature, enantiomerie and anomere, glycosidic linkages, and the impact on digestion and absorption.
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Kohlenhydrate - Stoffchemie PB1 Dr. Steffen Theobald ▶ Bachelorstudiengang Berner Fachhochschule | Ernährung Haute écoleund t Diätetik bernoise | Bern University of Applied Sciences spécialis...
Kohlenhydrate - Stoffchemie PB1 Dr. Steffen Theobald ▶ Bachelorstudiengang Berner Fachhochschule | Ernährung Haute écoleund t Diätetik bernoise | Bern University of Applied Sciences spécialisée Lernziele ▶ Die Studierenden ▶ kennen die Nomenklatur der Kohlenhydrate und können Kohlenhydratarten eindeutig benennen ▶ können die Begriffe Enantiomerie und Anomerie erklären und Beispielmoleküle benennen ▶ kennen glycosidische Bindungsarten zwischen Monosacchariden und deren Konsequenzen auf die Digestion und Resorption bedeutsamer Oligo- und Polysaccharide ▶ können erklären, wie sich Stärke beim Lösen und Erhitzen verändert und welche physiologischen Effekte dies zur Folge hat Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 2 Wissenswertes zu Kohlenhydraten ▶ Kohlenhydrate sind keine essentiellen Nährstoffe. Der Organismus kann sie selber aufbauen ▶ Kohlenhydrate stellen die wichtigste Energiequelle im Stoffwechsel dar ▶ Das wichtigste Kohlenhydrat im Stoffwechsel ist Glucose ▶ Jede Zellart kann Glucose zur Energiegewinnung nutzen ▶ Einfache Kohlenhydrat-Bausteine (Monosaccharide) können über glykosidische Bindungen zu sehr grossen Speicher- und Strukturmolekülen verknüpft werden (Polysaccharide) Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences Wichtige Monosaccharide = Einfachzucker Byrd-Bredbenner, 2013 Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 4 Was sind Zucker chemisch betrachtet? ▶ Zucker sind Aldehyde bzw. Ketone eines mehrwertigen Alkohols Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences Was ist das? 2,3-Dihydroxy-propanal 1,3-Dihydroxy-propanon x Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences Nomenklatur der Zucker ▶ Zucker erkennt man an der Endung «-ose» ▶ Einteilung nach Position der Carbonylgruppe: ▶ Polyhydroxy-Aldehyde = Aldosen ▶ Polyhydroxy-Ketone = Ketosen ▶ Einteilung nach Kettenlänge ▶ 3 C-Atome = Triosen ▶ 4 C-Atome = Tetrosen ▶ 5 C-Atome = Pentosen ▶ 6 C-Atome = Hexosen ▶ 7 C-Atome = Heptose Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences Was sind das – gemäss Nomenklatur? Byrd-Bredbenner, 2013 x Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 8 Was sind Enantiomere? ▶ Zwei Verbindungen, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten ▶ Voraussetzung: ein C-Atom hat vier verschiedene funktionelle Gruppen ▶ Solche C-Atome nennt man asymmetrische C-Atome Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 9 Gibt es hier jeweils zwei Enantiomere? 1. JA! D-Glycerinaldehyd L-Glycerinaldehyd (R)-2,3-Dihydroxypropanal (S)-2,3-Dihydroxypropanal 2. NEIN! Dihydroxyaceton 1,3-Dihydroxypropan-2-on x Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences Glucose hat zwei Enantiomere ▪ D-Glucose L-Glucose D= dexter (lat. rechts) - L= laevus (lat. links) ▪ In der Natur kommt fast ausschliesslich die D-Glucose vor ▪ Aminosäuren liegen fast ausschliesslich in der L-Form vor Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 11 Bedeutung der D- und L-Enantiomere ▶ Viele Enzyme sind spezialisiert auf ein Enantiomer als Substrat ▶ Unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeit ▶ Unterschiedliche Wirksamkeit von Medikamenten ▶ Unterschiedliche chem./physiol. Eigenschaften ▶ Beispiele: Die Aminosäure ▶ L-Valin schmeckt bitter, D-Valin süß L-Carvon (Kümmelgeruch) D-Carvon (Minzegeruch) Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 12 In welcher räumlichen Anordnung liegen Zucker vor? ▶ Offene Form: < 1 % Ringform: > 99 % ▶ Halbacetal= Reaktion einer Aldehydgruppe mit einer Alkoholgruppe ▶ Ringschluss der Glucose erfolgt zwischen C1- und C5- Atom (energetisch am günstigsten) Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 13 Bei Ringschluss sind zwei räumliche Formen möglich (= Anomerie). Es entstehen zwei Anomere ▶ - und -Form ▶ können sich über die offene