Business Ethics I WS2024/25 - PDF
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2024
Prof. Dr. Thomas Schwartz
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This document is lecture notes for a Business Ethics I course, likely for Bachelor students. The document delves into foundational ethics concepts and their application to business and organizational contexts. It addresses topics like ethical decision-making, corporate responsibility, and the ethical implications of business interactions. The document is not a past exam paper but rather course notes.
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Business Ethics I: „Einführung in die Wirtschafts- und Unternehmensethik“ Prof. Dr. Thomas Schwartz Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation Vorlesung für Bachelorstudierende Business Ethics Worum geht es eigentlich?...
Business Ethics I: „Einführung in die Wirtschafts- und Unternehmensethik“ Prof. Dr. Thomas Schwartz Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation Vorlesung für Bachelorstudierende Business Ethics Worum geht es eigentlich? Robinson Crusoe Das Problem der Knappheit als Ausgangspunkt wirtschaftlicher Rationalität. 2 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation Business Ethics Worum geht es eigentlich? Freitag erscheint auf der Bühne Das Problem der Interaktion bei gegebener Knappheit als Ausgangspunkt des wirtschaftsethischen Diskurses: Die Frage der Gerechtigkeit 3 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation Business Ethics Worum geht es eigentlich? 4 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation Business Ethics Worum geht es eigentlich? Wie wollen wir spielen? Recht, bestimmte Selbstbestimmung Handlungen ausüben zu Selbstbestimmung können Was soll ich tun? Was kann ich? Was will ich? Im Sinne des Fairplays ist es In den offiziellen Spielregeln ist Die Spieler der gegnerischen Gewohnheit bei einem kein Fairplay verankert. Es war ein Mannschaft hatten darauf vertraut, Schiedsrichterball, dass die reguläres Tor. dass sich alle Spieler an diesem Mannschaft, in deren Spielverständnis orientieren. „Gefahrenbereich“ der Ball ausgeführt wird, den Ball der angreifenden Mannschaft in einen „[..] vernünftig ist, seine Handlungen, einerseits vom reflektierten für sie selbst ungefährlichen Wollen, andererseits von den Möglichkeiten des Könnens her zu Bereich spielt, ohne weiter bestimmen.“ einzugreifen. (Vgl. Suchanek, 2014) Der Torschütze hat die Freiheitsräume zu seinen Gunsten genutzt, dabei aber legitime Vertrauenserwartung enttäuscht 5 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation Business Ethics Gliederung der Veranstaltung Grundlagen der Ethik: I Ethikkonzeptionen Grundlagen der Wirtschafts- und Unternehmensethik (WUE): II Konzeptionen der WUE Corporate Responsibility: III Instrumentalisierung der WUE oder Unternehmensverantwortung 2.0? 6 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation Grundlagen der Ethik Grundlagen der WUE - Konzeptionen Agenda Corporate Responsibility – die unternehmerische Verantwortung I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Was ist Ethik? - oder: Von Sollen und Müssen? Die ethische Grundfrage: „Was soll ich tun?“ Bei der Beantwortung dieser Frage ist festzustellen, dass häufig der Maßstab zur Bewertung fehlt, was sinnvoll, richtig und gerade zweckmäßig ist. Außerdem: Für wen ist etwas sinnvoll? Für wen richtig und zweckmäßig? Ethik fragt allerdings nicht nur nach „richtig“ und „falsch“, „sinnvoll“ und „zweckmäßig“, sondern sucht nach stärkeren Urteilen: nach „gut“ und „böse“. 