Summary

This document is a study script on Fundamentals of Business Administration (BWL). It covers various topics in business administration, including concepts, aims, and systems of companies, marketing, supply and production management, investment and financing, personnel and organization, strategic management, and more. The author, Prof. Dr. Joschka Mütterlein, is a professor at Hochschule Macromedia, and his expertise lies in the influence of digital innovations on consumers and the transforming effect of digital technologies in companies. This script aims to enable students to understand and apply key business concepts through chapters and subchapters.

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STUDIENSKRIPT Grundlagen BWL B(P)-STG-ALL-BWL Prof. Dr. Joschka Mütterlein, Prof. Dr. Mareike Müller (Kap. 10.3) Über den Autor Prof. Dr. Joschka Mütterlein...

STUDIENSKRIPT Grundlagen BWL B(P)-STG-ALL-BWL Prof. Dr. Joschka Mütterlein, Prof. Dr. Mareike Müller (Kap. 10.3) Über den Autor Prof. Dr. Joschka Mütterlein Ist Professor für Management an der Hoch- schule Macromedia. Zuvor promovierte er am Institut für Informatik und Neue Medien der Ludwig- Maximilians-Universität (LMU) München. Seine Be- rufserfahrung umfasst mehr als zehn Jahre Tätig- keiten in den Bereichen E-Commerce, Augmented Reality-Entwicklung und Consulting. Dazu gehören der weltweite Rollout des Online-Marketings eines deutschen Hidden Champions, die Gründung und Geschäftsführung von Startups im Technologiebe- reich sowie strategische Beratung von KMU. In seiner Forschung befasst sich Joschka Mütterlein zum einen mit dem Einfluss digitaler Innovationen auf das Leben von Konsumenten. Dabei stehen realitätserweiternde Technologien wie Augmented und Virtual Reality im Fokus. Zum anderen beschäftigt er sich mit der transformierenden Wirkung digitaler Technologien in Unternehmen, besonders in Bezug auf Geschäftsmodellinnovationen. Seine Arbeiten wurden in renommierten Fachzeitschriften wie Technological Forecasting and Social Charge oder Journal of Media Business Studies veröffentlicht. Darüber hinaus stellt er regelmäßig aktuelle Ergebnisse auf führenden internationalen Konferenzen vor, z. B. der Hawaii International Conference on System Sciences oder der World Media Economics and Management Conference. 2 Inhaltsverzeichnis 1. Begriffe der BWL........................................................................................................................... 8 2. Ziele und Zielsysteme von Unternehmen.................................................................................... 23 3. Überblick über die mathematischen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften...................... 30 4. Grundlagen des Marketings......................................................................................................... 49 5. Grundlagen Supply-Management und Produktionsmanagement............................................... 73 6. Grundlagen Investition und Finanzierung.................................................................................... 87 7. Grundlagen Personal und Organisation.................................................................................... 101 8. Grundlagen strategisches Management.................................................................................... 119 9. Handlungs- und Entscheidungsfelder im Management............................................................. 134 10. Aktuelle Herausforderungen im Management........................................................................... 141 11. Übungen zur Datenerfassung und Datenanalyse...................................................................... 168 3 Leitfaden durch das Studienskript Liebe Studierende, das Studienskript bildet das zentrale Lernmedium des Selbststudiums. Mit ihm sind Sie in der Lage, alle erforderlichen Inhalte und Konzepte eines Modulthemas zu erfassen und sich auf die Modulprü- fung vorzubereiten. Das Skript ist durch Kapitel und Unterkapitel in thematische Einheiten gegliedert, die Sie in den Lerninhalt einführen. Durch darin enthaltene Praxisbeispiele und Übungen können Sie Ihr Wissen aufbauen und vertiefen. Damit Sie sich im Studienskript schnell und einfach zurechtfinden und besonders wichtige Inhalte auf einen Blick erkennen, haben wir im Text „Badges“ für Sie platziert. Diese weisen Sie u.a. auch auf weiterführendes Material hin, das für Sie von Interesse sein kann. Halten Sie einfach Ausschau nach folgenden Icons: AUFGABE Hier steht die Aufgabe für die jeweilige Übung. REFLEXIONSFRAGE Die Reflexionsfrage dient dazu, das Gelernte am Ende der Übung noch einmal zu wie- derholen oder sich gedanklich auf die nächste Lehrveranstaltung vorzubereiten. DU BIST DRAN! Hier stehen Anweisungen für eine freiwillige Aktivität. 4 HINWEIS Hier werden wichtige Informationen auf einen Blick für Sie hervorgehoben. DEFINITION Hier finden Sie Definitionen wichtiger Begriffe. LERNZIEL Hier steht ein Lernziel mit Bezug zum jeweiligen Inhalt. LESE-TIPP Sie finden weitere Informationen unter den hier angegebenen Links oder im entspre- chenden Buch. VIDEO-TIPP Hier finden Sie den Link zu einem interessanten Video. RECHERCHE-TIPP Hier finden Sie Links oder Hinweise zur eigenen Recherche. 5 Die in diesem Dokument gewählte männliche oder weibliche Form bezieht sich immer auf alle ge- schlechtlichen Identitäten. Lernziele und Lernergebnisse In diesem Studienskript werden folgende Themenschwerpunkte behandelt: » Begriffe der Betriebswirtschaftslehre » Ziele und Zielsysteme von Unternehmen » Mathematischen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften » Grundlagen des Marketings, des Supply- und Produktionsmanagements, von Investition und Finanzierung, Personal und Organisation sowie des strategischen Managements » Handlungs- und Entscheidungsfelder im Management » Betriebswirtschaft in Zeiten digitaler Transformation » Methoden zur Erfassung und Analyse von Daten Nachdem Sie sich die Inhalte dieses Skriptes erarbeitet haben, können Sie: » die wichtigsten Begriffe der Betriebswirtschaftslehre und des Managements in Konversationen korrekt implementieren » die Ziele und das Zielsystem eines Unternehmens erklären » das mathematische Grundwissen der Wirtschaftswissenschaft erkennen » Managemententscheidungen hinsichtlich ihrer Tragweite f√ºr das Marketing, das Supply- und Produktionsmanagement, f√ºr Investition und Finanzierung sowie Personal und Organisation eines Unternehmens analysieren » Tools des strategischen Managements auf einfache Fallbeispiele anwenden » den Handlungs- und Entscheidungshintergrund von Managemententscheidung analysieren » die Gültigkeit traditioneller betriebswirtschaftlicher Ansätze in Zeiten der digitalen Transforma- tion erörtern » einfache Sachverhalte auf Datenbasis betriebswirtschaftlich analysieren. Arbeiten Sie dieses Studienskript aktiv durch. Ein Studium bedeutet eigenverantwortliches Lernen. Damit dies optimal gelingt, ist dieses Dokument in abgeschlossene thematische Kapitel aufgeteilt, die inhaltlich aufeinander aufbauen. Die einzelnen Kapitel sind versehen mit Definitionen und bei Bedarf mit weiterführenden Links und Recherche-Tipps. Am Ende jedes Kapitels befindet sich eine Zusam- menfassung, in der Sie die relevanten Inhalte noch einmal in Kurzform nachlesen können. Schließlich liefert Ihnen das Literaturverzeichnis die Möglichkeit, das Erlernte zu vertiefen. Über die im Text verwendeten Abbildungen und Tabellen finden Sie in den jeweiligen Verzeichnissen einen Überblick. 6 Viel Spaß und Erfolg beim Lernen mit diesem Skript! 7 1. Begriffe der BWL „Wenn Sie an [der Wirtschaft] teilnehmen, ist das eine teure Angelegenheit. Sie müssen herausfin- den, mit wem Sie Geschäfte tätigen können, Sie müssen die Bedingungen [für diese Geschäfte] erarbeiten, Sie müssen überwachen, was passiert, Sie müssen sich mit Missbrauch beschäftigen und so weiter. Das ist nicht billig.“– Ronald Coase (1910 – 2013), Interview mit New Media UFM im Jahr 2001. 1.1 Lernziele Lernziele Oberes Lernziel: Nach Abschluss dieses Moduls sind Sie in der Lage, die wichtigsten Begriffe der BWL und des Managements in Konversationen korrekt zu implementieren. Sie können … » die Bedeutung von Transaktionskosten für Unternehmen und die BWL einschätzen, » den Begriff „Unternehmen“ erklären und verschiedene Kriterien zur Typologisierung von Un- ternehmen heranziehen, » den Begriff „Stakeholder“ erklären und verschiedene Stakeholder benennen, » den Begriff „Gut“ erklären und verschiedene Arten von Gütern klassifizieren, » die Begriffe „Management“, „Steuerungsaufgabe“ und „Problemlösung“ in Beziehung zuei- nander und zu den Teilaufgaben des Managements setzen, » die Begriffe „Markt“, „Angebot“ und „Nachfrage“ in Beziehung zueinander setzen und die Rolle des Preises für Angebot und Nachfrage erläutern, » die Begriffe „Gewinn“, „Verlust“, „Erlös“ und „Kosten“ in Beziehung zueinander setzen – auch mathematisch. 1.2 Warum gibt es Unternehmen? Im Jahr 1931 begann Ronald Coase, ein damals 20-jähriger Student aus London, seinen Auslands- aufenthalt an der University of Chicago (Bylund, 2014). In den folgenden Monaten verbrachte er Zeit an der dortigen Hochschule und besuchte verschiedene Firmen,aber einen bleibenden Eindruck hin- terließ er wohl nicht. Seine amerikanischen Kolleg:innen konnten sich später nicht mehr an diesen Besuch erinnern. Coase nutzte die Freiheit, die er in den USA und auch während seines Studiums 8 in London hatte, um eine Frage zu beantworten, die ihn schon eine Weile beschäftigte: Warum gibt es Unternehmen? AUFGABE Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit und denken ebenfalls über die Frage nach, die sich Ronald Coase stellte. Was können Unternehmen, was ohne sie nicht möglich wäre? Schließlich sind es auch in Unternehmen immer Personen wie Sie und ich, die Materialien einkaufen, Maschinen bedienen oder Produkte verkaufen. Das könnten sie genauso auf eigene Faust und ohne ein Unternehmen tun. Die Fragestellung ist bis heute von großer Bedeutung – auch für Sie persönlich. Schließlich beginnen Sie gerade damit, sich mit einer ganzen Reihe von betriebswirtschaftlichen Fragestellungen ausei- nanderzusetzen, die es ohne Unternehmen gar nicht gäbe. Schon vor Coase war diese Frage höchst relevant, wurde aber meist nach volkswirtschaftlichen Denkansätzen beantwortet. Die Existenz von Unternehmen wurde also über die Funktion von Märkten erklärt. In der Tat ist das ein korrekter Ansatz. Coase aber fehlte ein wichtiger Aspekt zur vollständigen Beantwortung der Frage, nämlich die Rolle von Unternehmern und Mitarbeitenden. Unternehmer:in- nen stellen Mitarbeitende ein, um Dinge zu erledigen, die die Unternehmer:innen auch selbst erledi- gen oder an Dienstleister auslagern könnten. Auf den ersten Blick ergibt das keinen Sinn, denn Mit- arbeitende verursachen zusätzliche zeitliche und finanzielle Kosten. Schließlich müssen diese Mit- arbeitenden eingelernt und angewiesen werden, machen Fehler und werden krank. Aber dennoch gibt es Unternehmen mit vielen Mitarbeitenden – diese Organisationsform muss also irgendeinen Vorteil bieten. Coase fand diesen Vorteil in den Transaktionskosten. DEFINITION Transaktionskosten sind die Kosten, die entstehen, wenn