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Grundwissen Soziale Arbeit – Grundlagen, Methoden und Arbeitsfelder 1. Einführung 1.1 Aufgaben und Zielsetzung der Sozialen Arbeit 1.1.1 Soziale Arbeit als Profession des Brückenbauens 1.1.2 Interventionsformen 1.1.3 Klassische Handlungsfelder / Tätigke...
Grundwissen Soziale Arbeit – Grundlagen, Methoden und Arbeitsfelder 1. Einführung 1.1 Aufgaben und Zielsetzung der Sozialen Arbeit 1.1.1 Soziale Arbeit als Profession des Brückenbauens 1.1.2 Interventionsformen 1.1.3 Klassische Handlungsfelder / Tätigkeitsbereiche & Zielgruppen der Sozialen Arbeit 1.1.4 Personenzentrierte Arbeit: 1.2 Aspekte und Prinzipien Sozialer Arbeit 1.2.1 Soziale Arbeit als Profession der Menschenrechte 1.2.2 Mandate der Sozialen Arbeit 1.2.3 Vom Empowerment zur Selbstbestimmung 1.3 Professionalität und Identität 1.3.1 Kollegiale Beratung 1.3.2 Supervision 1.3.3 „Sozialarbeiterisches Können“ 1.3.4 Identifikation mit der Profession Soziale Arbeit 1.3.5 Professionalisierung Sozialer Arbeit Grundwissen Soziale Arbeit – Grundlagen, Methoden und Arbeitsfelder 1. Einführung 1.1 Aufgaben und Zielsetzung der Sozialen Arbeit Soziale Arbeit, als sozialwissenschaftliche Disziplin war immer schon ist auch heute noch interdisziplinär orientiert. Definition Soziale Arbeit: Im Kern: Die Soziale Arbeit dient in erster Linie der Förderung der Teilhabe eines Individuums oder einer sozialen Gruppe am gesellschaftlichen Leben. → Soziale Arbeit stellt innerhalb der psychosozialen Berufsgruppe und Profession einen äußerst komplexen und einzigartigen Tätigkeitsbereich dar und wird geprägt von zahlreichen Merkmalen und Bestimmungen wie: Merkmale: – demografischer Wandel – Globalisierung – Individualisierung – zunehmende Umstrukturierung der Gesellschaft Bestimmungen: Soziale Arbeit ist die Bezeichnung einer angewandten Wissenschaft, die seit den 1990er – Jahren als Ober- und Sammelbegriff der traditionellen Fachrichtungen Sozialpädagogik und Sozialarbeit gebraucht wird: Soziale Arbeit fasst zudem die Tätigkeit der als Sozialpädagogen und Sozialarbeitenden bezeichneten Berufsgruppen wie auch der wissenschaftlichen Disziplinen zusammen. Der Zugang zu dem Themenfeld der Sozialen Arbeit ist komplex und vielseitig. (Definition aus der Vorlesung) Profession: Eine Profession entsteht, wenn eine besondere Fertigkeit auf der Basis theoretischen Wissens entwickelt und damit eine Kompetenz erworben wird. Die Aufgabe der Sozialen Arbeit begründet sich darin, Menschen in Notlagen konkrete Hilfen zukommen zu lassen. Darüber hinaus hilft die Soziale Arbeit den Menschen dabei, eine befriedigende Teilhabe am Leben zu erreichen und sich gesellschaftlich integrieren zu können. Innerhalb der Gesellschaft nimmt die Soziale Arbeit einen unentbehrlichen Platz zur Förderung und zum Erhalt der Gemeinschaft ein und kommt zum Tragen, wenn das soziale Miteinander der Mitglieder einer Gesellschaft bedroht ist oder ein Mitglied der Gesellschaft aufgrund von herausfordernden Lebens- und Alltagssituationen am gesellschaftlichen Leben grundsätzlich nicht eigen- oder selbstständig teilhaben kann. Zum Beispiel durch: – körperliche, seelische oder geistige Beeinträchtigung, die grundsätzliche die menschenwürdige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt oder erschwert – sozioökonomische Lebenslagen – entwicklungsverhindernde Einflussfaktoren des Lebensumfeldes – normabweichendes Verhalten (Delinquenz = Straffälligkeit) Mehr denn je leistet die Soziale Arbeit auch einen erheblichen Beitrag zur Sicherung des Sozialfriedens der Gesellschaft und zu einer menschenwürdigen Entfaltung der Persönlichkeit aller Ihrer