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This document appears to contain material on economics, specifically an overview of economic actors and the principles of a circular economy.

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2.1 Volkswirtschaft: Zahlen - Daten - Fakten Akteure des Wirtschaftens Wirtschaft wird von Menschen gestaltet. Sie treten im Wirtschaftspro-zess als Akteure auf und verfolgen dabei Individual- bzw. Kollektivinte-ressen. Zu den Akteuren zählen u. a. Haushalte, Unternehmen, der Staat, Banken, das A...

2.1 Volkswirtschaft: Zahlen - Daten - Fakten Akteure des Wirtschaftens Wirtschaft wird von Menschen gestaltet. Sie treten im Wirtschaftspro-zess als Akteure auf und verfolgen dabei Individual- bzw. Kollektivinte-ressen. Zu den Akteuren zählen u. a. Haushalte, Unternehmen, der Staat, Banken, das Ausland und internationale Akteure. Die unterschiedlichen Akteure treten allerdings nicht gleichberechtigt auf. Es herrscht zuweilen ein starkes Machtgefälle, die Interessensgegensätze sind groß, Konfliktlagen können vielfältig sein: Konsumentinnen wol-en qualitativ hochwertige Produkte erwerben, gleichzeitig sollen die Preise dafür niedrig sein. Unternehmen müssen Gewinne erwirtschaf-ten, die Preise können daher langfristig kaum unter den Herstellungskosten liegen. Der Staat schreibt aus sozialer Verantwortung eine Vielzahl an Gesetzen und Regelungen vor, die Unternehmen als Benachteiligung ihrer unternehmerischen Freiheit empfinden. Banken verleihen Kredite und wollen dafür möglichst hohe Zinsen, während Konsumentinnen für die Vergabe von Krediten niedrige Zinsen erwar-ten. Arbeitgeberinnen wollen den Kündigungsschutz aufweichen, Arbeitnehmerinnen treten für einen umfangreichen Kündigungsschutz ein, Alle Akteure der Volkswirtschaft verfolgen mit ihren Aussagen, Zielen und Vorschlägen bestimmte Interessen. Insofern sind sie nicht als objektive Akteure zu betrachten. Ihre Interessenslagen zu erkennen ist Teil ökonomischer Mündigkeit. IWF, WTO, WELTBANK GLOBAL PLAYERS EZB, EU-KOMMISSION (NATIONAL-)STAAT SOZIALPARTNER UNTERNEHMEN KONSUMENTINNEN Abb. 19.1: Akteure des Wirtschaftens Volkswirtschaftslehre Die Volkswirtschaftslehre (VWL) beschäftigt sich mit gesamtwirt-schaftlichen Zusammenhängen von Haushalten, Unternehmen und dem Staat. Wichtige Fragestellungen betreffen die Entwicklung der Wirschaftsleistung der Preise, der Beschäftigung und des Außenhan-dels. Die Betriebswirtschaftslehre (BWL) beschäftigt sich dagegen mit einzelnen Unternehmen innerhalb einer Volkswirtschaft. Untersucht werden etwa die Produktion, der Absatz, die Finanzierung, die Perso-nalwirtschaft oder die Lagerhaltung im Unternehmen. Was für einen Betrieb wirtschaftlichen Gewinn bedeutet, kann für die Volkswirtschaft genau zum Gegenteil führen. So fördern etwa starke Lohnerhöhungen volkswirtschaftlich gesehen die Kaufkraft, gleichzeitig stellen sie aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die Unterehmen eine Kostensteigerung dar. Seite an Höhe anpassen Wirtschaftskreislauf Die Wirtschaft ist nichts Statisches. Aufgrund der Vielzahl von Akteuren und unendlich vieler Handlungsmöglichkeiten ist sie gegenwärtig sehr dynamisch und oft auch unüberschaubar geworden. Im Modell der Kreislaufwirtschaft wird dieser dynamische Charakter zum Ausdruck gebracht. Dabei werden unterschiedliche volkswirtschaftliche Transaktionen wie Produzieren, Konsumieren, Investieren, Sparen, Importieren oder Exportieren zueinander in Beziehung gesetzt. Als zentrale Akteure gelten dabei wie bereits erwähnt die privaten Haushalte, Unternehmen, der Staat, Banken und das Ausland. Eine besondere Rolle nimmt der Staat ein. Er hebt auf der einen Seite Steuern und Sozialabgaben ein, gibt sie als Transferleistungen beispielsweise im Sozialbereich wieder an die Konsumentinnen oder als Subventionen an die Unternehmen aus. Im Modell der Kreislaufwirtschaft werden volkswirtschaftliche Zusammenhänge auf wesentliche Tatbestände redu-ziert. Das Modell verdeutlicht dazu den Güter, Dienstleistungs- und Geldverkehr zwischen diesen einzelnen Akteuren. Transferzahlungen an die Haushalte Staat - Transferzahlungen an die Unternehmen Steuern Geld für den Import Steuern Haushalte , Volkseinkommen Konsumausgabe Banken sammelstellen Geld tur den Export Investieren Abb. 19.2: Wirtschaftskreislauf einer offenen Volkswirtschaft Wie kann man Wirtschaft messen? Der wirtschaftliche Prozess ist auf der Angebotsseite durch die Produktion von Waren und die Bereitstellung von Dienstleistungen ge-kennzeichnet. Es ist üblich, den Wert aller Waren und Dienstleistun-gen, die in einem Jahr in einer Volkswirtschaft produziert werden, als Bruttoinlandsprodukt zu bezeichnen. Trotz vielfacher Kritik an dieser Messzahl für wirtschaftlichen Erfolg ist sie neben den Werten der Inflation, Arbeitslosigkeit oder Konjunktur zur Charakterisierung von Volkswirtschaften in Statistiken und Publikationen zu finden. Sie dient in Wirtschaft, Politik, den Medien und der Öffentlichkeit als Leitgröße für wirtschaftlichen Erfolg, Österreichweit ist für ihre Berechnung die Statistik Austria, europaweit Eurostat zuständig. Bruttoinlandsprodukt unter Beschuss Das BIP gilt als Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Staates, da es die Wirtschaftskraft einer Volkswirtschaft abbildet. Neben der absoluten Größe wird es zu internationalen Vergleichen pro Kopf (BIP/Kopf) angegeben. In volkswirtschaftlichen Analysen findet man dazu unterschiedliche Begriffe. Wird das BIP zu laufenden (=aktu-ellen) Preisen ermittelt, nennt man es nominales BIP. Das reale BIP ist dagegen unabhängig von Preisveränderungen. Es wird anhand der Marktpreise eines Basisjahres berechnet und liefert daher die ökonomisch relevante Auskunft über die Wirtschaftsleistung und die Wertschöpfung einer Volkswirtschaft. Voraussetzung für die Berechnung ist, dass die Preissteigerungsrate seit dem Basisjahr bekannt ist. Der Unterschied zeigt daher die Höhe der Inflation an und gibt Auskunft über das Ausmaß der Kaufkraft. Das Bruttonationalprodukt (BNP) erfasst die Summe aller Waren und Dienstleistungen, die von Inländern im In- und Ausland produziert werden. In westlichen Industrieländern stammen gegenwärtig etwa 70 % der Wirtschaftsleistung aus dem Dienstleistungssektor, an die 30 % aus dem Bereich der Industrie und der Rest von maximal 2 % aus der landwirtschaftlichen Produktion. In Entwicklungsländern sind diese Anteile vollkommen konträr. Staat Burundi Tansania Indien Peru Argentinien Polen Deutschland Österreich USA Katar BIP/Kopf 2021 80S 3 105 7 316 14 023 23 632 37 997 58 757 59 759 69 227 104 740 Abb. 20.1: BIP/Kopf in US-\$, kaufkraftbereinigt (Daten nach: IMF 2021) Ob das BIP tatsächlich den Wohlstand einer Gesellschaft abbildet, ist umstritten. Die Kritik gilt dabei folgenden Aspekten: - bestimmte Formen der Arbeit werden nicht berücksichtigt (Haus-arbeit, Schwarzarbeit, Subsistenzwirtschaft etc.) - nichtökonomische Bedürfnisse der Bevölkerung werden nicht erfasst - die negativen ökologischen Folgen des Wirtschaftens sind nicht abgebildet - weder der absolute Wert, noch die Angabe pro Kopf sagen etwas über die Verteilung des BIP aus Kritik an der Wachstumsideologie nimmt zu Dem BiP liegt ein Wirtschaftsverständnis zugrunde, das auf permanentes Wachstum setzt. Seit Jahrzehnten wird daher am quasi uneingeschränkten ökonomischen Wachstum massive Kritik vonseiten der Umweltbewegung, der Eine-Welt-Bewegung und anderen NGOs ge-übt. Diese Kritik begann in den 1970er-Jahren, als der Club of Rome erstmals auf die Begrenztheit globaler Ressourcen hinwies. Club of Rome (CR) Eine 1968 gegründete, internationale Vereinigung von Wissenschafterinnen und Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. 