Lernpaket 1 – Historische Perspektiven (PDF)

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Die Datei ist ein Lernpaket mit dem Titel "Historische Perspektiven". Sie bietet eine Übersicht über die Entwicklung des deutschen Schulsystems seit dem späten 18. Jahrhundert. Der Fokus liegt auf der Geschichte, Struktur, Steuerung und Qualität. Das beinhaltet, wie sich die Schulstrukturen im Laufe der Zeit weiterentwickelten und welche Faktoren die Entwicklung beeinflussten. Der Text enthält historische Daten und Konzepte.

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Lernpaket 1 – Historische Perspektiven (S.2–35) Lernziel: Das Lernpaket bietet Ihnen eine strukturierte Vorstellung von der Entstehung und Entwicklung des deutschen Schulsystems vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Dies kann Ihnen helfen, ein tieferes Verständnis der gegenwärtigen Ges...

Lernpaket 1 – Historische Perspektiven (S.2–35) Lernziel: Das Lernpaket bietet Ihnen eine strukturierte Vorstellung von der Entstehung und Entwicklung des deutschen Schulsystems vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Dies kann Ihnen helfen, ein tieferes Verständnis der gegenwärtigen Gestalt des deutschen Schulsystems aus seiner Geschichte zu gewinnen. Verschieden Perspektiven auf das deutsche Schulsystem 1. Geschichte 2. Struktur 3. Struktur-Effekte 4. Steuerung 5. Qualität 6. Qualitätsentwicklung 7. Theorie 1.1 Unterrichtspflicht: Der Weg von der Proklamation zur Durchsetzung war weit Anfang der Entwicklung (letzten 200 Jahre): Proklamation (=öffentlicher Aufruf, Bekanntmachung) und Durchsetzung der Unterrichtspflicht Zu Beginn der Entwicklung handelte es sich eher um eine Unterrichtspflicht statt einer Schulpflicht, denn Unterrichtspflicht = nur die Teilhabe an Unterricht Wenn es, wie heute in allen deutschen Bundesländern rechtlich veranktert ist, dann spricht man von Schulpflicht Erster Versuch der Verankerung der Unterrichtspflicht in Preußen durch Friedrich Wilhelm I. à von ihm erlassener ‘General Edict’ im Jahr 1717 1794 wurde im „Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten“ folgendes verkündet (Titel XII § 43): „Jeder Einwohner, welcher den nötigen Unterricht für seine Kinder in seinem Hause nicht besorgen kann, oder will, ist schuldig, dieselben nach zurückgelegtem Fünften Jahr zur Schule zu schicken.“ à hier war Preußen dennoch weit entfernt von der Durchsetzung der Unterrichtspflicht Im Verlauf des 19. Jahrhunderts: alle Kinder und Jugendlichen in Preußen erhielten Unterricht Bericht von Leschinsky und Roeder (1976): 1. Zu Beginn des 19. Jh. (1816): ca. 60% der Kinder besuchten Schulen 2. Gegen Ende des Jh., zu Beginn der 1880er Jahre: Unterrichtspflicht für alle Kinder und Jugendlichen durchgesetzt Allgemeine Landrecht (Gesetzbuch): 1. ‚niedere‘ Schulen auch „gemeine Schulen“ genannt, sind „dem ersten Unterricht der Jugend gewidmet“ (Titel XII § 12). 