Differenzieren: Schule. PDF
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This document analyzes the role of schools as social institutions in creating and managing differences. It focuses on formal rules and norms within a societal structure, exploring examples of how these rules lead to disparities and inequalities within social groups.
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3 Schule: Institutionelle Herstellung und...
3 Schule: Institutionelle Herstellung und Bearbeitung von Differenzen In diesem Abschnitt soll die Schule in ihrem Verständnis als gesell- schaftliche Institution betrachtet werden. Die formalen Regeln, die sie wurde mit IP-Adresse 2001:07C0:2900:B084:0000:0000:0000:0073 aus dem Netz der UB Mannheim am Dezember 12, 2024 um 12:55:32 (UTC) heruntergeladen. kennzeichnen, werden hierbei fokussiert; dabei wird auf die theoreti- schen Ausführungen des vorangegangenen Kapitels zurückgegriffen. Im Zentrum stehen jene formalen Regeln, die Differenzen resp. Diffe- renzkonstruktionen und damit verbundene Ungleichheit und Benach- teiligungen sozialer Gruppen hervorrufen bzw. beinhalten. Mit dieser Zielsetzung gestaltet sich das Kapitel an dem folgenden 3 Schule: Institutionelle Herstellung und Bearbeitung von Differenzen, 9783825260002, 2024 Aufbau: In einem ersten Abschnitt werden die gesamtgesellschaft lichen Aufgaben von Schule erläutert (siehe Kapitel 3.1). Anschlie- Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig. ßend wird die historische Herausbildung jener Normen und (Entschei- dungs-)Erwartungen, die sich z. T. auch in Strukturen ausdrücken, beschrieben, die heute einen wesentlichen Teil der Konstruktion, also der Hervorbringung und Bearbeitung, von Differenz in der Schule in Deutschland ausmachen (siehe Kapitel 3.2). In einem dritten Ab- schnitt wird die Bedeutung formaler Regeln der Schule für die Un- terrichtsgestaltung am Beispiel der Notengebung konkretisiert und illustriert (siehe Kapitel 3.3). 3.1 Aufgaben der Schule in der und für die Gesellschaft Die Schule übernimmt als gesellschaftliche Institution zwei zentrale Reproduktion und Aufgaben: die Reproduktion und die Innovation. Die Heranführung Innovation der je nachwachsenden Generation an das gesellschaftliche Wissen, an die gesellschaftlichen Fähigkeiten und ihre Werte sowie die Ein- führung darin sind notwendig, um die Gesellschaft in ihrer bestehen- den Form zu reproduzieren. „Innovation“ verweist auf die Weiterent- wicklung und Verbesserung der Gesellschaft (Fend 2008, 49). Helmut Fend konkretisiert diese Aufgaben innerhalb seines strukturfunktiona- listischen Ansatzes in den vier Funktionen: z Enkulturation oder Bildung z Qualifikation 40 Schule: Institutionelle Herstellung und Bearbeitung von Differenzen z Allokation und Selektion z Legitimation oder Integration Die Funktionen können analytisch voneinander getrennt werden, sie fungieren jedoch im Zusammenhang und stehen im Widerspruch zu einander (Braun / Wetzel 2001; Fend 2008, 49 ff.). Je nach sozialem und historischem Zusammenhang können die Funktionen anders ge- füllt werden. Unter den gegebenen gesellschaftlichen Rahmenbedin- wurde mit IP-Adresse 2001:07C0:2900:B084:0000:0000:0000:0073 aus dem Netz der UB Mannheim am Dezember 12, 2024 um 12:55:32 (UTC) heruntergeladen. gungen einer zugleich kapitalistischen und demokratischen Gesell- schaft stehen die vier Funktionen im Widerspruch zueinander (Braun / Wetzel 2001, 375 f.; Rihm 2006, 398 f.). Enkulturation Die generationelle Weitergabe kultureller Sinnsysteme wird als „Enkulturation“ bezeichnet. Die kulturellen Errungenschaften um- fassen jene kulturellen Symbolsysteme, die zur Verständigung über 3 Schule: