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This document presents a philosophical analysis of definitions, focusing on the distinctions between standard, nominal, and real definitions. It further elaborates on various aspects of responsibility, including the different roles, motivations, contexts, and related ethical considerations.

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Kapitel 2 ========= Standarddefinition ------------------ Als zweite Definitionsart lässt sich die sogenannte Standarddefinition von der nominalen Definition unterscheiden. Standarddefinition in diesem Sinne meint die Definition im Sinn des alltäglichen Wortgebrauchs. Primäres Interesse der Philo...

Kapitel 2 ========= Standarddefinition ------------------ Als zweite Definitionsart lässt sich die sogenannte Standarddefinition von der nominalen Definition unterscheiden. Standarddefinition in diesem Sinne meint die Definition im Sinn des alltäglichen Wortgebrauchs. Primäres Interesse der Philosophen -- Realdefinition und Sachproblem -------------------------------------------------------------------- Das primäre Interesse des Philosophen gilt in der Realdefinition dem Sachproblem selbst, und dieses besteht zu (kleinen) Teilen aus der verwendeten Sprache. Entscheidend ist für diese Definitionsunterscheidung (die lediglich eine von vielen möglichen Unterscheidungen auf diesem Gebiet darstellt) die grundsätzliche Differenz von Begriffsanalyse (nominale Definition und Standarddefinition) einerseits und Gegenstandsanalyse (Realdefinition) andererseits. Zusammenfassung: Definitionsanalyse, Kontext Verantwortungsbegriff ------------------------------------------------------------------ 1. **Verschiedenheit von Definitionen**: - In einer philosophischen Definitionsanalyse zeigt sich, dass Definitionen auf sprachlicher Ebene variieren können. Diese Unterschiede sind sowohl quantitativ, also in der Anzahl der Verwendungen und Formulierungen, als auch qualitativ, in Bezug auf die zugrundeliegenden Konzepte und Methoden. 2. **Methodische und erkenntnistheoretische Aspekte**: - Definitionen zielen nicht nur sprachlich, sondern auch methodisch und erkenntnistheoretisch auf unterschiedliche Aspekte eines Sachverhalts ab. Dies führt zu einer Vielfalt in der Definitionsgestaltung, die unterschiedliche philosophische, gesellschaftliche und individuelle Perspektiven widerspiegelt. 3. **Drei Arten der Definition nach Michael Quante**: - **Nominale Definition**: Hier definieren Einzelpersonen oder Gruppen einen Begriff mit einer spezifischen Bedeutung, die fortan konsequent verwendet wird. - **Standarddefinition**: Diese Art der Definition entspricht der alltäglichen Verwendung eines Wortes und findet sich üblicherweise in Wörterbüchern. - **Realdefinition**: Im Gegensatz zu den anderen beiden Definitionstypen bezieht sich die Realdefinition auf eine tiefere Analyse, der mit der Sprache bezeichneten, Gegenstände selbst, also auf die eigentlichen Eigenschaften und Strukturen der Dinge, die definiert werden. Zusammenfassung: Verantwortungszuschreibungen in gesellschaftlichen und medialen Debatten ----------------------------------------------------------------------------------------- 1. **Vielfältigkeit des Verantwortungsdiskurses**: - Der Diskurs über Verantwortung ist weitreichend und interdisziplinär, er erstreckt sich über theoretische Diskussionen hinaus und findet auch in der öffentlichen, gesellschaftlichen Debatte statt. Er ist nicht nur auf akademische Kreise beschränkt. 2. **Beispiel der proaktiven Verantwortungsübernahme**: - Carola Rackete, die deutsche Kapitänin des Seenotrettungsschiffes Sea-Watch 3, illustriert die proaktive Übernahme von Verantwortung. Ihr wissentlicher Rechtsbruch, um Menschenleben zu retten, zeigt eine starke moralisch-ethische Entscheidung, die über die rechtlichen Grenzen hinausgeht. 3. **Beispiel der externen Verantwortungszuschreibung**: - Im Gegensatz dazu steht der Fall von Francesco Schettino, dem Kapitän des havarierten Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia. Sein Verhalten führte zu einer negativen Verantwortungszuschreibung von außen, die seine rechtlichen und moralischen Pflichten in den Mittelpunkt stellte. 