2. ‚Höhere‘ Schulen, auch als „Gymnasia“ bezeichnet, bereiten die Jugend zu „höhern Wissenschaften, oder auch zu Künsten und bürgerlichen Gewerben“ vor (Titel XII, § 54). Die Durchsetzung der Unterrichtspflicht und Etablierung eines Schulsystems verdankt sich drei Faktoren: 1. Etaistisches Interesse: Schulen als Mittel zur Herausbildung eines gemeinsamen Staats- und Nationalbewusstseins) à Legitimations- und Integrationsfunktion der Schule 2. Ökonomische Interesse: Entwicklung der Wirtschaft, staatliche Verwaltung, Heranbildung qualifizierten Personals zu befördern à Qualitätsfunktion der Schule 3. Emanzipatorisches Interesse: Interesse der Mitglieder des entstehenden Bürgertums, durch im Bildungssystem erbrachte Leistung die eigenen Lebensmöglichkeiten in Konkurrenz mit dem Adel zu erweitern à Selektions- und Allokationsfunktion der Schule 1.2 Höheres Schulwesen: Das Berechtigungssystem und allgemeine Bildung Höhere Schulen um 1800: Gelehrtenschulen, Stadtschulen, Ritterakademien, Lateinschulen Größter Fokus in Preußen zu dieser Zeit lag auf den höheren Schulen Schwerpunkt: Latein und Religion Oberschulkollegium (1787): Ziel, die unübersichtliche Qualität und Struktur höherer Schulen zu ordnen. Einführung des Abiturs (1788): o Erste Regelung durch das 1. Abiturreglement. o Abitur als Nachweis der Studierfähigkeit, zunächst nicht verbindlich für Universitätszugang. o Abitur als Voraussetzung für die Erlangung eines Stipendiums Verbindlichkeit des Abiturs: o 1812: Abitur nötig für Staatsexamen, inhaltliche Anforderungen erstmals definiert. o 1834: Abitur verbindlich für alle Universitätsstudiengänge Entwicklung in anderen Ländern des Deutschen Reichs: o Bayern (1809): Einführung der ‚Absolutorialprüfung‘. o Württemberg (1811) und Sachsen (1829) führten ähnliche Regelungen ein. o 1874: Gegenseitige Anerkennung der Maturitätszeugnisse in den Staaten des Deutschen Reiches. o Diskussionen zur Vergleichbarkeit der Leistungen prägen bis heute die Bildungspolitik (zentrale Abschlussprüfungen, Bildungsstandards). Neuhumanistisches Bildungskonzept (Wilhelm von Humboldt): o Fokus auf allgemeine Menschenbildung statt auf berufliche Spezialisierung. o Schwerpunkt auf alten Sprachen (Latein, Griechisch) und Antike als Ideal. Merkmale des höheren Schulwesens: 1. Berechtigungssystem: Staatlich kontrollierte Prüfungen garantierten Zugang zu Universitäten. 2. Leistungsgedanke: Zugang über Prüfungsleistungen. 3. Bildungskonzept, das der Allgemeinbildung verpflichtet war: Strikte Abgrenzung zu berufsbezogener Bildung. Erreicht wurde auf diesem Wege dreierlei: 1. Die Loyalität der durch Bildung aufgestiegenen Beamtenschaft wurde erzeugt und gesichert. 2. Die Qualifikation der ‚führenden‘ Schichten wurde in staatlichen Institutionen geleistet und durch den Staat kontrolliert. 3. Die erfolgreiche Teilhabe an höherer Bildung ermöglichte auch den Söhnen (!) des Bürgertums, in Konkurrenz zu denen des bis dahin privilegierten Adels zu treten und sich dadurch aus den bis dahin engen Standesgrenzen zu befreien. 1.3 ‚Niederes‘ Schulwesen: Bildungsbegrenzung wurde zum Prinzip Zielsetzung: o Vorrangig Glaubenserziehung und gehorsame Untertanen. o Beamtenbildung wichtiger als breite Volksbildung. Bildungsbegrenzung: o Einklassige Schulen, meist dreijährige Schulzeit. o Lehrer ohne akademische Ausbildung. o Inhalte beschränkt auf Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion. Reformforderungen (1848) à Forderungen nach öffentlicher Trägerschaft, Durchsetzung der Schulpflicht, besserer Lehrerausbildung. Reaktion der Krone: o Nach Scheitern der Revolution von 1848 wurden Reformbestrebungen scharf kritisiert. o Stiehlsche Regulative (1854): Rückkehr zu elementaren Kulturtechniken und Religion. Charakterisierung à Volksschule als Gegenentwurf zu Gymnasien, mit Standardisierung der Lehrerbildung ab Mitte des 19. Jahrhunderts. à Mitte des 19. Jahrhunderts war damit in Preußen ein ‚niederes‘ Schulwesen entstanden, das mit seinem Konzept volkstümlicher Bildung einen Gegenentwurf zum Konzept humanistischer Bildung im Gymnasium darstellte. 