Institutionelle Herstellung und Bearbeitung von Differenzen, 9783825260002, 2024 materielle und soziale Sachverhalte von Menschen entwickelt und generiert wurden und im Alltag Anwendung finden. Hierzu zählt bei- Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig. spielsweise die Sprache. Zu den grundlegenden kulturellen Fertig- keiten und Verständigungsformen zählt auch eine kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen in demokratisch- kapitalistischen Gesellschaften (Braun / Wetzel 2001, 377). Qualifikation Die Qualifikationsfunktion beinhaltet das Ziel, der nachwachsenden Generation entsprechende Kompetenzen zu vermitteln, um am ökonomi schen Arbeitsprozess teilhaben zu können. Die hierzu notwendigen Fähig- keiten, Fertigkeiten, Erfahrungen, Erkenntnisse wie auch Bereitschaften sind gleichermaßen auf den allgemeinen, gesamtgesellschaftlichen Ar- beitsprozess gerichtet und auf den individuellen Reproduktionsprozess, sich versorgen zu können. Neben fachlichen Qualifikationen vermittelt die Schule auch extrafunktionale wie Teamfähigkeit, Kooperations bereitschaft und Flexibilität (Braun / Wetzel 2001, 376). Die Qualifikationsfunktion ist an dem Ziel orientiert, die wirt- schaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Als solche hat sie eine Bedeutung im Konkurrenz- kampf mit anderen Wirtschaftsstandorten (Fend 2008, 50). Allokation Die Allokationsfunktion verweist auf gesellschaftliche Positions verteilungen, orientiert am Leistungsprinzip. Leistung wird in Schul- noten ausgedrückt, die individuell zugeschrieben werden. Die Noten werden in Zeugnissen und Bildungszertifikaten zusammengeführt, die ihrerseits unterschiedliche Übertrittsmöglichkeiten in (schulische) Bildungs- und Ausbildungsgänge sowie auf den Arbeitsmarkt eröff- nen bzw. verschließen. Die Schule reproduziert die gesellschaftliche Struktur durch die Zuweisung zu Bildungs- und Berufspositionen, Aufgaben der Schule in der und für die Gesellschaft 41 die unterschiedliche Formen der Qualifikation erfordern. Mittels der Ausstellung unterschiedlicher Bildungszertifikate unterstützt und legitimiert die Schule diese Prozesse, die Ausdruck von Selektion sind (Braun / Wetzel 2001, 376). Die Legitimationsfunktion, die zuweilen auch als „Integrations- Legitimation funktion“ bezeichnet wird, fokussiert weniger den Arbeitsmarkt und damit das zukünftige Sein der Kinder und Jugendlichen als Wirtschaftsbürger:innen, sondern die politische Konstitution der Ge- wurde mit IP-Adresse 2001:07C0:2900:B084:0000:0000:0000:0073 aus dem Netz der UB Mannheim am Dezember 12, 2024 um 12:55:32 (UTC) heruntergeladen. sellschaft und die Loyalität ihr gegenüber. In demokratisch organisier- ten Gesellschaften ist die politische Praxis auf eine außerparlamentari- sche Anerkennung ihrer Entscheidungen angewiesen. Dies beinhaltet auch, Formen der Ungerechtigkeit zu akzeptieren, die innerhalb der Gesellschaft (re)produziert werden. Die Schule hat die Aufgabe, die Einsicht zu vermitteln, dass po- 3 Schule: Institutionelle Herstellung und Bearbeitung von Differenzen, 9783825260002, 2024 litisch-gesellschaftliche Entscheidungen und Entscheidungsvorgän- ge legitim sind. Gleichzeitig ist es in einer demokratischen Ordnung Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig. das Ziel, alternative Vorstellungen und Partizipationsmöglichkeiten aufzuzeigen. Diese Forderung betrifft nicht nur den Politik- und Ge- schichtsunterricht, in denen über diese Inhalte gesprochen wird, son- dern auch die Gestaltung des sozialen Miteinanders (Braun / Wetzel 2001, 376 f.). Die Schule als Organisation ist – entlang ihrer gesellschaftlichen struktureller Funktionen – in einen