mindestens zwei Akteure auf einem Markt in Verbindung zueinander treten, zum Beispiel um Produkte zu kaufen/ver- kaufen (frei nach Coase, 1937). Transaktionskosten gibt es bei jeder Transaktion. Wenn ein Unternehmer Materialien kaufen möchte, muss er zuerst verschiedene Lieferanten gesucht und verglichen haben, er muss mit diesen Liefe- ranten über Geschäftsbedingungen verhandeln, er muss verfolgen, ob die Bestellung wie geplant 9 abläuft und eingreifen, wenn Fehler passieren. Das sind Beispiele für zeitliche und finanzielle Trans- aktionskosten, die zusätzlich zum Preis der Transaktion selbst anfallen. Wenn ein Unternehmer ei- nen Mitarbeiter einstellt, fallen ebenfalls Transaktionskosten an, z. B. für die Erstellung einer Stel- lenausschreibung und die Auswahl von Kandidat:innen. Wenn sich ein Unternehmer entscheidet, einen Mitarbeiter einzustellen, steigen die Transaktions- kosten des Unternehmers zunächst einmalig stark an und bleiben auf einem leicht erhöhten Niveau, da ihm die Betreuung des Mitarbeiters laufend Arbeit verursacht. Das lohnt sich für den Unternehmer nur, wenn er an anderer Stelle Transaktionskosten spart. Diese Einsparungen können gewaltig sein, denn Mitarbeitende übernehmen für den Unternehmer dauerhaft beispielsweise den Einkauf von Materialien inklusive der Auswahl von Lieferanten. Der Unternehmer kann sich derweil anderen Auf- gaben widmen. Durch die Einstellung hat der Unternehmer also hohe Transaktionskosten, die immer wieder anfallen würden (weil er selbst ständig Materialien einkaufen müsste), ersetzt durch hohe einmalige und niedrige laufende Transaktionskosten (für die Einstellung und Betreuung des Mitar- beiters). AUFGABE Verdeutlichen Sie sich das Konzept der Transaktionskosten an einem persönlichen Bei- spiel. Gehen Sie dabei von Ihrer letzten Reise aus: Was haben Sie für Fahrt, Flug oder Ihre Unterkunft an den Anbieter bezahlt? Das ist der reine Preis der Transaktion, in der Sie und der Anbieter die Akteure sind. Denken Sie dann darüber nach, welchen zusätz- lichen zeitlichen und finanziellen Aufwand Sie hatten – zum Beispiel, um verschiedene Anbieter miteinander zu vergleichen oder einen Reiseführer downzuloaden. Das sind die Transaktionskosten. Unternehmen gibt es also, weil sich durch sie Transaktionskosten minimieren lassen. Mitarbeitende, die sich auf einzelne, wiederkehrende Aufgaben spezialisieren, sind wesentlich effizienter als ein Unternehmer, der alles selbst macht oder für bestimmte Aufgaben wieder und wieder Dienstleister aussuchen und beauftragen muss. Das gilt allerdings nur für häufig wiederkehrende Aufgaben – sofern Sie nicht ständig verreisen, lohnt es sich für Sie also nicht, jemanden einzustellen, der Ihre Reisen bucht. Ronald Coase kehrte übrigens 1932 aus den USA zurück, schloss sein Studium ab und veröffentlichte seine Gedanken zu Transaktionskosten 1937 in einem Essay. Diese Gedanken waren so bahnbrechend, dass er für sie 1991 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verlie- hen bekam. HINWEIS 10 Der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, kurz „Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften“ genannt, wird seit 1969 zusammen mit den Nobelpreisen für andere Fachdisziplinen jährlich von der Schwedischen Reichsbank verliehen. Er ist dotiert mit einem Preisgeld von mehreren Hunderttausend Euro und gilt als weltweit re- nommiertester Preis für Wirtschaftswissenschaften. 1.3 Was ist Betriebswirtschaftslehre? Die Betriebswirtschaftslehre (BWL) ist eine angewandte oder zumindest anwendungsorientierte Wissenschaft. Mit Hilfe von Erkenntnissen der theoretischen Wissenschaften und den Erfahrungen aus der Praxis will sie Problemlösungen für praktisches Handeln entwickeln. Diese Problemlösungen beziehen sich auf den betrieblichen, wirtschaftlichen Kontext, daher der Name Betriebswirtschafts- lehre. Unter Wirtschaft wird der Teil des gesellschaftlichen Lebens verstanden, in dem Menschen mit Institutionen wie Unternehmen vernetzt sind, um Wirtschaftsgüter und Geld auszutauschen (Thommen et al., 2020). Ein Betrieb ist eine Einheit, die dauerhaft Bedürfnisse von Personen und Institutionen decken soll – zum Beispiel, indem er Wirtschaftsgüter anbietet, also zumeist ein Unter- nehmen. Ämter der öffentlichen Verwaltung sind weitere Beispiele für Betriebe. Der Fokus der BWL liegt aber zumeist auf Unternehmen, weshalb sich dieses Skript ebenfalls auf Unternehmen kon- zentriert. Die Geschichte der BWL reicht mehrere Jahrtausende zurück. Bereits im alten Ägypten wurden Schulen betrieben, in denen man Handel lernen konnte. Schreiben und Rechnen standen dort ebenso auf dem Lehrplan wie Buchhaltung. In Europa entstanden vor allem zum Ende des 19. Jahr- hunderts Handelshochschulen, die sich auf die Vermittlung von betriebswirtschaftlichem Wissen spe- zialisierten. An Universitäten wurde das Fach selten gelehrt, da es nicht als Wissenschaft betrachtet, sondern als Thema für Praktiker angesehen wurde. Zur Erklärung von wirtschaftlichen Sachverhal- ten zog man stattdessen die abstraktere Volkswirtschaftslehre (VWL) heran, die sich unter anderem eher auf Abläufe an Märkten konzentriert und heute als Schwesterdisziplin der BWL bezeichnet wird. Durch Arbeiten wie die von Ronald Coase wandelte sich der Blick auf die BWL im Laufe der Jahre. Abläufe in Unternehmen fanden zunehmend wissenschaftliche Betrachtung. Vor allem getrieben von Wissenschaftler:innen in den USA entwickelten sich ab Mitte des 20. Jahrhunderts eigene For- schungsstränge, die der BWL zu ihrer heutigen Rolle als bedeutende Fachdisziplin verhalfen (Hos- kisson et al., 1999). Den Praxisbezug hat die BWL jedoch nicht aus den Augen verloren, weshalb von ihr als einer angewandten oder zumindest anwendungsorientierten Wissenschaft gesprochen wird, deren Erkenntnisse sich an Praktiker:innen richten. 11 1.4 Auswahl zentraler Begriffe der Betriebswirtschaftslehre Auf den letzten Seiten haben Sie verschiedene Begriffe kennengelernt, mit deren genauer Bedeu- tung Sie sich in Ihrem bisherigen Leben vermutlich weniger auseinandergesetzt haben. „Wirtschaft“ und „Betrieb“ mögen Wörter sein, die man auch im Alltag gelegentlich benutzt, aber „Transaktions- kosten“ sind doch eher selten Gesprächsthema von Nicht-BWLer:innen. Wie jede Fachdisziplin nutzt auch die BWL spezifische Begriffe, die für Außenstehende schwer verständlich sind und stellenweise unnötig erscheinen. Sie erfüllen den wichtigen Zweck, komplexe und zentrale Sachverhalte bündig auszudrücken. Mit Ihrem zuvor erworbenen Wissen über Transaktionskosten ließe sich nun darüber diskutieren, wie digitale Technologien Transaktionskosten beeinflussen, ohne den Sachverhalt wäh- rend des Gesprächs ständig neu aufrollen zu müssen – dazu in einem späteren Kapitel mehr. Es ist daher in jeder Fachdisziplin unerlässlich, sich die bedeutendsten Begriffe anzueignen. So wie ein:e Mediziner:in den Körper und seine Funktionsweise in präzise Begriffe fassen können muss, müssen Sie Unternehmen und deren Funktionsweise prägnant erläutern können. Im Laufe dieses Skriptes werden Sie viele wichtige Begriffe kennenlernen – die zentralsten werden Ihnen an dieser Stelle in Form von Definitionen und kurzen Erläuterungen vorgestellt, deren leicht erfassbare Struktur Ihnen bei einer späteren Wiederholung hilfreich sein wird. Sämtliche Definitionen basieren auf Thom- men et al. (2020). 1.4.1 Unternehmen und ihre Stakeholder DEFINITION Unternehmen sind produktionsorientierte Wirtschaftseinheiten. Damit stehen sie im Ge- gensatz zu Haushalten, die als konsumorientierte Wirtschaftseinheiten aufgefasst wer- den. Sie wissen bereits, dass Unternehmen dauerhaft Bedürfnisse von zum Beispiel Personen decken sollen, indem sie Wirtschaftsgüter anbieten. In den Wirtschaftswissenschaften und vor allem der VWL nutzt man den Begriff Haushalte, um die Personen, die Bedürfnisse haben, zu beschreiben. Das liegt unter anderem daran, dass innerhalb eines Haushalts oft gemeinsam konsumiert wird und sich der Konsum nicht genauer zuordnen lässt. Der Begriff Konsum bezieht sich wiederum auf den Ge- und Verbrauch von Gütern. Die Rollen sind in der klassischen BWL also klar verteilt: Unterneh- men produzieren Güter, Personen oder Haushalte konsumieren sie. 12 Abbildung 1 Kriterien zur Typologisierung von Unternehmen (basierend auf Thommen et al., 2020) Um Unternehmen zu typologisieren, d. h. sie voneinander zu unterscheiden, gibt es verschiedene Kriterien (siehe Abbildung 1). Diese sind (Thommen et al., 2020, S. 24 – 44): » Gewinnorientierung: Normalerweise verfolgt ein Unternehmen das Ziel, Gewinn zu erzielen. Es gibt aber auch gemeinnützige Unternehmen, die soziale Ziele verfolgen und aus rechtlichen Gründen kei- nen Gewinn erwirtschaften dürfen. » Branche: Je nach Tätigkeitsbereich lassen sich Unternehmen verschiedenen Branchen zuordnen. Hier geht es um die grundsätzliche Unterscheidung, ob ein Unternehmen ein konkretes Pro- dukt herstellt und verkauft, z. B. ein Smartphone oder ein Auto, oder eine Dienstleistung anbietet, z. B. Haare schneiden oder eine Beförderung von A nach B per Taxi. Unternehmen, die herstellen und verkaufen, gehören zu den Sachleistungsbetrieben. Unternehmen, die ihre Dienste anbieten, gehören zu den Dienstleistungsbetrieben. » Größe: Unternehmen können auch nach ihrer Größe differenziert werden. Diese wird unter anderem an der Zahl der Mitarbeitenden, dem Umsatz des Unternehmens oder seiner Bilanzsumme gemessen. Bekannte Kategorien für Unternehmen sind kleine und mittelgroße Unterneh- men, die oft mit KMU abgekürzt werden, und Großunternehmen. » Technisch-ökonomische Struktur: Eine Unterscheidung nach technisch-ökonomischer Struktur ist vor allem für produzierende Unternehmen wichtig. Hier geht es darum, aufzuzeigen, welcher Faktor den größten Anteil an der Produktionsleistung des Unternehmens hat. Beispiele sind personalintensive Unter- nehmen, d. h. Unternehmen mit einem hohen Anteil von Lohnkosten an den gesamten Pro- duktionskosten, wie etwa ein Luxusuhrenhersteller, oder materialintensive Unternehmen, d. h. Unternehmen mit einem hohen Anteil an Kosten für Materialien, die für die Produktion benötigt werden, wie beispielsweise ein Stahlproduzent. » Rechtsform: 13 Die Rechtsform ist eine der grundlegenden strategischen Entscheidungen eines Unterneh- mers, da mit der Wahl der Rechtsform verschiedene gesetzliche Rechte und Pflichten ein- hergehen. Beispiele für Rechtsformen sind Einzelunternehmung für eine einzelne handelnde Person, die gleichzeitig Eigentümer des Unternehmens ist, oder eine GmbH, in der Ge- schäftsführung, Aufsichtsrat, Gesellschafterversammlung und teilweise auch Eigentümer voneinander getrennt sind. » Unternehmensverbindungen: Unternehmen kooperieren immer wieder mit anderen Unternehmen. Diese Formen der Ko- operation lassen sich auf verschiedene Weise unterscheiden. Das bekannteste Kriterium ist die Form der Unternehmensverbindungen, die von Konsortium bis Fusion reichen. Bei einem Konsortium binden sich zwei oder mehrere Unternehmen kaum aneinander, sondern führen nur einmalig ein Geschäft gemeinsam aus. Bei einer Fusion schließen sich zwei oder mehr Unternehmen dauerhaft zu einem neuen Unternehmen zusammen. » Lebenszyklus des Unternehmens: Von der Gründung bis zur Auflösung durchlaufen Unternehmen bestimmte