Change als ManagementAufgabe PDF

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This document discusses change as a management task. It explores success factors, challenges, and management approaches within the context of change initiatives. The document also examines various models and frameworks related to change management.

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LEKTION 5 CHANGE ALS MANAGEMENTAUFGABE LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – welche Erfolgsfaktoren des Change Managements unterschieden werden. – was die Erfolgsfaktoren der „Changeabilitiy“ und der „Change Capability“ beschreiben. – welche Defizite bei einer unv...

LEKTION 5 CHANGE ALS MANAGEMENTAUFGABE LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – welche Erfolgsfaktoren des Change Managements unterschieden werden. – was die Erfolgsfaktoren der „Changeabilitiy“ und der „Change Capability“ beschreiben. – welche Defizite bei einer unvollständigen Bearbeitung von Change-Prozessen entste- hen können. – wie Managementaufgaben nach Handlungsfeldern des Change Managements unter- schieden werden. – wie Change-Strategien nach der hierarchischen Ebene der Change-Initiative unter- schieden werden können. 5. CHANGE ALS MANAGEMENTAUFGABE Einführung Die Suche nach Erfolgsfaktoren für eine Führungsaufgabe gehört zu den klassischen Vor- gehensweisen der handlungsorientierten Managementwissenschaft. Zu diesem Zweck werden grundsätzlich zwei verschiedene Wege beschritten: Der deduktive Weg, welcher versucht, Muster aus der Empirie zu deuten und daraus Ableitungen für Handlungs- und Maßnahmenempfehlungen zu entwickeln, und der induktive Weg, der diese Hilfestellun- gen in bereits bekannten und etablierten Erkenntnissen und Modellen sucht. Was in Unternehmen über Change Management gewusst und gedacht wird, woran sich Führungskräfte orientieren und welche Leitlinien des Handelns verfolgt werden, ist häufig Gegenstand von Umfragen, die von wissenschaftlichen Einrichtungen, aber auch von Unternehmensberatungen durchgeführt werden. Die Unternehmensberatung Capgemini wird besonders häufig zitiert, da sie seit 2003 ca. alle zwei Jahre eine sehr umfangreiche Untersuchung durchführt und nicht nur ihre Ergeb- nisse präsentiert, sondern jeweils mit einem Schwerpunktthema zur Systematisierung des Themas beiträgt. Dabei wurden Modelle entwickelt, die ihren Eingang in die Wissenschaft gefunden haben. Die von Führungskräften angegebenen Erfolgsfaktoren des Change Managements bestäti- gen sich auch in Umfragen anderer Organisationen. Exemplarisch sind hier die Ergebnisse aus dem Jahr 2010 abgebildet: 76 Abbildung 16: Faktoren für einen erfolgreichen Change Quelle: Capgemini 2010, S. 13. Ebenfalls in der Ausgabe von 2010 werden zehn Aktionsfelder für die Gestaltung des Change Managements identfiziert, die sich als Standard etabliert haben. 77 Abbildung 17: Aktionsfelder des Change Managements Quelle: Capgemini 2010, S. 57. In dieser Lektion steht die Suche nach den Erfolgsfaktoren, den Managementaufgaben und den daraus resultierenden konkreten Arbeitspakete aber nicht nur in der Ableitung deduktiver Erkenntnisse, sondern auch als logische Konsequenz der induktiven Betrach- tung theoretischer Konstrukte im Mittelpunkt. 5.1 Erfolgsfaktoren des Change Managements Changeability Die Aufgaben des Change Managements sind in zwei Kategorien zu unterscheiden: Auf der einen Seite müssen die für das Change-Ergebnis Verantwortlichen Veränderungsbedarfe unverzüglich, in aller erforderlichen Breite und Tiefe und mit allen zur Verfügung stehen- den Instrumenten professionell und bestenfalls optimal bearbeiten. Andererseits müssen Entscheidungsträger immer auch für die Anpassungs- und Veränderungsexzellenz der ihnen anvertrauten Organisation Sorge tragen. Für die Idee, eine Organisation für den Wandel perfekt vorbereitet zu gestalten, hilft ein Blick auf typische Defizite in der „Change- ability“ (Capgemini 2010, S. 33ff.). Dieses kann am „Drei-W-Modell“ nach Krüger dargestellt werden (Krüger/Petry 2005). Die drei Aspekte, die jeweils mit dem Buchstaben „W“ beginnen, beschreiben den Wandlungs- bedarf, die Wandlungsbereitschaft und die Wandlungsfähigkeit einer Organisation. 78 Wandlungsbedarf ist die Antwort auf die Frage: „Warum ist ein tiefgreifender Wandel über- haupt notwendig?