strukturellen Zielkonflikt eingebunden. Insbe Zielkonflikt sondere die Bildungs- und die Selektionsfunktion gelangen häufig in Widerspruch zueinander. In Bezug auf die Frage der Bearbeitung von Differenzen zeigt sich dies darin, dass die Schule zugleich Un- terschiede zwischen Schüler:innen ausgleichen und herstellen soll. Dieser strukturelle Zielkonflikt ist konstitutiv für die Schule (Rihm 2006, 399). Diese – strukturfunktionalistische – Beschreibung schulischer Aufgaben ist eine, die in der Schulpädagogik eine „kanonische Re- ferenz“ (Breidenstein 2018 a, 313) darstellt, also in (nahezu) allen erziehungswissenschaftlichen Abhandlungen zur Schule aufgerufen wird. Kritisiert wird an dem Ansatz u. a., dass Selektion als „‚ge- sellschaftlich erforderlich‘ externalisiert“ (Breidenstein 2018 a, 313) – nach außen verlagert und durch schulische Akteur:innen nicht zu ändern – wird und das Versprechen von Gerechtigkeit durch indivi- duelle Leistung so stützt. Wenngleich sie nicht die einzige ist, wie jüngere Ausführungen zur Praxeologischen Wissenssoziologie und der Ethnographie zeigen (vgl. z. B. Bohnsack 2020; Sturm 2023; Wagener 2020; Zaborowski / Breidenstein 2010). Auch internationa- 42 Schule: Institutionelle Herstellung und Bearbeitung von Differenzen le Vergleiche zeigen, dass die Normen und (Entscheidungs-)Erwar- tungen, die in formalen schulischen Dokumenten formuliert sind, sich unterscheiden. Selektion – die im Rahmen deutscher Schulge- setze – vielfach mit unterschiedlichen (natürlichen) Begabungen der Schüler:innen begründet wird, findet sich in Schulgesetzen anderer Länder nicht (vgl. Sturm 2024). Vor diesem Hintergrund lassen sich die dargelegten Aufgaben von Schule des strukturfunktionalisti- schen Ansatzes als eine theoretische Perspektive verstehen, nicht wurde mit IP-Adresse 2001:07C0:2900:B084:0000:0000:0000:0073 aus dem Netz der UB Mannheim am Dezember 12, 2024 um 12:55:32 (UTC) heruntergeladen. aber als einzige. 3.2 Differenzkonstruktionen durch die Schule im Wandel der Zeit 3 Schule: Institutionelle Herstellung und Bearbeitung von Differenzen, 9783825260002, 2024 Wie ein roter Faden zieht sich die Frage nach der Bearbeitung von Differenz durch die Geschichte der Schule in Deutschland bzw. den Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig. deutschsprachigen Ländern und ihren formal rechtlichen Rahmun- gen. Die Differenzkonstruktionen liegen im Widerstreit zwischen der Sicherung und dem Abbau von Privilegien sowie im Zugang und der Partizipation an schulischen Bildungsmöglichkeiten (Herrlitz et al. 2009, 15). Die heute vorzufindenden formalen Regeln haben sich in historischen Auseinandersetzungen herausgebildet. Diesen soll hier nachgegangen werden, indem ein Blick in die Geschichte des bundes- deutschen Schulwesens geworfen wird. Die Darstellungen, die hier ohne Details auskommen müssen, fo- kussieren die Bearbeitungs- und Herstellungsformen von Differen- zen sowie die leitenden Erklärungen für die Letztgenannten. In der Darstellung sollen drei zeitliche Schwerpunkte gesetzt werden: die Zeit der Herausbildung des Leistungsprinzips als Zugang zu Bildung (siehe Kapitel 3.2.1), die Entwicklungen seit der Mitte des 20. Jahr- hunderts (siehe Kapitel 3.2.2) sowie aktuelle Entwicklungen seit der Jahrtausendwende (siehe Kapitel 3.2.3). 