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This document provides an overview of functional differentiation and social integration, focusing on Emile Durkheim's theories. It explores concepts such as mechanical and organic solidarity, and how societal complexity shapes individual experience. Key theorists like Max Weber and Georg Simmel are also mentioned.

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Vorlesung (15.01.25) - funktionale Differenzierung & gesellschaftliche Integration I) Ordnung, Arbeitsteilung, Integration Mensch = instinktarm -> schafft sich "zweite Natur" -> regelt soziales Miteinander Menschen besitzen aber auch die Fähigkeiten zur Kooperation In all diesen soziale...

Vorlesung (15.01.25) - funktionale Differenzierung & gesellschaftliche Integration I) Ordnung, Arbeitsteilung, Integration Mensch = instinktarm -> schafft sich "zweite Natur" -> regelt soziales Miteinander Menschen besitzen aber auch die Fähigkeiten zur Kooperation In all diesen sozialen Erscheinungen ist immer ein Phänomen "versteckt": Arbeitsteilung Emile Durkheitm interessierte sich für die Konstitutionsbedingungen gesellschaftlicher Ordnung In seiner Soziologie entwickelt er eine Theorie gesellschaftlicher Integartionsmechanismen, bei der die Frage der Arbeitsteilung eine große Rolle spielt -> mechanische Solidarität: ausgeprägtes Kollektivbewusstsein, der Einzelne wird vollumfänglich integriert (Gesellschaft ist wenig individualisiert und wenig komplex), hohe soziale Kontrolle, Arbeitsteilung gering -> organische Solidarität: entsteht in arbeitsteilig organisierten, funktional differenzierten Gesellschaften, die durch ein Netz von abstrakten Abhängigkeiten gekennzeichnet sind; geringeres Kollektivbewusstsein, dafür höheres Maß an Individualisierung; es differenzieren sich funktionsspezifische Normkodizes aus, die Komplexität einer Gesellschaft erhöhen => Paradoxon: Individuum wird in der Moderne aus engen sozialen Bindungen einer Gemeinschaft "befreit" und kann individueller sein, ist aber gleichzeitig abhängiger von der Gesellschaft aufgrund der extrem hohen Arbeitsteilung II) Gesellschaftliche Differenzierung Durkheimsche Frage nach der Arbeitsteilung ist Teil einer grundlegenden soziologischen Perspektive, die nach sozialen DIfferenzierungsprozessen fragt Zugleich schwingt immer die Frage mit, welche Formen sozialer Differenzierung typisch für moderne Gesellschaften sind und wie die Aufgabe gesellschaftlicher Integration gewährleistet wird Frühe Beiträge kommen auch von Georg Simmel: Moderne wird begriffen als Zunahme "sozialer Kreise", denen ein Individuum angehört, Individualität entsteht über die je individuelle Kreuzung von Kreisen, in denen sich ein Individuum bewegt Max Weber: Moderne haben sich verschiedene "Wertsphären" ausgebildet, die in Konkurrenz zueinander stehen (Religion, Politik, Kunst) Entdeckung, dass Individuum in modernen Gesellschaften immer weniger integriert werden über ihre Zugehörigkeit zu Gemeinschaften wie Familie oder Sippe (Integration als ganze Person) In Moderne kann es eine "Integration in die Gesellschaft" nicht geben, statt dessen dominiert die jeweils partielle Inklusion in gesellschaftliche Teilbereiche über bestimmte Publikumsrollen Im 20. Jh. Entwickelt sich eigener Theoriezweig der Differenzierungstheorien Gemeinsam ist ihnen das Interesse an der "Ungleichartigkeit" der Bausteine moderner Gesellschaften diese Ungleichartigkeit zeigt besonders an: zunehmender Rollendifferenzierung, zunehmender Freisetzung und Entbehrung Ungleichheitstheorien haben demgegenüber Interesse an Phänomenen der Ungleichrangigkeit Hauptthese (fast) aller Differenzierungstheorien: horizontale Ausdifferenzierung sachlich voneinander unterscheidbarer gesellschaftlicher Teilbereiche wird in modernen Gesellschaften das dominante Differenzierungsprinzip und löst die vertikale Differenzierung als vorrangiges Differenzierungsmuster Beispiel Religion: Religion existierte schon lange bevor sich Gesellschaften horizontal differenzierten Im europäischen Kontext hatte christliche Religion bis dato hohen gesellschaftlichen Status und soziale Präsenz, religiöse Belange/Einwände wurden immer auch in Bezug auf künstlerische, politische, wirtschaftliche