Form ineinander umwandeln ▶ 2/3 der Glc liegt in der -Form, 1/3 in der -Form vor Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 14 Was ist denn -D-Glucopyranose? ▶ Zucker können in 5er- oder 6-er-Ringen vorliegen ▶ Pyrane = 6er-Ringe mit einem im Pyran Ring integrierten O-Atom ▶ -D-Glucopyranose= exakte Bezeichnung der -D-Glucose x Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences Fructose gibt´s in zwei Ringformen ▶ Furane =5er-Ringe mit einem im Ring integrierten O-Atom Furan Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 16 Vom Mono- zum Polysaccharid – die Glykosidische Bindung ▶ Reagiert eine OH-Gruppe eines Monosaccharids mit einem Alkohol unter Abspaltung von Wasser (Kondensation), entsteht ein Glykosid (Spezialfall eines Ethers) ▶ Falls beide Verbindungen Monosaccharide wird, wird die Verbindung Disaccharid genannt ▶ Über die glycosidische Bindung wird jeweils der nächste Zucker «angebaut» bis zum Polysaccharid Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 17 Mögliche Verknüpfungsarten zwischen Zuckern ▶ - und -glycosidische Bindung 1 + H2O 4 + H2O 1 4 ▶ beide Formen sind über C1 (links) und C4 (rechts) verbunden Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 18 Biochemisch wichtige Disaccharide /1 ▶ Maltose = α-D-Glucopyranosyl-(1→4)-D-Glucopyranose, oder 4-O-α-D-Glucopyranosyl-D-Glucopyranose ▶ Zwischenprodukt beim Abbau von Stärke 1 6 ▶ Isomaltose – α-D-Glucopyranosyl-(1→6)-D-Glucopyranose 6-O-α-D-Glucopyranosyl-D-Glucopyranose Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 19 Biochemisch wichtige Disaccharide /2 ▶ Lactose - der wichtigste Energielieferant für den Säugling ▶ = β-D-Galactopyranosyl-(1→4)-D-glucopyranose ▶ Saccharose = „Zucker“ = Kristallzucker ▶ = α-D-Glucopyranosyl-(1→2)-D-fructofuranose Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 20 Wichtige Di- und Oligosaccharide im Überblick Monosaccharide + Bindungsart Di-/Oligosaccharid Glc1→4Glc Maltose Glc1→2Frc Saccharose Gal1→4Glc Lactose Nicht spaltbare Oligosaccharide Gal1→6Glc1→2Frc Raffinose (Hülsenfrüchte, Zwiebelgewächse) Gal1→6Gal1→ 6Glc1→2Frc Stachyose (Soja, Artischocke) Gal1→6Gal1→ 6Gal1→6Glc1→2Frc Verbascose (Hülsenfrüchte) Grund: Zu geringe Aktivität der -Galactosidase an der Dünndarmschleimhaut vieler Menschen. → Folgen? Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 21 Für alles gibt´s ein Mittelchen… Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 22 Polysacchararide Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 23 Struktur verschiedener Polysaccharide Thompson, 2014 Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 24 Vom Di- zum Polysaccharid /1 ▶ Stärke und Glycogen ▶ Amylose (Glucose nur in 1→4-Bindungen) ▶ Amylopectin (Glc 1→4- und Glc 1→6-Bindungen) Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences Vom Di- zum Polysaccharid /2 ▶ Cellulose (Glucose in 1→4-Bindungen, keine Verzweigungen) ▶ Nicht verdaulich für Menschen, weil -Glucosidase (=Cellulase) fehlt x Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences „Wir hätten da was für Sie“…. Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 27 Eigenschaften von Zuckern und Stärke - im Organismus und im Kochtopf Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 28 Welche Zuckerarten kommen in Lebensmitteln vor? aus: T.P. Coultate. Food, the chemistry of its components. 4.ed. (2002) RSC Paperbacks, Cambridge Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 29 Erhitzungsprodukte von Zuckern ▶ Werden Zucker auf >100°C erhitzt, karamelisieren sie d.h. sie bilden unzählige Produkte, die wir als Geschmacks-, Aroma- und Farbstoffe kennen und schätzen ▶ In Gegenwart von N-haltigen Verbindungen bilden KH bei trockener Erhitzung Maillard-Produkte (z.B. Farb- und Aromastoffe von Backwaren und gebratenem Fleisch) ▶ In vielen Verarbeitungsprozessen sind diese aber unerwünscht (UHT-Milch, Herstellung von Eiprodukten, Sprühtrocknung u.a.) x Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 30 Polysaccharide als Speicherstoffe In Säugetieren: ▶ Glykogen (verzweigt) In Pflanzen: ▶ Stärke ▶ Amylose (unverzweigt) ▶ Amylopektin (verzweigt) ▶ Inuline= Polymere mit bis zu 200 Frc-Einheiten, z.B. in Chicoree, Topinambur, Artischocke) Glc1→1Frc2→1Frc2(→1Frc)n ▶ Inuline sind nicht verdaulich, weil -Fructosidase (Saccharase) fehlt (spaltet 2→1-Bindungen) ▶ CAVE: Nicht verwechseln mit Saccharase-Isomaltase (spaltet 1→2-Bindung in Saccharose und 1→6-Bindung in Isomaltose Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 31 Was passiert beim Kochen von Pasta und Kartoffeln?... …und warum muss ich das wissen? Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 32 Wasserbindungsvermögen von Stärke ▶ Trockene Stärke liegt z.T. kristallin, z.T. amorph vor ▶ In kaltem Wasser nehmen Stärkekörner (Granula) 40 - 50 % ihres Gewichtes an Wasser auf, ohne ihre Form wesentlich zu ändern. Dieser Vorgang ist reversibel ▶ Wasser wird vorwiegend in den amorphen Bereichen des Amylopektins gebunden ▶ die Angreifbarkeit der Stärke durch Amylase bleibt gering Cummings, Englyst: Gastrointestinal effects of food carbohydrate. Am J Clin Nutr 61 (suppl) 1995 938S-45S Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 33 Verkleisterung ▶ Erhitzen von Stärke in wässrigem Milieu über die Verkleisterungstemperatur hinaus (55 - 85°C) führt zu irreversiblen Veränderungen an den Stärkekörnern Amylose wird herausgelöst Granula bleiben erhalten, bestehen aus gequollenem, verkleistertem Amylopektin kristalline Bereiche sind weitgehend verschwunden ▶ die Abbaubarkeit durch Amylase nimmt zu Cummings, Englyst: Gastrointestinal effects of food carbohydrate. Am J Clin Nutr 61 (suppl) 1995 938S-45S Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 34 Zersetzung der Stärkekörner ▶ bedingt Temperaturen über 100oC ▶ Amylopektin tritt aus den Granula aus und bildet im wässrigen Milieu grosse Aggregate ▶ gute Abbaubarkeit durch Amylase Cummings, Englyst: Gastrointestinal effects of food carbohydrate. Am J Clin Nutr 61 (suppl) 1995 938S-45S Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 35 Retrogradation ▶ Durch die Abkühlung stärkehaltiger Lösungen entstehen Gele, wobei sich die Moleküle zu einem dreidimensionalen Netzwerk zusammen lagern - Amylose-Gele lösen sich erst bei Temperaturen über 150°C wieder auf ▶ Amylopektin-Gele lassen sich zwischen 25 und 95°C wieder verflüssigen ▶ Es entsteht dabei auch resistente Stärke Ann Rev Food Sci Technol 2010.1:87-111 Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 36 Abbaubarkeit von Stärke durch -Amylase rasch, vollständig abbaubar ▶ frisch gekochte, stärkehaltige, warme Speisen langsam, vollständig abbaubar ▶ die meisten rohen Cerealien nicht abbaubar = resistente Stärke ▶ native Stärkekörner (grüne Bananen, rohe Kartoffeln und rohes Gemüse) ▶ gequollene Stärke (z. B. in gegarten Hülsenfrüchten, gedämpftem Gemüse, im Kern von al dente gekochten Spaghetti) ▶ retrogradierte Stärke ▶ → Hat einen (geringen) Einfluss auf die Blutglucosewirksamkeit von stärkehaltigen Lebensmitteln ▶ → Pasta al dente und Gschwellti von gestern sind gsund! Berner Fachhochschule Cummings, | Haute école spécialisée Englyst: Gastrointestinal bernoise effects of food | Bern University carbohydrate. Am J ClinofNutr Applied Sciences 61 (suppl) 1995 938S-45S 37 Der Glykämische Index ▶ Steht in Zusammenhang mit den in einem Lebensmittel vorliegenden Formen der Stärke ▶ Widerspiegelt die Zugänglichkeit und Abbaubarkeit der enthaltenen Stärke ▶ vgl. dazu Foster-Powell, K. (2002). International table of glycemic index and glycemic load values. Am J Clin Nutr 76:5–56 (frei zugänglich mit VPN) ▶ (Kleine Selbststudiumsaufgabe für´s WA ☺) Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 38 Kohlenhydrate - Stoffchemie Videos zur Repetition Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 39 Kohlenhydrate - Stoffchemie ▶ Lernvideo zu Enantiomeren (Chiralität) https://www.youtube.com/watch?v=es-60Hf9nJE ▶ Lernvideo zu Aldehyden und Ketonen: https://www.youtube.com/watch?v=NINWCNvJFfg ▶ Lernvideo zu Einfachzuckern, Aldehyden, Ketonen und D-/L-Form https://www.youtube.com/watch?v=owNSCqaPtvw ▶ Lernvideo zu Mehrfachzuckern und - und -glycosidischen Bindungen https://www.youtube.com/watch?v=C_O_nHfHmoE Quellen: Thesimplechemics Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 40