1.4 ‚Mittleres‘ Schulwesen: Die Ausrichtung auf Nützlichkeit hatte Vorrang Position zwischen Gymnasien und Volksschulen: o Ziel war ein Bildungsangebot, das stärker auf Anwendbarkeit und Nützlichkeit ausgerichtet war. o Lehrplan orientierte sich an den Ideen der Aufklärung und betonte Mathematik, Mechanik, Ökonomie und moderne Fremdsprachen. Beispiele für Schulpläne aus dem 17. und 18. Jahrhundert: o Rechnen als zentrale Fähigkeit: Auszüge aus E. Weigels Schrift betonten die Bedeutung des Rechnens als göttlichen Auftrag und als Grundlage aller Tätigkeiten. o Mechanik und Handwerkswissen: J. J. Heckers Ansätze legten Wert auf das Verständnis von Werkstätten, Werkzeugen und technischen Prozessen. Besuche bei Handwerkern sowie der Einsatz von Zeichnungen und Modellen ergänzten den Unterricht. o Menschlichkeit und Brauchbarkeit: J. G. Groß hob hervor, dass das Ziel war, Jugendliche aus der „Rohheit“ in einen Zustand der Menschlichkeit zu bringen und sie zu „brauchbaren Menschen“ zu machen. Institutionelle Entwicklung: o Mittlere Bildung wurde im frühen 19. Jahrhundert an Schulen vermittelt, die kein Abiturrecht hatten. o Diese Schulen bildeten die Grundlage für die Entstehung der Realschulen. Bedeutung in der Industrialisierung: o Praxisbezogene Programme der Mittelschulen erfüllten die Anforderungen der sich beschleunigenden Industrialisierung. o Ziel war, Schüler auf praktische Berufe vorzubereiten, ohne sie akademisch auszurichten. 1.5 Modernisierungstendenzen: Das Schulsystem folgte dem Prozess der Industrialisierung Allgemeinbildendes Schulwesen Preußens: o Volksschulen à bildungsbegrenzend o Mittelschulen à auf bürgerliche und nicht akademische Berufe vorbereitende Schulen o Neuhumanistische Jungengymnasien à auf akademische Beamtenkarrieren ausgerichtet Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zeigte das allgemeinbildende Schulwesen Preußens jedoch einen Modernitätsrückstand, der nicht mehr den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen entsprach à Folge: Modernisierungsbemühungen o Moderniesierungsbemühungen: o curriculare Ausrichtung der neuhumanistisch geprägten Gymnasien o Ausschluss von Mädchen aus höherer Schulbildung o Bildungsbegrenzung in Volksschulen o Bereich der Berufsbildung 1.5.1 Curriculare Modernisierung des ‚höheren‘ Jungenschulwesens „Allerhöchste Erlass“ von 1900 als Ergebnis der Modernisierungspolitik o Neuhumanistisches Gymnasium: Sprachenfolge Latein, Griechisch, Französisch (seit 1. Drittel 19. Jh.) o Ergänzt durch zwei weitere gymnasiale Vollanstalten: o Realgymnasium à Sprachenfolge: Latein, Französisch, Englisch o Oberrealschule à kein Latein, mathematisch-naturwissenschaftliche Ausrichtung, Sprachenfolge: Französisch und Englisch o à beide Schulen erhielten das Recht der Vergabe von voller Studienberechtigung 1.5.2 Anschluss der höheren Mädchenbildung an das Berechtigungswesen Mädchen wurde Zugang zu