Grundrechte und Menschenrechte PDF

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human rights fundamental rights swiss constitution law

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This document is a lesson plan or study guide on human rights and fundamental rights, focusing on Swiss law and the European Convention on Human Rights. It includes a table comparing provisions from the Swiss Constitution (BV) and the European Convention on Human Rights (EMRK). It's designed for a secondary school setting.

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5. Menschenrechte und Grundrechte Auftrag: Anhand des folgenden Dossiers werden die Menschenrechte betrachtet. Im ersten Teil verschaffen wir uns einen allgemeinen Überblick. Im zweiten Teil wird untersucht unter welchen Bedingungen die Menschenrechte einge-...

5. Menschenrechte und Grundrechte Auftrag: Anhand des folgenden Dossiers werden die Menschenrechte betrachtet. Im ersten Teil verschaffen wir uns einen allgemeinen Überblick. Im zweiten Teil wird untersucht unter welchen Bedingungen die Menschenrechte einge- schränkt werden dürfen. Zeit: 40 Minuten Lernziele: Sie können… … Die Bedeutung der Menschenrechte für eine Rechtsstaat erläutern. … Beispiele von Menschenrechten in EMKR und BV geben. … Fall der Klimaseniorinnen beschreiben und Stellung dazu nehmen. Die Menschenrechte werden in der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) als Grund- rechte bezeichnet. Grundsätzlich wiederholt der Verfassungstext der BV im Grundrechtskata- log von Art. 7-34 BV die wesentlichen Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtserklä- rung (EMRK). Die BV ist ausserdem bestrebt, den Stand der Rechtsprechung des Schweizeri- schen Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) einzu- fangen. Die Aufzählung der Grundrechte in der BV ist ausführlich, aber nicht abschliessend. Das bedeutet, dass die BV Raum lässt für die Entstehung neuer Grundrechte. Nur weil ein Grund- recht nirgends steht, heisst das also nicht, dass es durch alle Maschen fällt. Es können sich jederzeit neue, ungeschriebene Grundrechte herausbilden, die dann unter gewissen Voraus- setzungen auch ihren Weg in das geschriebene Recht finden können. Die EMRK ist die wichtigste Konvention zum Schutz der Menschenrechte in Europa. Sie will einen europäischen „minimal Standard“ garantieren. Dabei gilt das sogenannte «Günstigkeits- prinzip» («was ist für den Einzelnen «günstiger» / «gäbiger» / «besser»? – das gilt.). Das be- deutet, dass das Schutzniveau dieser Konvention immer nur die unterste Messlatte bildet. Wenn also z.B. ein Grundrecht der Bundesverfassung in seiner Schutzwirkung für die Freiheit des Einzelnen über das entsprechende Recht der EMRK hinausgeht, gilt die Bundesverfassung (vgl. Art.53 EMRK): Umgekehrt sind die Garantien der EMRK so weit massgebend, als sie im Vergleich zur Bundes- verfassung einen weitergehenden Schutz gewährleisten. Wenn jemand in seinem eigenen Land alle innerstaatlichen Rechtsmittel zur Klage gegen eine Menschenrechtsverletzung aus- geschöpft hat, kann er oder sie mit dem Fall an den Europäischen Gerichtshof für Menschen- rechte (EGMR) in Strassburg gelangen. Der EGMR stellt in seinem Urteilen dann aber lediglich fest, dass die Konvention verletzt worden ist. Das Urteil des EGMR kann aber weder das GYMNASIUM KIRCHENFELD 26 innerstaatliche Recht noch das Verfahren auf nationaler Ebene aufheben. Die Schweiz ist aber gemäss Art. 46 EMRK verpflichtet, für die Umsetzung des Urteils zu sorgen. a) Verschaffen Sie sich eine Übersicht über die Grundrechte in der BV und die Menschen- rechte in der EMRK bzw. über deren Zusammenhang indem Sie die folgende Tabelle ver- vollständigen: BV EMRK Link und