Phasen, die ebenfalls zur Differenzierung herangezogen werden. So befinden sich etwa Startups noch am Anfang ihres Lebenszyklus, während etablierte Unternehmen sich schon im Markt posi- tioniert haben. » Standort des Unternehmens: Der Standort eines Unternehmens ist der geografische Ort, an dem die Produktion des Un- ternehmens stattfindet. Auch hier gibt es verschiedene Ausprägungen, die von einer örtlich begrenzten Produktion und damit einem lokalen Standort (z. B. Bäcker vor Ort) bis hin zu einer weltweit verteilten Produktion und damit einem multinationalen Standort reichen (z. B. Automobilhersteller). Nach diesem Blick auf Unternehmen werden nun die verschiedenen Personen und Institutionen the- matisiert, die bestimmte Ansprüche an Unternehmen haben – die sogenannten Stakeholder (Thom- men et al., 2020, S. 14 – 15). DEFINITION Stakeholder haben Ansprüche an ein Unternehmen, weil sie vom Handeln des Unter- nehmens betroffen sind. Vor allem mit steigender Größe eines Unternehmens wächst auch die Zahl der Stakeholder. Einigen der Ansprüche dieser Stakeholder muss ein Unternehmen nachkommen, weil beispielsweise Aktio- 14 näre eines Unternehmens rechtlichen Anspruch auf die Herausgabe bestimmter Informationen ha- ben, anderen nicht, weil etwa die Nichtbeachtung mancher Mitarbeiterwünsche nur geringe Auswir- kungen hat. Ein Unternehmen muss also im Visier haben, welche Stakeholder es gibt, welche An- sprüche sie haben und inwiefern es diese Ansprüche erfüllen muss resp. will. Generell lassen sich drei Arten von Stakeholder-Gruppen unterscheiden, wobei es auf den Einzelfall ankommt, ob An- sprüche berücksichtigt werden sollten oder ignoriert werden können: » Unternehmensinterne Stakeholder: Hierzu gehören beispielsweise Mitarbeitende, Mana- ger:innen oder Eigentümer:innen eines Unternehmens. » Wirtschaftliche Stakeholder: Wirtschaftliche Ansprüche richten zum Beispiel Kund:innen, Lieferanten oder kreditgebende Banken an ein Unternehmen. » Gesellschaftliche Stakeholder: Diese haben oft keinen direkten Bezug zur Geschäftstätigkeit eines Unternehmens, erheben aber trotzdem Ansprüche. Beispiele sind Medien, Ver- braucherschützer oder Umweltschutzgruppen. 1.4.2 Güter und ihre Herstellung DEFINITION Güter sind Mittel, um Bedürfnisse zu befriedigen. Die Begriffe Ware oder Produkt wer- den oft synonym zum Begriff Gut behandelt. Wie Sie gelernt haben, produzieren Unternehmen Güter. Haushalte benötigen diese Güter, um ihre Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen. Das Gut nimmt in der Geschäftstätigkeit eines Unterneh- mens eine entsprechend bedeutende Rolle ein. Generell unterscheidet man zwischen Gütern, die die Natur in ausreichender Menge bereitstellt, und Gütern, die nur in begrenzter Menge vorhanden sind. Güter, die die Natur in ausreichender Menge bereitstellt, werden freie Güter genannt, Güter, die nur in begrenzter Menge vorhanden sind, nennt man knappe Güter. Zu den freien Gütern gehört beispielsweise Luft – sie muss nicht von Unternehmen erwirtschaftet werden, sondern steht allen zur Verfügung. Im Gegensatz dazu erfordern knappe Güter Herstellungsprozesse – zum Beispiel, um natürlich vorkommende Materialien in Kleidung zu verwandeln. Diese Kleidung ist ein knappes Gut, für das Haushalte zu zahlen bereit sind. Wenn man in der Wirtschaft von Gütern spricht, meint man in der Regel knappe Güter. Diese werden deshalb auch Wirtschaftsgüter genannt und lassen sich noch weiter unterteilen (siehe Abbildung 2; Thommen et al., 2020, S. 4 – 5). 15 Abbildung 2 Klassifikation von Gütern (basierend auf Thommen et al., 2020, S. 6) Wirtschaftsgüter können sowohl materiell als auch immateriell sein. Diese Unterscheidung hebt auf die Beschaffenheit von Gütern ab. Immaterielle Güter haben keine materielle Substanz. Sehr ver- einfacht gesagt heißt das: Man kann sie nicht anfassen. Dazu gehören Dienstleistungen wie eine Taxifahrt oder ein Haarschnitt, aber auch Rechte wie Patente. Wenn ein Unternehmen beispiels- weise eine neue Technologie entwickelt und patentiert, kann es anderen Unternehmen gegen eine finanzielle Kompensation erlauben, diese Technologie nachzubauen. Das Gut ist dann nicht die Technologie selbst, da sie von den anderen Unternehmen nochmals nachgebaut wird, sondern das Recht, sie überhaupt herzustellen. Materielle Güter hingegen sind „greifbare“ Sachen, daher werden sie auch Sachgüter genannt. Zwei große Klassen von materiellen Gütern werden unterschieden: Produktionsgüter und Konsumgüter. Diese Unterscheidung zielt auf die Art ab, in der die Güter später verwendet werden. Produktions- güter fließen normalerweise als Materialien in einen anderen Produktionsprozess ein – wie zum Beispiel ein Motor, der nach seiner Herstellung normalerweise an ein anderes Unternehmen verkauft wird, das ihn zur Produktion eines Autos verwendet. Im Gegensatz zu Produktionsgütern werden Konsumgüter direkt verbraucht, meist von Haushalten, wobei „Verbrauchen“ auch ein längerer Pro- zess im Sinne eines „Gebrauchens“ sein kann. Wichtig ist für die Unterscheidung vor allem, dass Konsumgüter nicht in einen weiteren Produktionsprozess einfließen. Zu Konsumgütern gehören bei- spielsweise Lebensmittel, Smartphones oder Autos. Die Produktion von Gütern geschieht im Rahmen des betrieblichen Umsatzprozesses. Dieser be- schreibt, welche Schritte ein Unternehmen durchläuft, um ein Gut zu produzieren (Thommen et al., 2020, S. 8 – 10): 1. Im ersten Schritt geht es um die Beschaffung von finanziellen Mitteln, mit denen Materia- lien für die Produktion gekauft werden können. Sie kann zum Beispiel über Kredite von Banken geschehen, aber auch aus vorhandenen Geldmitteln des Unternehmens erfolgen. 16 2. Anschließend werden die finanziellen Mittel in den Kauf von sogenannten Produktionsfak- toren investiert. Dazu gehören beispielsweise Produktionsgüter, aber auch Maschinen und Mitarbeitende, die die Produktionsgüter verarbeiten. 3. Die eigentliche Herstellung der Güter erfolgt im dritten Schritt. Hier werden die Produkti- onsfaktoren zusammengebracht und in Güter „transformiert“, beispielsweise zu einem Smartphone zusammengebaut. 4. Sobald ein Gut produziert worden ist, wird es verkauft. 5. Im letzten Schritt erhält das Unternehmen Geld, mit dem es Kredite zurückzahlen und wei- tere Güter herstellen kann. Im Normallfall beginnt der betriebliche Umsatzprozess also er- neut. Die Steuerung des betrieblichen Umsatzprozesses obliegt dem Management eines Unternehmens. Es hat dafür zu sorgen, dass der Prozess optimal abläuft und entstehende Probleme gelöst werden. Im Kern ist Management also eine Steuerungsaufgabe (des betrieblichen Umsatzprozesses) zur rechtzeitigen Vermeidung oder Lösung von Problemen. Diese Managementaufgabe wird üblicher- weise mit folgenden vier Teilschritten umschrieben (Thommen et al., 2020, S. 11 – 12): » Planung: Zunächst gilt es, ein Problem zu erkennen, zu verstehen und zu beschreiben. Darauf auf- bauend wird analysiert, wie schwerwiegend das Problem ist oder sein kann, um schließlich mögliche Lösungsvorschläge zu erarbeiten. » Entscheidung: Wenn mögliche Lösungsvorschläge vorliegen, muss das Management eine Entscheidung treffen, welche Lösung umgesetzt wird und welche Mittel dafür zur Verfügung gestellt wer- den – zum Beispiel, wie viel Geld in die Lösung investiert werden soll. Dies sollte unter Berücksichtigung der Unternehmensziele geschehen. » Aufgabenübertragung: Dieser Schritt ist oft auch als „Durchführung“ bekannt. Der beschlossene Lösungsvorschlag wird umgesetzt, wobei das selten nur durch das Management geschieht. Oft übernehmen ein oder mehrere Mitarbeitende die Umsetzung der Lösung. Das Management achtet darauf, dass diese Mitarbeitenden wissen, was sie tun sollen, und über die erforderlichen Fähigkei- ten verfügen, die ihnen übertragene Aufgabe auch tatsächlich korrekt durchzuführen. » Kontrolle: Während die Aufgabe durchgeführt wird, kontrolliert das Management den Fortschritt der Problemlösung. Natürlich kann es immer passieren, dass sich das ursprüngliche Problem doch nicht, wie gedacht, lösen lässt oder weitere Probleme auftreten. Das Management muss hierauf rechtzeitig reagieren und die vier Teilschritte erneut durchlaufen lassen. 17 Informationen zum letzten Schritt erhält das Management über das Controlling (Thommen et al., 2020, S. 300). Aufgabe des Controllings ist es, Informationen zu beschaffen und so aufzubereiten, dass das Management eine fundierte Grundlage hat, um den Fortschritt der Problemlösung zu be- werten. In der Regel kommt eine Vielzahl dieser Informationen aus dem Rechnungswesen. Das Rechnungswesen ist damit beschäftigt, den betrieblichen Umsatzprozess mengen- und wertmäßig nachzuverfolgen. Das bedeutet, dass zum Beispiel Anzahl und Kosten von Produktionsfaktoren lau- fend erfasst werden. Mit diesen Daten kann das Controlling dann beispielsweise die Frage beant- worten, ob Produktionsfaktoren in ausreichender Menge und zu tragbaren Kosten beschafft werden. Dazu trägt es alle Informationen aus dem Rechnungswesen zusammen und verdichtet sie zu einer passenden Kennzahl, etwa die monatlichen Kosten der Produktion. Diese Kennzahl kann das Ma- nagement nutzen, um zu beurteilen, ob die Produktion funktioniert, wie sie soll. 1.4.3 Markt und die Rolle des Preises DEFINITION Markt ist ein Raum, in dem Güter gehandelt werden. Dabei bezieht sich dieser Raum selten auf einen geografisch klar abgrenzbaren Bereich wie einen Marktplatz. Vielmehr beschreibt „Markt“ in einem abstrakten Sinn eine nicht genau definierte Menge an Un- ternehmen und Konsumenten, die sich mit einem bestimmten Gut beschäftigen. Unternehmen bieten ihre produzierten Güter auf dem Markt an, wo – je nach Art des Gutes – andere Unternehmen oder Haushalte sie nachfragen, d. h. kaufen, und für die weitere Produktion nutzen oder konsumieren. Auf dem Markt treffen also Angebot und Nachfrage aufeinander. Angebot be- zeichnet die Gesamtmenge aller Güter einer bestimmten Art auf dem Markt. Nachfrage bezieht sich auf die Gesamtmenge aller Bedürfnisse (von Unternehmen und Haushalten) nach dieser Art Güter auf dem Markt. Um das an einem vereinfachten Beispiel zu verdeutlichen: Das weltweite Angebot für große Passagierflugzeug besteht aus allen Flugzeugen, die Airbus und Boeing herstellen können, weitere Hersteller gibt es quasi nicht. Die weltweite Nachfrage setzt sich zusammen aus dem, was Fluglinien wie Lufthansa, Delta oder Singapore Airlines an Flugzeugen benötigen, um ihre Passa- giere zu transportieren. Auf dem Markt treffen sich die beiden Hersteller und die Fluglinien – die Hersteller bieten ihre Güter an und die Fluglinien fragen sie nach. An dieser Stelle ist ein kurzer Ausflug in die VWL angebracht, um ein zentrales Konzept der Wirt- schaftswissenschaften zu verstehen: den Preis. In einem späteren Kapitel werden Sie noch ver- schiedene Möglichkeiten der Preisbestimmung kennenlernen. Hier soll es erst einmal nur um ein ganz grundsätzliches Verständnis dessen gehen, was ein Preis eigentlich ist und macht. Führen Sie sich nochmals das Beispiel oben vor Augen: Die Hersteller von Flugzeugen bestimmen das Angebot, 18 die Fluglinien die Nachfrage nach diesen Flugzeugen. Auf dem Markt kommen sie zusammen und tauschen Güter gegen Geld, sofern der Preis für beide Seiten stimmt. Ist der Preis hoch