8 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Was ist Ethik? „Ethik“ ist ein Teilbereich der Philosophie, sie wird verstanden als: „Vernünftige Rede über das menschliche Handeln“ Die Ethik bemüht sich, Aussagen über das gute und gerechte Handeln des Menschen zu machen. Ethik erklärt, wie der Mensch handeln soll, untersucht Motive, Methoden und Folgen des Handelns. Das erste Prinzip der Ethik lautet dabei, dass das Gute zu tun und das Schlechte zu meiden sei. Ethik findet in der Differenz zwischen Sollen und Haben, zwischen dem, was sein soll, und dem, was ist, statt. Also zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Ziel ist es, die Diskrepanz zwischen Ideal und Tatsächlichkeit zu reduzieren. Sie ist als solches zu unterscheiden vom Begriff des „Ethos“ bzw. der „Moral“: „Ethik verhält sich zur Moral wie Lehre zu Handeln„ (Bauer, 1992, S.5) Moral ist die Summe aller gesellschaftlicher Normenbildung und Wertemuster, d.h. ethische bzw. sittliche Einstellung und Lebenshaltung eines einzelnen oder einer Gemeinschaft (bspw. Berufsethos, Arbeitsmoral, Standesethos, Beamtenethos usw.). 9 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Objekt der Ethik – menschliche Handlungen Menschliche Handlungen werden in der klassischen Ethik unterteilt in: Technische Tätigkeiten § Fenster öffnen § Tür schließen Vegetative Vollzüge § Atmen § Blinzeln „Echt“ menschliche = „sittliche“ Handlungen § Frei § Mit Wille und § Vernunft vollzogen § Zielorientiert 10 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Legitimität der Ethik – die Vernunftbegabung Aber was heißt „vernünftig“? Menschliches Handeln muss sich stets begründen lassen (Rationalitätspostulat). Das geschieht durch unsere Vernunft (Ratio): Sie bezeichnet jene Fähigkeit im Menschen, die ihn in die Lage versetzt, sich seiner selbst, seiner Umwelt und der Beziehung zwischen sich selbst und der Umwelt bewusst zu sein. Aus der Fähigkeit des Menschen, über sein Handeln zu reflektieren, ergibt sich die Pflicht zur Verantwortung. 11 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Forderung der Ethik: Verantwortung Verantwortung ist… 1.) die Bereitschaft, Aufgaben zur Verantwortung Durchführung von Handlungen zu übernehmen. 2.) sich die Folgen dieser Handlungen an- und zurechnen zu lassen. § Aus den zentralen ethischen Forderungen vor für nach „Verantwortung“ speist sich auch die Notwendigkeit zur Entscheidung in Konfliktsituationen (Dilemmata). Instanz von Konsequenzen Öffentlichkeit Taten § Ethik lässt sich also als Handlungs-, Situations- Gewissen Unterlassungen und Entscheidungslogik begreifen, die ihren Psyche Subjekt Entscheidungen Ursprung in Konfliktsituationen findet. Gericht Gruppe Handeln/Verhalten Prinzipien Individuum Gott Unternehmen Gott „Verantwortung besteht darin, die berechtigte Erwartung anderer nicht zu enttäuschen.“ Vgl. Suchanek, A. 12 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Das Trolley - Problem Das „Trolley-Problem“ Darf man, um das Leben der anderen zu retten, den Tod einer Person in Kauf nehmen? Aufgrund des strikten Tötungsverbots kommt es in der deontologischen Ethik zu einer Dilemmasituation. Nach dem utilitaristischen Ansatz kann die Tötung von fünf Personen als schwerwiegender betrachtet werden. Die Tugendethik kann eine Unterstützung darstellen. 13 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Ausgewählte Grundbegriffe der Ethik I Tugendethik Was kann ich mit meinen Fähigkeiten in einer bestimmen Situation tun? Beispiel: § Vorbild durch Best Practice innerhalb der eigenen Industrie d eln kt nd Su es bje Ha Struktur des Re für F verantwortlich ch ol en Handelns2 tfe g e rti n gu Rechtfertigung vor ng Instanzen (Werten) Deontologische Utilitaristische Ethik Ethik Welche Pflichten/ Welcher Nutzen/Schaden Vorgaben soll ich folgt aus meinem Beispiel: erfüllen? Beispiel: Handeln? § Erste Formel des Kategorischen Imperativs: „Handle § Ganzheitliches nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich Risikomanagement. Risiko für wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. Stakeholder reduzieren § UN Global Compact, Sullivan Principles 14 