abiturführenden Schulen eröffnet „Niedere Schulen“: o Keine durchgängigen Unterschiede in der Erziehung à koedukative, reine Mädchen- und Jungenschulen „Höhere Schulen“: o Gymnasien: reine Jungenschulen o Mädchen: höhere „Töchterschulen“ ohne Abschlussberechtigung o Funktion: Bildung bürgerlicher Hausfrauen und Mütter Tornieporths Beschreibung: o Kleinfamilie: „Intimer Binnenraum“, basierend auf Liebesgemeinschaft der Gatten statt ökonomischer Interessen o Eheliche Gemeinschaft: Freiwilligkeit, Neigung, Bildung als Grundlage o Wandel: Vom Zweckverband zur Gemeinschaft von Individuen mit Recht auf individuelle Entfaltung o Bildung: o Kriterium für bürgerliche Lebensform o Basis veränderter familialer Beziehungen o Notwendigkeit der Bildung für Frauen: Zugang zu Bildungseinrichtungen, um gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen o Rousseau: „Für einen Mann von Bildung ist es nicht passend, eine Frau ohne Bildung zu nehmen.“ Ähnlich sahen das auch Lehrer*innen höherer Mädchenschulen in Weimar in einer Erklärung 1872: o Ziel à Frauen eine Bildung ermöglichen, die der des Mannes ebenbürtig ist o Begründung: o Vermeidung geistiger Kurzsichtigkeit und Engherzigkeit der Frau o Förderung häuslicher Harmonie und Unterstüzung des Mannes in höheren Interessen o Frau soll mit Verständnis und Gefühl für diese Interessen an seiner Seite stehen Forderungen ab Mitte des 19. Jahrhunderts: o Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten für Frauen Gründe: o Unsichere Zukunft als Hausfrau und Mutter o Vorbereitung auf bürgerliche Berufe Debatten: o Bürgerliche Frauenbewegung: o Fortschrittliche Vereine: Mädchenbildung nach Vorbild der Knabenschulen, teils Koedukation o Gemäßigte Vereine: Orientierung an weiblichem Geschlechtscharakter, eigenständige Mädchenbildung o Proletarische Frauenbewegung: ebenfalls Forderung nach Bildungsgleichheit Fortschritte: o Ende des 19. Jahrhunderts: Lehrpläne höherer Mädchenschulen nähern sich Gymnasien an o Helene Lange hat eine Schlüsselrolle mit ihrer Schrift „Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung“ (1887) Hochschulzugangsberechtigung: o Einführung in einzelnen Reichsländern: o Baden (1900), Bayern (1903), Württemberg (1904), Sachsen (1906), Preußen (1908) o Preußen: o Zehnjähriges Lyzeum (Lyzeum = weiterführende Schule für Mädchen, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Deutschland) als Grundlage o Oberlyzeen: allgemeine Frauen- und Lehrerinnenbildung à Grundlage war das zehnjährige Lyzeum o Studienanstalten: Universitätsreife o Abiturprüfung und Universitätsbesuch für Frauen möglich o Weimarer Republik: o deutliche Ausweitung der Hochschulreife bei Frauen 1.5.3 Abschwächung der Bildungsbegrenzung im ‚niederen‘ Schulwesen Anpassung der Schulen an gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung (Industrialisierung, 2. Hälfte 19. Jh.) Bedarf an besser gebildeten Arbeiter*innen Lockerung der Bildungsbegrenzung durch Aufhebung der Stiehlschen Regulative (1872): o Einführung mehrklassiger Volksschulen o Kleinere Lerngruppen o Ausdifferenzierter Lehrplan für Volksschulen Ziel à Anpassung des niederen Schulwesens an Anforderungen der Industriegesellschaft 1.5.4 Entstehung eines eigenständigen Berufsschulwesens Entwicklung eines eigenständigen Berufsbildungssystems im 