4. **Rollenverantwortungen und rechtlich-moralische Dimensionen**: - In beiden Fällen spielen spezifische Rollenverantwortungen eine zentrale Rolle. Es wird deutlich, wie unterschiedlich rechtliche und moralisch-ethische Dimensionen der Verantwortung in der Gesellschaft und in den Medien interpretiert und dargestellt werden können. Mögliche Relata eines relational gefassten Verantwortungsbegriffs ----------------------------------------------------------------- Als plausible Kandidaten für die möglichen Relata eines relational gefassten Verantwortungsbegriffes gelten nach Janina Loh jedenfalls der Träger der Verantwortung (*Wer ist verantwortlich?*), der konkrete Gegenstand der Verantwortung (*Wofür ist jemand verantwortlich?*), die Instanz der Verantwortung (*Wovor ist jemand verantwortlich?*) gegenüber einem konkreten Adressaten (*Warum ist man verantwortlich?*) und auf Grundlage welcher normativen Prinzipien (*Inwiefern ist man verantwortlich?*). Zuschreibung von Verantwortung ------------------------------ Die Zuschreibung von Verantwortung kann daher nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen der Freiheit, der Kausalität und der Intentionalität erfüllt sind. Handlungsergebnisverantwortung ------------------------------ Die sogenannte *Handlungs(ergebnis)verantwortung* umfasst alle Formen der Kausalverantwortung für bereits begangene oder noch zu begehende Handlungen. Dies gilt sowohl für individuelle als auch kollektiv agierende Personen. ### Kontextsensitive Entscheidungen Dabei sind kontextsensitive Entscheidungen grundsätzlich durch Reflexion von universellen und partikularen Gründen gekennzeichnet. Diese Abwägung zwischen generellen und spezifischen Gründen erfordert nach Heidbrink eine ethische Kasuistik, die die Angemessenheit von Handlungsnormen hinsichtlich moderner Lebensbedingungen und komplexer Entscheidungsprozesse im Blick hat. Verpflichtungsgrade -- apodiktische und assertorische Verantwortung ------------------------------------------------------------------- Mit Rückgriff auf die Terminologie Kants können solche Verpflichtungsgrade auch in *apodiktische* Verantwortung (Verantwortung leitet sich aus universalen moralischen Prinzipien ab), *assertorische* Verantwortung (Verantwortung ergibt sich aus faktischen Verpflichtungen) und *problematische* Verantwortung (Verantwortung wird freiwillig etwas aus Philanthropie übernommen) unterteilt werden. Verantwortung als Struktur- und Steuerelement --------------------------------------------- Konkret versteht man unter Verantwortung als Struktur und Steuerungselement die Verantwortlichkeit komplexer Systemprozesse im Hinblick auf die Rahmenregeln, Kontextgestaltung und Selbstverpflichtung der beteiligten agierenden Personen. Diese handelnden Personengruppen bestehen in modernen, transnationalen Gesellschaften zumeist aus den Grundpolen von Markt, Staat und Zivilgesellschaft. Zusammenfassung und Ziel der Systemverantwortung -- Vier Verantwortungsdefinitionen ----------------------------------------------------------------------------------- 1. **Differenzierung von Verantwortungstypen**: - **Zurechnungsverantwortung**: Diese Form der Verantwortung wird im Nachhinein anderen zugeschrieben, basierend auf der Verletzung etablierter moralischer oder rechtlicher Normen. - **Zuständigkeitsverantwortung**: Diese wird im Voraus selbst übernommen und basiert auf Selbstverpflichtung und bestimmten Rollenerwartungen. - Beide Formen bilden die objektiven und subjektiven Pole der Verantwortung und ergänzen sich gegenseitig. 2. **Verantwortung als folgenbasiertes Legitimationsprinzip**: - Verantwortung wird hier als Prinzip verstanden, das sich auf die Legitimierung durch die Folgen von Handlungen bezieht. - Unterschieden wird zwischen prospektiver Ex-post-Verantwortung (Folgen nach einer Handlung) und retrospektiver Ex-ante-Verantwortung (Folgen vor einer Handlung). - Handlungsfolgen werden unterteilt in beabsichtigte, vorhergesehene, in Kauf genommene und unvorhergesehene Folgen. 