1972 wurde im Auftrag des CR der Bericht „Die Grenzen des Wachstums\" veröffent-licht. Darin wurde ein globaler ökologischer und ökonomischer Kollaps vorausgesagt, sollten Industrialisierung. Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum sowie Ressourcenverbrauch nicht eingeschränkt werden. Rohstoffknappheit, Energiekrise/n und Klimawandel gelten als eindeutige Indizien dafür, dass es zu einem Überdenken des ständigen Strebens nach mehr und mehr Wachstum kommen muss. Konzepte einer Schrumpfungsökonomie mit Nullwachstum werden etwa propagiert, um Umwelt und Rohstoffvorkommen zu schonen. Ethisches Wirtschaften ist ein weiterer Alternativansatz zur vorherrschenden Wachs-tumsideologie. Vertreterinnen eines Postwachstums fordern eine Wirtschaft, die ohne das Wachstum des BIP auskommen und gleichzeitig Wohlstand garantieren soll. Dazu seien ein Rückbau der globalen industriellen Strukturen, neue Lebensstile und eine Stärkung lokaler und regionaler Versorgungsmöglichkeiten notwendig. Wachstumsbe-fürworterinnen argumentieren dagegen mit der Schaffung von Arbeits-plätzen, dem Erhalt von sozialem Frieden durch Umverteilung und der Notwendigkeit eines Wohlfahrtsstaates, der Wachstum zu seiner Finanzierung voraussetzt. Sie sehen Wachstum als Lösung von Problemen und nicht als deren Ursache. Was ist Wirtschaftspolitik? Unter Wirtschaftspolitik versteht man all jene Maßnahmen, mit denen der Staat auf unterschiedlichen Ebenen regelnd und gestaltend in die Bereiche der Wirtschaft eingreifen kann. Neben der Festlegung grundsätzlicher Rahmenbedingungen für die einzelnen Wirtschafts-subjekte geht es vor allem um die Beeinflussung des Marktgeschehens. Im Zentrum jeglicher Wirtschaftspolitik sollte der Mensch stehen. Die Ziele von Wirtschaftspolitik beinhalten u. a: - die Verhinderung von (Wirtschafts-)Krisen - die Förderung des Wirtschaftswachstums - die Garantie von Währungsstabilität - die Sicherstellung von fairem Wettbewerb - die Aufrechterhaltung und/oder Verbesserung der Infrastruktur - das Herstellen von Vollbeschäftigung - das Anstreben einer gerechten Einkommensverteilung - der Schutz der Natur Wirtschaftspolitik erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen. In den Gemeinden wird kommunale Wireschaftspolitik betrieben. Sie sind bestrebt die Ansiedlung von Betrieben auf ihrem Gemeindegebiet voran-zutreiben. Landtage betreiben regionale Wirtschaftspolitik, nationale Wirtschaftspolitik wird durch die Regierung, den Nationalrat oder die Sozialpartner betrieben. Letztere nehmen dabei großen Einfluss auf die Lohn- und Gehaltsentwicklung. Auf europäischer Ebene bestimmen die Institutionen der EU, insbesondere die Europäische Zentralbank die Wirtschaftspolitik ganz wesentlich mit. Auf globaler Ebene sind es u\. a. der IWF und die WTO, die vielfältig in die Wirtschaftspolitik eingreifen (→ Kap. 7.3). Wirtschaftspolitik zwischen Angebots- und Nachfrage-orientierung Grundsätzlich wird zwischen angebots und nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik unterschieden. Von Angeborspolitik spricht man, wenn es um Rahmenbedingungen und (Markt-) Strukturen geht, damit Anbieterinnen/Unternehmerinnen besser wirtschaften können (Stand-ortpolitik). Nachfragepolitik soll auf die Kaufkraft von Beschäftigen und Konsumentinnen wirken, sodass die Nachfrage auf den Märkten steigt. Im realen Wirtschaftsgeschehen existiert allerdings keine reine Ange-bors- oder Nachfrageorientierung, es findet sich immer eine Kombination beider Ansätze. Es wird von einer mixed policy gesprochen, die je nach politischer und ideologischer Ausrichtung gestalter sein kann. Die Soziale Markwirtschaft ist ein Beispiel für einen derartigen Politikmix. Maßnahmen beider Richtungen können sein: Steuersenkungen für Unternehmerinnen als eine Maßnahme auf der Angebotsseite. Die Erhöhung von Sozialleistungen wäre auf der Nachfrageseite zu verorten. Bereiche Grundlagen Maßnahmen Verbindung von Marktwirtschaft und sozialer Wohlfahrt Kein vollkommen freier Markt; Konsumentinnen-schutz, Kegulerungen Produkcionsmittel Privateigentum, können aber auch dem Staat gehören wirtschartspontik Ordnungspolitische Maßnahmen wie Kartell-gesetze: Stabilisierung der Konjunktur Sozialpolitik Steuerpolitik Staatliche Sozialversicherung, Gesundheitswesen Besteuerung und Einkommen, Gewinn und Wettbewerb Vermogen zur Umverteilung Entscheidungsfreiheit von Unternehmen und Konsumentinnen Arbeitsmarkt Gewerkschaften setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen ein, Durchsetzung von Löhneng Wohnungsmarkt Umweltpolitik Strukturpolitik Staatliche Arbeitslosenvermittlung Staatlicher Wohnungsbau: Miergesetze Umwelcschutzmaßnahmen Subventionen für Wirtschaftsbranchen (Industrie, Landwirtschaft) und für benachteiligte Regionen Abb. 21.1: Maßnahmen in der Sozialen Marktwirtschaft Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik findet ihren Niederschlag im Monetarismus. Nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik liegt dem Keynesianismus zugrunde (-\> Kap. 22).\| Magische Vielecke der Wirtschaftspolitik Das magische Vieleck zeigt zunächst an, welche Ziele die Wirtschaftspolitik verfolgt. Je nach wirtschaftspolitischer Position wird es als Drei-Vier-, Fünf-, Sechs- oder Achceck dargestellt. Waren es früher drei Ziele der Wirtschaftspolitik (nämlich Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und Preisstabilität), so bilden heute acht Kernpunkte das magische Vieleck. Zu den Zielen wirtschaftlichen Handelns zählen heute u\. a. ein ausgeglichenes Budget, Einschränkungen der Staatsverschuldung oder eine soziale gerechte Einkommensverteilung. Magisch wird es deshalb genannt, weil nicht alle Ziele gleichzeitig umsetzbar sind. Der wirtschaftliche Alltag kann mithilfe der magischen Vielecke verdeutlicht werden - ein Beispiel: Eine optimale Geldanlage läge wohl dann vor, wenn der Zinssatz hoch, die Laufzeit kurz und das Risiko gering sind. Diese Kombination gibe es jedoch nicht. Eine kurze Laufzeit bedeutet geringere Zinsen und ein höheres Risiko, während eine längere Laufzeit der Geldanlage höhere Zinsen und vermutlich auch ein geringeres Risiko bedeutet. Dieses Beispiel aus dem Alltag lässt sich auf alle Ebenen der Wirtschaftspolitik übertragen Die verschiedenen Modelle magischer Vielecke helfen dabei, Wirtschaft besser zu verste-hen. Die einzelnen Ziele stehen dabei in unterschiedlicher Beziehung zuein-ander. Während manche Ziele positiven wechselseitigen Einfluss aus-üben, kommt es bei anderen zu Konflikten. Einige Ziele stehen einander neutral gegenüber, beeinflussen sich also nicht gegenseitig. Preisstabilität hat z. B, keine Auswirkungen auf Fragen der Umweltqua-lität. „Zielharmonie\" liegt beispielsweise dann vor, wenn ein höheres Wirtschaftswachstum auch den Grad der Vollbeschäftigung fördert. Bei Vollbeschäftigung kommt es aufgrund der steigenden Nachfrage jedoch zu verstärkter Inflation. Dies wird als „Zielkonflikt\* beschrieben. E-Book 