M5 & M6 Demokratie und Demokratisierung PDF
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This document discusses different types of democracy and their historical context, touching upon issues like national identity, the role of institutions like the parliament and citizens' rights, and the relationship between democracy, values, and development.
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**M5 & M6 Demokratie und Demokratisierung** Bezug zu Staats- & Nationenbildung - Bildung von modernen Staaten als Bedingung für liberale Demokratie; historischer Aspekt - Nationalstaat: Regieren im Namen der Nation als Legitimationsbasis für Demokratie - Typen von Nation; demokrati...
**M5 & M6 Demokratie und Demokratisierung** Bezug zu Staats- & Nationenbildung - Bildung von modernen Staaten als Bedingung für liberale Demokratie; historischer Aspekt - Nationalstaat: Regieren im Namen der Nation als Legitimationsbasis für Demokratie - Typen von Nation; demokratische Inklusion über Staatsbürgerrecht - Kulturelles Verständnis der Nation: Staatsbürgerrecht wird eher danach geformt, Assimilation, Integration - Politisches Verständnis der Nation: wird nicht zwischen unterschiedlichen kulturellen Gruppen unterschieden, sondern das politische Verständnis wird erwartet Minimale Definition von Demokratie: Wahldemokratie - Basiert auf Prozedur (prozedurale Definition), nicht substantiell - Nicht für das Volk, sondern durch das Volk - Nicht als Outcome-Legitimation zu verstehen Demokratie als institutionelles Instrument (Prozedur), um politische, kollektive Entscheidungen zu treffen, basierend auf Wettbewerb; Schumpeter, Dahl - Wettbewerb um Stimmen (Wahlen) - Mehrheitsprinzip Bedingungen für die (Wahl-)Demokratie - Parlament: es handelt sich um eine repräsentative Demokratie; keine inhaltliche, sondern Entscheidung um Repräsentation - Bürgerrechte (civil rights), man muss - Frei konkurrieren können, Assoziationsfreiheit - Meinungen frei äussern können, freie Meinungsäusserung, pluralistische Infoquellen mit Informationsfreiheit - Frei für Ämter gewählt werden können, passives Wahlrecht - Aktives Wahlrecht - Freie, faire und regelmässige Wahlen - Relevanz v.a. für empirische Forschung, da in Praxis erreichbar Varianten von Demokratie 1. Liberale Demokratie; Mills, Locke, Montesquieu - Demokratisches Element wie bei der Wahldemokratie - Aber Gefahr der reinen Demokratie Populismus - Fehlende Kompetenz von Wählern - Tyrannei der Mehrheit - Erosion individueller Freiheiten - Vorherige Definition der Demokratie wäre nach dem Verständnis der Liberalisten unzureichend gewesen, da vordefinierte Rechte nicht bestimmt worden sind! - Recht auf Eigentum, Machtbegrenzung des Staats, etc. werden definiert - Lieber eine repräsentative Demokratie, dabei traum man den Wählern u, zu entscheiden mit Stimmen, etc.; viel mehr sollte man nicht zumuten, da sie dafür nicht kompetent sind - Angst, dass Mehrheiten Minderheiten überwiegen würden; bspw. Minarettverbot vs. Religionsfreiheit - Lösungen - Parlamentarische Repräsentation (gemäss trustee Modell: freies Mandat) - Gewaltenteilung, Checks and Balances - Starker Rechtsstaat (Garantie der individuellen Freiheiten) 2. Radikale Demokratie; Rousseau (partizipativ) - Kritik an der liberalen Demokratie - Repräsentation widerspricht der Idee der wahren Volkssouveränität, da sie die Macht in die Hände der gewählten Vertreter legt und nicht in die des Volkes selbst - Konzentration der liberalen Demokratie auf individuelle Rechte und Interessen untergräbt das kollektive Streben nach dem „allgemeinen Willen" - Repräsentation fördert passive, unbeteiligte Bürger, anstatt die