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Ausgewählte Grundbegriffe der Ethik I Deontologische Ethik Die Handlungsfolgen in der deontologischen Ethik spielen eine nachrangige Rolle, zentral sind Handlungsabsicht und Intention. Die Pflicht Immanuel Kant (1724-1804) Unter Pflicht versteht man ein Tun oder Lassen, Setzt Pflicht als Grundbegriff der Ethik ein: das als solches geboten erscheint und im Kant versteht darunter das den sittlichen Willen Pflichtbewusstsein als ein Sollen erfasst wird, d.h. bewegende Element einer Handlung, das allein als eine innere Forderung, diejenigen Aufgaben zu dieser ihren sittlichen Wert gibt und in der Achtung erfüllen, die der Mensch an sich selbst, die die vor dem Sittengesetz und in der Unterwerfung unter Gemeinschaft an den Einzelnen oder eine dieses Gesetz besteht. transzendente Instanz (Gott) an ihn stellt. 15 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Ausgewählte Grundbegriffe der Ethik II Utilitaristische Ethik Hierbei werden ausschließlich die Handlungsfolgen betrachtet, ohne dabei der Intention des Handelnden einen Wert beizumessen. Das Glück Jeremy Bentham (1748-1832) Beim Utilitarismus wird menschliches Handeln Stellt als Begründung seines Postulats das „größte danach bewertet, welche nützlichen Folgen es Glück der größten Zahl“ als Leitlinie des hat. Aristoteles (Nikomachische Ethik) definiert Utilitarismus dar: allgemeines Glück als das höchste zu erreichende „Die Natur hat die Menschheit unter die Herrschaft Gut. zweier souveräner Gebieter – Leid und Freude – Alle moralische Handlungen sind als gut zu gestellt. Es ist an ihnen allein, aufzuzeigen, was wir bewerten, die das Glück derjenigen zur Folge tun sollen, wie auch zu bestimmen, was wir tun haben, deren Interesse durch das Handeln tangiert werden. Sowohl der Maßstab für Richtig und Falsch wird. als auch die Kette der Ursachen und Wirkungen sind an ihrem Thron festgemacht.“ („Principles of Moral and Legislation“) 16 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Ausgewählte Grundbegriffe der Ethik III Tu g e n d e t h i k Verantwortungs- bzw. Ethikfähigkeit des handelnden Subjekts, als Voraussetzung für ein glückliches und erfolgreiches Leben. die „Tugend“ Unter einer Tugend versteht man eine erworbene Im Bereich der Ethik bezeichnen die Tugenden die Charakterdisposition, d.h. jede erworbene Bereitschaft und die Fähigkeit des Menschen zur Eigenschaft bzw. Fertigkeit, durch die eine Person Verwirklichung sittlicher Werte in Gesinnung und zur Vortrefflichkeit gelangt. Handlung. Der tugendhafte Mensch ist einer, der ohne Anstrengung, spontan, schnell und gerne das Richtige tut und damit sittlich gut wird. Dabei unterscheidet man verschiedene Typen bzw. Gruppen von Tugenden. Beispiele: Beispiele: Klavier spielen, Handwerk, etc. Kardinaltugenden: Klugheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit, Maß 17 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Ausgewählte Grundbegriffe der Ethik IV Zentraler Begriff: die „Norm“ Normen (von lat. „norma“ = Winkelmaß, Richtschnur, Regel) sind handlungsbezogene präskriptive Setzungen, die sich mit einem Verbindlichkeitsanspruch geltend machen, der es ermöglicht, menschliches Verhalten nach seiner Wünschbarkeit oder Zulässigkeit zu bewerten. Bedeutung des Normbegriffs: § Verständigung und Begriffsregelungen (z.B. Sprache, Grammatik) § Gesellschaftlich-politische Ordnungsformen (z.B. Verfassungen, Gesetze, Verordnungen, Vorschriften) § Technische Standardisierungen (z.B. DIN) § Ökonomische Rahmen- und Funktionsstrukturen (Wirtschaftsordnungen, Unternehmensverfassungen, ökonomische Steuerungsinstrumente) § Ästhetische Kanones und Ausdrucksrichtungen (Moden, Kunststile usw.) 18 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Ausgewählte Grundbegriffe der Ethik IV Zentraler Begriff: die „Norm“ § Normen sind keine Naturtatbestände, sondern spezifische