Mitglieder. Sie steht quasi jeder bzw. jedem Einzelnen als auch Gruppen der Gesellschaft zur Verfügung, um besonders herausfordernde Lebens- situationen meistern bzw. bewältigen oder generell (weiter-)entwickeln und Veränderungen erreichen zu können. Aufgaben und Funktionen der Profession Soziale Arbeit stehen in direktem Zusammenhang mit der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Sozialpolitik und Soziale Arbeit sind neben strukturellen und rechtlichen Rahmensetzungen Instrumente zur Einlösung des Sozialstaatsprinzips und zur Vermeidung von sozialen Konflikten. Sozialpolitik und Soziale Arbeit haben die Aufgabe, soziale Problemlagen bestimmter Personengruppen zu vermeiden, zu lindern oder zu lösen. (vgl. DBSH, 2009, S. 4 f.) Soziale Arbeit stellt nicht nur eine Profession dar, sondern nimmt auch einen erheblichen Anteil in der Lehre und Bildung von Menschen aller Gesellschaftsbereiche ein. Die Soziale Arbeit ist außerdem die Profession der Menschenrechte und setzt sich so sehr wir keine andere Wissenschaft für Chancengleichheit, humanitäre Versorgung und soziale Gerechtigkeit der Gesellschaftsmitglieder anderer Nationen ein. Wesentliche Faktoren der fachlichen Ausgestaltung Sozialer Arbeit, vor allem in der Beziehungs- und Rollengestaltung zwischen Sozialarbeitenden und der Klientel: – Partizipation – Empowerment – Selbstbestimmung Professionell Tätige der Sozialen Arbeit handeln und agieren im Praxisalltag auf der Grundlage von wissenschaftlichen Theorien und Methoden. Eine reflexive Grundhaltung ist dabei die Basis für eine ethisch fundierte professionelle Soziale Arbeit. Durch berufsethische Reflexion des eigenen Handelns kann ein verantwortungsvolles, professionelles Wirken gestaltet werden. (vgl. DBSH, 2021, S.6) 1.1.1 Soziale Arbeit als Profession des Brückenbauens: → besondere Verantwortung gegenüber den Menschen, mit denen sie zusammen- arbeiten, aber auch gegenüber der Gesellschaft und der Politik. Daher stehen sie immer im Brennpunkt des parteilichen Aushandelns unterschiedlicher Interessen. (vgl. DBSH, 2021) Drei wesentliche Säulen der Sozialen Arbeit: 1. die wissenschaftlichen Theorien / Ansätze Sozialer Arbeit und angrenzender Gebiete und anderer Disziplinen 2. die wissenschaftliche fundierten Methoden / Arbeitsweisen der Sozialen Arbeit 3. die berufsethisch-orientierte Reflexion der Haltung und des Handels professioneller Sozialer Arbeit 1.1.2 Interventionsformen: Diese Interventionsformen dienen der Lösung von psychischen, materiellen, gesundheitlichen oder sozialen Problemen. Einzelhilfe: klientenzentrierter Arbeitsansatz → verfolgt strategisch das Ziel, in einem geordneten Prozess oder A b - lauf mithilfe einer Sozialdienststelle eine wohl organisierte und be- darfsgerechte, auf den einzelnen Fall zugeschnittene Hilfeleistung zu erbringen. Der Versorgungsbedarf richtet sich dabei an den pro- blembelasteten bzw. unterstützungsbenötigenden Alltag der Klien- tin / des Klienten aus. Soziale Gruppenarbeit: sozialer Lernort der Begegnung und Interaktion → hat weniger die Aufgabe, auf tief liegender Ebene individuelle Pro- bleme zu bearbeiten, sie ist vielmehr auf die Erlebnis- und Verhal- tensdimension von Menschen ausgerichtet. Gemeinwesenarbeit: verfolgt das Konzept der „Sozialraumorientierung“ → hat den Anspruch Lebenswelten zu gestalten, die dazu beitragen, auch Menschen in prekären Lebenssituationen zu integrieren. Beispiele: 1. Einzelfallhilfe: Fallbearbeitung ASD, ambulante Familienhelfer, stationäre Wohngruppen, Schuldnerberatungen, Beratungsstellen 2. Soziale Gruppenarbeit: Angebote der Schulsozialarbeit, Freizeitfahrten, OGS 3. Gemeinwesenarbeit: Streetwork, offener Jugendtreff, Ehrenamt, Stadtteiltreff, Quartiersmanagement Vertiefendes Beispiel: Quartiersmanagement → „institutionell gesteuerte Strategie zur Verbesserung der Lebensbedingungen, insbesondere in benachteiligten Wohnquartieren, und zwar vorrangig durch Aktivierung und Organisation der materiellen und personellen Ressourcen eines Stadtteils. Eine solche Ressource kann auch durchaus bürgerschaftliches Engagement darstellen.