Beteiligung zu fördern 1. Bürger werden apathisch, können politisch nur alle vier Jahre entscheiden; geschwächte Motivation 2. System des Wahlwettbewerbs ist problematisch: Interessensvertretung, kein freies Mandat 3. Notwendig: ein System, dass uns ermöglicht, den allgemeinen Willen zu finden = Legitimation durch plausible Argumente für das Interesse aller - Lösungen - Notwendigkeiten der direkten Demokratien; Referenden, Volksinitiativen, Bürgerversammlungen, etc. - Notwendigkeit von Programmen für politische Bildung & bürgerschaftliches Engagement - Dezentralisierung von politischer und wirtschaftlicher Macht, um sicherzustellen, dass Entscheidungen näher an den Menschen getroffen werden, die auch davon betroffen sind - = absolute Integration der Bürger im Abstimmen; aus dieser Perspektive ist die Teilnahme sehr wichtig, da sonst nur die Eliten entscheiden würden 3. Deliberative Demokratie; Habermas (praktisch weniger durchgesetzt) - Kritik an Liberalismus wie die der radikalen Demokraten - Kritik an die radikalen Demokraten - fehlende Mechanismen, die sicherstellen, dass die Beteiligung auf der Grundlage von Informationen und Überlegungen erfolgt - Gefahr einer mehrheitlichen Dominanz - Repräsentation fördert passive, desinteressierte Bürger, anstatt Beteiligung zu fördern - Lösungen - rationale Deliberation: Argumentierend, inklusiv und öffentlich, Fokus auf rational motivierten Konsens - Resultate der Deliberation müssen die Entscheidungen beeinflussen - Institutionalisiert beispielsweise durch Bürgerpanels (Nenad Stojanovic) - Bsp. Bürgerpanel: kein freies Mandat! - Auch Oregon-Modell genannt, da dort angewendet - Durchführung im Rahmen eines Forschungsprojekts (DEMOSCAN) in Sitten 4. Zufallsstichprobe aus Bevölkerung: 2000 Personen 5. Bewerbung für Teilnahme: Stratifizierte Auswahl von 20 Personen 6. Neutral moderierte, öffentliche Deliberation zu Abstimmungsvorlage 7. Kurzbericht zuhanden der Stimmberechtigten Varianten von Autoritarismus Autoritäres Regime Totalitäres Regime --------------------------------------------------------------------------------------------------- ------------------------------------------------- Herrschaftslegitimation: Mentalitäten; Begründungen über Nationalismus, Sicherheit, Ordnung, etc. Herrschaftslegitimation: Absoluter Wahlanspruch Begrenzter Pluralismus Monismus Demobilisierung der Bevölkerung (Meinungen erlaubt, jedoch kein Einfluss) Ständige Mobilisierung - Basierend auf Kontrolle über Policies, Selektion der politischen Führerschaft & des Sicherheitsapparates - Wer hat die Macht? - Ein Diktator (personalisierte Diktatur): personalized dictatorship = einzelne, wenige Personen, um die die Diktatur aufgebaut ist - Dominante-Parteien-Diktatur: Bsp. Personifikation der kommunistischen Partei in China - Monarchien: Königliche Familie - Militärregime (meist übergangsweise mit einem Coup) Die Grenzen zwischen Demokratien und autoritären Regimen sind nicht immer ganz klar - Wahlautoritarismus ("electoral authoritarianism"), Illiberale Demokratien - Regime halten Wahlen ab, aber - Wahlen sind nicht fair - Das System ist nicht liberal (Grundrechte werden nicht vollständig garantiert) - Beispiele: Ungarn, Singapur, Venezuela, Türkei, etc. Wieso halten autoritäre Regime Wahlen ab (ca. 90% aller); Guriev & Treisman - Wahlen, auch manipuliert, bieten einen Anschein von demokratischer Legitimität - Sie sollen ein positives Image im Ausland aufrechterhalten - Wahlen können als kontrolliertes Ventil für politischen Dissens dienen - Sie können die Illusion von Wettbewerb erzeugen, indem sie einige Oppositionelle in das System einbeziehen, während sie die Kontrolle behalten = institutionelles Ventil, Wahrscheinlichkeit für Proteste & Coups wird so verhindert - bieten die Möglichkeit, Informationen über die öffentliche Meinung und die Stärke potenzieller Rivalen zu sammeln - Indem sie Wahlen abhalten und trotzdem überzeugend gewinnen, demonstrieren Diktatoren ihre Kontrolle über das politische System. Dies demonstriert ihre Dominanz und entmutigt die Opposition Wann kommt es zur Demokratisierung? Rokkans Schwellen der Demokratisierung 1. Legitimierung: zivile Rechte/Bürgerschaft; legitime Opposition gegenüber Regime, Meinungsfreiheit 2. Inklusion: politische Rechte/Bürgerschaft; Wahlrecht, Inklusion der Massen (nicht nur Männer!) in politischen Entscheidungsprozesse 3. Vertretung: Senkung der institutionellen Hürden für Vertretung von Minderheiten und neuen Parteien (Verhältniswahlsysteme) 4. Exekutive: verantwortlich gegenüber dem Parlament; parlamentarische Kontrolle Dahls Pfade der Demokratisierung - Ohne Wettbewerb hätten wir keine echte, sondern lediglich eine pro forma Wahl Erklärungen für Demokratisierung 1. Wirtschaftliche Entwicklung und Demokratisierung; dominante Perspektive! - Korrelation zwischen ökonomischer Entwicklung und Demokratie: - Lipset (1959) erste politikwissenschaftliche Studie, welche Zusammenhang theoretisiert und (quantitativ) empirisch überprüft - Er nennt verschiedene Gründe für den Zusammenhang („all the various aspects of economic development" industrialization, urbanization, wealth, and education\...) - Er erwähnt verschiedene mögliche Mechanismen. Darauf basierend sind drei Theorien entstanden: Rolle der Arbeiterklasse, Postmaterialismus, Ungleichheit als Mechanismus - Rolle der Arbeiterklasse; die Arbeiterklasse hat die Revolution geschaffen - Kapitalismus verändert Machtverhältnis zwischen Klassen, indem es die Landbesitzer (konservativ & antidemokratisch) schwächt und unteren Schichten stärkt - Arbeiter- und Mittelschicht erhalten organisatorische Macht durch Modernisierung (z.B. Industrialisierung, Urbanisierung, Kommunikation, etc.) - Arbeiterklasse und (manchmal) Bourgeoisie sind pro-demokratische Klassen - Je ausgeprägter Kapitalismus, desto grösser die pro-demokratischen Klassen - Allianz zwischen Arbeiterklasse und pro-demokratischer Bourgeoisie führt zu prodemokratischer Mehrheit - Postmaterialismus-Theorie - Demokratisierung als das Resultat der Mobilisierung von Bürgern mit postmaterialistischen Werten - Materialistische Werte: Physische und ökonomische Sicherheit - Postmaterialistische Werte: Autonomie und Selbstverwirklichung - Primat der materiellen über die postmateriellen Werte - Wie kommt es zu postmaterialistischen Werten? 8. Knappheitshypothese: Individuen verfolgen verschiedene Ziele, wenn die materiellen Werte gestillt sind, wechseln sie zu postmateriellen 9. Sozialisierungshypothese - Die Werte sind mit Erreichen des Erwachsenenalters mehrheitlich geformt - Jene, die Armut und Unsicherheit erfahren haben, verfolgen materielle Werte - Jene, die Wohlstand und Sicherheit erfahren haben, verfolgen postmaterielle Werte 10. Weil die Werte durch ökonomische Entwicklung erklärt werden ("Endogenität"), können wir von einer Theorie zu Wirtschaft und Demokratisierung sprechen. - Ungleichheit als Mechanismus - Wirtschaftliche Interessen von Massen und Eliten; Massen bevorzugen Umverteilung, Eliten nicht - Repression kostet die Eliten - Bei hoher Ungleichheit sind Eliten gegen Demokratie - Das notwendige Niveau an Ungleichheit, bei welchem Elite bereit ist für Demokratie, hängt ab von 11. Mobilität des Wohlstandes der Eliten (muss Wohlstand versteuert werden?) 