3. **Verantwortung als kontextualistisches Reflexionsprinzip**: - Der Verantwortungsbegriff dient hier als Reflexionsinstrument, um adäquate Entscheidungsgründe in komplexen Handlungsfeldern zu finden. - Entscheidungen sind durch die Unterscheidung von universellen und partikularen Gründen gekennzeichnet und müssen kontextsensitiv sein. 4. **Verantwortung als Struktur- und Steuerungselement komplexer Systemprozesse**: - Diese Definition umfasst die Verantwortung innerhalb komplexer Systeme wie Markt, Staat und Zivilgesellschaft. - Systemverantwortung basiert auf der Systemtheorie, die von der Eigendynamik und Selbstorganisation sozialer Subsysteme ausgeht. - Das Ziel ist die Förderung einer autonomen Verantwortungsbereitschaft in sozialen Subsystemen, wobei Designverantwortung und Kontextsteuerung durch Selbstregulierung wichtig sind. Das „klassische Modell" der Verantwortung ----------------------------------------- Das sogenannte „klassische" Modell der Verantwortung versteht Verantwortung grundsätzlich im Kontext eines negativ bewerteten Ereignisses (ein Unfall, ein Verbrechen oder Ähnliches), dessen Verursacher ermittelt und damit zur Verantwortung gezogen werden soll. Vom klassischen Verantwortungsbegriff zur gesellschaftlichen Transformation --------------------------------------------------------------------------- Als wesentlicher Faktor dieser Entwicklung gilt der gesamtgesellschaftliche Wandel im Hinblick auf den Übergang von traditioneller Feudalgesellschaft hin zum modernen Kapitalismus. Konkret können insbesondere vier Elemente als zentral identifiziert werden: die wachsende Arbeitsteilung und Differenzierung (1), der Übergang von persönlichen Beziehungen hin zu anonymen Marktbeziehungen (2), die industrialisierte Technik und deren Anwendungen (3) sowie die theoretische Konzeption und praktische Implementierung moderner demokratischer Regierungen (4). Zusammenfassung: Entwicklung des Verantwortungsbegriffs vom klassischen zum nachklassischen Modell -------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. **Klassisches Verantwortungsmodell**: - **Definition**: Im klassischen Modell wird der Verantwortungsbegriff als relationaler Begriff verstanden, der vier Elemente umfasst: Objekt, Subjekt, Wertesystem und Instanz. - **Beziehungen und Ziel**: Es zeichnet sich durch lineare Beziehungen zwischen dem Handlungssubjekt und den Handlungsfolgen aus, wobei der Fokus auf negativ bewerteten Ereignissen liegt, deren Verursacher zur Verantwortung gezogen werden soll. Das Hauptziel ist die Einflussnahme auf zukünftiges Handeln von Individuen. 2. **Übergang zum nachklassischen Modell**: - **Geschichtlicher Kontext**: Seit dem 19. Jahrhundert verliert das klassische Modell an allgemeiner Gültigkeit, bleibt jedoch in bestimmten Kontexten relevant. Die Entstehung des nachklassischen Modells wird durch den gesellschaftlichen Wandel von einer Feudalgesellschaft zum modernen Kapitalismus begünstigt. - **Vier zentrale Veränderungen**: Diese beinhalten die Zunahme von Arbeitsteilung und Differenzierung, den Übergang von persönlichen zu anonymen Marktbeziehungen, die Anwendung industrialisierter Techniken und die Etablierung moderner demokratischer Regierungen. 3. **Merkmale des nachklassischen Modells**: - **Verantwortungsverschiebungen**: Das nachklassische Modell unterscheidet sich vom klassischen durch die Verlagerung der zeitlichen Ausrichtung von retrospektiver zu prospektiver Verantwortung und durch die Fokussierung auf gewünschte Zustände statt ausschließlich auf zu vermeidende Schäden. - **Vorsorgeverantwortung**: Diese neue Kategorie der Verantwortung, bekannt als Vorsorgeverantwortung, berücksichtigt die komplexe Vernetzung zwischen Handlungen und ihren weitreichenden Folgen in einem globalisierten und technologisch fortgeschrittenen Kontext. Reflexionsfrage: Unterschied zwischen klassischem und nachklassischem Verantwortungsmodell ========================================================================================== **Klassisches vs. Nachklassisches Verantwortungsmodell** Das klassische und nachklassische Verantwortungsmodell unterscheiden sich grundlegend in ihrer Herangehensweise: **Klassisches Modell** - Konzentriert sich auf die Vergangenheit und fragt \"Wer ist schuld?