Hervorbringungen des Menschen, Manifestationen seiner kulturellen Evolution (Mensch als Rule Maker). § Zwar ist der Mensch für sein Handeln immer schon auf Normen angewiesen. Andererseits ist er aber auch in einem vorgängigen Sinn stets deren Schöpfer. § Er ist zugleich Normproduzent und Normadressat: Zu beiden Bezügen korrespondiert eine differenzierte Verantwortungshaltung. Als Normproduzent ist der Mensch Als Normadressat ist der Mensch aufgefordert zu: aufgefordert zu: § kritischer Vertiefung § Anerkennung § Veränderung § Zustimmung § Neugestaltung § Gehorsam § Kreativität Gehorsamsverantwortung Gestaltungsverantwortung 19 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Ausgewählte Grundbegriffe der Ethik IV „Goldene Regel“ in den Weltreligionen als Beispiel für einen reiterativen (= immer wiederkehrenden) Universalismus Buddhismus „Ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für mich ist, soll es auch nicht für ihn sein; und ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für mich ist, wie kann ich ihn einem anderen zumuten?“ Konfuzianismus „Was du selbst nicht wünschst, das tue auch nicht anderen Menschen an.“ Hinduismus „Man sollte sich gegenüber anderen nicht in einer Weise benehmen, die für einen selbst unangenehm ist; das ist das Wesen der Moral.“ Islam „Keiner von euch ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder wünscht, was er sich selber wünscht.“ Jainismus „Gleichgültig gegenüber weltlichen Dingen sollte der Mensch wandeln und alle Geschöpfe in der Welt behandeln, wie er selbst behandelt sein möchte.“ Judentum „Tue nicht anderen, was du nicht willst, dass sie dir tun.“ 20 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Ausgewählte Grundbegriffe der Ethik V Ethik der Gerechtigkeit Sicherung des Anspruchs aller auf selbstbestimmte Lebensführung bzw. authentische Führung ihres guten Lebens aus Gründen der gleichen Würde aller. Angesichts der legitimen Pluralität authentischer Lebensentwürfe ist die Alteritätsverträglichkeit jener Bestandteile authentischer Lebensführung zu prüfen, die Auswirkungen auf die Lebensführung anderer haben Konzentration auf den Ausschluss jener Handlungen, die die Lebensführung anderer einseitig einschränken und beschädigen Imperativ der Gerechtigkeit: „Führe Dein Leben so, dass andere in ihrer eigenen selbstbestimmten Lebensführung nicht ungebührlich eingeschränkt bzw. beschädigt werden.“ 21 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Ausgewählte Grundbegriffe der Ethik VI Materiale Ethik Aufweis konkreter Inhalte des guten Lebens oder des gerechten Handelns Angabe von Werthierarchien, geschichtlich gewachsenen Normen usw. Formale Ethik Verzicht auf konkrete Handlungsvorschläge Angabe von formalen Prinzipien (‚Imperativen‘), mit deren Hilfe konkrete Handlungsvorschläge, Handlungsnormen usw. auf ihre moralische Legitimität geprüft werden können 22 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Zweck der Ethik – „Die VERNÜNFTIGE Rede“? Damit werden diejenigen Handlungselemente bezeichnet, Die Quellen der die für die sittliche Qualifizierung einer Handlung Moralität (klassisch: maßgebend sind, d.h. aus denen sich ihre ethische Fontes Moralitatis): Beurteilung (= vernünftige Rede) speist. Klassisch unterscheidet man drei „Fontes Moralitatis“: I Das Objekt (Finis Operis) II Die Umstände (Circumstantiae) III Das Ziel/der Zweck (Finis Operantis) 23 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Quellen der Moralität: (1) Finis Operis – das Objekt Das Objekt oder „Finis Operis“ (klassisch) Das „Objekt“ einer sittlichen Handlung bezeichnet die erste und unmittelbare Wirkung einer menschlichen Handlung (d.h. Veränderungen, die eine Handlung hervorruft). Solche Wirkungen können sein: § physische § biologische oder § psychische Beispiel: Diebstahl: Aneignung eines fremden Gutes gegen den Willen des Eigentümers 24 