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Einführung in die Internationalen Beziehungen 2. Sitzung Realismus Realismus: die (lange Zeit) dominante Theorieschule Übersicht • • • • • • • • Ideengeschichte Von Clausewitz bis Carr Morgenthau: der Vater der IB Waltz: Neo-realismus Zeitgenössische Vertreter Elemente der realistischen Schul...
Einführung in die Internationalen Beziehungen 2. Sitzung Realismus Realismus: die (lange Zeit) dominante Theorieschule Übersicht • • • • • • • • Ideengeschichte Von Clausewitz bis Carr Morgenthau: der Vater der IB Waltz: Neo-realismus Zeitgenössische Vertreter Elemente der realistischen Schule Forschungsprogramme Realismus heute? Ideengeschichte Die zeitlose Weisheit des Realismus? Sparsam in der theoretischen Aussage mit grosser Reichweite Nationales Interesse / Raison d‘Etat Doppelte Moral: innerstaatlich, externe Beziehungen Ideengeschichte • Antike: Thukydides (Der Peleponnesische Krieg) • Melierdialog: Die Episode spielt im Jahr 416 v. Chr. Die Athener waren auf Melos gelandet, um diese militärisch unbedeutende Insel zu unterwerfen, die sich bis dahin neutral verhalten hatte im Krieg gegen Sparta. Die athenischen Feldherren schickten Unterhändler in die Stadt, mit dem Ziel, die Melier von den Vorteilen einer freiwilligen Unterwerfung zu überzeugen. Die Aristokraten des oligarchisch regierten Melos empfangen die Gesandten unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ideengeschichte • Melierdialog: • « Nun gut, wir selbst wollen nun nicht mit schön klingenden Worten (…) eine langatmige (…) Rede vortragen. (…) Nein, im Rahmen des von uns als wahr Erkannten sucht das Mögliche zu erreichen, da ihr ebenso wie wir wisst, dass Recht im menschlichen Verkehr nur bei gleichem Kräfteverhältnis zur Geltung kommt, die Stärkeren aber alles in Ihrer Macht Stehende durchsetzen und die Schwachen sich fügen » • Athen: Machtausübung, Recht des Stärkeren, Naturgesetz, Öffentlichkeit • Melier: Gerechtigkeit, Moral, Sparta, Signalwirkung, Nutzen Ideengeschichte • Mittelalter: Machiavelli (1469-1527) • Fürstenspiegel… • Der Fürst: Handlungsanleitungen an einen Herrscher /26 Kapitel • Kriegskunst wichtig • Kapitel 17: Von der Grausamkeit und Milde, und ob es besser ist, geliebt oder gefürchtet zu werden Ideengeschichte • Frühe Neuzeit: Hobbes (1588-1679) • Staatstheoretische Schrift Leviathan • Naturgesetz (lex naturalis), es herrscht wenig Moral, Selbstverteidigung ist prioritär • Aufgrund der Kriege leben die Menschen “in ständiger Furcht und der drohenden Gefahr eines gewaltsamen Todes”; ihr Leben ist “einsam, armselig, scheusslich, tierisch und kurz” • Krieg aller gegen alle “bellum omnium contra omnes” • Der Mensch ist des Menschen Wolf “homo homini lupus est” Ideengeschichte • Ruf nach dem Staat mit absoluter Macht (Gewaltmonopol), um den Naturzustand zu überwinden • Das allmächtige Seeungeheuer Leviathan • Gesellschaftsvertrag • Freiheit wird im Streben nach Sicherheit geopfert Ideengeschichte • “This is the generation of that great LEVIATHAN, or rather, to speak more reverently, of that mortal god to which we owe, under the immortal God, our peace and defence. For by this authority, given him by every particular man in the Commonwealth, he hath the use of so much power and strength conferred on him that, by terror thereof, he is enabled to form the wills of them all, to peace at home, and mutual aid against their enemies abroad.” 19. und frühes 20. Jh. Clausewitz: (1780-1831) • General und Militärtheoretiker • Vom Kriege • Abschreckungsgedanke (Aufrüstung), der Krieg beginnt erst mit der Verteidigung des Angegriffenen • • “Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln” “Der Krieg ist ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen” Eskalationsgedanken. Eskalationsgedanken (absoluter Krieg): • Der, der sich rücksichtslos aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel bedient, muss ein Übergewicht über seinen Gegner bekommen, sofern dieser nicht das gleiche tut; dadurch steigern sich beide zum Äußersten. • Solange man seinen Gegner nicht bezwungen hat, läuft man Gefahr, selbst bezwungen zu werden. • Da keiner der Gegner die Entschlossenheit seines Feindes genau einzuschätzen vermag, wird jeder versuchen, so entschlossen wie möglich zu sein. 19. und frühes 20. Jh. von Bismarck (1815-1898) • 1. Deutscher Reichskanzler • Diplomat und Gesandter • Bündnispolitik, um