3.2.1 Umbruch: Lösung vom Ständeprinzip und Einführung des Leistungsprinzips gesellschaftliche Die Entwicklung und Gestaltung des öffentlichen Schulwesens in Modernisierungs- der Bundesrepublik Deutschland, wie wir es heute kennen, geht we- prozesse sentlich auf die gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse des 18. und 19. Jahrhunderts in Preußen und später in Deutschland zurück. Die Industrialisierung und die Ablösung der ständischen Gesell- Differenzkonstruktionen durch die Schule im Wandel der Zeit 43 schaft zugunsten einer kapitalistisch-bürgerlichen, in der die Men- schen sich als freie und gleichberechtigte Bürger (zu Beginn waren es tatsächlich nur Männer) treffen, führte zu umfassenden Reformen im Bildungsbereich. Zentrale Merkmale des Umbruchs waren die Durchsetzung einer allgemeinen Schul- bzw. Unterrichtspflicht, die Verankerung eines Berechtigungswesens, die den Zugang zu Bil- dungsinstitutionen und Bildungsgängen reglementierte, und die Ein- führung des Leistungsprinzips (Ackeren / Klemm / Kühn 2015, 13). wurde mit IP-Adresse 2001:07C0:2900:B084:0000:0000:0000:0073 aus dem Netz der UB Mannheim am Dezember 12, 2024 um 12:55:32 (UTC) heruntergeladen. Diese Leitgedanken wurden nicht unmittelbar und stringent umge- setzt, sondern blieben zunächst – im Zuge politisch-gesellschaftli- cher Auseinandersetzungen – Orientierungspunkte. Dies kommt in der zentralen Unterscheidung zwischen höherer und niederer Bil- dung zum Ausdruck: Beide verfolgen je verschiedene Bildungsziele und eröffnen verschiedene anschließende Bildungsgänge und / oder 3 Schule: Institutionelle Herstellung und Bearbeitung von Differenzen, 9783825260002, 2024 Berufspositionen. Obwohl die allgemeine Schulpflicht in Preußen bereits Ende des allgemeine Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig. 18. Jahrhunderts ausgerufen wurde, setzte sie sich erst wesentlich Schulpflicht später flächendeckend durch. So lag die Schulbesuchsquote 1846 in Preußen erst bei 82 % der Schüler:innen (Herrlitz et al. 2009, 50 f.). Die Leistungsorientierung der Gesellschaft greift den gesellschaft Leistungs lichen Emanzipationsprozess der Ständegesellschaft auf. Während in orientierung letztgenannter per Geburt die (beruflichen) Lebenschancen und ge- sellschaftlichen Positionen vorgegeben und die tatsächlich erbrach- te Leistungen nachgeordnet waren, löste das Leistungsprinzip diese Perspektive ab. Leistung wurde damit zum Verteilungsprinzip (Sacher 2004, 15) und das Leistungsprinzip löste jenes der Standeszugehörig- keit im Zugang zu höherer Bildung ab (Ackeren / Klemm / Kühn, 2015 13). Hierin drückt sich auf staatlicher Ebene eine Homogenisierung aus: Die Gleichheitsannahme eines jeden sollte durch Gleichbehand lung erreicht werden (Wenning 1999, 197). Das einst emanzipatorische Moment des Leistungsprinzips verlor Abgrenzung im 19. Jahrhundert insofern an Bedeutung, als die vormals dem Adel zugestandenen Privilegien nun zwar mit dem Bürgertum geteilt, je- doch gleichzeitig zur Abgrenzung gegenüber dem Proletariat herange- zogen wurden. Die Sicherung von Privilegien im Zugang zu höherer Bildung erfolgte wesentlich entlang der zentralen Bedeutung, die der Sprache im Kontext von Bildungs- und Lernprozessen beigemessen wurde (Sacher 2004, 16). Aspekte, die auch heute noch, wie im vierten Kapitel detailliert ausgeführt wird, von elementarer Bedeutung sind, wenn es um Benachteiligungen im Kontext schulisch-unterrichtlicher Lern- und Bildungsmöglichkeiten geht. 44 Schule: Institutionelle Herstellung und Bearbeitung von Differenzen Von den Reformen, die im Zuge der Ablösung der ständischen durch eine bürgerliche Gesellschaft im Bereich der Bildung vollzogen wurden, profitierte v. a. die Beamtenschaft, also das Bildungsbürger- tum. Diesem gelang es, jene Bildungsprivilegien für sich zu sichern und zu stärken, die zuvor nur den Adeligen und Feudalherren offen- standen. Zugleich fand eine Abgrenzung gegenüber dem sich neu ent- wickelnden Wirtschaftsbürgertum statt und die doppelte Abgrenzung gegenüber der Volksbildung