19. Jahrhundert: o Ausgrenzung ‚nützlicher‘ Inhalte: o Neuhumanismus (Humboldts Unterteilung in „allgemeine und specielle Bildung“) schuf Raum für berufsspezifische Schulentwicklung. o Befreiungspolitik der preußischen Reformer: o Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit, Aufhebung des Zunftzwangs à berufliche Bildung entzieht sich Zunftkontrolle. o Technologische Entwicklungen: o Traditionelles Prinzip der Berufsbildung („imitatio majorum“ = die Nachahmung des Gesellen oder Meisters) genügte nicht mehr à Bedarf an neuer Ausbildungsmethodik Ab 1811 in Preußen: o Lehrlinge konnten auch bei nicht-zünftigen Gewerbetreibenden ausgebildet werden, begünstigt durch Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit. 1845: Preußische Gewerbeordnung ordnete die Ausbildung neu: o Vertragliche Regelung o Dreißigjährige Lehrzeit o Abschlussprüfung als Ziel 1845: Anforderungen der Abschlussprüfungen durch Beschreibung von Gesellenstücken definiert. 1849: Einführung eines schulischen Teils in der Berufsausbildung: o Lehrlingszeit auf 1 Jahr verkürzt bei Besuch einer gewerblichen Lehranstalt. 1869: Möglichkeit, Berufsschulbesuch regional verbindlich vorzuschreiben. 1897: Abschlussprüfungen für Lehrlinge verpflichtend bei Handwerkskammern. Ende des 19. Jahrhunderts: Berufsausbildung mit festgelegten Prüfungen und einer Kombination aus schulischen und praktischen Elementen etabliert. Duales System im 19. Jahrhundert: o Nur ein kleiner Teil der Jugendlichen erlernte Berufe und war im dualen System integriert. o Viele Jugendliche wechselten direkt nach der Volksschule in Erwerbs- oder häusliche Arbeit. o Staatliche Einflussnahme auf Jugendliche endete mit 14 Jahren, außer für Jungen mit Beginn der Wehrpflicht. Kaiser Wilhelm II und staatsbürgerliche Erziehung (1889): o Ziel: Schule gegen sozialistische und kommunistische Ideen nutzen. o Fokus auf Gottesfurcht, Patriotismus und staatliche Autorität. o Unterricht in Geschichte und Statistik sollte monarchische Errungenschaften betonen. Georg Kerschensteiner (1901): o Schlug eine Pflichtberufsschule für Jugendliche ohne Berufsausbildung vor. o Ziel: berufliche Tüchtigkeit, Arbeitsfreude und staatsbürgerliche Tugenden wie Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Hingabe zu entwickeln. o Betonung der erzieherischen Wirkung gemeinschaftlicher Arbeit. Weimarer Verfassung (1919): o Einführung der allgemeinen Schulpflicht bis 18 Jahre. o Fortbildungsschulen als Ergänzung der Volksschule und Vorbereitung auf das Berufsleben. o 8 Jahre Volksschule und Fortbildungsschule bis zum 18. Lebensjahr. o Unterricht und Lernmittel unentgeltlich. Reichsschulpflichtgesetz (1938): o Berufsschulpflicht für alle Zweige der Arbeiterausbildung endgültig verankert. o Fortbildungsschulen werden nun als wesentlicher Bestandteil der Berufsausbildung anerkannt. 1.6 Schule im demokratischen Staat: Reformpädagogische Erneuerung und strukturelle Reformen wurden eingeleitet Ende des Kaiserreichs à Modernisierung des Schulsystems – Zusammenfassung bisher: 1. Unterrichtspflicht durchgesetzt. 2. Schultypen: Jungengymnasien, Lyzeen (für Mädchen), Mittelschulen, Volksschulen. 3. Lehrpläne: Ausgerichtet auf Industriegesellschaft und berufliche Qualifikationen. 4. Duales Berufsausbildungssystem etabliert. 