12. Die Akzeptanz von Institutionen (durch Massen), welche mögliche Umverteilung beschränken - Vulgärmarxismus: Unterschied von Massen und Eliten - Eliten haben mehr Macht und nutzen diese für die Repression, um Umverteilung zu verhindern - Annahme, dass Demokratie zu mehr Umverteilung führt, da die Massen ja abstimmen können - Wenn Ungleichheit nicht so gross, wird es für die Eliten teurer immer für Repression zu investieren = es lohnt sich mehr, die Demokratie zu akzeptieren - Dann der Fall, wenn sie nur einen Teil ihres Wohlstands versteuern müssen/gar nicht - Und wenn es gewisse Sicherheiten gibt, dass die Massen nur Demokratie wollen & nicht einen Sozialismus oder Ähnliches 2. Kultur; in der Öffentlichkeit stärker verwendet als in der PW - Die Postmaterialismustheorie betont bereits die Rolle von Kultur für Demokratisierung, Werte sind hier aber endogen zu Wohlstand - Eine stärker kulturalistische Erklärung versteht Kultur als weitgehend exogen zur Wirtschaft - Kultur als «Zivilisationen» (Huntington) - Zivilisationen als Kulturräume, wo gleiche Werte geteilt werden. - Einteilung basiert stark auf Religionen - Unterteilung von Huntington 13. Westliche Zivilisation 14. Lateinamerika 15. Orthodoxe Welt: Ex-UdSSR, ex-Jugoslawien, Bulgarien, Zypern, Griechenland, Rumänien 16. Der Osten: Mischung aus Buddhismus, chinesische Zivilisation, Hinduismus, japanische Zivilisation 17. muslimische Welt 18. subsaharisches Afrika 19. "einzelne" Länder: Israel - Implikationen für 20. Internationale Konflikte: Kalter Krieg wird durch «Kampf der Kulturen» abgelöst. 21. Migration: Möglichkeit Assimilation und Integration von nicht-westlichen Immigranten (insbesondere Muslime und Hispanics) in westlichen Gesellschaften 22. Demokratie: Kompatibilität zwischen Zivilisationen und Demokratie - Wie beeinflusst die Kultur die Demokratisierung nach Huntington? 23. Demokratie gedeiht am ehesten in Kulturen mit historischen Erfahrungen mit Individualismus, religiösem Pluralismus und politischem Liberalismus (westliche Kulturen) 24. Nicht-westliche Kulturen (wie islamische oder konfuzianische Gesellschaften) stossen aufgrund von Werten, die im Widerspruch zu Demokratie stehen (z. B. Hierarchie, Kollektivismus) auf kulturelle Hindernisse bei der Demokratisierung 25. Bemühungen für die Demokratisierung nicht-westlicher Gesellschaften werden als Aufzwingen westlicher Werte empfunden 3. Verhalten der Eliten ⇒ sehr kontingent, eine Historikertheorie - Konflikt als Ursprung: Demokratie als Kompromiss - Strukturelle und ökonomische Voraussetzungen für neue Demokratien sind häufig schlecht - Der Transitionsprozess - Öffnung eines autoritären Regimes (Liberalisierung) bringt einen Prozess in Gang - Demokratisierung ist oft das Ergebnis ausgehandelter Vereinbarungen zwischen Eliten, die versuchen, ihre Interessen durch geteilte Macht zu schützen (ähnlich wie bei Ungleichheits-Theorie) - Die Präferenzen der Eliten sind exogen und müssen nicht ökonomisch determiniert sein - Modellierung des strategischen Verhaltens der Akteure basierend auf ihren Präferenzen in Verhandlungsprozessen - es kommt darauf an, was die Mächtigen in kritischen Phasen machen/ wie sie sich entscheiden; keine strukturelle oder kulturelle Veränderungen, sondern Fokus auf Akteure ![](media/image2.png) - Democratic Recession = Qualität von Demokratie geht zurück, aber sind in einem Zustand, in welchem die Regime noch in der Demokratie sind - Democratic Breakdown = Zusammenbruch der Demokratie - Autocratic Consolidation = Autoritäre Regime werden immer autoritärer & konsolidieren - Rückschritt der Demokratie wird mit den gleichen Variablen wie bei Demokratisierung erklärt; bspw. Wirtschaft, Wertewandel Anwendung: Umfrage bzgl. der US-Wahlen - Ergebnis: die meisten Befragten denken, dass Trump eine Gefahr für die amerikanische Demokratie darstellt - Was spricht dagegen? - Gewaltentrennung bleibt auch mit Trump weiter bestehen, Checks & Balances, Präsident hat formal nicht so viel Macht, um einen Umsturz einzuleiten - Kultur & westliche Werte bleiben grösstenteils gleich - aus Elitenperspektive: trotz Institutionen wäre es denkbar, dass die Qualität der Demokratie durch Trump verringert werden könnt - Demokratie ist nicht nur Institutionen, sondern auch Normen (Toleranz der Gegner, keine Ausreizung der Macht) - Gefahr geht von extremen Parteien aus, insbesondere Populisten - Entscheidend ist, ob gemässigte Parteien mit Populisten Allianz eingehen - Sie stärken damit nur die Populisten und verlieren möglicherweise Kontrolle - Demokratisches Backsliding durch populistische Führer, insbesondere durch Unterwanderung der Gewaltenteilung - 1\. Bedingung: es braucht eine populistische Bewegung mit einem Führer, der "möchtegern-autoritär" ist - 2\. Bedingung: Eingehen einer Allianz Ziblatt and Levitsky's Kriterin dafür, ob politische Führer eine Gefahr für die Demokratie sind - Ablehnung demokratischer Regeln (Wahlen, Verfassung) - Verneinung der Legitimität der politischen Gegner - Toleranz oder Anstiftung zu politischer Gewalt - Vorhaben Grundrechte zu beschneiden (z.B. Pressefreiheit, Rechte der Opposition, etc.) Gibt es ein universelles Verständnis von Demokratie?; Chu, Williamson, Yeung 2024 - Theorie - Konzept der Demokratie ist umstritten: Autoritäre Führer versuchen, es neu zu definieren - Acht verschiedene Konzeptualisierungen von Demokratie 26. Wahldemokratie 27. liberale Demokratie 28. institutionelle Demokratie 29. populistische Demokratie 30. loyale Demokratie 31. substanzielle Demokratie 32. technokratische Demokratie 33. direkte Demokratie - Autoritäre Führer versuchen, Demokratie mit Populismus, Loyalismus, Technokratie oder effektiver Regierungsführung gleichzusetzen; andere Definition der Demokratie! - Wahldemokratie, liberale/institutionelle Demokratie und direkte Demokratie entsprechen unseren Idealtypen; kein deliberativer Typ - Methodik - Fallauswahl: 6 Länder mit grosser Varianz in Bezug auf Geographie & Niveau von Demokratie: Italien, Japan, USA, Indien, Ägypten & Thailand - MDSD: Most Different System Design; möglichst verschiedene Beispiele nehmen, der "Nenner" ist dann die relevante Variable - Problem: wenn kein Nenner vorhanden, muss spekuliert werden, bei wenigen Fällen ist Tendenz zur Spekulation hoch - sozial stratifizierte ("repräsentative") Umfragen - Conjoint Experiment 34. Befragten wurden zwei hypothetische Ländern vorgelegt, die Informationen zu neun Attributen enthielten, die mit den Demokratietypen (s. letzte Folie) in Verbindung stehen 35. Attribute wurden randomisiert 36. Respondenten mussten sagen, welches Land sie demokratischer finden 37. Sechs Durchgänge pro Respondent - Resultate - Globales Verständnis von Demokratie vorhanden; entspricht am ehesten einer minimalen Definition von Demokratie als Wahldemokratie - Liberales Element der institutionellen Begrenzung durch Gewaltenteilung und Checks and Balances wird nicht als zentral wahrgenommen; Wohlstand, etc. wird stärker gewichtet - Direktdemokratische Elemente ebenfalls nicht als zentral angenommen - Grad an Demokratie wird teilweise aufgrund der Effektivität der Regierung mit Bezug auf Wirtschaft und Gesellschaft (Gleichstellung) beurteilt («output legitimacy»); darum sind Wähler bereit, weniger demokratische Personen zu wählen, wenn diese einen guten Output versprechen Wie sehr unterscheiden sich Demokratien in der