QR-Code (links) zu BV: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995395/index.html Link und QR-Code (rechts) zu EMRK: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19500267/index.html Grund-/Menschenrecht (Titel aus der EMRK) Art. ___ EMRK Art. ___ BV Recht auf Leben 2 7, 10 Abs. 3, 25 Abs. 3 4 7, 10 Abs. 2 5 10 Abs. 2, 31 Recht auf ein faires Verfahren 29, 30, 32 Keine Strafe ohne Gesetz (Art. 1 StGB) Recht auf Achtung des Privat- und Familienle- 8 bens Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit 10 16, 17, 20, 21 11 22, 23, 28 12 Recht auf wirksame Beschwerde 13 29a Diskriminierungsverbot 8 Abs. 2 b) Wer fertig ist schaut sich unter folgendem Link Fallbeispiele aus der Schweiz, welche am europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beurteilt wurden an: https://www.humanrights.ch/de/ipf/rechtsprechung-empfehlungen/europ-gerichtshof-fuer-menschenrechte-egmr/liste-aller-schweizer-faelle/ GYMNASIUM KIRCHENFELD 27 c) Ein Fall von internationaler Bedeutung: Gemeinsam schauen wir den Tagesschau-Bericht zum Thema Menschenrechte und Klima SRF Tagesschaubericht EGMR Klimaseniorinnen - Halten Sie fest, welche Menschenrechte betroffen sind. - Halten Sie fest, wie das Gericht den Entscheid beurteilt. - Halten Sie fest, was der Entscheid des EGMR für die Schweiz bedeutet - Halten Sie fest, wie die Politik und die verschiedenen Parteien auf das Urteil reagieren - Erklären Sie, wieso das Urteil politisch umstritten ist. - Ordnen Sie das Urteil persönlich ein, indem Sie ein pro- und ein kontra Argument auf- greifen und abschliessen ein persönliches Fazit ziehen. GYMNASIUM KIRCHENFELD 28 5.1. Einschränkung von Menschenrechten Auftrag: In diesem Teil erlernen Sie die Theorie zu Grundrechtseinschränkungen und wenden diese an aktuellen Beispielen an. Zeit: 90 Minuten Lernziele: Sie können… … Erklären, unter welchen Voraussetzungen die Grundrechte eingeschränkt werden können. … Die Schritte von bei der Überprüfung von Grundrechtseinschränkungen er- klären. … An einfachen Beispielen beurteilen, ob ein Grundrecht eingeschränkt wer- den darf. Der Staat kann und darf die Grundrechte unter ganz bestimmten Voraussetzungen einschrän- ken darf. Die vier Bedingungen (Tatbestandsmerkmale) für die Einschränkung eines Grund- oder Menschenrechts sind in Art. 36 BV aufgelistet. Für eine zulässige Grundrechtseinschrän- kung müssen sie jeweils alle gegeben sein. e) Machen Sie ein Screenshot des Artikels und fügen Sie diesen ins OneNote ein. Ordnen Sie jeweils das passende Bild einem der vier Tatbestandmerkmale zu. GYMNASIUM KIRCHENFELD 29 f) Die folgenden Seiten führen die Bestimmungen aus Art. 36 BV aus. Lesen Sie diese. Danach wird das erlernte gemeinsam in einem Ablaufschema dargestellt. 5.1.1. Gesetzliche Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV) THEORIE: Selbst, wenn alle anderen Bedingungen für die Einschränkung eines Grundrechts erfüllt sind nützt dies nichts, wenn es keine gesetzliche Grundlage für die Ein- schränkung gibt. Eine gesetzliche Grundlage hat eine Grundrechtseinschränkung dann, wenn sie erstens in einem Rechtssatz (also in einer Verfassung, einem Gesetz oder einer Verordnung) so vorgesehen ist. Während bei leichten Eingriffen eine Rechtsnorm auf Verordnungsebene reicht, muss bei schwerwiegenden Einschränkungen von Grundrechten die entsprechende gesetzliche Grund- lage auf der Stufe eines Gesetzes sein. Erinnern Sie sich an die Hierarchie der verschiedenen Rechtssätze wie sie in der Pyramide rechts dargestellt ist und wie wir sie anhand eines Baumes genauer betrachtet haben? Der Rechtssatz in dem die Grundrechtseinschränkung vorgesehen ist muss zweitens hinreichend bestimmt, also deutlich genug formuliert sein. Diese erste und zweite