angesetzt, freuen sich zunächst die Hersteller, denn sie könnten viel verdienen. Infolgedessen bieten sie eine große Menge ihres Gutes an. Die Kunden sind davon jedoch wenig angetan, denn sie können sich die Produkte zu diesem Preis kaum leisten. Sie werden folglich nur eine geringe Menge nachfragen. Ist der Preis niedrig angesetzt, freuen sich zunächst die Kunden, denn sie könnten viel sparen. Also fragen sie bei einem niedrigen Preis eine große Menge des Gutes nach. Für die Hersteller ist das nun wiederum nicht attraktiv, denn sie verdienen bei solchen Preisen nicht genug, um zu überleben. Sie werden angesichts des niedrigen Preises somit lediglich eine geringe Menge des Gutes anbie- ten. Abbildung 3 Marktgleichgewicht Abbildung 3 gibt diesen Sachverhalt grafisch wieder. Bei einem zu hohen Preis ist der Markt nicht im Gleichgewicht – es gibt zu viel Angebot und zu wenig Nachfrage. Bei einem zu niedrigen Preis ist der Markt ebenfalls nicht im Gleichgewicht – es gibt zu viel Nachfrage und zu wenig Angebot. Erst im Schnittpunkt, dem Gleichgewichtspreis, stimmen Angebot und Nachfrage überein. Der Preis re- guliert daher Angebot und Nachfrage und sorgt dafür, dass Unternehmen gerade so viel produzieren und anbieten, wie andere Unternehmen und Haushalte nachfragen und konsumieren. Die dem Marktgleichgewicht zugrundeliegenden Gedanken helfen auch einzelnen Unternehmen, ei- nen passenden Preis für ihre Produkte zu finden. So beschreibt die sogenannte Preisabsatzfunktion, dass ein Unternehmen umso mehr Stück eines Produktes absetzen kann, je geringer der Preis die- ses Produktes ist. Das ähnelt sehr der Grundannahme des Marktgleichgewichts, wobei diese An- nahme dort auf den gesamten Markt und hier bei der Preisabsatzfunktion auf ein einzelnes Unter- nehmen bezogen ist. Gemäß der Preisabsatzfunktion kann ein Unternehmen mithin über den Preis steuern, wie viel Stück eines Produktes es absetzt, und so seinen Gewinn und Umsatz optimieren. 19 1.4.4 Gewinn und seine Entstehung DEFINITION Gewinn ist der Überschuss der Erlöse über die Kosten eines Unternehmens, d. h., der Gesamtwert aller in einem bestimmten Zeitraum verkauften Güter übersteigt den Ge- samtwert aller Kosten, die das Unternehmen im gleichen Zeitraum hatte. Wenn ein Unternehmen seine Güter verkauft, bekommt es dafür normalerweise eine finanzielle Ge- genleistung, d. h., ein anderes Unternehmen oder ein Haushalt bezahlt das produzierende Unter- nehmen für das Gut. Die gesamte Menge aller Zahlungen, die ein Unternehmen für seine Güter bekommt, bezeichnet man als Erlös oder Umsatz. Allerdings stehen diesem Erlös auch Kosten gegenüber. Das Unternehmen muss schließlich die Materialien bezahlen, die es zur Produktion der Güter benötigt, oder Maschinen und Mitarbeitende, die diese Materialien zu Gütern transformieren. Wenn die gesamten Erlöse höher sind als die Kosten, so erzielt das Unternehmen einen Gewinn. Übersteigen die Kosten aber die Erlöse, d. h., das Unternehmen hat mehr Geld ausgegeben, als es einnehmen konnte, so macht es Verlust. Die daraus entstehende mathematische Gleichung sieht wie folgt aus, wobei Verlust als negativer Gewinn interpretiert wird, dem Wert also ein Minuszeichen vorangestellt wird: Gewinn = Erlös – Kosten 1.5 Aufbau des Skriptes Nach dieser Übersicht über zentrale Begriffe der BWL sind Sie gewappnet für die nun folgenden Grundlagen der BWL. Die Begriffe aus diesem Kapitel werden dabei immer wieder vorkommen. Wenn Sie sich noch nicht ganz sicher fühlen oder den einen oder anderen Begriff noch nicht verin- nerlicht haben – keine Sorge, das Skript ist so geschrieben, dass das Verständnis der weiteren Ka- pitel davon nicht allzu sehr beeinträchtigt wird. Ganz im Gegenteil: Viele Begriffe werden sich beim Lesen des restlichen Skriptes von allein festigen. Wenn Sie am Ende angekommen sind, sollten Sie allerdings nochmals hier an den Anfang zurückkehren und sicherstellen, dass die Begriffe auf diesen Seiten wirklich alle sitzen (siehe Lernziele dieses Kapitels). So, wie Sie von Mediziner:innen erwar- ten, dass sie die Funktionen einzelner Organe im Körper korrekt beschreiben können, erwartet man von Ihnen als BWLer:in, dass Sie das Wirtschaften eines Unternehmens korrekt beschreiben kön- nen. 20 Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit den Zielen eines Unternehmens und verdeutlicht, dass hin- ter diesen auch nur Menschen stecken. Darauf folgt eine Übersicht über die mathematischen Grund- lagen der BWL. Eine Vertiefung der Grundlagen erfolgt nicht. Sollten Sie feststellen, dass Sie trotz- dem Probleme haben, gehen Sie diese bitte frühzeitig an. Anschließend werden die verschiedenen Funktionsbereiche in Unternehmen Kapitel für Kapitel durchgearbeitet: von Marketing über Supply- Management und Produktionsmanagement, Investition und Finanzierung, Personal und Organisa- tion bis hin zu strategischem Management. Der Hintergrund zu den Funktionsbereichen wird sodann in den Handlungs- und Entscheidungsfeldern im Management beleuchtet, bevor Sie mit der Digitali- sierung und ihren Auswirkungen auf die BWL vertraut gemacht werden. Abschließend enthält das Skript Übungen zur Datenerfassung und -analyse, die sowohl für Ihr Studium als auch Ihre spätere betriebliche Praxis von großer Bedeutung sind. Zusammenfassung Die Betriebswirtschaftslehre (BWL) ist eine angewandte oder zumindest anwendungsorientierte Wis- senschaft. Sie beschäftigt sich mit der Lösung von Problemen, die im Zusammenhang mit Abläufen in Unternehmen entstehen. Grundlegend für die Existenz von Unternehmen ist das Konzept der Transaktionskosten, über die erklärt werden kann, weshalb es Unternehmen überhaupt gibt. Um Probleme im Unternehmen zu beschreiben, zu analysieren und zu lösen, ist ein Verständnis für zentrale Begriffe wichtig. Dazu gehören verschiedene Typen von Unternehmen und ihre Stakehol- der, die Arten von Güter, die ein Unternehmen produzieren kann, das Management eines Unterneh- mens und seine Aufgaben, der Markt, auf dem ein Unternehmen tätig ist, und die Rolle des Preises für Angebot und Nachfrage sowie die Entstehung von Gewinn über die Differenz aus Erlösen und Kosten. REFLEXIONSFRAGEN 1. Nennen Sie drei selbstgewählte Kriterien zur Typologisierung von Unterneh- men und erklären diese kurz. 2. Wie unterscheiden sich materielle und immaterielle Güter? 3. Nehmen Sie an, dass Sie als Manager:in eines Unternehmens mit dem Prob- lem konfrontiert sind, dass Ihre angebotenen Güter zu wenig Nachfrage ha- ben. Skizzieren Sie in vier Schritten, wie Sie zur Lösung des Problems vorge- hen und was eine Problemlösung sein kann. 21 4. Ein Unternehmen hat im vergangenen Jahr zwei Millionen Euro Verlust ge- macht, die Kosten lagen bei hundert Millionen Euro. Wie hoch war der Erlös des Unternehmens? 22 2. Ziele und Zielsysteme von Unternehmen „Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg.“– (Laotse, ca. 6. Jhd. v. Chr.) 2.1 Lernziele Lernziele Oberes Lernziel: Nach Abschluss dieses Moduls sind Sie in der Lage, die Ziele und das Zielsystem eines Unternehmens zu erklären. Sie können… » die definieren, was ein Ziel ist, » Sachziele und Formalziele voneinander unterscheiden, » Oberziele, Unterziele und Zwischenziele in einem Zielsystem identifizieren, » komplementäre, konkurrierende und indifferente Zielbeziehungen erläutern, » Ziele SMART formulieren. 2.2 Was sind Ziele? Ziele zählen zu den grundlegendsten und zugleich wichtigsten Instrumenten, die das Management zur Steuerung eines Unternehmens besitzt. Auch wenn das Konzept eines „Ziels“ zunächst sehr abstrakt erscheinen mag, lässt sich der Begriff doch recht simpel definieren. DEFINITION Ziel ist ein künftiger Zustand, den jemand erreichen möchte (Keeney, 1994). Diese Definition beinhaltet drei wichtige Aspekte. Erstens bezieht sich ein Ziel auf die Zukunft, d. h., zwischen dem aktuellen Zustand und dem zu erreichenden vergeht eine gewisse Zeit. Das bringt mit sich, dass zwischen dem aktuellen und zukünftigen Zustand verschiedene Dinge passieren müssen – ein Ziel tritt nicht einfach so ein, sondern erfordert Arbeit. Zweitens gibt es eine Person, der es wichtig ist, den künftigen Zustand herbeizuführen. Ziele fallen also nicht vom Himmel oder werden von einem Unternehmen gesetzt, sondern entstehen im Kopf einer Person und sind das Ergebnis von Abwägungen und Verhandlungen. Drittens will diese Person den künftigen Zustand erreichen. 23 Hieran zeigt sich, dass ein Ziel nicht unveränderlich in Stein gemeißelt ist. Vielmehr hängt es vom Willen der Person ab, die das Ziel formuliert. Mit der Zeit können sich Ziele wandeln – und müssen es auch. Es können jederzeit Ereignisse eintreten, die die Person dazu bewegen, ihre ursprüngliche Meinung zu ändern und ein Ziel anzupassen. Ziele haben somit eine Orientierungsfunktion. Sie zeigen an, wohin jemand im Moment gelangen will, und machen es möglich, einen Weg dorthin zu bestimmen. Ob das Ziel tatsächlich unverändert sinnvoll ist, muss auf dem Weg immer wieder überprüft werden. Wird das Ziel verändert, müssen auch die Schritte angepasst werden, um es zu erreichen. Auf den ersten Blick mag das seltsam erscheinen: Wozu ein Ziel formulieren, wenn man am Ende doch etwas anderes macht? Die Frage beantwortet sich jedoch von selbst, wenn Sie einmal die Abwesenheit von Zielen anneh- men. Stellen Sie sich eine Firma vor, die ohne Ziel agiert. Die Mitarbeiter der Firma wissen nicht, welche Produkte sie herstellen sollen, wer für etwas zuständig ist, bis wann sie etwas erledigen müssen oder weshalb sie das überhaupt tun sollen. Ein Ziel zu formulieren ermöglicht, Strukturen und Verantwortlichkeiten klar zuzuweisen und dafür zu sorgen, dass die Arbeit jedes Mitarbeiters dazu beiträgt, das Ziel zu realisieren. Ein gemeinsames Ziel bildet das Fundament für die Zusam- menarbeit in Unternehmen. 