5. Problem: Autoritäre Pädagogik und ständische Schulstruktur. Kritik an der autoritären Schule 1. Stefan Zweig (Rückblick): o „Trockene Schematisierung“, „menschliche Lieblosigkeit“, „Kasernenhaftigkeit“. o Schule als „Kerker der Jugend“. Reformpädagogen (z. B. Maria Montessori, Berthold Otto, Ellen Key): 1. Ablehnung von Formalisierung, intellektueller Einseitigkeit, Passivität der Schüler. 2. Ziel: Erziehung zu Individualität, Selbstverantwortung und „Jahrhundert des Kindes“ (Ellen Key). Weimarer Republik: Veränderungen 1. Ständische Schulstruktur infrage gestellt: o Volksschule: 8 Jahre. o Mittelschule: 9 Jahre (inkl. 3 Jahre Vorschule). o Gymnasium: 12 Jahre (inkl. 3 Jahre Vorschule). o Vorschulen (gebührenpflichtig): Bereiteten auf höhere Bildung vor, bevorzugten wohlhabende Familien. 2. Weimarer Schulkompromiss (1919/20): o Konfessionsfrage: Einführung der Simultanschule als Regelfall: o Schüler unterschiedlicher Konfessionen gemeinsam; Religionsunterricht getrennt. o Bekenntnisschulen (Unterricht vom Geist eines Bekenntnisses geprägt) und konfessionsfreie (ohne Religionsunterricht) Schulen möglich. o Strukturfrage: o Gemeinsamer Unterricht aller Schüler in der Grundschule (4 Jahre). o Trennung in niedere, mittlere und höhere Schulen nach der 4. Klasse basierend auf Leistungen. o Grundschule dauerte ein Jahr länger als frühere Vorschulen. o Verlängerung der Schulzeit: o Mittlerer Abschluss: 9 auf 10 Jahre. o Abitur: 12 auf 13 Jahre. 3. Ergebnisse: o Demokratisierung und Humanisierung des Schulalltags (ansatzweise). o Übergang vom Stände- zum Leistungsprinzip eingeleitet. o Thema „gemeinsame Bildung und Erziehung“ bleibt bis heute schulpolitisch relevant. 1.7 Schule im Nationalsozialismus: Ideologisierung dominierte Schulstruktur im Nationalsozialismus o Übernahme der Schulstruktur aus der Weimarer Republik: o Trennung nach Klasse 4 der Volksschule blieb bestehen. Einführung zweier neuer Schultypen: o Nationalpolitische Erziehungsanstalten und Adolf-Hitler-Schulen für NS- Führungsnachwuchs. Ideologische Neuausrichtung der Inhalte o Demokratische Lehrpläne und Lehrbücher der Weimarer Republik wurden bis 1939 vollständig überarbeitet. o Propaganda im Unterricht: Beispiel Mathematikbuch: o Aufgaben mit ideologischen Inhalten, z. B. „Kosten von Geisteskranken“ im Vergleich zu „Ehestandsdarlehen“. Ausleseprinzip mit rassistischer Dimension o Vertreibung jüdischer Schüler aus den Schulen. o Einschränkung der Bildungsbeteiligung von Frauen: o 1934: Begrenzung der Studienanfängerinnenzahlen auf 10 % aller Erstsemester. o Einführung des „Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ (1933): o Begrenzung der Schüler- und Studentenzahlen. o Festlegung des Anteils von Nicht-Ariern an Schulen/Fakultäten auf ihren Bevölkerungsanteil. Bildungsbegrenzung und Modifikationen (Veränderungen) (ab 1937) o Lockerung der Einschränkungen in Vorbereitung auf den Krieg: o Frauen erhielten Zugang zum Medizinstudium. o Verringerung des direkten Einflusses der HJ in den Schulen. o Verkürzung der Gymnasialzeit auf 8 Jahre zur Gewinnung zusätzlicher Offiziersanwärter. Bildungsfunktion unter dem NS-Regime o Bildung diente primär der ideologischen Legitimation, weniger der Qualifikation. o Ziel: Erziehung im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie und Vorbereitung auf die Kriegsführung. 