“ Als Beispiel einer gelingenden Gemeinwesenarbeit kann die Gründung und Etablierung eines Jugendclubs mit warmen Nachmittagssnack im Quartier genannt werden – herumlungernde und arbeits- bzw. ausbildungslose Jugendliche werden von der Strasse geholt und im Rahmen Ihrer Talente und Begabungen gezielt in andere Maßnahmen auch ausbildungsvorbereitende Maßnahme weitervermittelt – Jugendliche erhalten dadurch einen lohnenswerten Aufenthaltsort – Angebot steigert auch das Wohlbefinden der anderen, im Stadtteil teilhabenden Menschen – sozialpolitische Kräfte in der Gemeinwesenarbeit dürfen auf gar keinen Fall unterschätzt werden – Sozialarbeitende kämpfen letztendlich für die Verbesserung der Qualität des Lebensortes, welche die Menschen ihr Zuhause nenne Grundsätzlich verstehen sich die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit als Experten in der Vermittlung von Hilfe. Die Profession der Sozialen Arbeit ist dort notwendig, wo andere Ressourcen wie materielle Hilfen, gesellschaftliche Normen oder eigenständige Bewältigungsmöglichkeiten nicht verfügbar sind oder Ihre Empfängerinnen und Empfänger nicht erreichen. (vgl. DBSH, 2009, S.2) Beschäftigte der Sozialen Arbeit verstehen sich zudem als Experten in der Vermittlung zwischen der Lebenswelt der Menschen und dem System gesellschaftlicher Strukturen und Normen. Die Professionell Tätigen der Sozialen Arbeit verstehen sich auch als Experten in der Forschung über die wechselseitigen Bezüge zwischen Lebenswelt und System. Soziale Arbeit vertraut in die Kraft der Menschen, ihr Leben selbst zu gestalten. Sie ergreift dort Partei, wo diesem Anspruch gesellschaftliche Rahmenbedingungen entgegenstehen. Beschäftigte in der Sozialen Arbeit verstehen sich als Experten in der Begleitung der Weiterentwicklung einer sozialen Gesellschaft. Wie kaum ein anderer Beruf steht der soziale Bereich in kommunikativen Bezügen zu den jeweiligen Adressatinnen und Adressaten und deren Lebens(um)welt. Dies beinhaltet besondere Chancen und eine hohe Verantwortung. Soziale Arbeit ermutigt zum selbstbestimmten und auch politischen Handeln. Beschäftige der Sozialen Arbeit verstehen sich als Experten in der Ermutigung, Bildung und Aktivierung von ihr jeweils angesprochenen Gruppen. (vgl. DBSH, 2009, S.2) 1.1.3 Klassische Handlungsfelder / Tätigkeitsbereiche & Zielgruppen der Sozialen Arbeit: – Kinder, Jugendliche und Familien – Suchthilfe – Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (Gesundheitshilfe) – Behindertenhilfe – Migration und Integration – Seniorinnen und Senioren (Altenhilfe) – Beruf und Bildung – Rehabilitation auf dem Arbeitsmarkt – Delinquenz (Straffälligkeit) – materielle Absicherung – internationale Sozialarbeit / Entwicklungsarbeit Grund für das breite Angebotsspektrum ist die Allzuständigkeit der Sozialen Arbeit, welche im Gegensatz zu vielen anderen Tätigkeiten und Professionen ein Alleinstellungsmerkmal darstellt. Weitere Tätigkeiten und Aufgaben: – grundsätzliche Menschenrechtsarbeit – Diversity - Management (In Unternehmen und Wirtschaft) – Verbesserung von Wohnverhältnissen und -bedingungen – Ökonomisierung – Vermittlung zur oder auch Durchführung von Therapie (Sozialtherapie) – Betreuung von Fans – Vermeidung von Diskriminierung und Mobbing Da Soziale Arbeit eine handlungs- bzw. praxisorientierte Profession ist, begleitet sie Menschen in all Ihren Lebenssituationen und Entwicklungsverläufen. Soziale Arbeit ist gekennzeichnet durch ihre Nähe zum Alltag der Klienten und deren Alltagsproblemen. Durch Ihre Allzuständigkeit kommt es immer wieder zur Zusammenarbeit mit multiprofessionellen Teams. Kooperationen bestehen … – mit dem Schul- und Bildungssystem (Schulsozialarbeit, Erwachsenenbildung) – mit dem dem Gesundheitswesen (Krankenhaussozialarbeit, Sozialarbeit in der Psychiatrie) – mit dem Justizwesen und der Polizei (Straffälligenhilfe, Bewährungshilfe) – in den Rechtskreisen SGB II/III (Arbeitsagentur, berufliche Integration Langzeitarbeitsloser) – in den Sozialräumen (Quartiersarbeit, Stadtteilmanagement) – durch Kooperationen in Betrieben (betriebliche Sozialarbeit / Gesundheitsförderung) – mit der Selbsthilfe (Selbsthilfeberatung, Selbsthilfekontaktstellen) Letztlich hat die Soziale Arbeit einen Vermittlungsauftrag zwischen Individuen, sozialen Gruppen und der Gesellschaft. Es geht darum, die individuellen Bedürfnisse mit den gesellschaftlichen Anforderungen so in Einklang zu bringen, dass ein hohes Maß an Chancengleichheit entsteht. Definition: Schulsozialarbeit Die Schulsozialarbeit wird dem Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe und auch dem Handlungsfeld Beruf und Bildung zugeordnet, bei dem sozialpädagogische Fachkräfte kontinuierlich am Ort Schule tätig sind und mit Lehrkräften auf einer verbindlichen und gleichberechtigten Basis zusammenarbeiten, um junge Menschen in ihrer individuellen, sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklung zu fördern, dazu beitragen, Bildungsbenachteiligungen zu vermeiden und abzubauen, Erziehungsberechtigte und Lehrende bei der Erziehung und dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz zu beraten und zu unterstützen sowie zu einer schülerfreundlichen Umwelt beizutragen. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter fungieren als ein zentrales Organ in einem eigenen System und arbeiten zugleich unabhängig und selbstbestimmt auf der Basis der Fachlichkeit und Prinzipien der Sozialen Arbeit. Dabei fördern und unterstützen sie nicht nur Individuen, soziale Gruppen und Angehörige, sondern vermitteln auch bedarfsgerecht in andere Systeme. 1.1.4 Personenzentrierte Arbeit: Es ist sehr bedeutsam, dass der Sozialarbeitende empathisch und achtsam auf die Bedarfslage der Zielperson(en) eingeht. Die personenzentrierte Arbeit besagt, dass man der Klientin bzw. dem Klienten mit Empathie, Kongruenz und Akzeptanz begegnen soll. Diese Haltung beeinflusst eine positive Beziehungs- und Arbeitsgestaltung mit der Klientel und trägt somit zum Gelingen der Interventionen bei. Erst durch diese Haltung kann ein Findungsprozess zum Verändern der Lebenssituation starten und partizipative Arbeit gelingen. 1.2 Aspekte und Prinzipien Sozialer Arbeit Soziale Arbeit ist nicht nur eine Profession, sondern auch eine (Handlungs-) Wissenschaft. Sozialarbeiterisches theoretisches Wissen ist erforderlich, um – das Verhalten der Klientel erklärbar zu machen – den sozialen Kontext und das System der Klientel analysieren und verstehen zu können – das Handel planbar und kalkulierbar zu machen, damit durch den Methodeneinsatz eine weitestmögliche Zielerreichung gelingen kann – die Professionalität und Qualität der Sozialen Arbeit begründen zu können – die allzuständigkeitsorientierte Ziel- und Zweckbestimmung dieser Profession dahin erklärbar zu machen, dass die Förderung sozialer Teilhabe der bzw. des Einzelnen oder sozialer Gruppen am gesellschaftlichen Leben eine menschenrechtliche Notwendigkeit darstellt. 