2.3 Arten von Zielen In Unternehmen unterscheidet man zwischen zwei Arten von Zielen: Sachziele und Formalziele. Sachziele beziehen sich auf das konkrete Handeln eines Unternehmens. Im Gegensatz dazu sind Formalziele auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens bezogen (Thommen et al., 2020, S. 46). Oder etwas platt formuliert: Bei Formalzielen geht es um das Geldverdienen selbst, bei Sachzielen darum, wie das Geld verdient wird, also was es konkret tut, um Geld zu verdienen. Folgendes Beispiel macht den Unterschied deutlich: Ein Online-Jobportal hat sich zum Ziel gesetzt, (a) seine Nutzer:innen jederzeit mit den aktuellen Stellen aus der Digitalbranche zu versorgen. (b) Finanziert werden soll das Jobportal aus den laufenden Einnahmen, also mit Geld aus Abonnements von Nutzer:innen sowie dem Verkauf von Stellenanzeigen und Werbeflächen auf der Website. (c) Um Informationen innerhalb des Jobportals schnell weiterzugeben, sollen alle Mitarbeitenden an ei- nem Standort zusammenarbeiten. (d) Weiterhin sollen alle Mitarbeitenden ihre Arbeit genießen und gerne zur Arbeit kommen. All diese Ziele sind Sachziele. Sie spiegeln vier Arten von Sachzielen wider (Thommen et al., 2020): » Leistungsziele, die mit der Erstellung und Verwertung der Leistung zusammenhängen: siehe Satz (a) im Beispiel oben 24 » Finanzziele, die sich auf die Versorgung des Unternehmens mit ausreichenden finanziellen Mitteln beziehen: siehe (b) » Führungs- und Organisationsziele, mit denen die Gestaltung der Führung und die Struktur des Unternehmens geregelt werden: siehe (c) » Soziale und ökologische Ziele, die den Menschen im Unternehmen und seine Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt in den Mittelpunkt stellen: siehe (d) Weiterhin hat das Unternehmen zum Ziel, (e) mit den vorhandenen Mitarbeitenden viele Stellenan- gebote zu veröffentlichen, (f) die Kosten für das Einwerben der Stellenangebote niedriger sein zu lassen als die Einnahmen, die durch die Stellen generiert werden, und (g) unter Berücksichtigung aller Kosten – einschließlich der Kosten für die Beratung von Unternehmen bezüglich der Gestaltung der Stellenanzeigen – einen Gewinn zu erwirtschaften. Diese drei Ziele spiegeln folgende Formal- ziele wider (Thommen et al., 2020): » Produktivität, also das mengenmäßige Verhältnis von Input und Output in der Produktion einer Leistung: siehe (e) » Wirtschaftlichkeit – im Gegensatz zur Produktivität das wertmäßige Verhältnis von Input und Output: siehe (f) » Rentabilität und Gewinn, also die Differenz zwischen Aufwand und Ertrag: siehe (g) HINWEIS Aufgrund ihrer zentralen Bedeutung für das Management von Unternehmen werden die Formalziele in verschiedenen Kapiteln dieses Skriptes nochmals aus mathematischen Gesichtspunkten aufgegriffen. Die Formalziele dienen auch als Indikator, inwiefern ein Unternehmen dem ökonomischen Prinzip folgt. Hierbei geht es im Kern darum, Input und Output im Produktionsprozess so ökonomisch wie möglich zu gestalten, d. h., entweder mit möglichst wenigen Einsatzmitteln ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen (Minimalprinzip) oder mit bestimmten Einsatzmitteln ein möglichst hohes Ergebnis zu erreichen (Maximalprinzip). 25 2.4 Zielsysteme und Zielbeziehungen Wie das Beispiel des Online-Jobportals verdeutlicht, verfolgt ein Unternehmen nie ein einzelnes Ziel. Vielmehr gibt es mehrere Ziele, die sich in ihrer Bedeutung unterscheiden und zueinander in Bezie- hung stehen können. Grundlegend ist hier die Unterscheidung in Oberziele und Unterziele, die zu- sammen ein Zielsystem ergeben. Die Begriffe deuten es bereits an: Unterziele sind den Oberzielen untergeordnet und tragen dazu bei, die Oberziele zu erreichen. Wenn Sie an dieser Stelle noch einmal Sach- und Formalziele betrachten, fällt auf, dass Sachziele dabei helfen, Formalziele zu er- reichen. Auf Unternehmensebene sind Sachziele also Unterziele und Formalziele sind Oberziele. Um die Bedeutung eines Zielsystems und die verschiedenen Zielbeziehungen zu veranschaulichen, hilft ein erneutes Zurückgreifen auf das Online-Jobportal. Seiner Arbeit liegt folgendes, sehr verein- fachtes Zielsystem zugrunde (Kunz et al., 2016): Abbildung 4 Beispiel für ein Zielsystem (Auszug basierend auf Kunz et al., 2016) Im Zielsystem werden die Beziehungen der verschiedenen Ziele zueinander zum Ausdruck gebracht. Es zeigt sich, dass eine Auswahl relevanter Stellen dazu beiträgt, dass mehr Nutzer:innen das Stel- lenportal abonnieren wollen. Eine Erhöhung der Qualität der internen Prozesse wiederum trägt dazu bei, dass mehr Werbekunden Werbung schalten können. Mehr Nutzer und mehr Werbung führen schließlich dazu, dass das Jobportal seinen Gewinn erhöht. Ein Unterziel ist somit die Auswahl rele- vanter Stellen, das Oberziel ist, Gewinne zu erhöhen. Die Erhöhung von Abonnements ist ein Zwi- schenziel und verdeutlicht, wie relevante Stellen dabei helfen, die Gewinne des Unternehmens zu erhöhen. Die Bedeutung eines Zielsystems entsteht daraus, dass Oberziele selten greifbar und direkt umsetz- bar sind. Der einzelne Mitarbeiter im Unternehmen weiß nicht, was zu tun ist, wenn er nur das Ober- ziel „Gewinn erhöhen“ vorgelegt bekommt. Erst im Zielsystem wird ersichtlich, wie der einzelne Mit- arbeiter dazu beitragen kann, das Oberziel des Unternehmens zu erreichen. Im Beispiel des Jobpor- tals wissen die Mitarbeitenden durch das Zielsystem, welcher Aspekt ihrer Arbeit besonders wichtig 26 ist: die unabhängige Auswahl relevanter Inhalte. Der einzelne Mitarbeiter wird also nicht möglichst viele Stellen online bringen, sondern gemäß dem Fokus auf Stellen aus der Digitalbranche wenige, passende Stellen auswählen. Unterziele und Oberziele stehen im Zielsystem also in einer Mittel-Zweck-Beziehung zueinander. Unterziele beziehen sich auf die Mittel, die ein Unternehmen oder ein einzelner Mitarbeiter hat, um die Oberziele zu verwirklichen. Zusätzlich zu Mittel-Zweck-Beziehungen lassen sich die Beziehun- gen zwischen Zielen in einem Zielsystem auf weitere Arten charakterisieren. So können Ziele (Thom- men et al., 2020) » komplementär sein, d. h., die Erfüllung eines Ziels trägt dazu bei, dass auch ein anderes Ziel erreicht wird, » konkurrieren, d. h., die Erfüllung eines Ziels verhindert oder verschlechtert die Erreichung eines anderen Ziels, » indifferent sein, d. h., die Erfüllung eines Ziels beeinflusst die Erreichung eines anderen Ziels nicht. Im Zielsystem des Jobportals ist die Erhöhung der Qualität der Prozesse ein Beispiel für ein komple- mentäres Ziel. Wenn dieses Ziel erreicht wird, sorgt das gleichzeitig auch dafür, dass die Abonne- ments bei Nutzer:innen erhöht werden können, da bessere Prozesse mehr Kapazität ermöglichen und bestehende und neue Kund:innen zufriedener sind. Bessere Prozesse führen also zudem zu mehr Nutzer:innen. Konkurrierende Ziele sind die Auswahl relevanter Stellen und die Erhöhung der Anzahl der Werbekunden, da viel Werbung auf einer Website beim Nutzer so wirken kann, als wäre die Website von den Interessen der Werbetreibenden abhängig. Mehr Werbung führt demnach zu weniger Vertrauen in eine passende, unabhängige Auswahl von Stellen. Indifferente Ziele sind die Auswahl der Stellen und die Erhöhung der Prozessqualität – das eine trägt nicht dazu bei, dass das andere erreicht wird, verringert die Zielerreichung aber auch nicht. 2.5 Ziele korrekt formulieren Nachdem Sie nun wissen, was Ziele sind, welche Arten von Zielen es gibt und wie diese in Beziehung zueinanderstehen können, bleibt noch eine wichtige Frage: Wie formuliert man ein Ziel korrekt? Schließlich hat die Formulierung eines Ziels große Auswirkungen darauf, was in einem Unternehmen auf welche Weise umgesetzt wird. Ein Ziel muss entsprechend präzise formuliert sein. Als Hilfsmittel hierzu hat sich SMART-Formel etabliert. Was die Buchstaben im Akronym genau bedeuten, variiert von Autor zu Autor, folgende Aspekte haben sich jedoch als besonders praxistauglich herausgestellt (Doran, 1981, S. 36): » Specific („spezifisch”) 27 Ein Ziel sollte immer so konkret wie möglich formuliert sein. Das Ziel „Gewinn erzielen“ ist in diesem Sinne nicht konkret genug, da unklar ist, wie viel Gewinn erzielt werden soll. Ein spezifisches Ziel wäre „eine Million Euro Gewinn erzielen“. » Measurable („messbar”) Bei der Formulierung eines Ziels ist darauf zu achten, dass gemessen werden kann, ob das Ziel erreicht wird. Das Ziel „relevante Stellen unabhängig auswählen“ ist in diesem Sinne schwierig, da die Messung unklar ist. „Relevanzwert der Stellenangebote in Kundenumfra- gen erhöhen“ wäre ein messbareres Ziel. » Assignable („zuweisbar”) Jedes Ziel braucht einen Verantwortlichen, da sich ansonsten niemand für die Umsetzung zuständig fühlt. Das Ziel „Prozessqualität erhöhen“ bleibt hier vage. Zuweisbarer wäre das Ziel „Prozessqualität des Werbeflächenverkaufs erhöhen“. » Realistic („realistisch”) Ziele, die für den Umsetzenden außerhalb des Machbaren liegen, sorgen für Frustration. Es muss also möglich sein, das Ziel zu erreichen. Für ein Online-Jobportal mit Fokus auf der Digitalbranche wäre das Ziel „Abonnements um 100.000 Nutzer:innen erhöhen“ kaum er- reichbar. Realistischer wäre es, als Ziel „Abonnements um 10.000 Nutzer:innen erhöhen“ auszugeben. » Time-related („zeitbezogen”) Nur wenn die Zeitspanne klar ist, innerhalb der ein Ziel erreicht werden soll, kann der Weg zum Ziel optimal geplant werden. Ohne Zeitbezug bleiben Ziele immer in der Schwebe, da es kein Datum für eine Messung der Zielerreichung gibt. In diesem Sinne kann ein Ziel wie „Anzahl Werbekunden erhöhen“ nie erreicht werden, „Anzahl Werbekunden bis in 12 Mona- ten erhöhen“ hingegen schon. AUFGABE Denken Sie einmal darüber nach, was Sie in diesem Studium oder auch nur in dieser Veranstaltung erreichen wollen. Welches Ziel verfolgen Sie? Wenn Sie sich ein Ziel ge- setzt haben, versuchen Sie, es SMART zu formulieren, um es besser umsetzen zu kön- nen. Die Erkenntnisse dieses Kapitels helfen nämlich nicht nur Unternehmen, sondern lassen sich auch auf Sie persönlich übertragen. Zusammenfassend ließe sich das Ziel „Gewinn erzielen“ am Beispiel des Jobportals unter Berück- sichtigung aller vorgenannten Aspekte SMART formulieren, wenn es „in 12 Monaten eine Million Euro Gewinn durch Abonnementssteigerung erzielen“ lauten würde. Dieses Ziel ist nun spezifisch, da klar ist, wie viel Gewinn erzielt werden soll, messbar, da „Gewinn“ eine etablierte Kennzahl ist, 28 zuweisbar, da die Abonnementsverkäufer als Verantwortliche benannt sind, realistisch unter der An- nahme, dass die existierende Kundenbasis bereits einen Gewinn in mittlerer sechsstelliger Höhe ermöglicht, und zeitbezogen, da das Ziel innerhalb von 12 Monaten erreicht werden soll. Zusammenfassung Ziele zählen zu den grundlegendsten und zugleich wichtigsten Instrumenten des Managements. Ge- nerell unterscheidet man in Formalziele und Sachziele, wobei sich Formalziele auf den Zweck eines Unternehmens beziehen und Sachziele auf seinen betriebswirtschaftlichen Erfolg. Sie stehen in ver- schiedenen Beziehungen zueinander, die sich in einem Zielsystem abbilden lassen. Übergeordnete Ziele werden Oberziele genannt, Unterziele tragen zu deren Erreichung bei. Weiterhin lässt sich die Beziehung zwischen Zielen darüber charakterisieren, ob sie komplementär, konkurrierend oder in- different sind, sich also gegenseitig begünstigen, sich nicht oder nur schwer gleichzeitig erreichen lassen oder keinen wechselseitigen Effekt haben. Um ein Ziel präzise zu formulieren, bietet sich die SMART-Formel an, nach der Ziele spezifisch, messbar, zuweisbar, realistisch und zeitbezogen sein sollen (Original: Specific, Measurable, Assignable, Realistic, Time-related). REFLEXIONSFRAGEN 1. Was ist ein Ziel? 2. Was sind im Zielsystem des Online-Jobportals Sachziele, was sind Formal- ziele? 3. Wie lassen sich die beiden Zwischenziele im Zielsystem des Online-Jobportals SMART formulieren? Treffen Sie dabei eigene Annahmen, wenn nötig. 29 3. Überblick über die mathematischen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften „So seltsam es auch klingen mag, die Stärke der Mathematik beruht auf dem Vermeiden jeder un- nötigen Annahme und auf ihrer großartigen Einsparung an Denkarbeit.“ – Ernst Mach (1838 – 1916) 3.1 Lernziele Lernziele Oberes Lernziel: Nach Abschluss dieses Moduls sind Sie in der Lage, das mathematische Grund- wissen der Wirtschaftswissenschaft zu erkennen. Sie können … » den Sinn von Funktionen und ihren Bezug zu Wertetabellen und Schaubildern erklären, » lineare, quadratische und exponentielle Gleichungen voneinander unterscheiden und zeich- nen, » den Zweck einer Variablen beschreiben, » Extremwerte, Wendepunkte und Sattelpunkte in einem Schaubild erkennen und erläutern. Oberes Lernziel 2: Nach Abschluss dieses Moduls sind Sie in der Lage, die eigene mathematische Kompetenz und die Entwicklungspotenziale zu beurteilen. Sie können … » mathematische Grundfertigkeiten korrekt anwenden, » Zins- und Barwertberechnungen vornehmen, » Ableitungen gemäß der grundlegenden Ableitungsregeln durchführen. 