\" - Sucht nach einzelnen Verursachern für negative Ereignisse - Zielt auf Bestrafung oder Schadenersatz ab - Betrifft nur direkt zurechenbare Handlungen von Einzelpersonen **Nachklassisches Modell** - Blickt in die Zukunft und fragt \"Wie können wir es besser machen?\" - Berücksichtigt komplexe Zusammenhänge und Systeme - Zielt auf Prävention und positive Entwicklung ab - Bezieht auch Gruppen und Organisationen als Verantwortungsträger ein Ein anschauliches Beispiel sind die Unfälle mit Dampfmaschinen im 19. Jahrhundert: Nach dem klassischen Modell suchte man einzelne Schuldige. Man erkannte aber, dass dies zu kurz griff, da die Unfälle komplexe technische und organisatorische Ursachen hatten. Dies führte zum nachklassischen Modell, das die Verantwortung im gesamten System sieht. Verantwortungsbegriff und Vokabular im Kontext der Rechtswissenschaften ----------------------------------------------------------------------- Stattdessen wird der Verantwortungsbegriff mit genuin rechtswissenschaftlichem Vokabular wie Zuständigkeit, Aufgabe, Befugnis, Adressat, Schuld oder Schadenersatz umschrieben. Aufgrund seiner angeblichen mangelnden Bestimmtheit wenden sich sogar manche Rechtswissenschaftler explizit gegen den Gebrauch des Verantwortungsbegriffs in der juristischen Fachliteratur. Zusammenfassung: Normative und ethische Dimensionen des Verantwortungsbegriffs ------------------------------------------------------------------------------ 1. Inhärent normative Dimension von Verantwortung: - Verantwortung trägt immer eine normative Dimension, die in jedem Diskurs über Verantwortung grundlegend ist. Dies bedeutet, dass der Begriff der Verantwortung vor allem unter normativen Gesichtspunkten formuliert wird, die auf moralischen oder ethischen Überlegungen basieren. 2. Zentrale Rolle des Normen- und Wertesystems: - Die Bedeutung von Normen und Werten ist entscheidend für das Verständnis von Verantwortung, insbesondere wenn sie als relationaler Begriff betrachtet wird. Ein Wertesystem bildet die Grundlage dafür, Handlungen und deren Konsequenzen innerhalb des Rahmens von Verantwortung zu beurteilen. 3. Unzertrennliche Verbindung mit der Ethik: - Eine ethische Dimension ist im Konzept der Verantwortung unabdingbar. Verantwortung ohne eine ethische Grundlage ist nicht vorstellbar, da ethische Überlegungen definieren, was als verantwortlich oder verantwortungslos angesehen wird. 4. Interdisziplinäre Diskurse über Verantwortung: - Der Verantwortungsdiskurs beschränkt sich nicht nur auf die Philosophie oder Ethik; er wird auch in anderen Wissenschaften wie der Rechtswissenschaft geführt. Hierbei wird untersucht, wie Verantwortung rechtlich verstanden und angewendet wird. 5. Notwendigkeit der konzeptionellen Unterscheidung: - Es ist entscheidend, zwischen moralischer und rechtlicher Verantwortung zu differenzieren. Rechtlich verbotene Handlungen können moralisch vertretbar sein und umgekehrt. Diese Unterscheidung hilft dabei, die unterschiedlichen Anwendungsbereiche und Folgen von Handlungen in verschiedenen Kontexten zu verstehen. 6. Rechtliche vs. ethische Verantwortung: - Im Bereich der rechtlichen Verantwortung existieren explizite Systeme für Rechtsetzung und Sanktionierung. Dies unterscheidet die rechtliche von der ethischen Verantwortung, die keine solchen formalen Durchsetzungsmechanismen hat. 7. Anwendung und Diskurs in der Rechtswissenschaft: - Der Verantwortungsbegriff spielt in der Rechtswissenschaft eine doppelte Rolle: In der Innenperspektive unterstützt er die juristische Begründung von Normgeltungsbehauptungen, während er in der Außenperspektive hilft, den gesamtgesellschaftlichen Rechtsdiskurs zu formen. In beiden Fällen trägt das ethische Verständnis von Verantwortung dazu bei, die Grenzen zwischen Recht und Unrecht klarer zu