1.2.1 Soziale Arbeit als Profession der Menschenrechte Die Achtung jedes Einzelnen steht an erster Stelle im deutschen Grundgesetz und auch in all den anderen internationalen Menschenrechten und ist somit eine Richtlinien jeglichen Handelns – im Besonderen für die Soziale Arbeit. (vgl. DBSH, 2021) → Soziale Arbeit ist eine Profession der Menschenrechte – primäres Ziel der Sozialen Arbeit ist es Menschenrechte zu vertreten – Mandat der Sozialen Arbeit weist immer die Pflicht auf, sich sozialpolitisch für die Verbesserung der Lebensqualität und einer sozialen Chancengerechtigkeit einzusetzen – Soziale Arbeit hat die Aufgabe, sich weltweit an der Durchsetzung der Menschenrechte mitzuwirken. Besonders bei denen, die aus dem bestehenden System ausgeschlossen sind Beispiel Inklusionsfachkraft: – grundsätzlich hat jeder Mensch das Recht auf Bildung, auch Menschen mit einer Teilhabebeeinträchtigung – Rechtsanspruch ist festgeschrieben → Inklusion ist gemäß des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein Menschenrecht (Art. 24 UN-Behindertenrechtskonvention) – liegen Gründe zu einer Teilhabebeeinträchtigung oder -verhinderung vor (körperliche, geistige oder seelische Gründe) erhält die Profession der Sozialen Arbeit die Zuständigkeit, gemeinsam mit anderen Akteuren alles Mögliche und Notwendige zu unternehmen, um diesen Menschen die Teilhabe am Schulalltag zu ermöglichen und sie in die Lage zu bringen, weit möglichst eigen- und selbstständig mit den Anforderungen des Schulalltags zurechtzukommen. – Teilhabebeeinträchtigte Menschen haben einen Anspruch auf Assistenz, individuelle Förderung und Unterstützung, um von ihrem Recht zur Teilhabe an Bildung Gebrauch machen zu können. „Soziale Arbeit basiert auf der Achtung vor dem besonderen Wert und der Würde aller Menschen und auf den Rechten, die sich daraus ergeben. Sozialarbeiter/innen sollen die körperliche, psychische, emotionale und spirituelle Integrität und das Wohlergehen einer jeden Person wahren und verteidigen“ (DBSH, 2009, S.2). Dazu gehört es auch, Klientel darin zu bestärken, ihre Rechte und Ansprüche wahrzunehmen und sie in einer advokatorischen Funktion zu vertreten, sollten sie es nicht selbst können. Für den Handlungsauftrag und die Haltung der bzw. des Sozialarbeitenden heißt dies: 1. Das Recht auf Selbstbestimmung zu achten → das Recht der Menschen achten und fördern, eigene Wahl und Entscheidungen zu treffen, ungeachtet ihrer Werte und Lebensentscheidung,vorausgesetzt dass dadurch nicht die Rechte und legitimen Interessen eines anderen gefährdet werden. 2. Das Recht auf Beteiligung fördern → Sozialarbeitende sollten das volle Einbeziehen und die Teilnahme der Menschen, die ihre Dienste nutzen, fördern, sodass sie gestärkt werden können in allen Aspekten von Entscheidungen und Handlungen, die ihr Leben betreffen. 3. Jede Person ganzheitlich behandeln → Sozialarbeitende sollten sich mit der Person als Ganzes innerhalb der Familie, der Gemein- schaft sowie der sozialen natürlichen Umwelt beschäftigen und darauf bedacht sein, alle Aspekte des Lebens einer Person wahrzunehmen 4. Stärken erkennen und entwickeln → Sozialarbeitende sollten den Schwerpunkt auf die Stärken des Einzelnen, der Gruppe und der Gemeinschaft richten, um dadurch ihre Stärkung weiter zu fördern. (vgl. DBSH, 2009, S.8) 1.2.2 Mandate der Sozialen Arbeit Hier wird der Begriff der „Profession des Brückenbauens“ wieder aufgegriffen. – der Sozialarbeitende baut eine Brücke oder vielmehr eine Verbindung zwischen dem Individuum oder einer sozialen Gruppe und der Gesellschaft. – Sowohl