2.3 Arbeitsmarktpolitik Am Arbeitsmarkt Die Sozialsysteme moderner Volkswirtschaften sind auf dem Faktor Arbeit aufgebaut. Einkommen, Arbeitslosenunterstützung, die Höhe von Pensionen oder auch große Teile des Steueraufkommens hängen vom Ausmaß und der Dauer von Beschäftigungsverhältnissen ab. Wer keiner Arbeit oder Beschäftigung nachgeht oder nachgehen kann, ist von sozialem Abstieg bedroht. Arbeitslose werden in der Gesellschaft häufig ausgegrenzt und nicht selten als „Sozialschmarotzer\" bezeichnet. Im internationalen Vergleich variieren Arbeits- und Lohnkosten sehr stark. Hier werden die einzelnen nationalen Arbeitsmärkte unter dem Aspekt von Standortvor- und -nachteilen verglichen. Grundsätzlich geht man davon aus, dass der Arbeitsmarkt potenzielle Arbeitgeberinnen und ArbeitnehmerInnen „zusammenführt\". Der Arbeitsmarkt ist kein Markt wie jeder andere. Zu den Besonderheiten des Arbeitsmarktes zählen: - Abhängigkeit der Arbeitnehmerinnen von Arbeit zur Sicherung des\ Lebensunterhaltes - Arbeitgeberinnen verfügen über mehr Macht gegenüber den Arbeitnehmerinnen \+ Arbeitsrecht und Gewerkschaften sollen das Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen ausgleichen Es gibt einen ersten und zweiten Arbeitsmarkt Erster und zweiter Arbeitsmarkt Der erste Arbeitsmarkt entsteht durch das Prinzip von angebotenen und nachgefragten Arbeitsplätzen. Als regulärer Arbeitsmarkt bedarf er keiner staatlichen Förderung und Unterstützung, Der zweite Arbeitsmarkt ist durch staatliche Unterstützung gekennzeichnet. Durch aktive Arbeitsmarktpolitik, vor allem das Umschulen von Arbeitslosen oder die Beschäftigung im öffentlichen Bereich, sollen diese wieder in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Vollzeit Formen von Arbeitslosigkeit Ausgehend von den Ursachen werden folgende Formen der Arbeitslosigkeit unterschieden: - Von friktioneller Arbeitslosigkeit (Sucharbeitslosigkeit) ist die Rede, wenn eine kurze Phase der Beschäftigungslosigkeit zwischen zwei Arbeitsverhältnissen besteht.\ Saisonale Arbeitslosigkeit ist von ihrer Dauer meist ein kurz- oder mittelfristiges Phänomen. Typische Beispiele für saisonale Arbeitslosigkeit ergeben sich aufgrund der Jahreszeiten im Baugewerbe und Tourismus. - Konjunkturelle Arbeitslosigkeit tritt v. a. in Phasen der wirtschaftlichen Rezession oder gar Depression auf, wenn Unternehmen Arbeitskräfte kündigen, die zum Zeitpunkt der Expansion wieder mit einer Beschäftigung rechnen können. - Strukturelle Arbeitslosigkeit entsteht unabhängig von konjunkturellen Schwankungen. Die Ursachen sind hier „struktureller Natur Wenn es z. B. zu dauerhaften Veränderungen in der Nachfrage von Produkten oder dem Einsatz neuer Techniken und Technologien kommt. Arbeitsplätze werden in der Folge entweder abgebaut oder betroffene Unternehmen ganz stillgelegt. Personen in Tausend 500 000 50O Teilzeit Abb. 29.1: Entwicklung der Teilzeit- und Vollbeschäftigung in Österreich (Daten nach: Statistik Austria 2018) - Ergänze die Grafik mit akruellen Werten! Abb. 29.2: Saisonale Beschäftigung und saisonale Arbeitslosigkeit sind in der Tourismusbranche häufig Auf Basis anderer Merkmale sind Langzeitarbeitslosigkeit oder Jugend-arbeitslosigkeit als besonders schwere Formen zu nennen. Auch gibt es die Form der versteckten Arbeitslosigkeit. Darunter fasst man Menschen in Umschulungs- und Weiterbildungsprogrammen zusammen. Im internationalen Vergleich ist die Arbeitslosigkeit in Österreich stets gering. Volkswirtschaftlich wird auch bei niedrigen Arbeitslosenraten (bis zu maximal 3,5 %) von Vollbeschäftigung gesprochen, da niemals alle Arbeitssuchenden gleichzeitig beschäftigt sein können. Der österreichische Arbeitsmarkt weist jedoch gerade bei älteren Menschen und Frauen eine relativ geringe Erwerbsquote auf - die Alters- und Frauenarbeitslosigkeit stellen ein gewichtiges Problemfeld dar. Arbeitslosigkeit bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass man keiner Arbeit nach-geht. Das Phänomen der Schwarzarbeit wäre hier zu nennen. 30 / 308 自 Volkswirtschaft Österreich Nächste Seite Arbeitslos - Was nun? Die Ermittlung der Arbeitslosenzahl ist oft nicht einfach und weltweit nicht einheitlich geregelt. Grundsätzlich gibt die Arbeitslosenrate den Anteil jener Nichtbeschäftigten an, die zum Arbeitskräftepotenzial (15-65-Jährige) einer Volkswirtschaft gezählt werden und kurzfristig zur Aufnahme einer Beschäftigung bereit sind. Die Ermittlung der Ar-beitslosenrate unterliegt unterschiedlichen statistischen Methoden. +2.3.A Notstandshilfe Beim Vorliegen einer Notlage kann man nach dem Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld für maximal weitere 52 Wochen Notstandshilfe über das AMS beziehen. Sie kann grundsätzlich jedes Jahr neu beantragt werden und umfasst etwa 92-95 % des letzten Arbeitslosenbezuges. \< 3,0 % 3,0-4,9 % 7,0-8,9% \> 9,0 % s00 1000 km Abb. 30.1: Arbeitslosigkeit im EU-Vergleich (Daten nach: Eurostat 2018) Hinter den Arbeitslosenzahlen stehen konkrete Menschen und Schick-sale. Von Arbeitslosigkeit überproportional stark betroffen sind Menschen mit geringer Bildung und schlechter beruflicher Qualifikation. In modernen Sozialstaaten kann das Arbeitslosengeld als Versicherungsleistung für den Fall der Arbeitslosigkeit in Anspruch genommen werden. In Osterreich wird es aus der Arbeitslosenversicherung finan-ziert, die Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen mit ihren verpflichtenden Versicherungsbeiträgen einzahlen. Wichtige Bestimmungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld in Österreich sind: - Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit muss gegeben sein; dazu sind im Rahmen der Arbeitsvermittlung zumutbare Beschäftigungen am Arbeitsmarkt anzunehmen - Es ist je nach Alter an eine vorhergehende bestimmte Beschäfti-gungsdauer gebunden; so müssen z.B. über 25-Jährige innerhalb der letzten 2 Jahre mindestens 52 Wochen durchgehend beschäftigt gewesen sein - Das monatliche Einkommen musste dabei über der Gering-fügigkeitsgrenze liegen (438,05 €, Stand 2018) \* Es wird für einen bestimmten Zeitraum ausbezahlt; beispielsweise erhalten es über 50-Jährige für maximal 52 Wochen: bei Schulungs-maßnahmen ist ein Bezug bis zu 4 Jahren möglich - Die monatliche Höhe liegt bei etwa 55 Prozent des letzten Netto-gehalts, kann aber durch Zuerkennung bestimmter anderer Ansprüche (Familienzuschläge, Ergänzungsbetrag) auch höher sein - Die maximale Höhe ist mit etwa 1400 € festgelegt - Nach einer weiteren Phase der Beschäftigung kann abermals Arbeitslosengeld bezogen werden \* Bei Erlöschen der Ansprüche hat man Anrecht auf Notstandshilfe Abb. 30.2: Wer in Österreich einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen möchte. muss sich beim Arbeitsmarktservice (AMS) melden und die Anspruchsvordussetzungen errulen Reformen des Arbeitslosengeldes sind strittig. Kritikerinnen der gegenwärtigen Regelung pochen auf eine Aufweichung oder Abschaffung der sogenannten Zumutbarkeitsbestimmungen. Zumutbare Beschäftigung liegt dann vor, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten ent-spricht, nicht gesundheits- und sittlichkeitsgefährdend ist, vorhergehenden Entlohnungen entspricht und die Arbeitsstelle in eine Richtung innerhalb einer Stunde erreichbar ist. Der vorübergehende Bezug von Arbeitslosengeld erlischt, wenn man eine zumutbare Arbeitsstelle nicht annimmt oder an Um- und Weiterbildungsmaßnahmen nicht teilnimmt. Vom „Stempeln gehen\" zum AMS AM 1S Abb. 30,3: Arbeitsmarktservice Neben „Mundpropaganda\". Stellenausschreibungen in Zeitungen/In-ternet sowie der gewerblichen Vermittlung von Arbeitsplätzen durch Private ist das Arbeitsmarktservice (AMS) die wichtigste Arbeitsver-mittlungsinstitution in Österreich. 