3.2 Warum ist Mathematik in der BWL erforderlich? Im letzten Kapitel haben Sie die beiden Teilaspekte des ökonomischen Prinzips kennengelernt. Ge- mäß dem Minimalprinzip wollen Unternehmen mit möglichst wenigen Einsatzmitteln ein bestimmtes Ergebnis erreichen. Das bedeutet nichts anderes, als möglichst effizient zu arbeiten. Das Maximal- prinzip beschreibt, mit bestimmten Einsatzmitteln ein möglichst hohes Ergebnis zu erreichen. Hier geht es also darum, möglichst effektiv zu handeln. 30 Effizienz und Effektivität sind entsprechend zentrale Aspekte in der Tätigkeit von Unternehmen. Ob diese erreicht werden, muss gemessen werden –, genau wie sämtliche weiteren Ziele eines Unter- nehmens gemessen werden müssen. Eine entsprechende Kompetenz in Mathematik ist für Mana- ger:innen in der Praxis daher unerlässlich. Zudem dient Mathematik dazu, komplexe Sachverhalte auf logische, zahlenmäßig fassbare Zusammenhänge zu reduzieren. Ein einfaches Beispiel ist die Ermittlung des Gewinns aus dem letzten Kapitel. Ein längerer Absatz mit einer ausführlichen wörtli- chen Beschreibung war nötig, um zu erklären, wie Gewinn entsteht. Die Gleichung Gewinn=Erlös- Kosten kann das aber genauso. Dabei ist sie sogar noch wesentlich prägnanter und frei von jeglichen verwirrenden, möglicherweise irrelevanten Sachverhalten. Gewinn ist die Subtraktion der Kosten von den Erlösen – diese Reduktion auf das Wesentliche ist es, die den Nutzen der Mathematik ausmacht. Viele Studierende der BWL haben dennoch eine gewisse Scheu davor, einen mathematischen Blick auf Problemstellungen zu werfen. Wenn Sie nicht dazu gehören, können Sie sich freuen und dieses Kapitel für eine kurze Rekapitulation der für die BWL relevanten mathematischen Grundlagen nut- zen. Sollten Sie aber einen gewissen Respekt vor der Mathematik haben, lassen Sie sich von der Aufmachung der folgenden Seiten bitte nicht abschrecken. Es werden nur die wichtigsten Grundla- gen Schritt für Schritt und relativ oberflächlich wiederholt, sodass Sie abschätzen können, wie gut Ihr mathematischer Wissenstand tatsächlich ist und wo Sie noch Nachholbedarf haben. Diesen kön- nen Sie dann mit gut aufbereiteter, BWL-naher Mathematikliteratur selbst decken (z. B. Kircher & Hitzler, 2018, auf deren Lehrbuch die folgenden Ausführungen basieren). 3.3 Mathematische Grundfertigkeiten Rechengesetze, Potenzen, Wurzeln und Summenzeichen – all diese Konzepte zählen zum Grund- wissen und sind Ihnen bereits in Ihrer schulischen Laufbahn begegnet. In der BWL spielen sie eben- falls eine wichtige Rolle. Rechengesetze sind Regeln, die den Umgang mit Rechenvorgängen vereinfachen sollen. Die drei wichtigsten Rechengesetze sind das Kommutativgesetz, das Assoziativgesetz und das Distributiv- gesetz. Das Kommutativgesetz heißt auf Deutsch „Vertauschungsgesetz“ und besagt, dass Sie die Reihenfolge von Objekten in einer Operation (d. h. einem Rechenvorgang) vertauschen können. Es gilt also: 1+2=2+1 Das Assoziativgesetz heißt auf Deutsch „Verknüpfungsgesetz“ oder „Klammergesetz“ und besagt, dass Sie Klammern setzen dürfen, um die Reihenfolge der Operationen zu steuern, sofern die Rei- henfolge der Operationen ansonsten egal wäre. Sie wissen ja: Punkt vor Strich, aber Klammern kommen trotzdem zuerst. Damit gilt: 31 3+(4 +5)=(3 +4)+5 Das Distributivgesetz können Sie auf Deutsch auch „Verteilungsgesetz“ nennen. Es regelt, wie sich Klammern verhalten, wenn Sie aufgelöst werden. Ein Beispiel dafür: 6∙(7 +8)=6∙7+6∙8 Damit soll es auch schon mit den Rechengesetzen gewesen sein. Weiter geht es mit den Potenzen. Potenzen sind eine kurze Schreibweise für Produkte (d. h. Ergebnisse von Multiplikationen) mit meh- reren gleichen Faktoren. Potenzen bestehen aus einer Basis und einem Exponenten. Im folgenden Beispiel ist 9 die Basis und 3 der Exponent: 93=9∙9∙9 Um Potenzen umzukehren, zieht man ihre Wurzel. Die Wurzel ist also das Ergebnis des Wurzelzie- hens. Die dazu gehörige Rechenoperation schreiben Sie mit Hilfe des Wurzelzeichens. Wenn Sie beispielsweise die vierte Wurzel von 16 ziehen wollen, schreiben Sie: 𝟒𝟒 √𝟏𝟏𝟏𝟏 = 𝟐𝟐 Mit dem Summenzeichen haben Sie schließlich eine handliche Möglichkeit, längere Summen präg- nant zu Papier zu bringen. Kircher & Hitzler (2018) nennen hier das Beispiel einer Summe von 1 bis 100, d. h., Ihnen wird aufgetragen, die Zahlen von 1 bis 100 aufzusummieren. Händisch ist das kaum möglich, denn Sie müssten erst einmal schreiben: 1+2+3+4+5+6+7+8+… Mit dem Summenzeichen lässt sich die Aufgabe wesentlich kürzer schreiben. Folgende Darstellung drückt aus, dass alle Zahlen von 1 bis 100 aufsummiert werden sollen. Der Bereich unter dem Sum- menzeichen umschließt noch ein i, das Summationsindex genannt wird und anzeigt, wo das Auf- summieren beginnt. Wenn nicht in 1er-Schritten gezählt werden soll, muss das i hinter dem Sum- menzeichen angepasst werden. 𝟏𝟏𝟏𝟏𝟏𝟏 𝒊𝒊 𝒊𝒊=𝟏𝟏 Zins- und Rentenrechnung Zins- und Rentenrechnung ist ein zentraler Anwendungsbereich für Mathematik in der BWL. Über die Zinsrechnung lassen sich beispielsweise verschiedene Kapitalanlagen miteinander vergleichen und beurteilen, welche über einen bestimmten Zeitraum mehr Zinsen abwerfen. Das ist nicht immer 32 so offensichtlich, wie diese Beschreibung klingt. Eine Kapitalanlage in der BWL ist selten ein Bank- konto mit 2 % Zinsen pro Jahr, sondern oft eine Investition in Maschinen oder Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen und Geldrückläufen. Die Zinsrechnung kann solche Kapitalan- lagen miteinander vergleichen. Ähnliches gilt für den umgekehrten Fall, also wenn ein Unternehmen kein Geld anlegen oder investieren möchte, sondern Geld aufnehmen muss. Die Zinsrechnung er- möglicht es, attraktive Kredite von unattraktiven zu unterscheiden. Für Rechnungen mit Zins gibt es verschiedene Varianten. Die zwei grundlegenden sind Rechnungen mit regelmäßiger Entnahme von Zinsen und die Verzinsung von Zinsen, der sogenannte Zinseszins. Um beide an einem Beispiel zu verdeutlichen, gelten folgende Bezeichnungen (Kircher & Hitzler, 2018): » g K0:Kapital am Anfang der Laufzeit » Kn:Kapital am Ende von Periode n » p:Zinssatz (z.B: p=0,05 für 5 % Zinsen) » q:Zinsfaktor (q=1+p, da bei einer reinen Rechnung mit p kein Zinseszins entsteht) » n:Laufzeit Ein Beispiel für eine einfache Verzinsung mit regelmäßiger Entnahme von Zinsen ist der Kauf von Aktien. Sowohl Konsumenten als auch Unternehmen legen ihr Geld in Unternehmen an und beteili- gen sich auf diese Weise in einem meist sehr kleinen Teil an diesem Unternehmen. Wenn dieses Unternehmen dann Gewinn erwirtschaftet und ihn an seine Aktionäre ausschüttet, erhalten diese eine sogenannte Dividende. Das ist quasi der Zins auf das Geld, das in Aktien angelegt ist. Wenn Sie nun wissen wollen, wie viel Geld Sie für ihr eingesetztes Kapital nach einem gewissen Zeitraum erhalten haben, können Sie das nach folgender Formel berechnen (wobei zur Vereinfachung davon ausgegangen wird, dass die Dividende, d. h. der Zins, jedes Jahr gleich ist): Kn=K0+n∙p∙K0 Bei einer Laufzeit von fünf Jahren, einer Verzinsung von 8 % und einem Anfangskapital von 100.000 Euro kommen Sie so auf folgende Werte: 140.000=100.000+5∙0,08∙100.000 Wenn Zinsen nicht entnommen, sondern ebenfalls zu den gleichen Konditionen angelegt werden, spricht man von Zinseszins. Im Fall der einfachen Entnahme oben führt das eingesetzte Kapital von 100.000 Euro bei einem Zins von 8 % zu einer regelmäßigen Auszahlung von 8.000 Euro. Bei einer Rechnung mit Zinseszins werden die 8.000 Euro, die im ersten Jahr entnommen werden würden, direkt wieder angelegt. D. h., für die Zinsberechnung im zweiten Jahr beläuft sich die Kapitalbasis nicht mehr auf 100.000 Euro, sondern auf 108.000 Euro. Die Formel zur Berechnung lautet: 33 Kn=K0∙qn Wenn nun wieder Kapital, Zins und Laufzeit aus dem Beispiel oben zugrunde gelegt werden, erge- ben sich nachstehende Werte. Wichtig ist, dass hier mit q statt direkt mit p gerechnet wird. Sie müs- sen also (1+p) für q einsetzen. 146.932,81=100.000∙(1+0,08)5 Solche Zinsübungen lassen sich natürlich auch rückwärts machen. Die Fragestellung ist dann übli- cherweise, welches Kapital anfangs angelegt werden muss, um nach einer bestimmten Zeit ein be- stimmtes Kapital zu erreichen. Der Begriff für diesen Sachverhalt ist Barwert und meint den Wert, den ihr geplantes zukünftiges Kapital heute hat. Die Formel hierfür ist identisch mit der für die Zin- seszinsrechnung, allerdings sind andere Werte gegeben. Sie müssen also nach K0 umstellen: 𝑲𝑲𝒏𝒏 𝑲𝑲𝟎𝟎 = 𝒒𝒒𝒏𝒏 Angenommen Sie wollen in 50 Jahren Millionär sein und finden eine Kapitalanlage, die Ihnen für diesen Zeitraum 4 % Zins pro Jahr verspricht. Mit diesen Informationen wollen Sie nun den Barwert berechnen. Hier ergeben sich folgende Werte: 𝟏𝟏. 𝟎𝟎𝟎𝟎𝟎𝟎. 𝟎𝟎𝟎𝟎𝟎𝟎 𝟏𝟏𝟏𝟏𝟏𝟏. 𝟕𝟕𝟕𝟕𝟕𝟕, 𝟔𝟔𝟔𝟔 = (𝟏𝟏 + 𝟎𝟎, 𝟎𝟎𝟎𝟎)𝟓𝟓𝟓𝟓 Bei der Rentenrechnung liegen ähnliche Gedanken zugrunde, das Szenario ist jedoch ein anderes. Hier geht es normalerweise um sukzessive Auszahlungen eines Anfangsbetrags. Sie können sich das wie eine tatsächliche Rente vorstellen, die Sie im Ruhestand erhalten. Ihr ganzes Leben lang zahlen Sie einen gewissen Betrag ein. Ab dem Zeitpunkt Ihres Ruhestands hören Sie auf, einzuzah- len, und beginnen stattdessen damit, monatlich eine Rente zu erhalten. Die Versicherung, die Ihre Rente bezahlt, kann dennoch zunächst mit dem Großteil des Geldes weiterarbeiten, das Sie einge- zahlt haben, wobei dieser Bestand im Lauf der Zeit immer geringer wird, bis das Geld irgendwann komplett in Form der monatlichen Rentenzahlungen aufgebraucht ist. Da das Thema Renten aber über die Grundlagen der BWL hinausgeht, soll es hier nicht weiter vertieft werden. 