Individuum als auch Gesellschaft haben Rechte und Pflichten aneinander – oft gibt es Hürden / Hinderungsgründe zwischen beiden Parteien, so dass ein Dritter benötigt wird, der die Bedürfnislage des jeweils anderen vermittelt und demnach beide Parteien in eine befriedigende Lage bringt. – Dieses Mandat nimmt dabei der Sozialarbeitende ein Das Doppel – bzw. Trippelmandat nimmt nicht nur im berufsethischen Kontext, sondern auch in der professionsbezogenen Handlungsebene einen äußerst bedeutsamen Stellenwert ein. Soziale Arbeit unterstützt einzelne Menschen, bewegt sich dabei aber auch an den jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen („Doppelmandat“) und muss dabei den eigenen professionellen Ansprüchen und Werten genügen („Trippelmandat“). Über das Doppelmandat hinaus wird durch das Trippelmandat deutlich, dass in der Sozialen Arbeit eben kein einseitiges Mandat besteht und sie somit auch nicht von einer Seite vereinnahmt werden kann, da sie sich als selbstständige Profession begreift. D a s Mandat der Sozialen Arbeit ruht somit auf vier Komponenten, die sich nach Lutz (2020a) nur analytisch, aber nicht in der Praxis, von einander trennen lassen: 1. wissenschaftliches Wissen 2. ethische Basis 3. Menschenrechte und Menschenwürde 4. Haltung „Der Begriff Doppeltes Mandat bringt zum Ausdruck, dass Soziale Arbeit einen doppelten Auftrag zu erfüllen hat: Sie muss sich zum einen am Wohl und der Realität der Klientel orientieren, sie muss zum anderen aber auch im Auftrag des Staates bzw. der Gesellschaft handeln“ (Lutz 2020b) Damit sich die Soziale Arbeit vor der Vereinnahmung und Instrumentalisierung schützen kann, bedarf es eines dritten Mandats. Sozialarbeitende sind dazu angehalten, den eigenen Ansprüchen an Ihre Profession und an ihre ethische Grundhaltung gerecht zu werden. Damit positioniert sie sich zu einer selbstbestimmten und unabhängigen Profession. 1.2.3 Vom Empowerment zur Selbstbestimmung Herwigg-Lempp sieht das Ziel von Sozialer Arbeit immer in der Lösung / in der Vermeidung sozialer Probleme. Bei der Sozialen Arbeit geht es darum, die Handlungsalternativen von Menschen zu erweitern, ihnen wieder mehr Möglichkeiten zu eröffnen / zugänglich zu machen. → der Mensch trägt selbst zum Gelingen seiner Lebensweltveränderung bei indem er im Sinne der Sozialen Arbeit professionell an die optionale Handlungsmöglichkeiten herangeführt wird. Mit diesem Ansatz lässt sich eine Selbststärkung der Klienten erreichen. Daher kann dieser Ansatz eindeutig dem Empowermentansatz zugeordnet werden. Empowerment → „Selbstbefähigung“ → „Stärkung von Autonomie und Eigenmacht“ → Arbeitsansatz in der psychosozialen Praxis, die Menschen oder Gemeinschaften zur Entdeckung eigener Stärken ermutigen und ihnen Hilfestellungen bei der Aneignung von Selbstbestimmung und Lebensautonomie vermitteln – Empowerment bedeutet demnach Hilfe zur Selbsthilfe, eben durch die Aktivierung von Ressourcen der Klienten, die direkt oder indirekt ihrer Lebenswelt zur Verfügung stehen – Durch die Selbstbefähigung können die Menschen eigene Interessen (wieder) eigenmächtig benennen und für das Erreichen neuen Lebensentwürfe (Ziele) eintreten. – Das Aufdecken und Nutzen von Ressourcen der Klienten ist ein fester Bestandteil der Sozialen Arbeit. – Strenggenommen ist es nicht der Sozialarbeitende, der das Problem löst oder verändert, sondern der Nutzer und Adressat der sozialen Dienstleistung selbst. – Sozialarbeitende nehmen dabei eine Mentorenrolle als professionell Helfende ein – es findet eine Hilfe zur Selbsthilfe statt – nicht der Beratende findet die Lösung des Problems, sonder der Klient selbst – jeder Mensch weiß