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Die Quellen der Moralität: (2) Circumstantiae – die Umstände Die Umstände oder „Circumstantiae“ (klassisch) Die Umstände sind besondere Beschaffenheiten einer konkreten sittlichen Handlung, die nicht notwendig mit ihrem Objekt verbunden sind. Sie können sich ändern, ohne dass sich das Objekt der Handlung verändert. Klassisch werden sieben Umstände unterschieden: § Wer § Was § Wo § Mit welchen Mitteln § Warum (d.h. den Willen von außen bestimmende Gründe) § Wie § Wann Sittlich relevant werden die Umstände, wenn sie gute oder schlechte Wirkungen verstärken oder abschwächen! 25 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Die Quellen der Moralität: (3) Finis Operantis – das Ziel/der Zweck Das Ziel oder der Zweck (klassisch: Finis Operantis) Das Ziel oder der Zweck ist der Grund, aus dem der Handelnde eine Handlung vollzieht. Er kann auch als die Wirkung bezeichnet werden, die der Handelnde subjektiv mit seinem Handeln anstrebt. Im Unterschied zu den Umständen ist das Ziel für die sittliche Bewertung einer jeden menschlichen Handlung relevant. Es ist deshalb für die Beurteilung, ob eine Handlung gut oder schlecht ist, von größter Wichtigkeit. 26 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Ethische Beurteilungskriterien: „gut“ oder „schlecht“ Aber: Was ist „gut“ und was ist „schlecht“? Grundsätzlich: Gut ist nicht richtig - schlecht ist nicht falsch! „Richtig“ und „falsch“ „Gut“ und „schlecht“ Beziehen sich auf die sittliche Beziehen sich hingegen auf die sittliche Qualifizierung einer Handlung, d.h. auf das Qualität eines Handelnden, d.h. auf die Objekt (Finis Operis) & Gesinnung bzw. die Intention (Finis Operantis) 27 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Ethische Beurteilungskriterien: „gut“ oder „schlecht“ Merke: Nur wenige Handlungen sind „in sich“ betrachtet schlecht bzw. verwerflich (intrinsice malum). Dazu werden heute u.a. sexueller Missbrauch, Folter, Tötung Unschuldiger, aber auch der vorsätzliche Bruch freiwillig eingegangener Verpflichtungen (z.B. Versprechen, Verträge) gezählt. Die meisten Handlungen gelten zunächst als sittlich indifferent. Das gilt insbesondere im Bereich der ethischen Beurteilungen von wirtschaftlichem Handeln in Korporationen 28 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Bereiche und Disziplinen der Ethik Ethik als „vernünftige Rede über das echt menschliche Handeln“ kann als philosophische Disziplin unterteilt werden in: Metaethik Individualethik Sozialethik Business Ethics 29 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Bereiche und Disziplinen der Ethik Die Metaethik befasst sich mit der Untersuchung der sprachlichen Ausdruckformen der Ethik. Begriffe wie „gut“, „richtig“ oder auch Metaethik „Handlung“ werden hinsichtlich ihres sprachlichen Gehaltes untersucht und in ihrer Verwendung als sittliche oder nichtsittliche Prädikate differenziert. An diese Überlegung schließt sich die Überlegung nach der generellen Rechtfertigung sittlicher Beurteilungen an. Bei der Individualethik steht der einzelne Mensch im Zentrum des Individualethik Interesses. Die Individualethik fragt u.a. nach den Pflichten, Tugenden und Normen, die für die Einzelperson gelten. 30 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Bereiche und Disziplinen der Ethik Die Sozialethik hat ihr Aufgabenfeld in der Betrachtung sittlicher Pflichten, Tugenden und Normen im Bereich des sozialen Sozialethik Zusammenlebens. Ihr liegt dabei die Vorstellung des Menschen als ein naturhaft auf soziale Bindung bezogenes Wesen zugrunde. Das so grundgelegte Bedürfnis nach Zusammenleben wird durch zahlreiche nicht instinkthafte Bedürfnisse des Einzelnen erweitert. Zur Aufgabe der Sozialethik gehört es, die gesellschaftlichen Interaktionen auf die Verwirklichung von Grundwerten wie Gerechtigkeit und Freiheit hin zu beurteilen und die Gestaltung sozialer und politischer Ordnungen mitzuprägen. 