das Europäische Machtgleichgewicht zu stabilisieren und Krieg zu verhindern (auch vor dem Hintergrund eines möglichen 2-Fronten-Kriegs) • Nach der Reichsgründung (1871), Versuche Frankreich zu schwächen und sich mit Russland und Österreich-Ungarn zu arrangieren (Dreikaiserabkommen 1873 / Neutralitätsabkommen) 19. und frühes 20. Jh. EH Carr (1892-1982) • Twenty Years Crises (1919-1939) • Kritik am Idealismus/Utopismus • Kritik am Versailler-Vertrag • Kritik am Völkerbund • Unterstützung des Appeasement (Münchner-Vertrag) ‘Elegant superstructures’ such as the League of Nations, ‘must wait until some progress has been made in digging the foundations’. “Representing a reaction against the wish-dreams of the initial stage, realism is liable to assume a critical and somewhat cynical aspect“ Begründung der Realistischen Schule • Morgenthau (1904-1980) • Reaktion auf Idealismus/Utopismus • Prinzipien (Politics Among Nations) 1948 • 1. Politik wird von objektiven Gesetzen bestimmt, die ihre Wurzeln in der menschlichen Natur haben – die Beachtung dieser Gesetze politischen Handelns ist die sicherste Strategie für politischen Erfolg. • 2. Das « nationale Interesse » ist das wichtigste Kriterium – Ethische Erwägungen spielen in der internationalen Politik eine untergeordnete Rolle. „We assume that statesmen think and act in terms of interests defined in terms of power“ • 3. Der Begriff der Macht muss zeitlich definiert werden. Zudem muss der Begriff immer unter den jeweils aktuellen politischen Umständen verstanden werden. Morgenthau • 4. Problem der Anwendbarkeit eines universalen Moralbegriffs in der komplexen Welt der Internationalen Politik. – Staatsmänner können sich nicht auf moralische Tugenden wie Vertrauen, Treue und Ehrlichkeit verlassen. Jedoch gibt es auch eine moralische Bedeutung im politischen Handeln. Diese Verfolgung von moralischen Zielen birgt oft die Gefahr, dass das Gegenteil dessen, was erreicht werden sollte, erreicht wird. • 5. Moralische Ambitionen der Nationen sind oft vorgeschoben, deshalb müssen die dahinterstehenden Interessen analysiert werden, erst dann kann die Wertung über positive oder negative Folgen dieser Politik gefällt werden. • 6. « Politik » stellt eine autonome Sphäre dar (d.h. ist nicht von Wirtschafts- oder Gesellschaftsinteressen bestimmt) – Gesetzmäßigkeiten der Politik sollen mit der gleichen methodischen Strenge beurteilt und untersucht werden, wie Ökonomen die Wirtschaft untersuchen. Waltz • Waltz (1924-2013) • Theory of International Politics 1979 • Staaten sind die dominanten Akteure. Zugleich determiniert die Struktur des internationalen Systems das Verhalten massgeblich (« third image ») • Staaten sind einheitliche rationale Akteure (as-if Annahme, Analogie: Billiardspiel) • Staaten streben danach, ihre Sicherheit aufrecht zu erhalten • Anarchie kennzeichnet das internationale System Waltz • Hypothesen von Waltz: • Polarität: Bipolare Systeme sind « stabiler » als multipolare Systeme • Bipolarität ist ein natürliches Gleichgewicht in der internationalen Politik. Schwächere Staaten verbünden sich gegen aufstrebende Hegemonialmächte (Balancing!) • Nuklearwaffen verhindert, dass ein Staat die Vorherrschaft erlangt (Realisten befürworten Proliferation) • Akteure streben nach relativen Gewinnen, dies verhindert Zusammenarbeit – Hirschjagd! Defensiver vs Offensiver Realismus • Defensiver Realismus (Waltz), Robert Jervis (Sicherheitsdilemma) • Staaten maximieren Sicherheit, nicht Macht, letzteres kann « balancing of power » verursachen • Sicherheitsdilemma wird anerkannt • Staaten treten aggressiv auf, da die “Leader” (oft fälschlicherweise) denken, dass dies die beste Strategie ist. • Es gibt grosse Variation in expansiven Politiken, Staaten sollten eher moderate Strategien anwenden, um Sicherheit zu gewährleisten • Starke Nationen (regionale Hegemonie) sollten ihre Aussenpolitik “zügeln”, signalisieren, dass sie Macht mit Vorsicht ausüben. Defensiver vs Offensiver Realismus • Offensiver Realismus (Mearsheimer) • Die Struktur lässt den Staaten keine Wahl, als Macht zu maximieren • Alle Staaten versuchen ihr relative Macht zu maximieren, da nur die stärksten Nationen ihre Existenz sichern können. • Dies führt zu expansiver Politik (Aufrüstung, unilaterale Politik, Merkantilismus, opportunistische Expansion) • Jeder Staat möchte regionaler Hegemon werden Realismus-Varianten • Klassischer Realismus (menschliche Natur): Hans Morgenthau (Politics Among Nations): Mensch ist egoistisch, Erhaltungstrieb, wettbewerbsorientiert • Machiavelli (der Prinz); E.H. Carr, (Twenty Years’ Crisis): Handlungsanleitungen an Staatsführer (Macht und Moral, Zuckerbrot und Peitsche) Realismus-Varianten • Neo-realismus oder struktureller Realismus (Waltz, Mearsheimer, Hobbes) steht die Struktur im Vordergrund und weniger die menschliche Natur (im Kontext des kalten Krieges) • Neoklassische Realisten: The causal logic of neoclassical realism „places domestic politics as an intervening variable between the distribution of power and foreign policy behaviour (Walt).