“ Den Wandlungsbedarf nicht zu erkennen oder nicht anzunehmen, kann einen Reformstau nach sich ziehen, eine unzureichende Wandlungsbereitschaft oder unbefriedigten Veränderungsdrang hinterlassen; und eine nicht ausreichende Wandlungs- fähigkeit bedeutet ungenutztes Fähigkeitspotenzial. Weil diese Kategorien einander jeweils überlappen, entstehen Defizite, die genau benannt werden können. Fähigkeitsdefi- zite entstehen zwischen dem Wandlungsbedarf und der Wandlungsbereitschaft, wenn die Veränderung gewollt ist und man dazu auch bereit ist, man aber nicht weiß, wie man es angehen soll. Ist man zum Wandel bereit und dazu auch fähig, es fehlt aber der Bedarf, ist Frustration die Folge, weil die Kompetenzen nicht angewendet werden können; kommt es aber trotzdem zu Initiativen, sind diese fehlgeleitet und laufen bestenfalls ins Leere. Abbildung 18: Missverhältnisse im „Drei-W-Modell“ von Krüger Quelle: Krüger/Petry 2005, S. 13. Sind Bedarf und Fähigkeit vorhanden, es fehlt aber die Bereitschaft, liegen Willensbarrie- ren vor. Gäbe es diese einzelnen Defizite nicht, wäre ein Ausgleich zwischen den drei „W“ gegeben und die Changeability perfekt. 79 Die Unternehmensberatung Capgemini definiert diesen Begriff etwas anders und sieht den Idealzustand in der Balance von Veränderungsmöglichkeit, -kompetenz und -bereit- schaft. Insgesamt ist das Zusammenspiel beeinflusst durch die Faktoren „Summe perso- neller Dispositionen“, der „Interaktion von Akteuren“, „Events, Aktionen und Statements“, „Werte, Regeln und Historie“ sowie „Strukturelle Konstitution“. Abbildung 19: Konstitutive Grundelemente der Changeability Quelle: Capgemini 2010, S. 36. Die Entwicklung der Changeability eines Unternehmens kann auch in einem Reifegrad- schema abgebildet werden. Dabei entwickelt sich die Durchdringung von Unternehmen mit dem Ziel der Verfolgung der „Drei W“ von einem singulären Verständnis bei der Durch- führung einzelner Change-Projekte über die Stufen eines integrativen Verständnisses und einer Programmformulierung als Gesamtansatz bis zum Idealbild eines alle Unterneh- mensbereiche durchdringenden normativen Führungsverständnisses, das Change Management in eine dynamische strategische Vision einbettet. Dann ist der Change gleich- sam auf dem Niveau einer Sinnstiftung für das Unternehmen angelangt. 80 Abbildung 20: Reifegrade der Changeability Quelle: Capgemini 2010, S. 21. Als nicht weniger als den „Schlüssel zum Transformationserfolg“ bezeichnet die Strategie- beratung Roland Berger die zentrale Funktion von Leadership und Kommunikation, die in einer grafischen Darstellung über die „Vier C“, so der Name des Modells, Content, Commit- ments, Capabilities und Culture auf die uns bereits bekannten Kategorien des „Sollens“, des „Wollens“, des „Könnens“ und des „Dürfens“ wirken. 81 Abbildung 21: „Vier-C-Mobilisierung“ von Roland Berger Quelle: Oltmanns/Nemeyer 2010, S. 39. Erfolgsfaktoren in der Phasendarstellung Der Erfolg eines Change ist von vielen Faktoren abhängig, die einander gegenseitig beein- flussen. Die dadurch entstehende hohe Komplexität kann in einer Phasendarstellung leichter zugänglich gemacht werden. Dazu unterscheidet Krüger die fünf Phasen Initiali- sierung, Konzipierung, Mobilisierung, Umsetzung und Verstetigung. 82 Abbildung 22: Das „Fünf-Phasen-Modell“ von Krüger Quelle: Krüger/Bach 2014, S. 67. Bettet man dieses Phasenmodell in das „Drei-W“-Modell ein, ergibt sich ein Gesamtbild, aus dem auch die Aufgaben und Instrumente des Change Managements abzulesen sind. Dabei ist das Prozessziel in dieser Darstellung eine strategische Erneuerung. Im folgenden Abschnitt wird deutlich, dass es sich dabei nur um eines von mehreren Handlungsfeldern handelt und somit (folgenlos für die Grundaussage) austauschbar ist. 83 Abbildung 23: Integriertes Gesamtmodell des Change Managements Quelle: Krüger/Bach 2014, S. 6. Die umsetzungs- und prozessbegleitenden Strategien betreffen Konzepte des Leadership, der Mitarbeiter und des Projekt- und Programmmanagements. Dabei kommen Instru- mente wie das HRM, Kommunikation, Controlling und die Instrumentensammlung in einer dafür zusammengestellten Toolbox zum Einsatz. Defizite durch Unvollständigkeit des Change-Prozesses Der gesamte Managementprozess von der Vision des normativen Managements bis zum erfolgreichen Wandel lässt sich als eine Abfolge einzelner, in sich geschlossener Schritte darstellen, die nicht unterbrochen werden darf. Fehlt eine Voraussetzung auf dem Weg, muss das Change-Projekt scheitern. In der Abbildung kann man die jeweilige Folge einer jeden denkbaren Lücke ablesen. 84 Abbildung 24: Voraussetzungen eines erfolgreichen Change Managements Quelle: Kreutzer 2018, S. 79. Damit ein Change erfolgreich sein kann, müssen möglichst viele, günstigstenfalls alle der folgenden Anforderungen erfüllt sein: 85 Eine überzeugende Vision vom anzustrebenden Istzustand leitet und lenkt den Change- Prozess. Das vermeidet die Konfusion, die entstehten kann, wenn alle anderen Ressour- cen, Kompetenzen und die Organisation vorhanden sind, aber keiner weiß, in welche Richtung sich der Change entwickeln soll. Die Organisation, das Projektteam und die Beteiligten müssen zur jeweiligen Erfüllung ihrer Change-Aufgaben über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen. Sind die not- wendigen Kompetenzen nicht vorhanden oder haben die Beteiligten kein Vertrauen in ihre Fähigkeiten, diktieren