Bedingung zusammen werden als «Erfordernis des Rechtssatzes» bezeichnet. Hier zur Erinnerung nochmals der hier besprochene Absatz aus dem Art. 36 BV – es steht nämlich ei- gentlich schon alles so drin: Sie können darin (im letzten Satz) auch lesen, dass es für das Erfordernis des Rechtssatzes eine Ausnahme gibt; nämliche echte, unvorhersehbare Notfälle. Dieser Satz wird auch als «Polizei- klausel» bezeichnet. g) Diskutieren Sie zu zweit, wieso (aus Sicht eines Rechtsstaates) schwere Eingriffe im Gesetz festgehalten werden müssen. GYMNASIUM KIRCHENFELD 30 5.1.2. Öffentliches Interesse & Schutz Grundrechte Dritter (Art. 36 Abs. 2 BV) THEORIE: Es versteht sich fast von selbst, dass Menschenrechte nicht einfach so eingeschränkt werden dürfen sondern dass es dafür jeweils einen guten Rechtfertigungsgrund geben muss. Art. 36 Abs. 2 BV nennt ganz generell die Kategorien von Gründen, welche als zulässige Recht- fertigungsgründe für die Einschränkung eines Grundrechts in Frage kommen. Es sind dies ei- nerseits öffentliche Interessen und andererseits Grundrechte Dritter. Im öffentlichen Interesse liegt insbesondere der Schutz der sogenannten «Polizeigüter». Dies sind: Öffentliche Ordnung (z.B. als Grund für Strafen gegen Littering) Öffentliche Ruhe (z.B. als Grund für die Nachtruhe) Öffentliche Gesundheit (z.B. als Grund für Verbot eines Gottesdienstes wegen einer Epidemie) Öffentliche Sicherheit (Schutz vor Gewalt) Öffentliche Sittlichkeit Treu und Glauben im Geschäftsverkehr Zusätzlich zu den Polizeigütern gibt es auch noch weitere öffentliche Interessen wie etwa der Umwelt- oder der Tierschutz oder andere, meist ebenfalls in der BV festgehaltene, grundle- gende Staatsaufgaben. Sie kennen ja sicherlich den Ausspruch «Die Freiheit des einen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt» - genau darum geht es beim «Schutz von Grundrechten Dritter». Es geht also um Fälle in denen direkt zwei Privatpersonen betroffen sind. Solche Fälle sind aber sehr oft bereits durch den Schutz der Polizeigüter abgedeckt. GYMNASIUM KIRCHENFELD 31 5.1.3. Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 3 BV) THEORIE: Das Prinzip der Verhältnismässigkeit erklärt sich am einfachsten anhand eines extremen Beispiels aus dem Strafrecht: Wenn Sie an einem Kiosk ein Päckli Kaugummis stehlen und dafür sieben Jahre ins Gefängnis müssen, dann steht diese Strafe in keinem Verhältnis zu ihrer Tat – die Strafe ist völlig unverhältnismässig. Im normalen sowie auch im rechtlichen All- tag ist die Frage der Verhältnismässigkeit aber oft eine schwierige Abwägung. Wenn Sie zum Beispiel ihr Zimmer nicht aufgeräumt haben und daher am Freitag nicht mit Ihren Freunden weg dürfen, dann sind Sie sich mit Ihren Eltern möglicherweise nicht einige darüber, ob diese Strafe verhältnismässig ist oder nicht. Rechtlich gesehen müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein, damit die Einschränkung eines Grundrechts durch eine bestimmte Massnahme als verhältnismässig angesehen werden kann: Eignung: Die staatliche Massnahme muss geeignet sein, das angestrebte, im öffentlichen Inte- resse liegende Ziel auch tatsächlich zu erreichen. à Ist die Massnahme geeignet, um das Ziel zu erreichen? Erforderlichkeit: Staatliche Eingriffe in Freiheitsrechte haben zu unterbleiben (= dürfen nicht gemacht werden), wenn sie für die Erreichung des angestrebten Ziels nicht erforderlich / nötig sind. Falls also eine gleich geeignete, aber mildere (= weniger einschneidende) Massnahme für den angestrebten Zweck ausreichen würde, muss diese angewendet werden. à Ist die Massnahme erforderlich oder gibt es ein milderes Mittel? Zumutbarkeit: Selbst geeignete und erforderliche Eingriffe sind unzulässig, wenn sie der be- troffenen