8 4 Wesentliche Aufgaben sind: - die Vermittlung von Arbeitsstellen - die Feststellung der Voraussetzungen für die Ausbezahlung von Ar-beitslosengeld, Notstandshilfe oder Weiterbildungsgeld und - die Organisation und Durchführung von Qualifzierungsmaßnah-men für Arbeitslose wie zum Beispiel Umschulungen und Fortbil-dungen. Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann unterschiedliche Ursachen haben. Neben Tod oder Pensionierung von Beschäftigten oder Zeitablauf sind es vor allem die Kündigung, die einvernehmliche Auflösung oder die Entlassung durch den/die Arbeitgeberln, die ein Arbeitsverhältnis beenden. Bei Entlassung muss ein schwerwiegender Grund, wie etwa Diebstahl oder Alkoholsucht vorliegen. Die Kündigung bedarf keiner besonderen Gründe und kann sowohl von Arbeitgeberln, als auch von Arbeitnehmerin unter Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen wie vor allem der Kündigungsfristen ausgesprochen werden. Eine einvernehmliche Auflösung erfolgt freiwillig. Dazu müssen weder Fristen noch Termine eingehalten werden. Neue Beschäftigungsverhältnisse Der rasante Wandel der letzten Jahrzehnte führt zu permanenten Ver-anderungen am Arbeitsmarkt. Flexibilität wurde das Schlagwort zur Charakterisierung des Arbeitsmarktes. Von vielen Beschäftigten wird eine stete Aus- und Weiterbildung erwartet, die sich im Begriff des „Lebenslangen Lernens\" ausdrückt. Neue Beschäftigungverhältnisse wie z.B. die Teilzeitbeschäftigung haben sich durchgesetzt. Neue Beschäftigungsverhältnisse Teilzeitbeschäftigung Kein vollzeitliches Arbeitsverhältnis; vor allem Frauen im Niedriglohnbereich Geringfügige Beschäftigung („Mini-Job\") Freie DienstnehmerInnen Entlohnung unter der Geringfügigkeitsgren-ze, nur unfallversichert freie Arbeitszeiteinteilung: arbeitsrechtlicher Schutz ist stark eingeschränkt Leiharbeit („Zeitarbeit\") LeiharbeiterInnen sind bei Personalleasing-firmen angestelle; sie werden an andere Unternehmen verliehen; keine Regelungen zu Prämien, Sonderzahlungen, Zuschlägen Neue Selbstständige Werkverträge ohne Gewerbeschein für andere Auftraggeberinnen; oftmals sind diese ehemalige ausgegliederte MitarbeiterInnen Abb. 31.2: Neue Beschäftigungsverhältnisse am Arbeitsmarkt Die Zunahme der Teilzeitbeschäftigten konzentriert sich vor allem auf den Dienstleistungssektor im Niedriglohnbereich. Niedriger Lohn und eine schwache Absicherung etwa im Falle von Krankheit oder Arbeitslosigkeit sind typisch. Frauen dominieren diese Form der Beschäfti-gung, oftmals um Familie und Beruf vereinbaren zu können. Kennzeichen dieser Beschäftigungsverhältnisse sind: ein geringes und unregelmäßiges Einkommen - keine Interessensvertretung und geringe Mitbestimmung - geringe Karrierechancen aber hoher Erfolgsdruck - geringe Beschäftigungsstabilität - geringe soziale und arbeitsrechtliche Absicherung Für die Arbeitgeberinnen sind damit steuer- abgaben- und sozialver-sicherungsrechtliche Vorteile verbunden. Staat und Sozialversicherungsträger erhalten somit geringere Einnahmen, was für die Ausgestaltung des Sozialstaates Nachteile bedeutet. Abb. 31.3: Viele Studierende gehen zur Finanzierung ihres Studiums einem Minijob nach - z. B. Flyer verteilen Kontroverse auch in der Arbeitsmarktpolitik Wie im gesamten Wirtschaftssystem stellt sich auch am Arbeitsmarkt die Frage, wie stark der Staat durch Gesetze und Regulierungen in das Geschehen eingreifen soll. In Österreich setzt der Staat generell die Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt fest. So ist z.B. Kinderarbeit verboten. Die umfangreichsten Formen von scaatlich kontrollierten Arbeitsmärkten existier(t)en in kommunistischen Staaten, wo sowohl das Angebot an Arbeitsplätzen, die Ausbildung, als auch die Bezahlung von staatlicher Seite organisiert waren. Zentrale Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik ist die Gestaltung des Arbeitsrechtes und des Arbeitsmarktes. Darunter sind alle Maßnahmen zu verstehen, die der Eingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsprozess dienen. Vermeidung und Beseitigung von Arbeitslosigkeit soll bereits vorausschauend gestaltet werden. IS 2.3.B RP Geld - nur für Wenige ausreichend vorhanden Geld ist zu einem nicht hinterfragten Bestandteil des globalen Wirtschaftssystems geworden. Historisch gesehen funktionierte das Wirtschaften die längste Zeit ohne Geld, nämlich bis ins 12. Jahrhundert. Heute wäre Wirtschaften ohne Geld nicht mehr denkbar. Global gesehen ist das Geldvermögen äußerst ungleich verteilt, insbesondere zwischen Nord und Süd, und die Ungleichheit zwischen Industrieländer und den schwächer entwickelten Staaten wird immer größer. 1 % der Weltbevölkerung besitzt etwa 40 % des Weltvermö-gens. Internationale Konzerne erwirtschaften oft mehr Gewinn als das gesamte BIP von Volkswirtschaften ausmachen kann. Geld erfüllt verschiedene Funktionen: - Als Zahlungsmittel regelt es den Kauf und Verkauf von Gütern, Waren und Dienstleistungen. - Als Wertaufbewahrungsmittel können wir Geld sparen und durch\ Zinsen vermehren. - Als Recheneinheit bewerten wir unterschiedliche Waren und Dienstleistungen; im Vergleich stellen wir dann fest: „zu teuer\".\ \"günstig\" „unbezahlbar\". Geld selbst hat grundsätzlich keinen Wert, erhält diesen aber durch die Absicherung mit Goldreserven oder Wertpapieren. Regierungen legen Geld als gesetzliches Zahlungsmittel fest. Die Wirtschaftenden müssen darauf vertrauen können, dass sie dafür auch entsprechende Gegenwerte erhalten. Geld begegnet uns im Wirtschafsle-ben in unterschiedlichen Formen: als Bargeld (Münzen, Banknoten), als Plastikgeld (Bankomat-, Kreditkarten) oder als Giral-/Buchgeld (Einlagen bei Banken). N° 20 Abb. 33.1: Vor der Umstellung auf den Euro 2002 war der Schilling das österreichische Zahlungsmittel, Geschäfts- und Zentralbanken stellen Geld für einen bestimmten Währungsraum zur Verfügung. Die Zentralbanken steuern indirekt über die Geldmenge und die Zinssätze den Wert des Geldes. Nimmt dieser Wert ab, so spricht man davon, dass Geld immer weniger wert wird. Volkswirtschaftlich ist dann von Inflation die Rede. Volkswirtschaft Österreich Inflation - einfach erklärt Zwischen der Alltagserfahrung und der theoretischen und statistischen Begründung für die Geldwertentwicklung gibt es oft große Unterschiede. Geld hat einen bestimmten Wert, der sich allerdings permanent ändert. Als Inflation bezeichnet man die Geldentwertung, die sich als Preiserhöhung bemerkbar macht. Das bedeutet, dass mit einer bestimmten Geldeinheit weniger gekauft werden kann, die Kaufkraft des Geldes vermindert sich. In Krisenzeiten ist die Güter- und Warenproduktion so gering, dass das vorhandene Geld rasch an Wert verliert. Volkswirtschaftlich hat man sich zur Messung des Geldwertes auf Indizes und den Warenkorb festgelegt. Der Warenkorb - eine Fiktion? Wie aber Inflation messen? Der Warenkorb hilft! Er beinhaltet fiktiv die 800 wichtigsten Waren und Dienstleistungen, die