Angst und Unsicherheit den Change. Es bedarf einer verbindlichen Koordination aller Teilschritte und Arbeitspakete des Change-Projekts. Gibt es keine professionelle Koordination der einzelnen Bausteine, wird sich Ärger über Doppelarbeiten oder ausbleibende Beiträge breitmachen. Ein Change-Projekt muss mit den notwendigen materiellen, personellen und finanziel- len Ressourcen ausgestattet sein. Andernfalls erstickt Frustration das Engagement der ansonsten hochmotivierten Projektbeteiligten. Es bedarf eines allumfassenden, abschließenden und verbindlichen Aktionsplans. Ist ein solcher Aktionsplan nicht vorhanden, droht das Change-Projekt zum Stillstand zu kommen. Alle Beteiligten müssen sich dem Ziel und dem Fortschritt des Projektes verpflichten. Ohne dieses gemeinsame Bekenntnis bleiben die Ergebnisse unverbindlich und ober- flächlich, sie bekommen keinen Anschluss an das Unternehmen und die Change-Ziele. Insgesamt lässt sich aus empirischen Erkenntnissen wie aus der überwiegenden Meinung der in der aktuellen Literatur vertretenen Experten festhalten, dass die Inhalte eines Change-Projekts selbst keinen wesentlichen Erfolgsfaktor darstellen. Es ist weniger wich- tig, sich mit dem konkreten Change-Gegenstand auszukennen, als vielmehr individuell auf Change-Kompetenz und organisational auf Changeability zurückgreifen zu können. Hand- lungskompetenz schlägt im Change also Fachkompetenz. Das betrifft ausdrücklich nicht die Kenntnisse der „Change Capabilities“ (Fähigkeiten). Dieser Begriff geht auf Hagemann zurück, der in seinem „MIC“-Modell die Komponenten „Mindset“, „Infrastructure“ und „Capabilites“ integriert (Hagemann 2019, S. 1). Jeder, der sich mit Change konkret auseinanderzusetzen hat, sollte in der Lage sein, zunächst den „Change-Case“ zu verstehen (Rank/Neumann 2017, S. 181). Dieser setzt sich aus den folgenden Bestandteilen zusammen: Kontext und Strategie des Unternehmens, Gründe und Treiber der angestrebten Veränderungen, Ziele und erwartete Ergebnisse, Nutzen der Veränderungen und die damit verbundene Perspektive, konkrete Inhalte, Umfang, Abhängigkeiten, Wechselbeziehungen zu den angestrebten Veränderungen und Tragweite, Bedeutung und konkrete Auswirkungen der Veränderungen. Erst anschließend kommt es zur Bearbeitung der nicht inhaltsbezogenen erfolgskritischen Faktoren (ebd.), z. B.: Grad des Verständnisses zum Case for Change auf allen Ebenen in den betroffenen Bereichen (Topmanagement, mittleres Management, Mitarbeiter), 86 Führungsverantwortung, Commitment und bereichsübergreifendes Alignment der Füh- rungskräfte, die Veränderung aktiv zu gestalten, voranzutreiben, zu begleiten und umzusetzen („Change Leadership“), Veränderungsbereitschaft bei den betroffenen Personen, Veränderungsfähigkeit der betroffenen Personen sowie Unternehmenskultur (grundsätzliche Denkweisen, Einstellungen, Führungsverständnis und -stile, Arbeits- und Verhaltensweisen vor allem in Bezug zum Umgang mit Verände- rungen). Weil die sachliche und die psychologische Ebene eines Change weder im Verlauf noch im Inhalt voneinander getrennt betrachtet werden können, wurde das Modell des „integrati- ven Ansatzes“ entwickelt (Vahs 2015, S. 376). Dieser beinhaltet die notwendigen Maßnah- men der Organisationsgestaltung und -entwicklung in einer gleichzeitigen und gegenseiti- gen ständigen Abstimmung. So soll verhindert werden, dass die teilweise parallelen, teilweise aber auch zeitlich verschobenen Phasen aus dem Takt geraten. Die zusammengefassten Erfolgsfaktoren können in einer Checkliste zusammengefasst werden, die z. B. in der folgenden Form abgearbeitet werden kann: Tabelle 7: Checkliste Erfolgsfaktoren Change Leadership Ownership, Commitment und bereichsübergreifende Übereinstimmung (Alignment) des Topmanagements und der anderen Führungskräfte, die Veränderung aktiv zu gestalten, zu begleiten und umzusetzen Case for Change Verständnis und Erläuterung des „Case for Change“ in all seinen Facet- ten Veränderungsbereitschaft Grad des Verständnisses des „Case for Change“ in den betroffenen Bereichen, proaktiver Umgang mit den Reaktionen darauf (Einstellung, Stimmung, Zufriedenheitsgrad, Motivation, Akzeptanzgrad, Commit- ment, Verhalten, Widerstand) Change Management im Allgemeinen sowie Change Agents, Stakeholder Management, Kom- munikation und Training im Besonderen Personal erfahrene und kompetente Ressourcen („the best and brightest“) sowohl über den gesamten Verlauf des Veränderungsprojektes als auch über die Umsetzungsphase hinaus (bis einschließlich Stabilisierungs- und Verstetigungsphase) Lessons Learned kontinuierliches Einsammeln und Umsetzung der Lessons Learned (Anpassungen) über den gesamten Veränderungsprozess hinweg (von der Initiierungs- bis zur Verstetigungsphase); Change Monitoring sollte nicht nur am Ende eines Veränderungsprojektes für die Beurteilung des Projekterfolgs