definieren und die Rolle des Rechts in der Gesellschaft zu reflektieren. Unterscheidung von retrospektiver und prospektiver Verantwortung im Kontext teleologischer und deontologischer Ethiktheorien ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Diese konzeptionelle Unterscheidung ist im Verantwortungsdiskurs vor allem hinsichtlich der Differenz von retrospektiver Ex-post-Verantwortung und prospektiver Ex-ante-Verantwortung relevant (siehe Kapitel II.1). Die zugrunde liegende Unterscheidung zwischen teleologischen (altgriechisch: Telos, τέλος, Ziel, Zweck) und deontologischen (altgriechisch: Deon, δέον, das Gebührende bzw. die Pflicht) führt auf den seit den 1930er-Jahren bestehenden Versuch einer umfassenden Unterteilung ethischer Theorien zurück. Dabei bezeichnet die Deontologie eine Theorie, welche die moralische Qualität einer Handlung danach bemisst, „ob der Handelnde aus einem Verständnis der normativen Verpflichtung heraus sich zur Handlung entschieden hat". Konsequentialistische und nicht-konsequentialistische Theorien -------------------------------------------------------------- Dabei wird die Unterscheidung von teleologischen und deontologischen Theorien zumeist mit jener zwischen konsequentialistischen und nicht-konsequentialistischen Theorien gleichgesetzt. Konsequentialistische Ethiktheorien ----------------------------------- Als konsequentialistisch gilt eine Ethiktheorie jedoch dann, wenn sie exklusiv auf die Folgen einer Handlung fokussiert ist. Die Art dieser Folgenorientierung ist jedoch höchst unterschiedlich. Präferenzutilitarismus ---------------------- Andere Varianten des Utilitarismus, wie der **Präferenzutilitarismus**, fokussieren sich auf andere Güter, wie die Maximierung in der Erfüllung von durch Abstraktion gebildeten Präferenzen. Theoretische Engführung von Deontologie/Utilitarismus/Konsequenzialismus ------------------------------------------------------------------------ Zumeist wird die theoretische Engführung von Deontologie und Utilitarismus bzw. Konsequenzialismus so verstanden, dass sich konsequentialistische Theorien um die Folgen von Handlungen kümmern, während deontologische Theorien nur die innere Einstellung in Bezug auf moralische Pflichten im Blick haben. Einem solchen holzschnitthaften Verständnis entspricht auch die von Max Weber formulierte Unterscheidung von „Verantwortungsethik" (teleologisch bzw. konsequentialistisch) und „Gesinnungsethik" (nicht-teleologisch bzw. deontologisch). Moralische Theorien und ihre Bedeutung für Verantwortung -------------------------------------------------------- Das komplexe Thema lässt sich einfacher so erklären: **Zwei Hauptansätze des moralischen Handelns:** - Die **Deontologie** fragt: \"Was ist meine moralische Pflicht?\" - Der **Konsequentialismus** fragt: \"Welche Folgen hat meine Handlung?\" **Verantwortung in zwei Zeitrichtungen:** - **Rückblickend** (Ex-post): Hier geht es um die Bewertung vergangener Handlungen, meist nach festen Regeln und Prinzipien - **Vorausschauend** (Ex-ante): Hier geht es um zukünftige Ziele und die Vermeidung negativer Folgen Obwohl man oft denkt, dass rückblickende Verantwortung zur Deontologie passt und vorausschauende zum Konsequentialismus, ist die Realität komplexer. Beide Ansätze können sich überschneiden und ergänzen - manchmal berücksichtigen pflichtbasierte Theorien auch Folgen, während folgenorientierte Theorien auch Prinzipien einbeziehen. ### Teleologische und Deontologische Theorien im Überblick **Deontologische Theorien** - Konzentrieren sich auf moralische Pflichten und Prinzipien - Bewerten eine Handlung danach, ob sie aus dem Verständnis einer normativen Verpflichtung heraus erfolgt - Basieren auf der Idee von moralischen Regeln und Pflichten, die befolgt werden müssen **Teleologische Theorien** - Fokussieren auf die Konsequenzen und Folgen einer Handlung - Bewerten eine Handlung nach ihren Zielen und Ergebnissen - Der Utilitarismus ist die bekannteste Form, der das größtmögliche Glück für die größte Zahl anstrebt Praktische Anwendung **Im Kontext der