Person nicht zugemutet werden können. Zwischen dem gesteckten Ziel der freiheits- beschränkenden Massnahme und der Schwere der zu seiner Erlangung notwendigen Frei- heitseinschränkung muss ein vernünftiges Verhältnis bestehen. Meist geht es hier um eine Ab- wägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen. à Ist die Massnahme für den Betroffenen zumutbar? Darf die Freiheit des Einzelnen im Inte- resse der Freiheit aller (der Öffentlichkeit) so stark eingeschränkt werden? GYMNASIUM KIRCHENFELD 32 5.1.4. Schutzbereich und Kerngehalt (Art. 36 Abs. 4 BV) THEORIE: Um beurteilen zu können, ob eine staatliche Beschränkung eines Grundrechts die Bedingungen gemäss Art. 36 BV erfüllt, ist es notwendig zu wissen, was ein bestimmtes Grund- recht überhaupt schützt. Dieser durch einen Verfassungsartikel geschützten Berei ch nennet man den «Schutzbereich» eines Grundrechts. Der sogenannte «Kerngehalt» eines Grundr echts wie er in Art. 36 Abs. 4 BV erwähnt ist, ist wie der Name schon sagt, der innerste Kern des Schutzbereichs eines Grundrechts. Dieser Kern duldet, im Gegensatz zum äusseren Schutz- bereich, keinen staatlichen Eingriff und ist somit unantastbar. Während die Schutzbereiche der meisten Grundrechte relativ intuitiv aus den jeweiligen Verfassungsartikeln herauszulesen sind, wird der Kerngehalt eines Grundrechts durch das Bundesgericht bestimmt und kann meist nicht aus der BV herausgelesen werden. Hier darf der Staat unter den Bedingun- gen von Art. 36 BV einschränken. Bis hierhin darf der Staat ohne Weiteres gehen. Einschränkungen sind möglich, müssen aber die Bedingungen von Art. 36 BV erfüllen. unantastbar Hier darf der Staat nicht einschränken. GYMNASIUM KIRCHENFELD 33 5.1.5. Beurteilung von Grundrechts-Fällen h) Gemeinsam erarbeiten wir das Prüfschema der Voraussetzungen von Grundrechtein- schränkungen. Das Prüfschema wenden wir am konkreten Beispiel einer Corona-Mass- nahme an. Prüfschema: Voraussetzungen einer Grundrechtseinschränkung nach Art. 36 BV Vorprüfung: - Welches Grundrecht könnte betroffen sein? - Wie ist der Schutzbereich des potentiell betroffenen Grundrechts definiert? - Wurde der Schutzbereich dieses Grundrechts tangiert bzw. eingeschränkt? GYMNASIUM KIRCHENFELD 34 i) Mit den Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurden verschiedene Grundrechte eingeschränkt. Exemplarisch schauen wir und gemeinsam das nachfolgende Beispiel an und beurteilen die Einschränkung anhand des Prüfschemas. Massnahme des Bundes zu Beginn der Pandemie: Versammlungen im öffentlichen Raum sind stark eingeschränkt. 0. Betroffenes Grundrecht: 1. Voraussetzung für Grundrechtseinschränkung – Gesetzliche Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV) Ist die gesetzliche Grundlage gegeben? 2. Voraussetzung für Grundrechtseinschränkung– Öffentliches Interesse (Art. 36 Abs. 2 BV) Welches öffentliche Interesse könnte diese Einschränkung rechtfertigen? 3. Voraussetzung für Grundrechtseinschränkung – Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 3 BV) Ist die Massnahme geeignet, erforderlich und zumutbar? 3. Voraussetzung für Grundrechtseinschränkung – Kerngehalt unantastbar (Art. 36 Abs. 4 BV) Bleibt der Kerngehalt des betroffenen Grundrechts unangetastet? Fazit: Handelt es sich in diesem Fall um eine zulässige Grundrechtseinschränkung? Aktuelle Beispiele GYMNASIUM KIRCHENFELD 35 j) Gemeinsam hören wir den Radiobeitrag zu einem Urteilen des Bundesgerichts an. https://www.srf.ch/news/schweiz/drei-urteile-bundesgericht-weist-beschwerden-zu-corona- massnahmen-ab GYMNASIUM KIRCHENFELD 36 k) Wenden Sie das Falllöseschema zur Grundrechtseinschränkung zum Thema Hooligang- Konkordat. GYMNASIUM KIRCHENFELD 37

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