erfolgen, sondern vielmehr als begleitender Prozess, um fortwährend über den Veränderungsprozess „im Bilde“ zu sein Kultur Berücksichtigung der Entwicklung der Unternehmens-, Veränderungs- und Projektkultur, die dem Veränderungsprozess zuträglich sein sollten Be- und Entlohnungssysteme Anpassung der Belohnungs- und Entlohnungssysteme (monetär und nicht-monetär), um angestrebte und gewünschte (veränderte) Verhal- tensweisen zu fördern 87 Technologie, Systeme die die Arbeit im Veränderungsprojekt unterstützen und Tools Ziele und Vorgaben explizite Ziele und Vorgaben für die Erreichung des Veränderungsvorha- bens (Geschäftsziele, Projektziele, Sozialziele – harte und weiche Fakto- ren) Governance – Leadership – tatsächlicher, ehrlicher und fortbestehender Wille der für das Veränder- Verantwortung – Verbindlich- ungsprojekt verantwortlichen Personen (z. B. Projektsponsor, Lenk- keit ungsausschuss, Projektleitung), Change Monitoring zu betreiben (begin- nend mit der Initialisierungsphase); Etablierung von Governance- Strukturen mit eindeutigen Verantwortlichkeiten, Reporting und Eskalationskaskaden (basierend auf der Projektplanung) für die Opera- tionalisierung der Change-Monitoring-Aktivitäten und -Berichterstat- tung Transparenz Vertrauenswürdigkeit, Verlässlichkeit, Objektivität und Neutralität der Aktivitäten und Personen, die für Change Monitoring verantwortlich sind; die Aspekte bilden die Basis für die Glaubwürdigkeit der Change- Monitoring-Aktivitäten und deren Ergebnisse und Erkenntnisse; Trans- parenz und Alignment mit den Stakeholdern in Bezug auf die Ausgestal- tung der Change-Monitoring-Aktivitäten; offene Kommunikation und Bereitstellung der Ergebnisse und Erkenntnisse Quelle: Rank/Neumann 2017, S. 182ff. 5.2 Managementaufgaben im Change Managementaufgaben nach Handlungsfeldern Die Handlungsfelder des Change Managements ergeben sich je nach Umfang, Ausmaß und Tiefe eines Change-Projektes. Maximal können Change-Projekte das gesamte Unter- nehmen umfassen, insbesondere dann, wenn die fehlende Größe des Unternehmens eine sinnvolle und sachgerechte Abtrennung einzelner vom Change betroffener Geschäftsfel- der, Geschäftseinheiten, Abteilungen, Bereiche usw. verhindert. Unter der Annahme, dass eine Unternehmenstransformation vorliegt, also eine grundsätz- liche Veränderung mit großer Wirkung sowohl auf die eingesetzte Technologie als auch auf das Geschäftsmodell des Unternehmens, entstehen dem Change Management vier Handlungsfelder: Technologie, Strategie, Organisation und Kultur (Vahs 2015, S. 317ff.). 88 Abbildung 25: Handlungsfelder des Change Managements Quelle: Vahs 2015, S. 317. Wichtig ist dabei, die einzelnen Handlungsfelder nicht isoliert zu betrachten. Sie stehen in einem dynamischen Austauschprozess miteinander. Aufgabe des Change Managements ist es, diese Handlungsfelder derart miteinander in Einklang zu bringen, dass insgesamt der richtige „Fit“ als Antwort auf die komplexen Herausforderungen des Veränderungsmana- gements entsteht. Die ständige und sich wiederholende Arbeit in den Handlungsfeldern ist Tagesgeschäft. Konkret bedeutet das, dass strategische Entscheidungen, Verbesserungen der Effektivität und Effizienz der Organisation, die ständige Anpassung der Unternehmens- kultur und die Weiterentwicklung der eingesetzten Technologien immer und ohne beson- deren Anlass Gegenstand des Managements und Verantwortungsbereichs der dort einge- setzten Manager ist. Die Koordinierung und Gleichzeitigkeit der Handlungsfelder ist dann ein Gegenstand des Change Managements, wenn sich die Rahmenbedingungen oder andere Herausforderungen nicht mehr im Tagesgeschäft regeln lassen, sondern eine kon- zertierte Aktion aller Verantwortlichen unter der Ägide des Change Managers erfordert. Insofern ist das dann Arbeiten an oder mit den Handlungsfeldern. Handlungsfeld Strategie Strategie ist immer eine Reaktion auf die Veränderung der externen Rahmenbedingungen. Die Frage nach der gebräuchlichen Faustformel „Tun wir die richtigen Dinge?“ entscheidet sich auf Beschaffungs- und Absatzmärkten, der Positionierung im Wettbewerb und gegen- über den externen Stakeholdern des Unternehmens. Strategien finden ihren Platz in dyna- mischer Zeitperspektive auch in Funktionsbereichen, sodass z. B. eine Innovationsstrate- gie, eine Marketingstrategie, eine Digitalstrategie, eine Personalstrategie usw. finden lassen. Gleiches gilt für Geschäftsbereichsstrategien, die sich abhängig von der Aufbaustruktur als Sparten-, Profit-Center-, Geschäftsfeld- oder andere Strategien manifestieren. 89 Funktional entstehen im strategischen Management aus normativen Vorgaben und aus Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen der externen Parameter strategische Pläne, die als Grobpläne im operativen Management („Tun wir die Dinge richtig?