das Konsumverhalten eines österreichischen Haushaltes abbilden. Dieser Warenkorb ist verallgemeinernd und weicht vom individuellen Warenkorb ab. Zudem werden bei der Ermittlung die einzelnen Warengruppen entsprechend ihrer Verbrauchsbedeutung gewichtet. Vergleicht man die Kosten dieses Warenkorbes zu unterschiedlichen Zeitpunkten, werden Preisänderungen sichtbar. Als Inflationsrate wird diese Preisänderung in Prozent angegeben und zeigt damit die Änderung der Kaufkraft an. Abb. 33.2: Der Warenkorb HVPI - was steckt dahinter? Ausgehend vom Warenkorb wird ein sogenannter Verbraucherpreisindex ermittelt, der die Preisentwicklung anzeigt. Dazu werden monatlich über 8400 Haushalte und an die 40000 Preise in etwa 4200 Geschäften in ganz Österreich erhoben. Laut EU-Verordnung wird alle 5 Jahre der repräsentative Warenkorb neu erhoben. Im Basisjahr hat der Index den Wert 100, sodass ein Wert von 103,5 eine Inflationsrate von 3,5 % bedeutet. Der von Eurostat erhobene harmonisierte Verbraucherpreisindex (= HVPI) ist die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in Europa und kann in einigen EU-Mitgliedstaa-ten geringfügig von den nationalen Definitionen (Gewichtung, Zu-sammensetzung) abweichen. Er soll für die Eurozone im Jahresdurchschnitt nicht höher als 2 % sein. = 2.4.A Die Indizes spielen eine wesentliche Rolle für die Lohnentwicklung einer Volkswirtschaft. Versicherungs- und Mietverträge besitzen stets eine Indexklausel, der zufolge Miethöhen und Versicherungsprämien angepasst werden. Die Ursachen für die Entwicklung von Inflation können sehr unterschiedlich sein. Folgende Formen sind unterscheidbar: Monetäre Inflation Notenbanken drucken Geld zur direkten Finanzierung der Staatsschulden; dies ist in entwickelten Volkswirtschaften (z. B. EU-Staaten) verboten. Kosten-Inflation Produktionskosten steigen; steigende Löhne bedeuten mehr Kosten; mehr Kosten werden über höhere Preise abgegolten. Nachfrageinflation Nachfrage steigt stärker als das Angebot. Importierte Inflation Steigende Rohstoffpreise. Hyperinflation Die Inflation steigt in kurzer Zeit rasant, Geld verliert seine Zahlungsfunktion. Abb. 34.1: Verschiedene Formen von Inflation Die Lohn-Preis-Spirale Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Betrachtung einer einzigen ökonomischen Größe wenig aussagekräftig. Erst im Vergleich mit anderen Parametern werden Zusammenhänge sichtbar. Die parallele Betrachtung von Lohn- und Preisentwicklung ist ein gutes Beispiel dafür. Preise lagen früher wesentlich unter jenen von heute. Parallel dazu waren auch die Löhne viel niedriger. Steigende Preise führen durch Forderungen der Gewerkschaften oft auch zu Lohnerhöhungen. Steigen Löhne unterhalb der Inflationsrate oder werden Nulllohnrunden durchgesetzt - d. h. dass die Löhne nicht entsprechend an die höheren Preise angepasst werden - so kommt es für die Beschäftigten zu einem Kauf-kraftverlust. Der Lohn ist dann tatsächlich weniger wert geworden. Werden infolge von Inflation höhere Löhne gefordert, kann damit eine Lohn-Preis-Spirale ausgelöst werden. Als volkswirtschaftlich bedenklich gilt eine Inflationsentwicklung, die größer als 5 % ist. Das ist in Österreich durch den Ukrainekrieg und die stark gestiegenen Energiepreise erstmals wieder seit 2022 der Fall. Die EZB definiert Preisstabilität mit einem Inflationsanstieg von unter 2 %. Entscheidend ist auch, wie viele Güter und Dienstleistungen man sich für den Lohn leisten kann. Dann ist von der Kaufkraft die Rede, die zwischen Stadt und Land, Regionen und Staaten sehr unterschiedlich sein kann. Abb. 34.2: Eine Semmel für 1 Mrd. Dollar - Geldentwertung durch Hyperinflation in Simbabwe 2008 Deflation - Indiz für Probleme im System Fallende Preise werden mit dem Begriff Deflation beschrieben. Anhaltende Deflation ist ein schlechtes Zeichen für eine Volkswirtschaft, da Konsumentinnen Kaufentscheidungen aufschieben. Sie erwarten, dass Preise weiter fallen. Diese verminderte Nachfrage wirkt sich negativ auf die Produktion aus, Kündigungen folgen. Die Investitionen gehen zu-rück. Sinkende Preise führen zu sinkenden Löhnen und damit zu geringerer Nachfrage. Eine Spirale nach unten kann die Folge sein, wie etwa in der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre oder seit Jahrzehnten in der japanischen Volkswirtschaft. Inflation Preissteigerungen Sinken des Geldwertes Flucht in Sachwerte Nachteile für Gläubiger Vorteile für Schuldner Deflation Preissturz Steigen des Geldwertes Flucht in das Geld Vorteile für Gläubiger Nachteile für Schuldner Abb. 34.3: Inflation und Deflation im Vergleich 34 Einkommenserhöhungen 2022 Werte / Durchschnittswert Pensionen PolitikerInnen Beamtinnen MetallerInnen Handel 1,8 - 3,0 % 1,6 % 2,91 - 3,22 % 3 - 3,55 % 2,55 - 3,45 % Abb. 34.4: Einkommenserhöhungen 2022 (Daten nach: APA/WIFO) Geldversorgung durch das Bankensystem Banken nehmen Geldeinlagen von Privat- und Geschäftskundinnen entgegen, verzinsen diese und verleihen das eingelegte Geld in Form von Krediten wieder weiter. Die Kreditvergabe ist das Hauptgeschäft im Aktivbereich, Geldeinlagen auf einem Sparkonto oder Sparbuch gehören zum Passivgeschäft. Banken investieren am Immobilienmarkt oder sind als Anlegerinnen an den internationalen Kapitalmärkten rätig. Sie unterliegen gesetzlichen Vorgaben und werden grundsätzlich von staatlichen Bankenaufsichten kontrolliert. In Wirtschaftskrisen schränken Banken die Kreditvergabe ein, wodurch sich Krisensituationen weiter verschlechtern. Geschäftsbanken kommen über Geldeinlagen der Kundinnen zu ihrem Geld oder borgen es sich bei anderen Kreditinstituten am Geldmarkt oder direkt von den Zentralbanken aus. Für den Euroraum ist die Europäische Zentralbank (EZB) zuständig. Geldpolitik wird mittels verschiedener Zinssätze betrieben. Somit sind sowohl die Inflations-entwicklung als auch der Wechselkurs beeinflussbar. \> 2.4.B 2.5 Wachstum und Konjunktur Konjunktur - ein Grundkonzept der Wirtschaftslehre Das Wachstum einer Volkswirtschaft verläuft nicht gleichmäßig, sondern in einem ständigen Auf und Ab. Dieser Vorgang wird als Konjunktur bezeichnet und ist ein wesentliches Merkmal zur Einschätzung und Prognose von gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen. Zumeist betrachtet man dabei das reale BIP, die Beschäftigungs- und Arbeitslo-senquoten, das Konsumniveau und die Inflation. Idealtypisch wird ein klassischer Konjunkturverlauf in die Phasen Expansion (Aufschwung), Boom (Hochkonjunktur), Rezession (Abschwung) und Depression (Tiefststand) eingeteilt, Hochkonjunktur (Boom) Expansion (Aufschwung) Wirtschaft wächst Rezession (Abschwung) Produktion sinken Nachfrage und Depression Zeit Abb. 36,1: Der Konjunkturzyklus In der Phase der Expansion kommt es zu einem Wirtschaftswachstum, die Einkommen steigen, neue Arbeitsplätze entstehen. Daran anschlie-Bend folgt in der Phase der Hochkonjunktur - nach Erreichen des größten Wirtschaftswachstums - eine Sättigung des Marktes. Als Konsequenz darauf gehen Nachfrage wie auch Produktion im Zuge der Rezession zurück. Die Einkommen sinken, gleichzeitig steigt die Ar-beitslosigkeit. Von einer Rezession spricht man, wenn das BIP-Wachs-tum zumindest in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen negativ war. In der Depression - dem Tiefststand im Konjunkturzyklus - kommt es zu Betriebsschließungen und Massenarbeitslosigkeit, ehe der Zyklus wieder von vorne beginnt und sich die Wirtschaft langsam erholt. 