nämlich selbst, was für ihn gut ist, und dass er die Fähigkeit hat, seine Probleme selbst zu lösen Soziale Arbeit löst keine Probleme oder übernimmt die Verantwortung für die Lebensweltveränderung der Adressaten, sondern unterstützt, begleitet, coacht, aktiviert, ordnet und berät die Klientel im Prozess der selbstbestimmten Lebensweltveränderung. Dies geschieht vor allem durch das Aufzeigen und aktivieren der klientenbezogenen Ressource. → „Man hilft den Menschen nicht, wenn man für sie tut, was sie selbst tun können“ (Abraham Lincoln) 1.3 Professionalität und Identität Zur Entwicklung einer eigenen, professionellen Identität ist es unausweichlich, ein Verständnis und einen Zugang – zum eigenen Mandat, – zur eigenen Profession, – zur eigenen Identität / Einstellung zur Sozialen Arbeit und – zu eigenen Werten und Normen zu erlangen. Laut Harmsen (2013, S. 266 ff.) wird professionelle Identität dabei im Alltag konstruiert und gilt nie als abgeschlossen. Harmsen definiert die professionelle Identität als eine subjektive, handlungsorientierte, reflexive und flexible Konstruktionsleistung. In der Sozialen Arbeit ist die professionelle Identität kein eindeutiges Konstrukt, sondern ein individuelles. Dieses muss, um die Flexibilität im professionellen Alltag ermöglichen, permanent entwickelt und angepasst werden. Aber wie kann das gelingen ? Die Entstehung professioneller Identität wird laut Harmsen beeinflusst durch: – die eigene Biografie, – eine gelingende Theorie-Praxis-Relation im Studium, – die Auseinandersetzung mit Fachliteratur und Theorien der Sozialen Arbeit, – Kontakte mit der Klientel, – – Austausch mit den Professionsangehörigen, – Teilnahme an Fort- und Weiterbildung, – reflexive Bearbeitung von Fällen, – Reflexion eigener Handlungen mittels Supervision und kollegialer Beratung – ein gelingendes Qualitätsmanagement, – die Anpassung der professionellen Identität an grundlegende Veränderungen, ohne komplette Neukonstruktion Die Fähigkeit und Möglichkeit zur reflexiven Überprüfung seines Tuns und Handelns stellt eine sehr bedeutsame Dimension des Könnens in der Kompetenz einer Fachkraft der Sozialen Arbeit und eine Garantie zum berufsethischen Handeln dar. Die gängigsten Methoden, die den Professionell Tätigen der Sozialen Arbeit dabei zur Reflexivität ihres Handelns und damit zur Entwicklung und Bildung einer professionellen Identität zur Verfügung stehen sind: 1. kollegiale Beratung 2. Supervision 1.3.1 Kollegiale Beratung: → ist eine bedarfsorientierte Beratungsform, in der arbeitsspezifische Fragestellungen beantwortet werden. Ziel der kollegialen Beratung ist, Arbeitsprobleme zu lösen und Handlungsoptionen auf Mitarbeiterebene zu entwickeln. Mithilfe der kollegialen Beratung lassen sich auch Verstrickungen, Merkmale der Beziehungsgestaltung und blinde Flecken lokalisieren und bearbeiten. Bemerkenswerterweise profitiert nicht nur der Zuberatende von den Inhalten und Ergebnissen dieser Methode der Selbsthilfe, sonder auch das beratende Kollegium. Auf beiden Seiten findet ein Lern- und Weiterentwicklungsprozess statt, was im Sinne Harmsens z ueiner Verstärkung der professionellen Identität führt. Kollegiale Beratung fördert die Eigenverantwortlichkeit und das Selbsthilfepotential der Beteiligten. 