wurde gestärkt. Es entwickelte sich ein wurde mit IP-Adresse 2001:07C0:2900:B084:0000:0000:0000:0073 aus dem Netz der UB Mannheim am Dezember 12, 2024 um 12:55:32 (UTC) heruntergeladen. höheres und ein niederes Schulwesen, später kam ein mittleres Schul- wesen hinzu (Herrlitz et al. 2009, 43). Berechtigungs Die höhere Bildung, die an Gymnasien zu erwerben und dem Ge- wesen danken der Allgemeinbildung verpflichtet war, folgte den Ideen des Neuhumanismus, in denen Pädagogik und Politik eng miteinander verknüpft und mit der Staatsfunktion gekoppelt waren. Die zukünf- 3 Schule: Institutionelle Herstellung und Bearbeitung von Differenzen, 9783825260002, 2024 tigen Staatsbeamten wurden an den Universitäten, die eine gymna siale Bildung voraussetzten, ausgebildet. Es setzte sich ein „Berechti- Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig. gungswesen“ durch, Vorläufer des heutigen Abiturs, das den Zugang über die Universität in den Staatsdienst eröffnete. Zunächst mussten nur diejenigen eine Prüfung als Zulassungsvoraussetzung ablegen, die ein Studium nicht mit familiärem Kapital finanzieren konnten, also Kinder ärmerer Bevölkerungsschichten. Sie waren auf ein Stipendium angewiesen. Jugendliche, deren Familien für das Studium aus eigenen Mitteln aufkommen konnten, mussten sich keinerlei Prüfungen unter- ziehen (Ackeren / Klemm / Kühn 2015, 16 f.). niedere und höhere Konträr zu dem Prinzip gymnasialer Bildung steht das der Volks Bildung bildung, das sich neben Grundlagen in den Kulturtechniken – Lesen, Schreiben und Rechnen – an religiösen Aspekten orientierte. Das In- teresse an der Volksbildung war v. a. ein politisches. Die Legitima tion der gesellschaftlichen und sozialen Ordnung und die Loyalität ihr gegenüber sollte über alle Bevölkerungsschichten hinweg ge- sichert sein. Der Beitrag der Volksschule lag darin, diese Loyalität in den bäuerlichen und Arbeiter:innenmilieus zu sichern. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Volksschule als Herrschaftsmittel gegen die erstarkende sozialdemokratische Bewegung eingesetzt (deren Zie- le sich auch auf einen gleichberechtigten Zugang zu höherer Bildung bezogen), indem in der Schule gegen die sozialdemokratischen Ideen gearbeitet wurde (Herrlitz et al. 2009, 111 ff.). Realschulgründung Mit der Realschulgründung setzte sich das wirtschaftliche Bür- gertum damit durch, höhere Bildungsmöglichkeiten für diejenigen Schüler:innen zu schaffen, deren Ziel nicht die Arbeit im Staatsdienst ist, sondern in der Wirtschaft. Die Realschulgründungen erfolgten Differenzkonstruktionen durch die Schule im Wandel der Zeit 45 Ende des 19. Jahrhunderts und sind als Ausdruck gesellschaftlicher Auseinandersetzungen im Zugang zu höherer Bildung zu verstehen (Herrlitz et al. 2009, 108 ff.). Die Unterscheidung zwischen höherer und niederer Bildung trennte Menschen unterschiedlicher sozio-ökonomischer Milieus voneinander. Separation erfolgte darüber hinaus entlang der Differenzdimensionen Geschlecht und Behinderung. Letztgenannte wurden zuschreibend entlang biologischer Merkmale vorgenommen und begründet. Die wurde mit IP-Adresse 2001:07C0:2900:B084:0000:0000:0000:0073 aus dem Netz der UB Mannheim am Dezember 12, 2024 um 12:55:32 (UTC) heruntergeladen. Argumentationen für gender- und behinderungsbezogene Separation geben Hinweise auf die leitenden und sich gegenüber anderen Positi- onen durchsetzenden Differenzkonzeptionen. Koedukation: Die Frage nach Koedukation, also der gemeinsamen geschlechts- Beschulung von Mädchen und Jungen, in Preußen und schließlich spezifische 3 Schule: Institutionelle Herstellung und Bearbeitung von Differenzen, 9783825260002, 2024 Rollenvorstellungen