“) zu Detailplänen abgeleitet werden. Insofern muss die Strategie ein Bestandteil des Change Managements sein, denn andernfalls fehlten die Leitlinien für die Durchsetzungsaktivitä- ten. Die komplette Neuausrichtung der Strategie als Antwort auf einen Change-Bedarf wird auch Reorientierung genannt. Diese grundlegenden und durchgehenden Reorientie- rungen wirken aufgrund der besonderen Bedeutung der Strategie immer gleichzeitig nach innen und nach außen. Es werden nicht nur interne Strukturen reorganisiert und neue Ori- entierungsmuster formuliert, auch die Wahrnehmung des Unternehmens in der Öffent- lichkeit und gegenüber den Stakeholdern verändert sich. Handlungsfeld Organisation Der Strategie folgt die Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmensgeschehens. Die zielorientierte Anpassung der Organisation verfolgt das Ziel der Effizienzsteigerung. Die Restrukturierungsmaßnahmen, welche direkt als Antwort auf konkrete Veränderungsbe- darfe, aber indirekt auch zur allgemeinen organisatorischen Veränderungsfähigkeit beitra- gen sollen, haben Auswirkungen auf die anderen Handlungsfelder. Vor allem ist immer im Auge zu behalten, wie stark Einflussnahmen auf die Unternehmenskultur festzustellen sind. Auch zum Handlungsfeld der Technologie besteht eine enge Beziehung, da neue Strukturen darauf einwirken, wie neue Technologien angewendet werden können, und umgekehrt neue Technologien organisatorische Restrukturierungen verlangen. Handlungsfeld Kultur Die permanente und langfristig angelegte Kulturarbeit im Unternehmen ist Gegenstand der Organisationsentwicklung. Gleichwohl gibt es Veränderungsbedarfe auch in diesem Handlungsfeld, die aufgrund der Dringlich- und Abhängigkeit von den Maßnahmen in den anderen Handlungsfeldern zu einem wichtigen Aspekt des Change Managements werden. Getreu dem Motto „Culture eats strategy for breakfast“ wird immer wieder darauf hinge- wiesen, dass das Handlungsfeld der Unternehmenskultur weniger eine abhängige als viel- mehr eine spielbestimmende Variable darstellt. So können organisatorische Maßnahmen grundsätzlich dann erforderlich werden, wenn (Probst 1993 zit. n. Vahs 2015, S. 320) … … eine allgemeine Wandlung der gesellschaftlichen Wertvorstellungen unter erhebli- chen Auswirkungen auf die Unternehmen und ihre Mitarbeiter erfolgt, sich die Werte und Normen, die eine bestimmte Unternehmenskultur prägen, grundle- gend ändern oder in einem Unternehmen aus bestimmten Gründen eine neue Kultur angestrebt wird. Für die Veränderung der Unternehmenskultur werden auch die Begriffe des „Reframing“, der „Remodellierung“ und, soll auf einen dynamischen Umbau hingewiesen werden, auch „Revitalisierung“ verwendet. 90 Handlungsfeld Technologie Technologie sind die Verfahren und Methoden, mit denen die Produkte des Unternehmens hergestellt werden. Dazu gehören auch die Maschinen, Werkzeuge und die Faktorkombi- nation der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie das Wissen, wie dieses geschehen soll, also das Handlungswissen, das sich aus Spezialistentum und dem Lernen aus vergange- nen Prozessen zusammensetzt. Das gilt selbstverständlich auch für Dienstleistungsunter- nehmen mit den üblichen Anpassungen der verwendeten Nomenklatur. Aktuell sind die rapiden Weiterentwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien der stärkste Wandelfaktor für die Produktion (Industrie 4.0) und das Angebot an Dienstleistun- gen (digitale Welt). Analog zum Erfolgsfaktor Changeability im Handlungsfeld Organisation hat auch die Tech- nologie nicht nur die Aufgabe, durch neue Innovationen den technologischen Fortschritt für das Unternehmen in neue Marktzugänge zu übersetzen, sondern auch die allgemeine Wandelfähigkeit zu unterstützen. Diese Leistungsfähigkeit trägt günstigstenfalls dazu bei, … … die Art und Weise zu verändern, wie Menschen miteinander und mit der Außenwelt kommunizieren und interagieren, neue Formen der Arbeitsorganisation und der Kooperation in Netzwerken zu realisie- ren, Bearbeitungsprozesse schneller und effizienter zu machen und damit einen ökomomi- schen Vorteil zu kreieren, der nicht nur in „economies of scale“, sondern auch in schnell- eren Zugriffs- und Verarbeitungsgeschwindigkeiten von Daten entstehen kann, Aufgaben zu integrieren und so ganzheitliche Verantwortungsbereiche zu definieren sowie Aufgaben und Entscheidungen zu zentralisieren oder zu dezentralisieren. Gerade die Informations- und Kommunikationstechnologie hat ein sehr großes Potenzial, alle anderen Handlungsfelder wegweisend zu beeinflussen, was verdeutlicht, warum die eingangs angeführte gleichzeitige Ausbalancierung eines Gleichgewichts zwischen den Handlungsfeldern durch das Change Management so wichtig ist. Übergeordnete Transformationsherausforderungen Kotter fasst die notwendige Transformation der Organisationen unter Verwendung der etwas anders zusammengefassten Kategorien „Struktur“, „Systeme“ und