1.3.2 Supervision: → gehört zu den professionsbezogenen Methoden der Sozialen Arbeit, d.h. Sie dient nicht direkt der Anleitung des Hilfeprozesses in der Aktion zwischen Sozialarbeitenden und der Klientel, sondern bezieht sich auf den Sozialarbeitenden selbst und das professionelle Umfeld, in das er eingebunden ist. Mit Supervision wird die Hoffnung verbunden, dass Sozialarbeitende, indem sie in einem geschützten und methodisch konstruierten Rahmen unter fachkundiger Anleitung über ihre Arbeit reflektieren, ihre berufliche Kompetenz erweitern können und zugleich vor den Belastungen psychosozialer Arbeit durch Helfersyndrom, Burnout usw. geschützt werden. Anders ausgedrückt: Es geht um ein Mehr an Professionalität durch gezielte und methodisch geförderte, systematische (Selbst-) Reflexion beruflichen Handelns. Die Supervision ist eine fachliche Reflexion helferischen Handelns unter Einbeziehung einer externen, fachkundigen Person, die nicht direkt am Hilfegeschehen selbst beteiligt ist. 1.3.3 „Sozialarbeiterisches Können“ Das „sozialarbeiterische Können“ besteh darin, die Balance zwischen der fachlichen Kompetenz, der Empathie für den Einzelfall und gleichzeitig der professionellen Distanz herzustellen. Dieses Können wird im Laufe der Tätigkeit ein Teil der professionellen Identität. Die Ausbildung und Wahrnehmung einer (professionellen) Identität ist grundsätzlich als zirkulierender, fortlaufender und erfahrungsbasierender Prozess zu verstehen. Zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit gehört es schlicht und einfach dazu, dass Sozialarbeitende das eigene Handeln fortlaufend und selbstkritisch hinterfragen. Die Professionalität Sozialer Arbeit wird bestimmt durch die Personen, die diese Arbeit in der Praxis ausführen und zudem wird die Professionalität dieser Personen in ihrer Identifikation mit der Profession Sozialer Arbeit deutlich. 1.3.4 Identifikation mit der Profession Soziale Arbeit (nach Seithe 2011) 1. Wissen um die ethischen, fachlichen und politischen Grundhaltungen und Grundsätze der Profession 2. Umsetzen dieser Haltungen und Grundsätze im eigenen Handeln 3. nach außen erklären zu können, wofür Soziale Arbeit steht, was sie ist, was sie kann (könnte) 4. sich bewusst für diese besonderen Merkmale und Haltungen zu entscheiden aber ebenfalls: 5. Wahrnehmen von Widersprüchen, die sich in der konkreten Praxis auftun, 6. diesen Widersprüchen offensiv und selbstbewusst zu begegnen, 7. sich für die Profession und ihre ethischen, fachlichen und politischen Haltungen einzusetzen 1.3.5 Professionalisierung Sozialer Arbeit „Durch die Ausgestaltung zentraler Kompetenzen (z.B. Sach-, Sozial-, und Selbst- kompetenz) in Studium und Praxis erwirbt der Professionelle eine gewohnheitsmäßige Deutung der Welt, für welche die Orientierung an Zentralwerten und berufsspezifischen Grundhaltungen unabdingbar ist. Dies bedarf der beruflichen Weiterbildung und kollegialen Selbstkontrolle auf wissenschaftlicher Begründungsbasis“ In Anlehnung an Löcherbachs (2008, S. 204 f.) Qualitätsprofil für Sozialarbeitende im Fall Management lassen sich fünf zentrale Kompetenzen eines Sozialarbeitenden ableiten: 1. Theorie- oder Fachkompetenz → Wissen über die (Handlungs-) Theorien und Fachlichkeit der (benachbarten) Disziplin(en) Sozialer Arbeit sowie über die handlungsspezifischen Anforderungen des Praxisfeldes 2. Methodenkompetenz → Wissen über die Bestimmung, Anwendung und Reflexion der praxisfeldbezogenen Mittel und Werkzeuge sozialarbeiterischen Handelns 3. Kompetenz zum interdisziplinären Handeln → Fähigkeiten und Kompetenzen zur Organisation, Einbeziehung, Steuerung und Reflexion der Zusammenarbeit und gemeinsamen Zielerreichung 4. Kommunikationslösungen → Kenntnisse und Kompetenzen in der Anwendung bedeutsamer Kommunikationskonzepte und – modelle (Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationsbreitschaft), aber auch das Beherrschen konkreter Kommunikationstechniken 5. Reflexionskompetenz → Fähigkeit und Möglichkeit zur reflexiven Überprüfung seines Tuns und Handelns