Verantwortung** - Deontologische Theorien werden häufig mit rückblickender (Ex-post) Verantwortung verbunden - Teleologische Theorien werden eher mit vorausschauender (Ex-ante) Verantwortung assoziiert **Wichtig zu verstehen**\ Diese strikte Trennung ist in der Realität oft nicht möglich, da: - Manche deontologische Theorien auch Handlungsfolgen berücksichtigen - Einige teleologische Ansätze ebenfalls moralische Prinzipien einbeziehen - Beide Ansätze sich in der Praxis oft ergänzen und überschneiden Die Unterscheidung dient hauptsächlich als theoretisches Modell, um verschiedene ethische Herangehensweisen besser zu verstehen und einzuordnen. Unterscheidung nach Max Weber -- Verantwortungsethik und Gesinnungsethik ------------------------------------------------------------------------ Einem solchen holzschnitthaften Verständnis entspricht auch die von Max Weber formulierte Unterscheidung von „Verantwortungsethik" (teleologisch bzw. konsequentialistisch) und „Gesinnungsethik" (nicht-teleologisch bzw. deontologisch). Zusammenfassung -- Unterscheidung von teleologischen und deontologischen Theorien: ---------------------------------------------------------------------------------- Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Unterscheidung von teleologischen und deontologischen Theorien bzw. der meist analog gebrauchten Unterscheidung von konsequentialistischen und nicht-konsequentialistischen Theorien für den Verantwortungsdiskurs von großer Bedeutung ist. Dabei ist die grobe Unterscheidung von Deontologie als Handeln nach moralischen Prinzipien oder Pflichten und Konsequentialismus (wie der Utilitarismus als bekannteste konsequentialistische Theorie) als Handeln nach moralischen Handlungsfolgen zwar weitverbreitet, aber letztlich missverständlich. Betrachtet man die Vielfalt deontologischer Theorien, so kommen bei manchen auch Handlungsfolgen in den Blick, während mache Formen des Utilitarismus auch moralische Prinzipien berücksichtigen. Als grobe Annäherung ist das gängige Modell dennoch hilfreich. Hinsichtlich des Verantwortungsdiskurses kommen deontologische und teleologische Theorien vor allem in Verbindung mit retrospektiver Ex-post-Verantwortung und prospektiver Ex-ante-Verantwortung in den Blick. Die Ex-post-Verantwortung basiert primär auf der Umsetzung von Regeln und Prinzipien, die Ex-ante-Verantwortung auf der Erlangung oder Herstellung bestimmter Güter bzw. der Vermeidung konkreter Übel. Als grobe Annäherung gilt, dass sich Ex-post-Verantwortung tendenziell auf deontologische Theoriemodelle stützt, während sich Ex-ante-Verantwortung tendenziell auf teleologische Theoriemodelle bezieht. Jedoch ist diese Tendenz keine festgesetzte Einteilung, da sich auch gegenläufige Argumente in der Fachliteratur finden lassen. \_\_ Die Vorstellung von Gott als Richter ------------------------------------ Schon die jüdisch-christliche Vorstellung von Gott als Richter und die alttestamentarische Auffassung, das Geschöpf (der Mensch) wäre dem Schöpfer (also Gott) zur Antwort auf seine Fragen verpflichtet, betont diese historisch starke Fokussierung auf individuelle Verantwortung. Individuelle Verantwortung im sozialen Vakuum --------------------------------------------- Jedoch muss in diesem Kontext betont werden, dass individuelle Verantwortung keineswegs in einem sozialen Vakuum für sich alleinsteht, sondern, dass jedes Individuum zum Erlernen der entsprechenden Fähigkeiten auf ein entsprechendes soziales Umfeld angewiesen ist. Zusammenfassung -- das Primat individueller Verantwortung --------------------------------------------------------- Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das sogenannte Primat der individuellen Verantwortung die Verantwortung einzelner, zurechnungsfähiger menschlicher Personen als grundlegendes Paradigma jeder Verantwortungsrelation begreift. Auch Fälle, in denen Staaten oder Vereine Verantwortung tragen, können nach dieser Auffassung letztlich nur vor dem Hintergrund individueller Verantwortung verstanden und konzeptualisiert werden. Reflexionsfrage: Reflektieren Sie