ebenfalls „Kul- tur“ plakativ in einer Gegenüberstellung der alten Organisationsform des 20. Jahrhun- derts und der neuen Organisationsform des 21. Jahrhunderts wie folgt zusammen: 91 Tabelle 8: Struktur, Systeme und Kultur in Organisationen des 20. und des 21. Jahrhunderts 20. Jahrhundert 21. Jahrhundert Struktur Struktur bürokratisch; viele Hierarchieebenen; organisiert unbürokratisch mit weniger Mitarbeitern und weni- mit der Erwartung, dass die Vorgesetzten das ger Regeln; limitiert auf wenige Hierarchieebenen; Management übernehmen; durch Vorschriften und organisiert mit der Erwartung, dass das Manage- Prozeduren charakterisiert, die viele komplizierte ment führt und die Mitarbeiter managen; durch interne Interdependenzen schaffen Vorschriften und Prozeduren charakterisiert, die nur minimale Interdependenzen schaffen, welche notwendig sind, um die Kunden zu bedienen Systeme Systeme basieren auf wenigen Steuerungssystemen; Leis- basieren auf vielen Leistungsinformationssyste- tungsdaten sind nur Vorgesetzten zugänglich; men, die insbesondere Kundendaten beinhalten; Managementtraining und Unterstützungssysteme Leistungsdaten werden an viele Beteiligte verteilt; sind nur für Führungskräfte verfügbar Managementtraining und Unterstützungssysteme sind für viele zugänglich Kultur Kultur nach innen gerichtet; zentralisiert; langsame Ent- nach außen gerichtet; Empowerment; schnelle Ent- scheidungsfindung; politisch; risikoavers scheidungsfindung; offen und ehrlich; risikobereit Quelle: Kotter 2011b, S. 146. 5.3 Arbeitspakete des Change Managements Change-spezifische Arbeitspakete Die Erfolgsfaktoren und Handlungsfelder des Change Managements sind für die konkrete Bearbeitung auf einzelne Arbeitspakete herunterzubrechen. Damit sind ausdrücklich nicht die Arbeitspakete als Bestandteil eines Projektmanagements gemeint, wo dieser Begriff ebenfalls verwendet wird. Vielmehr steht die Abgrenzung zu den strategischen und opera- tiven Tagesaufgaben im Normalbetrieb des Unternehmens im Vordergrund. Nur dann, wenn erkannt wird, dass sich bestimmte Arbeitspakete im Zusammenhang und als Ergeb- nis einer Change-Initiative ergeben, werden sie in diesem Gesamtkontext verstanden, kommuniziert, gesteuert und ausgewertet. Sie werden mit der notwendigen Ernsthaftig- keit und Dringlichkeit, mit der Ausstattung der notwendigen Ressourcen und den Berück- sichtigungen allen Wissens über entstehende Widerstände (die es so im Alltagsbetrieb nicht gibt) erfüllt. Zu den wichtigsten Arbeitspaketen gehören ohne Rangfolge in Wichtigkeit, Reihenfolge oder Terminierung im Prozess die folgenden (nach Rank/Scheinflug 2010): Veränderungsanalyse: Auswirkungen der Veränderungen analysieren bei … ◦ … Stakeholdern, ◦ deren Changeability, 92 ◦ deren Tätigkeit und Promotoren-Rolle, ◦ Definition der entsprechenden Aktionen und deren Umsetzung sowie ◦ Risikoanalyse und Minimierungsstrategien. Unterstützungsmanagement: Sponsoren und Promotoren gewinnen, Vorbereitung und Unterstützung derselben, Sicherung der Vorbild- und Treiber-Rolle. Networking: Identifizierung und Gewinnung von Netzwerkpartnern, Etablierung eines unterstützenden Netzwerks, Change Agents als Multiplikatoren und Bindeglieder, Change Agents als Unterstützer und Ansprechpartner sichern. Organizational Alignment: Anpassung der Organisation mit dem Topmanagement aushandeln, Definition und Implementierung einer Beteiligungsstrategie für die betrof- fenen Mitarbeiter, Erstellung und Umsetzung eines Personalmanagement-Konzepts inklusive notwendiger Personalmaßnahmen und Begleitung durch Anreizsysteme, Moti- vationsstrategie für alle Betroffenen. Kommunikation: Beteiligen – Informieren – Kommunizieren (umfassendes Kommuni- kationskonzept unter Einbeziehung der Mitarbeiter, Führungskräfte und aller Stakehol- der). Training und Coaching: betroffene Personen befähigen, den Change und seine Folgen zu bewältigen; Berücksichtigung organisationaler und individueller Hemmnisse und Widerstände; zielgruppenspezifisches Design, gleichzeitig gesamtheitliche Abstim- mung. Change Monitoring: begleitende und abschließende Evaluation sichern, Formulierung von Bewertungsparametern und Kennzahlen, Definition der benötigten Daten und deren Bereitstellung; Arten, Inhalte und Adressaten von Berichten verbindlich definie- ren und sichern. Optionale Veränderungsstrategien Grundsätzlich können drei Veränderungsstrategien unterschieden werden, mit denen Wandel gemanagt werden kann (Kiel 2019, S. 861): 1. rationale Strategien: Die Veränderung durch Einsicht geht davon aus, dass Menschen eines vernunftbasierten Denkens, Entscheidens und Handelns fähig sind. Dement- sprechend werden sie sich immer dann verändern, wenn es ihnen rational erscheint, wenn also die Vorteile eines Wandels die Nachteile überwiegen. Der Vorteil rationaler Strategien liegt darin, dass diejenigen Menschen, die über vernünftige Einsicht zur Veränderung angehalten werden sollen, nur eine Veränderung des Verhaltens, nicht aber der inneren Einstellungen oder Wertehaltungen vornehmen müssen. Dieser Stra- tegie entspricht der Einsatz von Experten, da der Wirkungshebel in der sachlogischen Aufbereitung von Daten und Fakten liegt. 