31 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation I. Grundlagen der Ethik – Ethikkonzeptionen Literaturverzeichnis/Quellenangaben: Böckle, F. (1977): Grundbegriffe der Moral. Pattloch Verlag: Aschaffenburg, 1977 Bak, P.M. (2014): Wirtschafts – und Unternehmensethik. Eine Einführung. Schäffer – Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht GmbH, 2014. Carroll, A.B. / Buchholtz, A.K. (2003): Business and Society. Ethics and Stakeholder Management, Cengage Learning: Stamford, 2003 French, P., Langley, Van E. and Velasquez, M. (1985): Business & Professional Ethics Journal Vol. 4, No. 2 (Winter 1985), pp. 19-38 Müller, W.E. (2003): Argumentationsmodelle der Ethik: Positionen philosophischer, katholischer und evangelischer Ethik. Kohlhammer Verlag: Stuttgart, 2003 Schockenhoff, E. (2007): Theologie der Freiheit. Herder Verlag: Freiburg, 2007 Schockenhoff, E. (2007): Grundlegung der Ethik: Ein theologischer Entwurf. Herder Verlag: Freiburg, 2007 Schüller, B. (1987): Die Begründung sittlicher Urteile: Typen ethischer Argumentation in der Moraltheologie. Patmos Verlag: Düsseldorf, 1987 Schüz, M. (2017): Angewandte Unternehmensethik. Grundlagen für Studium und Praxis. Pearson Deutschland GmbH: Hallbergmoos, 2017 Schwartz, T. (2001: Zwischen Unmittelbarkeit und Vermittlung: Das Gewissen in der Anthropologie und Ethik des Thomas von Aquin. Lit Verlag: Münster, 2001 Suchanek, A. (2014): Unternehmensethik. Mohr Siebeck: Tübingen, 2014. 32 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation Grundlagen der Ethik Grundlagen der WUE - Konzeptionen Agenda Corporate Responsibility – die unternehmerische Verantwortung II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Objekt der Wirtschafts- und Unternehmensethik: wirtschaftliches Handeln In Anlehnung an die Aufteilung der Allgemeinen Ethik kann die Wirtschafts- und Unternehmensethik verstanden werden als: „Vernünftige Rede über das wirtschaftliche (unternehmerische) Handeln“ Sie stellt einen Teilbereich der Sozialethik dar und versucht aufzuweisen, wie wirtschaftliches Handeln des Einzelnen und eines Unternehmens als Ganzem universellen ethischen Prinzipien entsprechen und mit Kriterien einer universal geltenden Ethik bewertet werden kann. 34 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Was ist Wirtschafts- und Unternehmensethik? Aber: Was meint „wirtschaftliches Handeln“? Streng genommen muss die Terminologie des Wirtschaftens und des wirtschaftlichen Handelns getrennt werden. Obgleich beide Begrifflichkeiten eigentlich Synonyme darstellen, unterscheiden sie sich innerhalb ihrer modernen Konnotation (z.B. der Ökonomischen Theorie) erheblich: „Wirtschaften“ bezeichnet jedes kulturelle Handeln des Menschen zum Zwecke der Existenzgründung bzw. -sicherung. Die Basis und Notwendigkeit bildet die allgegenwärtige Ressourcenknappheit. „Wirtschaftliches Handeln“ bezieht sich demgegenüber auf die Art und Weise des „Wirtschaftens“ mit seinen Entscheidungen. D.h. den individuellen und spezifischen Umgang mit der Ressourcenknappheit zur Erfüllung persönlicher Bedürfnisse. 35 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Was ist Wirtschafts- und Unternehmensethik? Hingegen umfasst der Begriff „Wirtschaft“ alle Einrichtungen, Korporationen, aber auch Normen, Gesetze, Routinen und Mechanismen(kurz: Institutionen), die der Mensch für die Befriedigung seiner Bedürfnisse benötigt oder zu benötigen glaubt. Weder die Handlung Wirtschaften, die Handlungslogik „wirtschaftliches Handeln“, noch das soziale Subsystem bzw. institutionelle Konstrukt „Wirtschaft“ existieren als Selbstzweck, sondern erfahren ihre gesellschaftliche Legitimität und Daseinsberechtigung aus ihrer Fähigkeit, dem Menschen zu dienen (dies gilt im Übrigen für alle sozialen Subsysteme und Handlungsmuster!). 