2.5.A SE VEI Abb. 36.2: Nach einem beispiellosen Bauboom geriet Spanien 2008 in eine Krise \- die Folge sind bis heute hunderttausende leer stehende Neubauten Regulation und Freiheit Wie du im Kapitel zur Wirtschaftstheorie bereits gehört hast, ist das Verhältnis von staatlicher Regulation und Freiheit im Wirtschaftspro-zess zentral. (→ Kap. 2.2) Je nach Ideologie versteht man Unterschiedliches unter Wirtschaft. Zudem ist Wirtschaft etwas Widersprüchliches und wird durch verschiedenste Interessen geleitet. Die Interessen der Arbeiterinnen stehen den Interessen der Arbeitgeberinnen gegenüber. Hohe Produktions- und Konsumraten haben negative Auswirkungen auf den Verbrauch von Ressourcen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse von Arm und Reich ergeben sich aus einem bestimmten Wirtschafts-system. Werden diese Widersprüche zu groß, so kann ein gesamtes Wirtschaftssystem in eine Krise geraten oder sogar zusammenbrechen. Dann ist von Marktversagen die Rede. Marktversagen liegt dann vor, wenn der Mechanismus von Angebot und Nachfrage nicht zu volkswirtschaftlich erwünschten Ergebnissen führt. Der Staat kann im Falle von Konjunktur- und Wachstumsproblemen in das Marktgeschehen eingreifen und z. B. Investitionen im Baugewerbe räti-gen, bei steigender Arbeitslosigkeit kann er eine aktivere Arbeitsmarkt-politik betreiben. Um diese Widersprüche auszugleichen, geht es im Verhältnis Wirtschaft - Staat um die Frage, wie durch Regulierung das System stabilisiert und letztlich auf Wachstumskurs gehalten werden kann. Bereiche Form der Regulierung Arbeitskraft Regelung über das Lohnverhältnis; drückt sich im Arbeitsrecht und im Kollektivvertrag aus Finanz- Umfangreiche Vorschriften für Banken, Versicherungen, institute Investmentfonds; Einlagensicherung Wettbewerb Beeinflussung durch Gesetze und Vorschriften (z. B. Gewerbeordnung, Konsumentinnenschutzgesetz) Umwelt Umweltschutz durch Regulation (z. B. Umweltsteuern); Wasser, Boden oder Luft werden ansonsten als freie Güter für die Produktion betrachtet Abb. 36.3: Bereiche, in denen ein Staat die Wirtschaft regulieren kann Im Gegensatz zur Regulierung bedeutet Deregulierung eine Liberalisierung der Märkte. Das bedeutet die Aufhebung von staatlichen Vorschriften für eine Branche oder einen bestimmten Bereich der Wirt-schaft. Beispiele dafür sind freie Öffnungszeiten von Geschäften oder die Lockerung des Kündigungsschutzes. Um die Konjunktur in Schwung zu halten, erhöht man entweder die Möglichkeiten zur Vergrößerung des Angebots oder man steigert die Nachfrage. Ein keynesianisches Verständnis von Wirtschaftspolitik setzt auf eine antizyklische Konjunkturpolitik, wobei der Wirtschaftsverlauf durch staatliche Fiskalpolitik (= Budgetpolitik) gesteuert wird: In Zeiten der Rezession und Depression muss der Staat mehr ausgeben und sich auch verschulden; In Zeiten der Hochkonjunktur soll der Staat seine Ausgaben verringern und Budgetüberschüsse erzielen. D.h. wirtschaftspolitische Maßnahmen der Regierung sollen die Schwankungen im Konjunkturverlauf ausgleichen, sodass im langfristigen Trend stets ein positives Wachstum vorhanden ist. Im Gegensatz dazu machen Monetaristen staatliche Eingriffe für die Ungleichentwicklung von Märkten und damit für unterschiedliches Wachstum verantwortlich. Ihrer Ansicht nach soll der Staat seine Ausgaben parallel zum Konjunkturverlauf gestalten, d.h. in Phasen der Rezession und Depression sparen, da in diesem Zeitraum auch seine Einnahmen geringer sind. In Zeiten des Booms kann der Staat dann aufgrund höherer Einnahmen auch mehr ausgeben. Keynesianer Monetaristen Konjunkturverlauf Konjunkturverlauf Staatsausgaben Staatsausgaben Abb. 37.1: Antizyklische und prozyklische Konjunkturpolitik im Vergleich Konjunkturindikatoren Für viele Akteure im Wirtschaftsprozess ist die konjunkturelle Entwicklung von entscheidender Bedeutung. So sind die Investitionen von Unternehmen bei positiver Konjunktur höher, an den Börsen nimmt das Handelsvolumen zu und die Kauflaune der Konsumentinnen ist ausgeprägter als bei einer negativen Konjunkturentwicklung. Konjunk-turindikatoren erlauben es, Aussagen über die konjunkturelle Entwicklung zu tätigen. Sie zeigen insgesamt den wirtschaftlichen Zustand einer Volkswirtschaft an. Lagerbestände BIP Stimmung Kapazitätsauslastung & Auftragslage Nachfrage Konjunktur-indikatoren Staats-Ausgaben-Einnahmen Außenhandel Arbeitsmarkt Preisentwicklung Zinssätze & Aktienmarkt Abb. 37.2: Konjunkturindikatoren Zur positiven Konjunkturentwicklung tragen beispielsweise sinkende Arbeitslosenzahlen, eine Zunahme im Außenhandel oder steigende Nachfrage bei. Negativ auf die Konjunkturentwicklung wirken steigende Energie- und Rohstoffpreise, hohe Staatsausgaben, eine schlechte Stimmung an den Aktienmärkten und eine schwache Nachfrage durch die Konsumentinnen. Konjunkturverlauf und Konjunkturtheorien Die Ursachen für das Auf und Ab der Wirtschaft sind vielfältig, den Konjunkturverlauf zu prognostizieren ist daher schwierig. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze. Schwankungen in der Wirtschaftsentwicklung können saisonal bedingt sein: Davon sind Branchen wie die Bauwirtschaft oder der Tourismus betroffen. Konjunkturelle Schwankungen sind jedoch umfassender, sowohl was die betroffenen Branchen als auch den Zeithorizont betrifft. Nikolai Kondratjew (1892- 1938\) entwickelte eine sehr bekannte Konjunkturtheorie: Seine zentrale Aussage ist, dass grundlegende rechnologische Entwicklungen zu langen Konjunkturzyklen von 40 bis 50 Jahren führen. Dieses Konzept der Langen Wellen kann die langfristige Entwicklung von Industriegesellschaften gut erklären. Informations- und Kommunikationstech-nologie, Multimedia, Globalisierung, F&E Elektrifizierung, Kartelle, 2000 Konzerne, Oligopole 1950 1900 1850 Fernsehen, Elektronik, Fordistische Massen- produktion 1800 Eisenbahn, Telegrafie „Frühmechanisierung Niedergang des Handwerks Abb. 37.2: Kondratjewzyklen Für Joseph Schumpeter (1883-1950) waren Innovationen die Moro-ren der Wirtschaftsentwicklung: Wettbewerb löst einen ständigen Prozess der Verbesserung von Produktionsweisen und Erzeugnissen aus, sodass schöpferische Unternehmerinnen den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt selbst vorantreiben. Liberale VertreterInnen ziehen externe Einwirkungen wie staatliche Re-gulierung, Einflussnahme durch Gewerkschaften oder technische und ökologische Katastrophen als Erklärungsansatz für konjunkturelle Schwankungen heran. Marxistische Positionen sehen aufgrund der Widersprüchlichkeit des gesamten Wirtschaftssystems Krisen vorpro-grammiert. Keynes hingegen sieht im Fehlen von privaten Investitionen und mangelnder Nachfrage die Ursachen für Konjunkturschwan-kungen. Auch geldpolitische Maßnahmen, wie die Höhe von Kreditzinsen oder psychologische Aspekte, wie das Vertrauen in Wirtschaftsbetriebe oder Gewinnerwartungen wirken sich aus. F\> 2.5.B Konjunkturprognosen In Osterreich werden Wirtschaftsprognosen v. a. durch das Institut für Höhere Studien (IHS), das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und die Oesterreichische Nationalbank vorgenommen. In regelmäßigen Abständen werden die wichtigsten Kenndaten der österreichischen Volkswirtschaft publiziert sowie