2. Macht- und Zwangsstrategien: Auch beim Einsatz von Machtstrategien steht die tat- sächliche Veränderung des Verhaltens und nicht die innere Haltung der Adressaten im Fokus. Jedes soziale System bedingt Macht. Sie entsteht hierarchisch als vorgegebene „formale“ Macht, z. B. durch Positionen, Stellenbeschreibungen und organisatorische Regelungen und Normen samt der Macht, Sanktionen bei nicht erwünschtem Verhal- ten anzuwenden. Von der formalen wird die „personale“ oder auch „informale“ Macht unterschieden, die einzelnen Personen auch Macht verleiht, die nicht aufgrund von organisatorischen Regelungen, sondern durch Charisma, Expertentum oder Ansehen entsteht. Diese Macht wird von den anderen Mitgliedern der Organisation verliehen, 93 während die formale Macht vorgegeben wird. Die Entscheidung, Veränderungen durch Machtstrategien herbeizuführen, zeigt sich regelmäßig in Top-down-Strategien, bei denen zentral von einer kleinen mit Macht ausgestatteten (Führungs-)Gruppe ent- schieden wird und die Beschlüsse anschließend in die Umsetzung durch subalterne Hierarchiestufen gegeben werden. 3. Entwicklungs-/Partizipationsstrategien: Die Strategien, die auf Partizipation setzen, folgen der Überzeugung, dass eine gemeinsam erarbeitete Lösung durch die betroffe- nen Personen nicht nur qualitativ besser ist, sondern auch eine höhere Akzeptanz und damit eine störungsfreiere Umsetzung mit sich bringt. Die reine Sachargumentation im Zusammenhang mit notwendigen Veränderungen berücksichtigt die Emotionen der Betroffenen nicht ausreichend und Machtstrategien erhöhen vorhandene Wider- stände. Diese Strategien folgen daher der partizipativen Grundregel des Change Managements und der Organisationsentwicklung, Betroffene zu Beteiligten zu machen. Die dem Prinzip der Selbstorganisation folgenden Partizipationsstrategien sind nicht immer den rationalen und den Machtstrategien überlegen; letztere können bei zeitlichem Anpassungsdruck aufgrund disruptiver Veränderungen der Rahmenbedingungen sogar dringend geboten sein. Partizipative Strategien entwickeln ihre Stärke erst durch die breite Berücksichtigung der Interessen, Erfahrungen und Motive aller Beteiligten bei Anpassun- gen an den evolutionären Wandel. Welche Strategie gewählt wird, ist auch eine Frage des vorherrschenden Organisations- und Menschenbildes. Die dem Taylorismus und dem Bürokratismus zugrunde liegende Überzeugung, Menschen und Organisationen ließen sich wie Maschinen steuern, geht ent- weder auf die Grundannahme zurück, dass Menschen zur Arbeit angetrieben werden und wie andere materielle Ressourcen behandelt werden müssen, oder auf die feste Überzeu- gung, dass eine funktionierende Bürokratie die überlegene Organisationsform sei. Wenn die Unternehmensführung diesen Bildern folgend Change beschließt und ihn anschlie- ßend mit Macht durch die Hierarchie drückt, ist Widerstand vorprogrammiert. Interventionsebene von Strategien des Change Managements Die tatsächliche Implementierung von Change-Initiativen ist die chronologisch erste Ent- scheidung mit weitreichenden Folgen für den weiteren Verlauf (Rank/Neumann 2017, S. 27f.) Auf keinen Fall darf diese Strategie dem Zufall oder der Bequemlichkeit anheimfallen. Ob sie stark zentralistisch und streng der hierarchischen Aufbauorganisation folgen oder in Abwandlungsstufen dezentraler organisiert sind, ist Ausdruck der jeweils grundsätzli- chen Überzeugung und Einstellung der Organisation zum Change. Als Alternativen kommen folgende fünf typologische Strategien infrage: 94 Abbildung 26: Interventionsebenen von Change-Vorhaben Quelle: Vahs 2015, S. 360. Top-down-Strategie Die nach wie vor häufigste Strategie des Wandels ist die hierarchisch angeordnete. Trotz der empirischen Erkenntnisse der Bedeutung von Partizipation und Selbstorganisation dominiert die Vorstellung vom alleinigen Expertentum des Topmanagements. Wird die Top-down-Strategie gleichzeitig als Macht- oder Zwangsstrategie designt, entspricht dies der Metapher von der „Bombenwurf-Strategie“: Veränderungen werden schlagartig und unwiderruflich ausgeführt, rationale Überzeugungsversuche oder emotionales Mitneh- men der Betroffenen wird gar nicht erst versucht. Wird auf Zwang und Machtargumenta- tion verzichtet, kann eine Top-down-Strategie dann durchaus sinnvoll und wirksam sein, wenn die Formulierung und das authentische Handeln der Führungskräfte durch entspre- chend starke Visionen und Leitbilder begleitet wird. Der dadurch gegebenen Möglichkeit einer ganzheitlichen und verlässlichen Steuerung des Change-Prozesses