erzieherische etc. Fragen und Aufgaben mitgedacht bzw. Diese wurden unter religiösen Vorbehalt gestellt Zugleich war christliche Religion schon früh extrem ausdifferenziert (Organisation, verschiedene Rollen/Funktionen) und hatte ihre eigene Leitdifferenz: Unterscheidung von Immanenz und Transzendenz (innerweltlich & außerweltlich) Mit Verselbständigung gesellschaftlicher Teilbereiche und Ausbildung ihrer jeweils eigenen Logik erleidet christliche Religion in Europa einen Bedeutungsverlust Aus der Perspektive der Religionsvertreter stellt dieser Vorgang eine "Säkularisierung" dar -> Begriff kommt von Saecularisation = Verweltlichung Saecularisation um 1800 bezeichnet die Entmachtung von Fürstbischöfen, sowie die Enteignung und Verstaatlichung von Klöstern und kirchlichen Besitztümern – hauptsächlich vorangetrieben von Napoleon Säkularisierung kann verstanden werden als der Prozess, "durch den Teile der Gesellschaft und Ausschnitte der Kultur aus der Herrschaft religiöser Institutionen und Symbole entlassen wurden" Einflussbereich von Religion wird zurückgedrängt; Religionsvertreter und religiöse Organisationen konzentrieren sich notgedrungen zunehmend auf ihre "Kernkompetenz" (Bearbeitung von Kontingenz, Spenden von Heil) Eine solche strukturelle Säkularisierung muss nicht mit einem Niedergang des Glaubens auf der individuellen Ebene einhergehen; in vielen europäischen Ländern kam und kommt es allerdings auch auf der individuellen Ebene zu einer Abkehr von religiösen Bekenntnissen, Zugehörigkeiten und Traditionen III) Ausgewählte theoretische Ansätze Es gibt verschiedene theoretische Strömungen, die Differenzierungstheorien entwickelt haben orthodoxe systemtheoretische Ansätze: Niklas Luhmann Vermittelnde systemtheoretische Ansätze: Jürgen Gerhards Streng akteurstheoretische Ansätze (rational choice): James Coleman Akteurs- und institutionalisirungstheoretische Ansätze: Thomas Schwinn Poststrukturalistische Ansätze: Pierre Bourdieu Theorie sozialer Felder (Pierre Bourdieu) Bourdieus theoretische Konzepte versuchen den Gegensatz von strukturorientierten abstrakten Großtheorien und akteurszentrierten Mikrotheorien zu überwinden V.a. Sein Habituskonzept und der Konzept sozialer Felder tragen dem Rechnung Der Struktur des Feldes entsprechen demnach auf Seiten der Akteure inkorporierte Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsschemata, die die Struktur des Feldes ebenso strukturieren wie sie von ihnen strukturiert werden - ohne dass es dafür eines besonderen Aktes der Bewusstwerdung bzw. Einer bewussten Entscheidung bedarf Grundsätzliche entsteht ein soziales Feld, wenn sich ein Stab von Expert:innen herausbildet, deren Mitglieder im Ringen um einen spezifischen Interessengegenstand Spielregeln ausbilden, die nur für dieses Feld ihre Gültigkeit besitzen Interessengegenstände: im Feld der Kunst geht es um das "richtige" Kunstverständnis, im Feld der Wissenschaft und die "beste" Theorie, im juristischen Feld um die "adäquateste" Gesetzgebung etc. Jedes Feld weist demnach eine spezifische Eigenlogik auf, die nicht auf andere Funktionslogiken zurückgeführt werden kann In dem Maße, wie dabei Einflüsse von außen abgewehrt werden können, steigt der Grad der Autonomie eines solchen Feldes. Treten beispielsweise gesamtgesellschaftliche Veränderungen auf, so wirken sich diese nicht direkt auf ein Feld aus, sondern erscheinen gewissermaßen "übersetzt" in feldspezifische Position und Konflikte Jedes Feld ist darüber hinaus durch Positionen strukturiert, die man einnehmen kann; sich in einem Feld zu engagieren heißt, sich zu positionieren; weisen Subfelder auf: Popmusik -> Feld der Musik -> Feld der Kunst Soziale Felder sind nicht alle gleichrangig (Felder der Ökonomie und Politik einflussreicher als andere), es existiert ein Feld der Macht -> zudem weist jedes Feld Machtverhältnisse auf Soziale Felder funktionieren wie Spielfelder: Professionelle Spieler:innen (mit einem Sinn für das Spiel) Einsätze (Zeit, Engagement): Studium der Theologie, Weiterbildungen Regeln und Strategien Positionen (orthodoxe, heterodoxe) und Konflikte und Positionen und deren Stellenwert Gewinn (Anerkennung, feldspezifisches Kapital): religiöses kapital Publikum: Gläubige Konflikte und