kurz-, mittel- und langfristige Prognosen erstellt. Europaweit veröffentlicht die Europäische Kommission, international publizieren die OECD und der IWF regelmäßig Prognosen. Staat - Steuern - Budget Wozu Steuern zahlen? Die Steuern sind zu hoch! Der Staat gibt zu viel Geld aus! Wozu überhaupt Steuern zahlen? Warum gibt es Steuerhinterziehung und wieso sind Steueroasen so begehrt? Die Erfüllung staatlicher Aufgaben ist nur durch das Einheben von Steuern möglich. Die Steuereinnahmen dienen der Finanzierung der Infrastruktur oder diverser Dienstleistungen. Öffentliche Krankenhäuser und Schulen inklusive der Bediensteten werden so bezahlt. Bürgerinnen sind gesetzlich dazu verpflichtet, Steuern zu zahlen, ohne dass sie dafür eine unmittelbare Gegenleistung erhalten. Durch die direkten Steuern kommt es zur Verringerung der Löhne, ein gewisser Betrag wird direkt von diesen abgezogen und geht an das Finanzamt. Andererseits führen Steuern zur Verteuerung von Einkäufen, etwa über die Mehrwertsteuer. Über den Umweg der Konsumentinnen heben so die Unternehmen die Steuern ein und übermitteln diese an den Staat - es handelt sich also um indirekte Steuern. Die Steuereinnahmen machen einen Großteil der staatlichen Einnahmen aus. Osterreichweit gibt es über 70 verschiedene Steuern. Wie hoch Steuersätze anzusetzen sind, ist heftig umstritten. Progression versus Flat Tax Bei der Ausgestaltung von konkreten Steuersystemen gibt es zwei unterschiedliche Modelle. Im progressiven Steuermodell gilt der Grund-satz, dass mit zunehmendem Einkommen auch die Steuerbelastung steigt (Leistungsfähigkeitsprinzip). Wer mehr verdient, hat daher auch einen höheren Durchschnittssteuersatz auf seinen Lohn. Bei einem linear progressiven Steuertarif steigt die Steuer daher mit dem Einkom-men. In Osterreich kommt ein progressiver Steuersatz zur Anwen-dung, bei dem es mehrere Stufen gibt, in denen der Steuersatz jeweils gleich bleibt (siehe Abb. 39.1 - Grenzsteuersatz). Ziel dieses Modells ist eine geringere Belastung schlechter Verdienender bei gleichzeitig höheren Beiträgen für besser Verdienende. Es ist steuerpolitische Basis für europäische Wohlfahrtsstaaten. Steuern neu (ab 2023) 55 % über 1 000 000 50 %- 40 % - Steuersatz 10 % bis 11 693 € 41% ab 32 075 € 30991346 20116936 93 120 € 20 SO 60 70 80 90 100 1 000 Einkommen in 1 000 € Abb 39.1: Progressive Besteuerung in Österreich (Daten nach: BMF 2022) Derzeit besteht in Österreich für die ersten 11693 € Jahresbruttoein-kommen Steuerfreiheit. Ab 93120 € liegt der Höchststeuersatz bei 50 %. Das bedeutet, dass jeder zusätzliche Euro ab 93120 € mit 50 % besteuert wird; ab 1 Mio, € sind es dann 55 %, Nächste Seite Volkswirtschaft Österreich Das zuständige Finanzamt ist jenes am Ort des Hauptwohnsitzes der bzw. des Betroffenen. Es ist für die Steuerermittlung, den Steuerbescheid und die Einhebung der Steuern oder auch für Betriebsprü-fungen zuständig. Steuerhinterziehung ist dabei kein Kavaliersdelikt, findet aber trotzdem statt. Das Flat Tax-Modell sieht im Gegensatz zur progressiven Besteuerung einen einheitlichen Steuersatz vor, egal wie hoch das Einkommen ist. Besserverdienende profitieren von einem derartigen Modell. Befürworterinnen sehen durch den einheitlichen Steuertarif eine Vereinfachung der Steuerberechnung und damit einen geringen administrativen Aufwand. Man verspricht sich mehr Investitionen, positive Wachstumsraten und weniger Anreize zur Steuerhinterziehung. Von den Gegnerinnen wird das Modell vor allem hinsichtlich seiner sozialen Wirkung kritisiert, da schlechter Verdienende von den höheren Steuersätzen stärker betroffen sind. Viele osteuropäische Staaten haben im Zuge der Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft das Flat Tax-Modell eingeführt. 2 Estland (20) Lettland (23) Tschech. Republik Ukraine Ungarn \(15) Rumänien Serbien (10) (12) Bulgarien Mazedonien Länder mit Flat Tax 500 1000 km \(10) Steuersatz (in %) Abb. 39.2: Flat Tax (Einkommenssteuer) in Europa mit dem Steuersatz in % (2022) Budgetpolitik: Defizit und Schuldenquote Budgetpolitik ist das Rückgrat jeder Volkswirtschaft. Sie legt fest, welche Einnahmen vorgesehen sind, wie viel Geld für welche Staatsausgaben verplant wird und wie die Finanzierung erfolgen soll. Alle anderen Politikbereiche sind davon unmittelbar betroffen und somit auch abhängig davon. Oft wird das Budget eines Staates mit dem eines privaten Haushalts verglichen. Dieser Vergleich ist allerdings unzulässig, da ein Staat andere Aufgaben zu erfüllen hat als ein Privathaushalt. Bei entsprechender Kreditwürdigkeit eines Staates kann dieser trotz Verschuldung auch nicht bankrottgehen. Weltweit gibt es kaum Staaten, die nicht verschuldet sind. Die wichtigsten Kennziffern zur Fiskalpolitik eines Staates sind der Budgetsaldo (Differenz zwischen Staatseinnahmen und -ausgaben) und die Staatsschuldenquote (Verhältnis des Schuldenstandes eines Staates zum nominalen BIP). Von einem Nulldefizit kann dann gesprochen werden, wenn im Rahmen eines Budgetjahres die Ausgaben und Einnahmen etwa ausgeglichen bilanzieren. 39 Je höher die Defizite, desto größer ist die Zinsen- und Schuldenlast eines Staates, die geleistet werden muss. Die Maastrichtkriterien schreiben für den Euroraum Ziele vor, die das Budgetdefizit bei maximal 3 % und den Schuldenstand bei 60 % des jährlichen BIP festlegen. Wenn aber die Finanzmärkte eine Rückzahlung der Kredite für unglaubwürdig halten und die Kreditwürdigkeit eines Landes herabstufen, kann eine Spirale nach unten zur Zahlungsunfähigkeit und zum Staatsbank-rott führen. Das Thema Staatsverschuldung wird kontrovers diskutiert. Die einen sprechen von einer Investition in die Zukunft, wenn über staatliche Kreditaufnahme in Maßnahmen des Sozial- und Wohlfahrtstaates investiert wird. Die anderen sehen darin genau das Gegenteil, da mit steigender Staatsschuld auf Kosten zukünftiger Generationen gelebt wird. Brutto defizit 683 64.81 80,8 -1,3 Nettodemt Abb. 40.1: Die Entwicklung des Budgetdefizits in Österreich mit mehreren Sparpaketen (Daten nach: Statistik Austria 2021) Die österreichische Budgetpolitik wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch die Vorgaben der EU und neoliberale Ansätze, wie „Weniger Staat, mehr Privat sowie durch Maßnahmen zur Verringerung der öffentlichen Schulden geprägt. 