3.4 Funktionsbegriff und Funktionsschaubild DEFINITION Funktion ordnet einem Element ein anderes Element zu. 34 Ein weiteres zentrales Konzept in der BWL ist die Funktion. Funktionen sind im Kern nichts weiter als Zuordnungen. Funktionen werden beispielsweise für Prognosen benötigt. Stellen Sie sich vor, Sie fangen nach Ihrem Studium bei einem Möbelhersteller zu arbeiten an und leiten die Herstellung von Betten. Eine der ersten Fragen, die Sie sich stellen werden, ist, wie viele Betten Ihre Mitarbei- tenden im nächsten Monat produzieren sollen. Im aktuellen Monat werden 900 Betten produziert. Natürlich können Sie einfach die Zahl aus dem aktuellen Monat übernehmen und wieder 900 Betten produzieren lassen, aber eine wirklich fundierte Prognose ist das nicht. Um eine aussagekräftigere Datenbasis zu haben, lassen Sie sich von den Kolleg:innen im Verkauf die Zahl der verkauften Betten der letzten zwölf Monate geben. Die Wertetabelle, die Sie von dort bekommen, sieht folgendermaßen aus: Monat 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 Betten 781 832 853 804 802 873 902 868 1.007 764 957 961 Tabelle 1 Wertetabelle der Funktion zum Bettenverkauf In dieser Wertetabelle sind verschiedene Elemente enthalten. In der oberen Zeile finden Sie zwölf Monatselemente, in der unteren Zeile zwölf Bettenelemente. Jedem Monatselement ist ein Betten- element zugeordnet, z. B. dem Monatselement 03 das Bettenelement 853. Dadurch, dass jedem Monat die Zahl der in diesem Monat verkauften Betten zugeordnet wird, ergibt sich eine aussage- kräftige Wertetabelle. Die hier zugrundeliegende Zuordnung kann auch als Funktion ausgedrückt werden: f : Monat → Betten Die Gesamtheit der Elemente, die zugeordnet werden, heißt allgemein Definitionsmenge. Im Bei- spiel sind das die Monate, d. h., die Monate 01 bis 12 sind die Definitionsmenge. Oft nennt man diese auch einfach nur x. Sie wissen ja, Mathematik will möglichst vereinfachen, da reicht ein Buch- stabe für wichtige Aussagen. Die Elemente, denen andere zugeordnet werden, heißen allgemein Wertevorrat, oft auch nur y genannt. Im Beispiel ist der Wertevorrat die Zahl der Betten, die in den jeweiligen Monaten verkauft werden. So richtig schlau werden Sie aus der Wertetabelle allerdings noch nicht. Es sieht auf den ersten Blick so aus, als würden Sie beständig mehr Betten verkaufen, aber dennoch gibt es regelmäßige Dämp- fer. Im Monat 05 hat Ihr Unternehmen kaum mehr Betten verkauft als in Monat 01, und in Monat 10 hatten Sie sogar die wenigsten Verkäufe im gesamten Wertevorrat. Wie so oft ist es auch bei Funk- tionen für den Menschen einfacher, Sachverhalte grafisch zu beurteilen. Zu diesem Zweck wird das 35 Schaubild der Funktion gezeichnet. Gemäß den oben genannten Buchstaben wird die Definitions- menge der x-Achse (auch als Abszissenachse bezeichnet), der Wertevorrat hingegen der y-Achse (auch Ordinatenachse genannt) zugeordnet. Wenn Sie nun die Wertepaare (Monat und zugehörige Bettenzahl) aus der Wertetabelle in das Schaubild eintragen und die Punkte miteinander verbinden, erhalten Sie folgende Darstellung der Funktion: Abbildung 5 Schaubild der Funktion zum Bettenverkauf Das ist doch schon übersichtlicher. Auch wenn einzelne Monate nach unten oder oben ausreißen, können Sie dem Schaubild der Funktion eine fundiertere Aussage über die Bettenproduktion ent- nehmen – die Zuordnung von Elementen in Funktion und Funktionsschaubild macht es möglich. Das gilt ganz besonders, wenn Sie die Funktion nicht in ihren konkreten Werten eintragen, sondern zum Beispiel über eine lineare oder quadratische Gleichung – was auch immer am besten zu den Daten passt. In diesem Beispiel wäre das eine lineare Gleichung, also eine Gerade, die den Trend aus- drückt. 36 Abbildung 6 Lineare Trendlinie (gestrichelt) der Funktion zum Bettenverkauf Die Trendlinie bestätigt, dass der Bettenverkauf über die letzten Monate trotz aller Abweichungen beständig gestiegen ist. Auf dieser Basis könnten Sie die Gerade gemäß der Steigung der linearen Gleichung fortführen und würden Ihre Mitarbeitenden anweisen, im nächsten Monat ca. 950 Betten herzustellen. Das sind zwar 50 mehr, als Sie im Vormonat produziert haben, die dürften aber der Realität nahekommen. Abschließend noch einige Hinweise zum Zeichnen von Schaubildern. Es kommt immer wieder vor, dass Schaubilder nicht eindeutig gelesen werden können, weil verschiedene Dinge missachtet oder vergessen werden. Das schmälert ihren Wert dramatisch. Bitte beachten Sie daher: » Achsen benötigen Namen. Gerade in der BWL ist es selten, dass Achsen lediglich mit x und y benannt werden, wie auch das Beispiel Ihres Bettenverkaufs zeigt. Wenn solche Sachver- halte untersucht werden, müssen die Achsen entsprechend benannt werden, z. B. mit Monat und Betten statt mit x und y. » Achsen benötigen Pfeile, um anzuzeigen, in welche Richtung sich die Werte entwickeln, d. h., in welche Richtung die Zahlen größer werden. » Ein gutes Schaubild hat einen Nullpunkt auf beiden Achsen und ist gleichmäßig skaliert. So lässt sich direkt einschätzen, wie stark die Schwankung der Werte im Schaubild tatsächlich ist. Alternativ müssen auf jeder Achse mindestens zwei Zahlen eingetragen sein, um die Skalierung des Schaubilds zu erkennen, aber eine solche Darstellung kann zu Verwirrungen führen. Vergleichen Sie einmal Abbildung 6 mit Abbildung 7. Beide Schaubilder haben die gleichen Werte und den gleichen Verlauf, aber Abbildung 7 zeigt den Nullpunkt nicht korrekt an. Statt zwischen 0 und 1.200 sind die Werte nur im Korridor zwischen 750 und 1050 ein- getragen. Sieht doch gleich wesentlich dramatischer aus, als es tatsächlich ist. Während Abbildung 7 auf den ersten Blick suggeriert, dass die Herstellungsmenge kaum planbar ist, da die Bettenzahl in manchen Monaten extrem fällt, sieht man in Abbildung 6, dass die Schwankungen zwar durchaus vorhanden sind, sich die Herstellungsmenge aber immer in einem gewissen, planbaren Rahmen bewegt. Nutzen Sie Schaubilder ohne Nullpunkt daher bitte nur in Ausnahmefällen und wenn ein guter Grund vorliegt (Sie beispielsweise die Lage dramatischer darstellen wollen, als sie ist – was in Unternehmen durchaus vorkommen kann). 37 Abbildung 7 Funktion zum Bettenverkauf ohne korrekten Nullpunkt der y-Achse 3.5 Lineare und quadratische Gleichungen In den letzten Absätzen wurden bereits zwei Arten von Gleichungen aufgezeigt: lineare und quadra- tische. Jede dieser Gleichung führt zu einem für sie typischen Schaubild. Aus einer linearen Glei- chung resultiert eine Gerade, eine quadratische Gleichung führt zu einer Parabel. Lineare Gleichungen beschreiben Wachstum, das konstant ist. Im Beispiel des Bettenverkaufs aus dem letzten Abschnitt ist das deutlich zu sehen. Die tatsächlichen Werte schwanken zwar, aber die Trendlinie weist ein konstantes Wachstum über die Monate auf. Da sie sich den tatsächlichen Werten sehr gut annähert und wesentlich simpler zu berechnen ist als die Gleichung der tatsächlichen Werte, kann sie besser zur Berechnung zukünftiger Werte herangezogen werden. Allgemein folgen lineare Gleichungen folgender Form: f(x)=b∙x+c Das f(x) drückt aus, dass an dieser Stelle der Wert für y stehen soll und dieser Wert abhängig ist von x. Die Bedeutung von y und x kennen Sie bereits. Die anderen beiden Buchstaben stehen für die Steigung (b) innerhalb eines y-Achsenabschnitts c. Da das Wachstum einer linearen Gleichung konstant ist, ist das Ergebnis eine Gerade. Im Unterschied zu linearen Gleichungen beinhalten quadratische Gleichungen noch ein Quadrat, d. h. x2. Quadratische Gleichungen sind in ihrem hinteren Teil identisch mit einer linearen Gleichung, besitzen aber ein vorangestelltes x2. Allgemein drückt sich das in folgender Form aus: f(x)=x2+b∙x+c 38 Diese kleine Hinzufügung führt dazu, dass sich quadratische Gleichungen anders verhalten als line- are. Besonders deutlich wird das im Schaubild, in dem eine quadratische Gleichung zu einer Parabel führt. Wenn Sie zurück an das Bettenbeispiel denken, hätte auch versucht werden können, die Trendlinie statt mit einer Geraden mit einer Parabel auszudrücken. Besonders viel Sinn hätte das jedoch nicht gemacht, wenn Sie an die Form einer Parabel denken: Abbildung 8 Funktion zum Bettenverkauf ohne korrekten Nullpunkt der y-Achse Dieses Schaubild hat wenig Ähnlichkeit mit den aus Abbildung 6 ersichtlichen tatsächlichen Werten. Man sagt auch: Es nähert sich den Daten schlecht an. Anders sieht das bei der exponentiellen Gleichung aus, die hier wegen ihrer Bedeutung für die BWL noch kurz erwähnt werden soll. Eine exponentielle Gleichung führt weder zu einer Geraden noch zu einer Parabel, sondern zu einer Wachstums- oder Zerfallskurve. Die in der Wertetabelle hinterlegten Daten steigen im Verlauf zu- nehmend stärker an oder fallen zunehmend stärker ab. Ein konkretes Beispiel dafür ist der Zinses- zins einer Kapitalanlage, bei der die immer wieder aufs Neue angelegten Zinsen zu einem zuneh- mend stärkeren Wachstum führen. Ein leichtes exponentielles Wachstum hätte auch bei Ihrem Bet- tenverkauf vorliegen können. Dazu hätte der Trend aber zumindest einen leicht ansteigenden Verlauf nehmen müssen, was sich in den tatsächlichen Werten nicht ganz ablesen lässt. Der Trend sollte daher weiterhin über eine Gerade berechnet werden. Trotzdem wäre eine exponentielle Wachstums- kurve immer noch eine bessere Alternative als eine Parabel, da sie die tatsächlichen Werte treffender wiedergibt. 39 Abbildung 9 Fiktiver Bettenverkauf basierend auf einer exponentiellen Gleichung VIDEO-TIPP Online finden Sie zahlreiche Videos, die Ihnen Funktionen und Gleichungen mit weite- ren Beispielen prägnant nahebringen. Zu exponentiellen Gleichungen können Sie sich beispielsweise folgendes Video anschauen, das sehr anschaulich erklärt, wie man von einer Wertetabelle zu exponentiellem Wachstum kommt: https://www.youtube.com/watch?v=IMTaglrsi_E 3.6 Zweck einer Variable Wie die letzten Beispiele gezeigt haben, rechnet man in Unternehmen mit konkreten Werten, um zum Beispiel Prognosen zu erstellen. Da die Rechnungen auf mathematischen Gleichungen basie- ren, die Vereinfachung zum Ziel haben und Allgemeingültigkeit beanspruchen, wird in der Mathema- tik weniger mit Zahlen als mit Variablen gearbeitet. Solche Variablen sind beispielsweise x, b und c aus den letzten Beispielen. DEFINITION 40 Variable ist ein Platzhalter, in den ein passender tatsächlicher Wert eingesetzt werden muss, um ein konkretes Ergebnis zu erhalten. Um zu verdeutlichen, welchen Zweck Variablen erfüllen, sollten die beiden eben genannten Ziele mathematischer Gleichungen genauer angesehen werden: Vereinfachung und Allgemeingültigkeit. » Variablen dienen der Vereinfachung, weil Werte auf diese Weise klar und ohne weiteren Interpretationsspielraum ausgedrückt werden können. Wenn Ihnen beispielsweise gesagt wird, dass Sie den Barwert berechnen sollen, wissen Sie ohne weitere Spezifikation nicht, was genau gefragt ist, z. B. in puncto Zeit oder Endkapital. Wenn Sie jedoch gesagt bekom- men, dass Sie K0 berechnen sollen, wissen Sie, dass die Antwort. 𝑲𝑲𝒏𝒏 𝒒𝒒𝒏𝒏 lautet. Ein konkretes Ergebnis haben Sie zwar nicht, aber Ihnen und Ihrem Gesprächs- partner ist jederzeit klar, dass diese Variablen noch mit konkreten Werten gefüllt werden müssen. Zudem ist die Berechnungsweise des Barwerts über Variablen so kurz und simpel wie möglich ausgedrückt. » Variablen dienen der Verallgemeinerung, denn die Mathematik liefert über sie logische Be- weise, dass die durch Variablen ausgedrückten Sachverhalte allgemein zutreffend sind. Wenn Sie wissen, dass Sie über 𝑲𝑲𝒏𝒏 𝑲𝑲𝟎𝟎 = 𝒒𝒒𝒏𝒏 den Barwert berechnen können und die Richtigkeit dieser Gleichung mathematisch belegt ist, können Sie davon ausgehen, dass diese Formel in beliebigen Zusammenhängen gilt. Sie können sie also nutzen, um den Barwert einer Unternehmensanlage in Milliardenhöhe zu berechnen oder um den Barwert einer kleinen privaten Finanzanlage zu kalkulieren. Durch die Nutzung von Variablen ist klar, dass die Gleichung in beiden Fällen zum korrekten Ergebnis führt. 