1.8 Schule nach 1945: Den frühen Jahren der Restauration folgte eine Reformphase Schule nach 1945: o Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die Siegermächte das deutsche Bildungssystem demokratisieren. o Potsdamer Abkommen (1945) – Ziel: Beseitigung nationalsozialistischer und militaristischer Einflüsse, Förderung demokratischer Ideen. o Amerikanische Zook-Kommission kritisierte das deutsche Bildungssystem als autoritär und mit einer unzureichenden Förderung von Selbstbestimmung und Bürgerbewusstsein. Reformen der Besatzungsmächte (1947): o Ökonomische Aspekte: Zugang zu Schulen sollte für alle durch Schulgeldfreiheit und Unterstützungszahlungen ermöglicht werden. o Schulstruktur: Ablehnung der vertikalen Gliederung des Bildungssystems, Ziel eines „comprehensive educational system“. o Inhalte: Betonung staatsbürgerlicher Verantwortung und demokratischem Lebensstil durch Lehrpläne und Schulorganisation. Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland: o In der DDR: Einführung von Polytechnischen Oberschulen, Kinder wurden bis zur 10. Klasse zusammen unterrichtet. Ideologische Ausrichtung an sozialistischem Gedankengut. o In der Bundesrepublik: Wiederherstellung des gegliederten Bildungssystems mit Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen. Reformpolitik in Westdeutschland (1950er-1960er Jahre): o 1955: Düsseldorfer Abkommen – Festlegung der Schullaufbahnen, Beibehaltung der Trennung von höherer und niederer Bildung. o 1959: Deutscher Ausschuss – Betonung der Notwendigkeit einer differenzierten Schulstruktur zur Vorbereitung auf verschiedene gesellschaftliche Aufgaben. o 1964: Weinstock’s „Realer Humanismus“ – Verfechtung der dreigliedrigen Schule als Vorbereitung auf verschiedene Arbeitsmarktrollen. o 1960er Jahre: Debatte über eine grundlegende Bildungsreform aufgrund von ökonomischen und demokratischen Anforderungen. o Picht (1964): Warnung vor einem Bildungsnotstand durch unzureichende Nachwuchsqualifikation. o Dahrendorf (1965): Forderung nach Chancengleichheit, um Bildungsungleichheiten abzubauen. Gesamtschule in den 1970er Jahren: o 1969: Empfehlung des Deutschen Bildungsrates zur Einführung von Gesamtschulen als Teil einer grundlegenden Schulreform. o Ziel: Überwindung des gegliederten Systems durch ein integriertes Gesamtschulsystem. o Umsetzung: Gesamtschulen wurden als „Versuchsschulen“ eingeführt, aber die Reform wurde nicht vollständig umgesetzt. Strukturelle Reformen im gegliederten Schulsystem: o 1964: Hamburger Abkommen – Einführung der Hauptschule als eigenständige weiterführende Schule. o 1972: Reform der gymnasialen Oberstufe – Einführung eines Kurs-Systems für mehr individuelle Schwerpunktsetzung. o Ziel: Verbesserung der Studienvorbereitung und Flexibilisierung des Bildungsweges, jedoch mit zunehmender Verbindlichkeit. Wende und Herausforderungen nach 1989: o Nach der Wiedervereinigung wurden die neuen Bundesländer in das westdeutsche Bildungssystem integriert. o Herausforderungen: Aufhebung des Einheitsschulsystems, Anpassung an das westliche System, Einführung von Englisch statt Russisch und Umstellung der Lehrerbildung auf westliche Standards. o Die Bildungsexpansion im Osten wurde schnell nachgeholt. à Zusammenfassend:

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