Realität? - Messung von Demokratie nach V-DEM - Expertenbefragung - Aggregierung von Items auf vier Abstraktionsebenen (Leiter der Abstraktion!) - Seit frz. Revolution - Alle Länder - Hohe Korrelation mit anderen Demokratieindizes - Wieso korrelieren diese Indexe so stark miteinander? - Demokratie vs. Autokratie: Allen Demokratietheorien ist Beteiligung des Volkes an Entscheidung (Volkssouveränität) gemein - Demokratietypen sind teilweise komplementär (z.B. Deliberative Demokratie mit liberaler Demokratie) - Demokratieindexe entsprechen Demokratietheorien nur teilweise (Bsp. radikale/partizipative Demokratie) - Einige Demokratietheorien sind noch nicht annähernd umgesetzt (Bsp. deliberative Demokratie) Gibt es eine demokratische Rezession? Drei Wellen der Demokratisierung gemäss Huntington 1. Welle - 1828-1926 in Nordamerika & Westeuropa - Rückschlag in 1922-42 2. Welle - 1943-62 in Europa, Japan, Lateinamerika & Afrika; ca. bei Ende des 2.WK - Rückschlag in 1958-75; bis ca. Anfang Ölkrise 3. Welle - 1974 bis jetzt: in Südeuropa, Lateinamerika, Afrika, Asien und Osteuropa - Rückschlag: ? - Korreliert mit der Ölkrise und dem Zerfall des Kommunismus = nach jeder Welle folgt ein Rückschlag (Krieg, Zwischenkriegszeit) Führt wirtschaftliche Entwicklung wirklich zu Demokratie? Neue Reviews - Broderstad (2017) findet keinen Effekt in einer Meta-Analyse (=gewichteter Durchschnitt der Effekte, die man in dern einzelnen Studien findet) von 33 Studien - Gelmuyden Rod, Knutsen und Hegre (2019) finden für 1960-2015, dass Einkommen sowohl Demokratisierung (Effekt aber unsicher) als auch demokratische Stabilität erklärt - Treisman (2020) findet, dass - Anstieg von Einkommen Demokratisierung und demokratische Stabilität mit 10-20 Jahren Verzögerung erklärt; passt zum Argument, dass Demokratisierung mit der Arbeiterklasse & Industrialisierung herbeigeführt wird - Es den Effekt aber nur bis etwa in die 1960 gibt (= nur für 1. und 2. Welle) - Folie 50! Was ist mit Singapur & den Ölstaaten? - Methode - Analyse von «Ausreissern» - Für Ölstaaten quantitativ möglich, da mehrere Fälle - Für Singapur nur Fallstudie sinnvoll = most likely case Weshalb sind viele Ölstaaten nicht demokratisch? - Staat hat hohe Einnahmen ohne hohe Steuern (Gegenteil von «no taxation without representation») - Hohe Einnahmen und tiefe Steuern führen auch zu grosser sozialer Ungleicheit - Grosse Gefahr von Umverteilung für Eliten, erlaubt starke Repression - Fehlende Industrialisierung und Einbindung von Frauen in die Arbeitswelt, wenig Investition in Bildung - Nicht-demokratische Ölstaaten sind auch mehrheitlich muslimische Staaten (siehe Huntington; Scheinkorrelation zw. Öl und Demokratie) Aber was ist mit Singapur? - «Spin dictators»: Lee Kuan Yew ein neues, weniger gewalttätiges Modell der Autokratie entwickelt hat, bei dem die Amtsinhaber Informationen manipulieren, um sich die Unterstützung zu sichern (Guriev und Treisman 2023) - Ein sehr starker Staat bereits vor den letzten Führungswechseln - Angst vor ethnischen Spannungen bei Demokratisierung - Asiatische Kultur gibt Hierarchie und Kollektivismus mehr Wert (siehe Huntington) - Doch können diese Erklärungen generalisiert werden? Schluss - Konzeptualisierungen von Demokratie: Politikwissenschaftlich und im Alltag - In der Praxis geht es primär um mehr vs. weniger Demokratie, nicht um welche Demokratie - Es scheint eine «Demokratie-Rezession» zu geben, aber ist es ein Trend - Wirtschaftliche Entwicklung hatte wohl einen Effekt auf Demokratisierung, aber heute auch noch? - Was erklärt die Ausnahmen der MENA-Ölstaaten und Singapurs? Einige Hypothesen, aber es fehlt die Generalisierung