feldtypische Konfliktlinien Theorie sozialer Systeme (Luhmann) Luhmann strebte eine umfassende Theorie der Gesellschaft an und ließ sich dabei von allgemeinen systemtheoretischen Diskussionen inspirieren, die er auf das Soziale übertrug Maßgebliche Impulse für systemtheoretisches Denken stammen aus Kybernetik (nicht-triviale Maschinen; Aufnahme aus der Umwelt), Biologie (Zelle), Neurologie (Gehirn), Astronomie (Sonnensystem) Luhmann lehnte die damals (1960er und 1970er Jahre) prominente kritische Theorie der Frankfurter Schule und deren normative Ansprüche ab; will Gesellschaft beobachten, nicht kritisieren Systeme gibt es auf verschiedenen Ebenen: Gesellschaftssystem, soziale Systeme, Organisationssysteme, Interaktionssysteme, psychische Systemen Systeme sind selbstreferenziell geschlossen und zugleich umweltoffen, sie nehmen also Informationen aus ihrer Umwelt auf, verarbeiten sie aber auf systemspezifische Weise Die Grundoperation alles Sozialen ist Kommunikation (und nicht etwa Akteure und ihre Handlungen) - Systeme hören auf zu existieren, wenn keine Anschlusskommunikation mehr erfolgt Kommunikation kennzeichnet sich durch die Verknüpfung von Information, Mitteilung und Verstehen (als formaler Begriff) Luhmann zufolge verarbeiten soziale Systeme Möglichkeitsüberschlüsse von Kommunikation und reduzieren dabei Komplexität Selbstreferenzielle Systeme operieren dabei nicht einfach nur, sondern beobachten sich selbst (nicht realisierte Möglichkeiten, werden demnach mitgesehen oder repräsentiert, es gibt Reflexion über Modi der Selektion) In Moderne haben sich gesellschaftliche Teilbereiche als soziale Systeme voneinander abgekoppelt und gegeneinander abgegrenzt; sie sind "autopoietisch geschlossen" und autonom Soziale Systeme wie Recht, Wissenschaft, Massenmedien, Politik, Wirtschaft, etc. stehen in einem Verhöltnis extremer sachlicher Diversität zueinander - sie können Luhmann zufolge in keine Rangordnung gebracht werden und sind füreinander jeweils Umwelt (vgl. "Ökonomisierung", "Verrechtlichung", etc.) => Jedes soziale System prozessiert einen systemspezifischen Sinn, dabei selektiert es entlang eines Codes (Leitdifferenz) und darauf basierender Programme, was zum eigenen System dazugehört und was nicht Unter Programmen versteht man die konkrete Übersetzung des abstrakten Codes – bspw. in Form spezifischer religiöser Lehren Organisationen stabilisieren systemspezifische Kommunikation (z.B. Kirchen, Moscheegemeinden, usw.) Gesellschaftliche Teilbereiche und ihre Publika Integrationsmodus in Moderne: partielle Integration in gesellschaftliche Teilbereiche über Publikumsrollen Daran knüpft Jürgen Gerhards mit seinem „Der Aufstand des Publikums“ an und fragt nach Veränderungen im Verhältnis von sozialen Systemen und ihren Publika Jürgen Gerhards verwendet eine moderate Version der Luhmannschen Differenzierungstheorie (bzw. frühere Fassung): „Man muss nicht die gesamte Theorie autopoietischer Systeme übernehmen, um die Beschreibung moderner Gesellschaften als in verschiedene Teilsysteme differenzierter Gesellschaften für plausibel zu erachten“. Verknüpfung von Theorie sozialer Systeme mit Rollen- und Professionssoziologie Unterscheidung von Leistungsrollen (professionelle Expert:innen) und Publikumsrollen (Laien) „Publikumsrollen ermöglichen die Inklusion der Gesamtbevölkerung in die Teilsysteme und definieren die Möglichkeiten der Partizipation der Bevölkerung an den verschiedenen Teilsystemen“ (S. 166) Umgekehrt interessiert Expert:innen der jeweiligen Teilbereiche nur bestimmtes am Publikum (z.B. die Krankheit am Patienten, das Kaufinteresse beim Konsumenten etc.) These: Verhältnis von Leistungs- und Publikumsrollen hat zwischen 1960 und 1989 (in Westdeutschland und Westeuropa) eine Umcodierung erfahren „ Die Rechte und Inklusionsansprüche der Laien sind im Verhältnis zu den Autoritätsrollen in fast allen Bereichen gestiegen, die Reduktion auf einen recht selektiven Rollenzuschnitt ist aufgeweicht worden, Bürger melden sich als Personen zu Wort, ein Aufstand des Publikums hat stattgefunden“ -> Ergebnis u.a. Ausbildung von sekundären Leistungsrollen (z.B. in Form von Eltern- oder Patientenvertretungen)

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