stehen als Nega- tivargumente das mit großer Wahrscheinlichkeit eintretende Misstrauen und Widerstand entgegen. Die Strategie des „Bombenwurfs“ beinhaltet anschließend einen hohen Aufwand, Betrof- fene von der Richtigkeit der Entscheidung zu überzeugen. Eine Alternative zum „Bomben- wurf“ ist bei den Top-down-Strategien die mehr auf Überzeugung denn auf Schock set- zende „Schneeballstrategie“ (Dillerup/Stoi 2016, S. 728f.) Hier werden mindestens Schlüsselpersonen ausgemacht und partizipativ in die rationale Argumentation des 95 Change eingebunden, damit aus diesen anfänglichen Schneebällen im bildlichen Sinne eine Lawine wird. Wie ein solcher Prozess ablaufen kann, schildert Nerdinger am Beispiel einer geplanten Diversifizierung: 96 Abbildung 27: Beispiel für den Verlauf einer „Bombenwurf-Strategie“ Quelle: Nerdinger 2011, S. 436. 97 Vor dem Hintergrund der Umgehung oder nur zögerlichen Berücksichtigung der „weichen Faktoren“ und der „halbherzigen Beteiligung“, „harten Machtmitteln“ sowie der „nachträ- glichen Änderung“ wird deutlich, wie stark die oben skizzierte wichtige Austarierung psy- chosozialer und sachlogischer Aspekte auf Verlauf und Erfolg eines Change-Projektes wir- ken können. Bottom-up-Strategie Das Gegenteil der Top-down-Strategie setzt ein besonders deutliches Erkennen einer Ver- änderungsdringlichkeit auf den unteren Hierarchieebenen und gleichzeitig eine beson- ders große Change Capability voraus. Da hier Ansprüche wie an einen Unternehmer gestellt werden, wird diese Strategie auch die „Entrepreneur-Strategie“ genannt (Dillerup/ Stoi 2016, S. 729). Selbst dann, wenn dieses aus eigenem Antrieb geschieht oder das Top- management die unteren Hierarchien explizit mit dieser Aufgabe betraut, bleibt diese Strategie ein nur sehr selten erreichtes theoretisches Konstrukt. Hauptgrund dafür ist neben der fehlenden Kompetenz das große Verharrungsvermögen der mittleren Instan- zen, die Change-Initiativen auf dem hierarchischen Weg nach oben gemäß eigener Interes- senlagen blocken oder sogar boykottieren können. Bipolare Strategie Die Extremform der Partizipation im Change bedeutet eine gleichzeitige und gleichgerich- tete Initiative von oben und unten. Dieses wird tendenziell immer dann empfohlen, wenn sich die mittlere Managementebene als Blockierer herausstellt und mit diesem gleichzeiti- gen Vorgehen ausgehebelt werden soll. Center-out-Strategie („Keilstrategie“) Das Gegenteil ist die Annahme eines besonders change-freundlichen mittleren Manage- ments. Aus der Mitte (Center) der Hierarchie heraus wird eine Change-Initiative gestartet und sowohl auf die Top- als auch auf die unteren Ebenen übertragen. Die besondere Herausforderung an das mittlere Management liegt in deren Entschlossenheit, Wider- stände in der „Sandwich-Position“ sowohl von oben als auch von unten zu begegnen. Multiple Nucleus („Fleckenstrategie“) Moderne Arbeits- und Organisationsformen verzichten weitestgehend auf Hierarchien alter Prägung. Die Mitarbeiter befinden sich in agilen, projektbezogenen und verteilten Arbeitszusammenhängen, in denen sie nicht aufgrund einer Gehaltsstufe oder einer Stel- lenzugehörigkeit eingeordnet sind, sondern aufgrund ihrer fachlichen und methodischen Kompetenzen. Veränderungsinitiativen, die auf einzelne Hierarchieebenen rekurrieren, müssen hier fehlschlagen. Veränderung muss in Netzwerken gestartet und kommuniziert werden, weil diese zur Weiterverbreitung in andere Gruppen und Arbeitszusammenhänge sorgen. Geschieht dies erfolgreich, wird der Change als gemeinsame Aufgabe verstanden, Widerstände werden geringer und die Implementierung konkreter Veränderungen kann ohne Traumatisierung eines hierarchischen Status geschehen. Diese Strategie stellt beson- ders hohe Anforderungen an soziale, vor allem kommunikative Kompetenzen der Beteilig- ten. 98 ZUSAMMENFASSUNG Der Haupt-Erfolgsfaktor des Change Managements ist die Herstellung einer Changeability, also der Sicherstellung von Wandelbereitschaft, Wandelkompetenz und Wandelmöglichkeiten der Organisation. Prozessmodelle des Change unterscheiden die jeweiligen Erfolgsfakto- ren der Initialisierungs-, Konzipierungs-, Mobilisierungs-, Umsetzungs- und Verstetigungsphase. Es können jeweils Erfolgsfaktoren des Leader- ship, der Mitarbeiter und des Projekt- und Programmmanagements identifiziert werden. Die Voraussetzung für ein erfolgreiches Change Management liegt in der lückenlosen Bearbeitung aller notwendigen Prozessschritte, um Umset- zungsdefizite zu vermeiden. Die Handlungsfelder des Change Managements sind die Strategie, die Organisation, die Kultur und die Technologie. Daraus lassen sich kon- krete Arbeitspakete und optionale Veränderungsstrategien ableiten und, auf die Interventionsebenen bezogen, konkrete Einsatz- und Verhaltens- empfehlungen ermöglichen. 99

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