einige wesentliche Merkmale individueller Verantwortung im ethischen Diskurs ============================================================================================================== Individuelle Verantwortung ist immer davon abhängig, wie sie entsteht -- jedes Individuum muss zum Erlernen der Fähigkeiten in einem sozialen Umfeld diese erlenen. Auch folgt diese Art der individuellen Verantwortung immer individuell dem Kontext, in welchem gehandelt wird, den Implikationen und der Zurechnungsfähigkeit menschlicher Personen und ggf. Auch Vereinen, wobei der Hintergrund des Verständnisses und der Konzeptionalisierung individuell ist und korrekt verstanden werden muss. Historisch gesehen gab es bereits in Religionen die Auffassung, dass einem Gott gegenüber einer Pflicht besteht, Antwort zu Fragen zu geben, wodurch wieder ein Fokus auf individueller Verantwortung liegt. Dabei ist auch die Verantwortungs- und Gesinnungsethik relevant. Damit ist gemeint, dass Gesinnungsethik den Fokus auf die Absicht oder Haltung des Handelnden legt, unabhängig von Folgen der Handlung. Sowas wie "Die Absicht zählt". Die Verantwortungsethik konzentriert sich auf die Konsequenzen des Handelns -- bspw. Ob danach gute oder schädliche Dinge entstehen. Sowas wie "Ich bin für die Folgen meines Handelns verantwortlich". Der Unterschied ist also, dass die Gesinnung den Prinzipien folgt, und die Verantwortungsethik der Auswirkung des Handelns. Kollektive Verantwortung ------------------------ Die grundlegende Prämisse kollektiver Verantwortung auf Akteursebene besteht darin, dass kollektive Entitäten, Gruppen, Staaten usw. hinreichend handlungsfähig sind, um für ihre Taten verantwortlich gemacht zu werden. Entitäten und kollektive Verantwortung -------------------------------------- Nach Auffassung der Philosophin Tracy Isaacs eignen sich letztlich nur Organisationen und zielorientierte Kollektive für einen solchen Akteursbegriff. Solche als „Organisationen" bezeichneten Entitäten zeichnen sich etwa durch ihre formalen Entscheidungsfindungsprozesse, Interessen und klar definierte Rollen aus. Dabei können sowohl Staaten, Regierungen, Sportmannschaften, NGOs oder gemeinnützige Vereine als Organisationen in diesem Sinn gelten. Kollektive Akteure und Verantwortung nach Isaac Tracy ----------------------------------------------------- Isaacs skizziert die erste Grundposition, wonach kollektive Akteure zu intentionalen Handlungen fähig sind und folglich dafür im eigentlichen Sinn moralisch zur Verantwortung gezogen werden können, als die sogenannte kollektive Verantwortung als Verantwortung kollektiver Akteure. Konzeption kollektiver Verantwortung -- Zusammenfassung (S. 65) --------------------------------------------------------------- Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Konzeption kollektiver Verantwortung ein umstrittenes Konzept ist. Manche Theoretiker bezweifeln die Akteurschaft kollektiver Entitäten oder befürchten eine komplette Entwertung individueller Verantwortung zugunsten einer moralischen Auslagerung der Verantwortung auf das Kollektiv. Gleichzeitig betonen Befürworter eines wie auch immer konkret ausgestalteten Konzepts kollektiver Verantwortung, dass gerade monströse Verbrechen, Genozide oder die Verursachung des anthropogenen Klimawandels nur unter Einbeziehung einer kollektiven Perspektive vollständig verstanden werden können. Tracy Isaacs unterscheidet drei theoretische Hauptpositionen kollektiver Verantwortung. Die kollektivistische Position kollektiver Verantwortung sieht kollektive Entitäten als Akteure vollumfänglich für ihr Handeln verantwortlich. Individualistische Konzeptionen kollektiver Verantwortung betonen, dass jedes Individuum für das im Kollektiv erzielte Handlungsresultat verantwortlich ist, sofern dies auf die anderen auch zutrifft. Eliminative Positionen kollektiver Verantwortung hingegen lehnen die Konzeption kollektiver Verantwortung grundsätzlich ab. Reflexionsfrage - Reflektieren Sie einige wesentliche Merkmale kollektiver bzw. organisatorischer Verantwortung im ethischen Diskurs ==================================================================================================================================== Kollektive Verantwortung ist grundsätzlich etwas umstritten und kann verstanden werden als, Verantwortung einer Entität, die aus mehreren Akteuren besteht. Also quasi einem Kollektiv. Ein Kollektiv lässt dabei identifizieren, indem man bspw. Organisationen betrachtet und deren Zielorientierung. Es braucht also immer ein Motiv und eine Entität, die klarren Rollen, Bezeichnungen, Verhaltensweisen folgt, wodurch sie Verantwortungsfähig durch ihre Handlungen sind, implizit. Sie können moralisch zur Verantwortung gezogen werden und entscheiden sich bewusst zu einer Handlung, die eben zu verantworten ist. Dabei gibt es nach Isaac Tracy zB. auch drei Unterscheidungen -- kollektivistische Verantwortung, dabei ist die Summe an Akteuren vollumfänglich als Entität des Kollektivs für die Handlung verantwortlich, die individualistische Verantwortung, mit der jedes Individuum für das Endresultat im Kollektiv verantwortlich ist, sofern das auch auf andere zutrifft. Und dann eliminative Positionen der Verantwortung, die grundsätzlich die Konzeption kollektiver Verantwortungen ablehnen. Thomas Hobbes -- Verantwortung vernünftiger Personen ---------------------------------------------------- Für den englischen Staatsphilosophen Thomas Hobbes (1588-1679) ist es die Verantwortung aller vernünftigen Personen, ihre individuellen Rechte (etwa zur Selbstverteidigung) an den Staat im Sinne eines Gewaltmonopols abzugeben, um so Sicherheit und Rechtssicherheit zu etablieren. Nach Hobbes liegt es also im Eigeninteresse der Bürger, den Naturzustand (der durch ständige Konkurrenz um Ressourcen zwischen allen Mitgliedern der Gemeinschaft geprägt ist) zu beenden und stattdessen ein politisches Gemeinwesen mit Gewaltmonopol zu schaffen. Negative Freiheit und positive Freiheit --------------------------------------- Dies hängt nicht zuletzt vom jeweils zugrunde gelegten Freiheitsbegriff im Hinblick auf negative Freiheit (Freiheit, nicht gehindert zu werden bzw. von staatlicher Intervention eingeschränkt zu werden) und positive Freiheit (Freiheit, bestimmte Handlungen zu setzen bzw. Freiheit, in der Ausübung bestimmter Handlungen aktiv gefördert zu werden) ab. Zusammenfassung -- politische und soziale Verantwortung ------------------------------------------------------- Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es keine einheitliche Definition von politischer und sozialer Verantwortung gibt. Dieser Umstand resultiert aus den unterschiedlichen normativen Hintergrundtheorien (z. B. libertäre, liberale oder perfektionistische Staatstheorien) und ontologischen Theorien (z. B. kollektivistische und individualistische Handlungstheorien). Konkret zeigen sich die vielfältigen Ansätze sozialer Verantwortung etwa an der Frage von staatlichen Umverteilungsmaßnahmen. Hierbei stellen libertäre Denker individuelle Freiheit sowie das Recht auf Eigentum in den Vordergrund, während gemäßigte liberale Ansätze dem Staat die Verantwortung zur sozialen und wirtschaftlichen Absicherung der Bürger zuschreiben. Der sogenannte Perfektionismus geht davon aus, dass der Staat nicht nur für das wirtschaftliche Wohlergehen seiner Bürger, sondern auch für deren moralische und ethische Vervollkommnung verantwortlich ist. Die sozialen Aufgaben, die unter den Verantwortungsbereich eines politischen Gemeinwesens fallen, werden demnach unterschiedlich beurteilt. Dies hängt nicht zuletzt vom jeweils zugrunde gelegten Freiheitsbegriff im Hinblick auf negative Freiheit (Freiheit, nicht gehindert zu werden bzw. von staatlicher Intervention eingeschränkt zu werden) und positive Freiheit (Freiheit, bestimmte Handlungen zu setzen bzw. Freiheit, in der Ausübung bestimmter Handlungen aktiv gefördert zu werden) ab. Innerhalb des politischen Gemeinwesens wird Verantwortung für politische Entscheidungsprozesse am Paradigma individueller und kollektiver Handlungsfähigkeit festgemacht.

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