“ Elemente realistische Schulen Machtbegriff im Zentrum Weltpolitik bedeutet Ringen um Macht als Nullsummenspiel Wie definieren wir Macht? – Robert Dahl (A hat Macht über B auch gegen dessen Willen) • Macht basiert auf Kapazitäten (Waltz: Bevölkerung, Land, Ressourcen, Wirtschaftskraft, Militärische Stärke, politische Stabilität und Kompetenz) • Kritik an Machtkonzept? Elemente realistischer Schulen Triangle des Realismus Statism Survival Self-help Elemente realistischer Schulen • • • • Der Staat als zentraler Akteur (Statism) Westfälisches System seit 1648 Staaten sind einheitliche Akteure (unitary actor) Souveränität des Staates nach Innen (Territorium, Bevölkerung) Elemente realistischer Schulen • Überleben ist das höchste Gut (Survival) • Interessenhierarchie! Sicherheit wichtiger als low politics areas • Kissinger: „a nation‘s survival is its first and ultimate responsibility; it cannot be compromised or put to risk“ • Defensiver vs. offensiver Realismus Elemente realistischer Schulen • Sich-selber helfen in einer anarchischen Welt (self-help) „There is no emergency number that states can dial when they are in mortal danger (Dunne and Schmidt)“ • Sicherheitsdilemma - Proliferation! Elemente realistischer Schulen • Machtgleichgewicht – Staaten agieren damit kein Dominator auftritt (z.B. Allianzen im 19 Jh.) – Bipolarität nach dem 2. WK (Gleichgewicht des Schreckens) – Balancing... oder • Dominanz: Hegemonie / Unipolarität? – Pax Americana – Bandwagoning Forschungsprogramme • Vormachstheorie (Power Preponderance - Power Transition Theory) • Organski 1958, World Politics • Stabilität wird durch Vormacht garantiert (kein Hegemonialstaat) • Hierarchie besteht aus 1) dominantem Staat, 2) “great powers” als potentielle Rivalen, die zusammen mit dem dominanten Staat das System unterhalten, 3) “middle powers” mit regionaler Ausstrahlung, jedoch nicht in der Lage die Systemstruktur zu verändern, 4) “small powers”; der Rest. • Potentielle Herausforderer dürfen nicht mehr als 80% der Ressourcen der Vormacht haben und mit der Situation unzufrieden sind, ansonsten kommt es zum Krieg (das Gleiche gilt für Allianzen) Forschungsprogramme • Theorie der Hegemonialen Stabilität • Gilpin, Krasner (70er Jahren) • Für die Bereitstellung bestimmter öffentlicher Güter (z.B. Sicherheit, offene Märkte) oder Institutionen (z.B. GATT) braucht es einen Hegemon. • Hegemon als notwendige Bedingung (jedoch nicht hinreichend) • Er bietet das Gut unilateral an (Pax Britannica, Pax Americana) • Wenn der Hegemon an Macht verliert, investiert er weniger in internationale Stabilität und wendet sich nach Innen, dann steigt auch die Anfälligkeit für Krisen. Forschungsprogramme • Abschreckungsliteratur (deterrence), • Kahn (1965) On Escalation • durch Androhung (oder Ergreifen) von Massnahmen wird versucht den « Gegner » von möglichen nicht erwünschten Handlungen abzuhalten • Eskalationsspiele • MAD: mutual assured destruction Nukleare Abschreckung • • • • Probleme: Eskalation als self-fulfilling prophecy Deeskalation Unfälle bleiben ein Problem-Axiom der Rationalität der Akteure • Kooperation um Aufrüstung zu kontrollieren • Nuklearer Terrorismus Realismus heute: • Das Ende des Kalten Krieges rufen Kritiker der realistischen Schule auf den Plan (die Rolle nicht-staatlicher Akteure, wirtschaftliche Interdependenz) • September 11, das nationale Interesse wiederentdeckt… • Sicherheitspolitik (der Staat und Antiterrorbekämpfung), Formen der „Prävention“ (Irak, Iran, Nordkorea) • Die Rolle Chinas? Ostasiatisches Meer • Die Rolle Russlands? Ukraine / Krim Ukraine Krieg • Mearsheimer’s Argument… • Paul Poast’s Twitter (X) Antworten • «A World of Power and Fear: What Critics of Realism Get Wrong» – Foreign Affairs, 15. Juni 2022