41 3.7 Differenzialrechnung Die Differenzialrechnung beschäftigt sich damit, wie sich Funktionen lokal verändern. Dazu gehört insbesondere die Frage, wie stark Funktionen an einem bestimmten Punkt steigen oder fallen. In einem Schaubild lässt sich das zwar auf den ersten Blick oft schnell erkennen, aber durch bloßes Anschauen nicht genau bestimmen. Sie benötigen also mathematische Hilfsmittel, um zum Beispiel festzustellen, an welchem Punkt eine Funktion die höchste Steigung hat. Das ist betriebswirtschaft- lich eine relevante Fragestellung, denn hohe Wachstumsraten sind bei vielen Dingen erstrebenswert. Wenn Sie beispielsweise annehmen, dass die verkaufte Menge eines Gutes von dem Geld abhängt, das Sie für Werbung ausgeben, der Nutzen von Werbung jedoch irgendwann abnimmt, weil Kund:in- nen Ihre Werbung satthaben, können Sie das als Funktion darstellen. Die Zuordnung in der Funktion lautet in diesem Fall: f : Werbeausgaben → Absatz Der beschriebene Sachverhalt deutet auf eine zugrundeliegende Funktion hin, die in den vorherge- henden Absätzen noch nicht besprochen wurde: die logistische Funktion. Eine solche Funktion beginnt schwach, steigert sich dann, bis sie die höchste Steigung erreicht, und schwächt sich danach wieder ab, bis sie einen Grenzwert erreicht. In einem Schaubild sieht das folgendermaßen aus: Abbildung 10 Logistische Funktion In dem Schaubild sehen Sie, dass Ihre Werbeausgaben zunächst einen sehr langsamen Effekt auf Ihre abgesetzte Stückzahl haben. Ob Sie nun fünf oder zehn Millionen Euro für Werbung ausgeben, scheint kaum einen Unterschied zu machen – Sie verkaufen jeweils um eine Million Stück Ihres Gutes. Bei Ausgaben von ca. 15 Millionen Euro steigt die Kurve dann spürbar an und wächst, bis sich bei Ausgaben von ca. 90 Millionen Euro eine Sättigung einstellt. Jede weitere Million, die Sie für 42 Werbung ausgeben, ist verschwendet, da Sie nicht mehr verkaufen. Versetzen Sie sich nun in die Position einer Marketingleiterin, die mit diesem Wissen ausgestattet ist. Sie haben morgen einen Termin mit der Geschäftsleitung des Unternehmens und wollen ein Budget genehmigt haben, das Sie im kommenden Jahr für Werbung ausgeben wollen. Bislang dürfen Sie 30 Millionen Euro pro Jahr investieren. Dass Ihnen die Geschäftsleitung plötzlich 90 Millionen genehmigt, ist ausgeschlos- sen, aber mit einer passenden Argumentation könnten es doch ein paar Millionen mehr werden. Wenn Sie nun den Punkt der Kurve benennen könnten, an dem die Steigung am höchsten ist, hätten Sie ein gutes Argument in der Hand. Denn: » Am Anfang der Kurve führen fünf ausgegebene Euro im besten Fall zu einem Stück verkauf- ten Gut (Werbeausgaben von fünf Millionen Euro hängen zusammen mit einem Absatz von ca. einer Million Stück). » Mit ihrem aktuellen Budget führen drei ausgegebene Euro zu einem Stück verkauftes Gut (Werbeausgaben von 30 Millionen Euro hängen zusammen mit einem Absatz von ca. 10 Millionen Stück). » In der Mitte der Kurve führen 1,25 ausgegebene Euro zu einem Stück verkauftes Gut (Wer- beausgaben von 50 Millionen Euro hängen zusammen mit einem Absatz von 40 Millionen Stück). » Am Ende der Kurve führen 1,13 ausgegebene Euro im besten Fall zu einem Stück verkauftes Gut (Werbeausgaben von 90 Millionen Euro hängen zusammen mit einem Absatz von ca. 80 Millionen Stück). Bis zu einem gewissen Punkt wird es also dramatisch effektiver, Geld für Werbung auszugeben, da Ihr Unternehmen von jeder mehr ausgegebenen Million ungleich mehr Stück des Gutes verkauft. Am Anfang müssen Sie fünf Euro ausgeben, um ein Stück zu verkaufen, später nur noch einen Euro. Wenn das nicht ein stichhaltiges Argument ist, um die Geschäftsleitung von einer Erhöhung Ihres Budgets zu überzeugen. Problematisch ist nur, dass dieser Effekt irgendwann kippt. Zwischen 50 Millionen Euro für Werbung und 90 Millionen Euro für Werbung besteht kaum ein Unterschied in den Werbeausgaben je verkauftem Stück, d. h., ab einem gewissen Punkt wird es nicht mehr wesentlich effektiver, die Werbeausgaben zu steigern. Sie liegen immer etwas über 1 Euro pro Stück. Diesen Punkt sollten Sie genau beziffern können, um ein entsprechendes Budget zu beantragen. Und dieser Punkt liegt da, wo das Wachstum der verkauften Stückzahl im Verhältnis zu den ausgegebenen Werbegeldern am größten ist – oder anders ausgedrückt: da, wo die Kurve am steilsten ansteigt. Diesen Punkt bestimmen Sie mit Hilfe einer Ableitung. DEFINITION Ableitung einer Funktion gibt die Steigung dieser Funktion im Schaubild wieder. 43 Eine Ableitung berechnet die Steigung nicht direkt aus der Funktion, sondern über eine an diese Funktion angelegte Tangente. Eine Tangente ist eine Gerade, die eine Kurve an einem bestimmten Punkt berührt und an genau diesem Punkt in die gleiche Richtung führt wie die Kurve. Wenn Sie beispielhaft zwei Tangenten zur Funktion aus dem Beispiel visualisieren (siehe Abbildung 12), sehen Sie, dass sie unterschiedliche Steigungen aufweisen. Die Tangente, die die Kurve bei 25 Millionen berührt, verläuft relativ flach. Die Tangente, die die Kurve bei 60 Millionen berührt, verläuft im Ver- gleich sehr steil. Da eine Tangente immer in die gleiche Richtung führt wie der Punkt der Kurve, den sie berührt, können Sie daraus schließen, dass die Kurve bei Werbeausgaben von 60 Millionen stär- ker steigt als bei Werbeausgaben von 25 Millionen. Abbildung 11 Logistische Funktion Die Steigung der Tangente lässt sich direkt aus einer Funktion berechnen. Bei einer Potenzfunktion geht das, indem der Exponent unverändert vor die Potenz gestellt und dort, wo er vorher war, um eins reduziert wird. Aus » x3 wird also 3x2, » aus x4 wird 4x3 » und aus x2 wird 2x, da die 1 bei einer Potenz mit Exponent 1 nicht ausgeschrieben wird. Der auf diese Weise umgestellte Term ist nun die Ableitung der ursprünglichen Potenzfunktion. Diese Ableitung wird mit einem kleinen Strich versehen und so als Ableitungsfunktion kenntlich ge- macht. Bezogen auf das Beispiel von gerade eben bedeutet das: f(x) = x2 f´(x) = 2x 44 Neben Potenzfunktionen gibt es noch eine Reihe weiterer Funktionen, bei denen eine Ableitung nach eigenen Regeln funktioniert. Diese Ableitungsregeln sind meist ähnlich simpel und sollen im Fol- genden kurz erklärt werden, bevor ein letztes Mal die Kurven im Schaubild thematisiert werden. Soll eine einzelne Zahl abgeleitet werden, gilt: Die Ableitung einer einfachen Zahl ist Null. f(x) = c f´(x) = 0 Summen werden Glied für Glied abgeleitet. Sie bilden also zuerst die Ableitung des Teils vor dem Pluszeichen, dann die Ableitung des Teils nach dem Pluszeichen. Bei Subtraktion gilt die Regel analog für Minuszeichen. f(x) = g(x) + h(x) f´(x)=g´(x) + h´(x) Gibt es konstante Vorfaktoren, bleiben diese bestehen und werden nicht mit abgeleitet. f(x) = c ∙ h(x) f´(x) = c ∙ h´(x) Bei einem Produkt werden die Ableitungen der einzelnen Glieder berechnet. Diese Ableitungen wer- den dann mit dem jeweils anderen, ursprünglichen Glied multipliziert. Die resultierenden Multiplika- tionen werden addiert. f(x) = g(x) ∙ h(x) f´(x) = g´(x) ∙ h(x) + h´(x) ∙ g(x) Abseits dieser Regeln gibt es noch weitere, z. B. die Quotientenregel, Kettenregel oder Regeln für Exponentialfunktionen, Sinusfunktionen, Cosinusfunktionen und Logarithmusfunktionen. Für die Grundlagen der BWL sind die hier aufgeführten Regeln jedoch ausreichend. 3.8 Kurvendiskussion Aufgrund ihrer Bedeutung für die Feststellung von Steigung in Funktionen sind Ableitungen auch ein zentrales Element der Kurvendiskussion. Bei der Kurvendiskussion geht es darum, die Schaubilder von Funktionen auf deren Eigenschaften hin zu untersuchen. Dazu gehören Steigungen ebenso wie Extremwerte, Wendepunkte und Sattelpunkte, wie Sie dem folgenden Schaubild entnehmen können: 45 Abbildung 12 Kurve mit Extremwerten, Wendepunkt und Sattelpunkt Maximum und Minimum der Kurve sind die Extremwerte. An diesen wechselt die Kurve von einem streng monoton wachsenden Zustand zu einem streng monoton fallenden Zustand (Maximum) oder von einem streng monoton fallenden Zustand zu einem streng monoton steigenden Zustand (Mini- mum). Streng monoton steigend oder fallend ist eine Kurve dort, wo das y mit ansteigendem x an- steigt (streng monoton steigend) oder fällt (streng monoton fallend). Die Punkte, die höher oder tiefer liegen als die Punkte der Kurve in ihrer direkten Nachbarschaft, heißen Maximum oder Minimum. Die Tangenten dieser Punkte sind horizontal, d. h., sie haben keine Steigung. In einer Kurve gibt es oft mehrere Maxima und Minima, die jeweils lokales Maximum und lokales Minimum genannt wer- den. Wendepunkte sind Punkte, an denen die Kurve kurzzeitig geradeaus zu gehen scheint. Hier ist die Steigung zwischen lokalem Maximum und lokalem Minimum normalerweise am stärksten, d. h., die Tangente steigt im Vergleich zu den Punkten in der direkten Nachbarschaft stark an oder fällt stark ab. Ein Spezialfall eines Wendepunktes ist ein Sattelpunkt. Auch hier scheint es kurzzeitig gerade- aus zu gehen, aber die zum Punkt gehörige Tangente ist horizontal, d. h. ohne Steigung. Der zuge- hörige Punkt ist jedoch trotzdem kein Maximum oder Minimum. All diese Punkte können über höhere Ableitungen berechnet werden, d. h. über Ableitungen von Ableitungsfunktionen. Die Ableitung der Ableitung wird dann mit einem zusätzlichen Strich kenntlich gemacht. Beispiele: f(x) = x6 f´(x) = 6x5 f´´(x) = 30x4 f´´´(x) = 120x3 46 Gerade die zweite Ableitung ist wichtig, denn über sie lässt sich mathematisch feststellen, ob die Kurve mit ansteigendem x an der jeweiligen Stelle eine Krümmung nach rechts (wie beim gekenn- zeichneten Maximum im Schaubild) oder nach links (wie beim gekennzeichneten Minimum im Schaubild) beschreibt. Es gilt: Ist die zweite Ableitung einer Funktion an einer Stelle positiv, so krümmt sich das Schaubild der Funktion an dieser Stelle nach links. Umgekehrt gilt entsprechend: Ist die zweite Ableitung einer Funktion an einer Stelle negativ, so krümmt sich das Schaubild der Funktion an dieser Stelle nach rechts. Und damit soll es genug sein. Tiefergehende Ausführungen haben andere Autoren bereits übersicht- lich vorgenommen (Kircher & Hitzler, 2018). Dieses Kapitel ist ohnehin nicht dazu gedacht, Sie ab- seits der folgenden Kontrollaufgaben mit ausführlichen Rechenübungen zu versorgen. Vielmehr soll- ten Sie Gelegenheit bekommen, Ihre mathematischen Kenntnisse kritisch zu reflektieren, etwaigen Nachholbedarf zu identifizieren und diesen dann über weiterführende Literatur selbst zu stillen. Dazu noch ein Hinweis: Dieses Kapitel ist bewusst wenig komplex gehalten und behandelt keine Sonder- fälle. Wenn Sie an der einen oder anderen Stelle bereits Schwierigkeiten hatten, ist es ratsam, diese bald zu beheben. Zusammenfassung Mathematische Kompetenz benötigen Betriebswissenschaftler:innen zum einen, um datenbasiert die Erreichung von Zielen zu messen. Zum anderen erlaubt es Mathematik, komplexe Sachverhalte auf einfache, logische Weise auszudrücken und zu verstehen. Dieses Kapitel bietet eine grundle- gende Übersicht über die Mathematik der BWL, die dazu dienen soll, das eigene Wissen kritisch zu reflektieren und Wissenslücken anschließend selbstständig über weiterführende Literatur zu schlie- ßen. Die hier behandelten Themen sind zunächst mathematische Grundfertigkeiten, wozu Rechen- gesetze, Potenzen, Wurzeln und Summenzeichen gehören. Darauf folgt ein Überblick über Zins- und Rentenrechnung mit einem Fokus auf Zinsrechnung mit Entnahme von Zinsen und Zinseszins sowie Barwertberechnung. Die weiteren Themen basieren auf dem Funktionsbegriff und Funktions- schaubildern. Nach den Grundlagen hierzu werden lineare, quadratische und exponentielle Glei- chungen behandelt und die Funktionen einer Variablen diskutiert. Zudem wird die Differenzialrech- nung betrachtet, insbesondere der Zusammenhang zwischen Ableitung und Tangente sowie Abl

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