50 % 30 % 30 % LU 70 19 % 10 % 8 % Stimme Stimme über- weils nicht eher nicht zu haupt nicht zu Abb, 40.2: Inwieweit stimmen ÖsterreicherInnen der Aussage zu, dass die EU für die Sparpolitik in Europa verantwortlich ist? (Daten nach: Europäische Kommission 2015) Das führte seit Mitte der 1990er-Jahre zu Sparmaßnahmen und Spar-paketen im Rahmen der Budgetpolitik, die beispielsweise folgende An-derungen brachten: Die Schul- und Studienzeiten werden nicht mehr für die Pensionsbe-rechnung angerechnet, können nun aber nachgekauft werden. Der Bezug der Familienbeihilfe wurde bei Studierenden auf 24 Jahre ge-senkt. Im öffentlichen Dienst sind Stellenkürzungen und Nulllohnrun-den vorgesehen. Pensionsreformen sind vielfältig und beinhalten etwa die Abschaffung von Pensionsformen, Abschläge bei früherem Pensi-onsantritt oder die lebenslange Durchrechnung als Voraussetzung für den Pensionsantritt - jeder Monat zählt dabei entsprechend dem erzielten Einkommen. Im Schulbereich kam es zu Stundenkürzungen und zu Einsparungen bei den Gratisschulbüchern. Die Geburtenbeihil-fe wurde gestrichen. Neue Steuern und Abgaben wurden eingeführt. Die Mitversicherung für Ehepartnerinnen entfällt bei Kinder- und Be-schäftigungslosigkeit. Ein anderes Merkmal dieser Politik war die Privatisierung von Staatsbe-trieben. Dazu wurde die Österreichische Industrieholding AG als ehemaliger Vertreter der verstaatlichten Betriebe mit einem Privatisie-rungsauftrag ausgestattet. Ziel der Privatisierungspolitik war, einen Beitrag zum staatlichen Schuldenabbau zu leisten. Bekannte Beispiele für durchgeführte Voll- oder auch Teilprivatisierungen waren der Verkauf der Böhler-Uddeholm AG, Austria Metall AG (AMAG), Austria Tabak, Österreichische Staatsdruckerei oder der voestalpine AG. Die Verkäufe waren von heftigen Protesten aus Teilen der Politik, von Betriebsräten und Gewerkschaften begleitet. Man spricht vom „Ausverkauf Osterreichs\" und dem Verschleudern von Staatsvermögen, vor allem wenn gewinnbringende Unternehmen privatisiert werden. Privatisierungen gibt es dabei in der Form der Voll-oder Teilprivatisierung. Sie können durch einen Verkauf an ein anderes Unternehmen erfolgen oder über einen Börsengang realisiert werden. Die Erlöse finden dann Eingang in das Budget. Sind dir weitere Beispiele für Privatisierungen bekannt? Steuerideen und Steuertrends der letzten Jahre Infolge der weltweiten Finanzkrise ab 2008 wurden in vielen EU-Staa-ten indirekte Steuern erhöht. Sie waren Teil umfassender Sparpakete in Europa, die besonders öffentlich Bedienstete und sozial schwache Gruppen trafen. Indirekte und direkte Steuern Direkte Steuern sind unmittelbar vom Steuerzahlerlnnen zu entrichten. Dazu zählen Lohn- und Einkommenssteuer sowie Kapitalertragssteuer. Bei einer indirekten Steuer schulden Dritte die Steuer. Sie wird (vom Un-ternehmen) über den Preis von Produkten und Dienstleistungen von den Kundinnen eingehoben. Dazu zählen Umsatz- oder Tabaksteuer. Bankenrettungs- oder Konjunkturpakete und Finanzhilfen - vor allem für die PIIGS-Länder (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien) haben innerhalb der EU-Staaten zu einer durchschnittlichen Staatsverschuldung von 84 % (2016) geführt, seither sinkt sie wieder. Auch Österreich hatte mit einer Schuldenquote von etwa 85 % (2015) den bisher höchsten Schuldenstand in seiner Geschichte erreicht. Steuern können auch zur Konkurrenz zwischen Staaten führen - etwa wenn es darum geht, durch niedrige Körperschaftssteuer Unternehmen anzulocken. In Europa hat sich dieser Wettbewerb verlangsamt: Allerdings hat auch Österreich diese Steuer von ursprünglich 34 % auf 25 % gesenkt und liegt damit im europäischen Mittelfeld. Steuerpara-diese und Steueroasen müssen nicht zwangsläufig in der Karibik und schon gar nicht in der Wüste liegen. Sonstige Abgaben 9,2 Mrd. € Motorbezogene Versicherungssteuer 2,7 Mrd. € Kapitalertragsteuer 3,8 Mrd. € Unrehneuer 33,2 Mrd. € Einkommensteuer Korperschaftsteuer 10 Mrd. € Mineralölsteuer 25 Mroe Lohnsteuer 31,4 Mrd. € Aufkommen der Bruttosteuern 2022 (98,3 Mrd. €) Abb. 41.1: Verteilung der Steuereinnahmen in Österreich 2022 (in Mio. Euro) (Daten nach: BMF 2022) Die Abgabenquote, also der Anteil an Steuern und Sozialabgaben in Bezug auf das BIP, liegt in Österreich über der 40 %-Grenze und zählt damit zu den höchsten in Europa. Ihre Senkung wird vor allem von ArbeitgeberInnen und deren Organisationen gefordert. Damit soll der Faktor Arbeit entlastet werden. Internationale Organisationen wie die OECD und der IWF, aber auch die Europäische Kommission empfehlen zur Gegenfinanzierung die Anhebung von Konsumsteuern bzw. der Grundsteuer. In Österreich werden hingegen zwei andere Vorschläge diskutiert: - Einerseits die Idee einer Wertschöpfungsabgabe und - andererseits die Umsetzung eines ökologischen Steuersystems. Die Finanzierung des österreichischen Sozialsystems erfolgt im Wesentlichen über Beiträge, die sich am Faktor Arbeit, oftmals an der Lohnsumme in einem Unternehmen, orientieren. Die Wertschöpfung in einem Unternehmen geht v.a. mit dem Gewinn weit darüber hin-aus, Diese Wertschöpfung sollte in Form der Wertschöpfungsabgabe die Basis für die Beitragszahlungen ins Sozialsystem sein, sodass es gleichzeitig zur Entlastung des Faktors Arbeit kommen kann. Banken, Versicherungen, die Land- oder etwa Energiewirtschaft würden mit höheren Beiträgen zu rechnen haben. Handel, Industrie und Gewerbe könnten mit Entlastungen rechnen. Die Ökologisierung des Steuersystems würde ebenfalls eine Entlastung des Faktors Arbeit und eine stärkere Belastung des Faktors Energie und Ressourcen zum Ziel haben. Grundidee ist dabei, dass Lohnkosten, Lohnnebenkosten und Lohn- und Einkommenssteuern gesenkt werden. Im Gegenzug würden aber Steuern auf den Energieverbrauch wie die Mineralölsteuer oder Energieabgaben erhöht wer-den. Von einer wirklichen Ökologisierung des Steuersystems kann aber nur dann gesprochen werden, wenn die Einnahmen aus tatsächlichen Ökosteuern auch für ökologische Maßnahmen eingesetzt würden. Diese Zweckbindung von Steuern wird immer wieder im Gesundheitsbereich diskutiert, wo vor allem die Tabak- oder Weinsteuer die Gesundheitsvorsorge hnanzieren sollten. Ansonsten gile: Steuern haben kein \_Mascherl\" und werden zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt. Nächste Seite Volkswirtschaft Österreich Da die Höhe der Mineralölsteuer in Österreich trotz mehrmaliger Anhebung in den letzten Jahren im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten oftmals niedriger war, entstand im grenznahen Raum das Phänomen des Tanktourismus. Aufgrund der hohen Lohn- und Lohnnebenkosten kennt die österreichische Volkswirtschaft auch das Phänomen der Schwarzarbeit. Schätzungen gehen davon aus, dass dadurch in Oster-reich jährlich etwa 20 Mrd. € erwirtschaftet werden, ohne dass dafür Steuern bezahlt werden. Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) Sie ist in den Preisen von Waren und Dienstleistungen enthalten; Normalsteuersatz 20 %; 13 %, 10 % als Ausnahmen bei Lebensmitteln, Bu-cher; Deutschland 19 % bzw. 7 %; Schweden 25 % (bzw. 12 % und 6%); Ungarn 27 % (bzw. 18% und 5 %) Einkommenssteuer (Lohnsteuer) Besteuert die Einkommen der selbstständig und unselbstständig Erwerbstätigen und richtet sich nach der Höhe des Einkommens. Höchststeuer-satz 55 % Kapitalertragssteuer (KEST) Mineralölsteuer (MOST) Tabaksteuer NOVA Steuer auf Kapitalerträge wie Zinsen beim Sparbuch 25 %, auf Aktiengewinne 27,5 % Besteuerung von Mineralölen wie Diesel oder Benzin. Um die 60 %, je nach Art des Mineralöls Tabakwaren; etwa 75 % vom Verkaufspreis Normverbrauchsabgabe; Neukauf von Fahr-zeugen; Formel für die Berechnung, die vom Verbrauch und den Emissionen abhängt; bis max. 32 % Motorbezogene An die Haftpflichtversicherung gekoppelt; Versicherungssteuer abhängig von der Leistung des Fahrzeuges „Kfz-Steuer\" Grunderwerbssteuer Grundsteuer 3,5 % beim Erwerb von Grundstücken und Immobilien; Bemessungsgrundlage Kaufwert Auf inländischen Grundbesitz; Satz wird von den Gemeinden festgelegt Vermögenssteuer Ehemalige Erbschafts- und Schenkungssteuer: in Österreich ist Vermögen kaum besteuert Flugticketsteuer 3,50 € für Kurzstrecke; 7,50 € für Mittelstrecke: 17,50 € für Langstrecke Abb. 41.2: Ausgewählte Steuern in Österreich (Stand: 2018)

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