36 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomische vs. ethische Rationalität – ein Unterschied? Auf den ersten Blick stehen sich in der ökonomischen und ethischen Rationalität zwei ganzheitlich konkurrierende Entscheidungslogiken gegenüber: Vorteilsbedingte Ökonomische Kooperation Rationalität: Der andere ist Interessen- Interesse an zwischen nur Mittel der Marktmodell der Normative wechselseitig Gesellschaft im Logik des basiert privater Erfolgs- eigenen maximierung des- Erfolgssicherung Ganzen (totale Vorteils- (es zählt, was interessierten Marktgesell- tausches mir nützt) Individuen (normativer schaft) (Marktprinzip) (homines Individualismus) oeconomici) Der andere wird Unbedingte Ethische in seinem wechselseitige Primat der Vernunft: humanen Gerechtigkeits- Achtung und politischen Ethik Normative Intersubjektive Eigenwert basiert Anerkennung vor der Logik der Verbindlich- respektiert – als (es gilt, was der Individuen Marktlogik Zwischen- keiten Voraussetzung legitim ist) als Personen (zivilisierte Menschlichkeit legitimen gleicher Würde Marktwirtschaft) (Moralprinzip) Erfolgsstrebens 37 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomische vs. ethische Rationalität – ein Unterschied? Ethik als Lehre des Umgangs mit Konflikten – die ethische Entscheidungslogik Entscheidungssituationen sind immer Konfliktsituationen, weil es mehrere Handlungsalternativen gibt: Besonders, wenn die Folgen nicht vollständig abzusehen sind, sind Entscheidungen durch rationale Motive (bspw. Gewissen) und/oder nichtrationale Motive (Gefühle, Emotionen und Maxime) begründet (begrenzte Rationalität). Ein weiterer rationaler Zugang ist im Verständnis der Ethik die Güterabwägung unter Einbezug von Normen (internen & externen) sowie unter Berücksichtigung möglicher Sanktionen. Wie unterscheidet sich hier die ethische Entscheidungslogik von der ökonomischen? 38 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomische vs. ethische Rationalität – Exkurs Brent Spar Ölplattform § Die Ölplattform diente als Zwischenlager für Rohöl auf offener See. Durch die Verlegung von Pipelines ab 1995 wurde die Plattform obsolet und sollte versenkt werden. § Lösung war legal und günstig sowie moralische Akzeptanz vorhanden. § Hester Prynne Sanktion (French, 1985): An den Pranger stellen (öffentlich) durch Greenpeace, welche Brent Spar besetzte und eine Öffentlichkeitskampagne startete. Shell musste gegensteuern und die Plattform recyceln. Ø Ethik verlangt immer die Kommunikation von Entscheidungen. Ø Wirtschaftliche Ethik stellt Legalität und Legitimität einer Unternehmung, als Bedingung für gesellschaftliche Akzeptanz, „licence to operate“, sicher. (Carroll, Buchholtz, 2003) 39 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomische vs. ethische Rationalität – Exkurs Ökonomik als Lehre des Umgangs mit Konflikten – die ökonomische Entscheidungslogik Ökonomische Entscheidungssituationen sind ebenfalls immer Konfliktsituationen, weil es mehrere Handlungsalternativen gibt. Das klassische Abstraktionsmodell des „Homo Oeconomicus“ entscheidet sich unter der Prämisse des absoluten Nutzenmaximierungskalküls für die Handlungsalternative, die dem Handelnden größten Nutzen generiert. Auch hier sind die Folgen und die entsprechenden Gewinne nicht vollständig abzusehen (Informationsasymmetrie), wodurch Entscheidungen ebenfalls durch nicht-rationale Motive geprägt sind, beispielsweise durch Intention oder Gefühle (Vertrauen). Die Forschungsergebnisse des Ultimatum-Spiels zeigen, dass die rationale Güterabwägung der Individuen ebenfalls unter Einbezug von Normen, Maximen und auch unter Berücksichtigung möglicher Sanktionen vollzogen wird (Homo Oeconomicus Institutionalis / Homo Oeconomicus Sociologicus). Berührungspunkte der modernen Ökonomik und Ethik? Der Mensch führt vielfach seine Handlungen unter der Prämisse der Bedürfnisbefriedigung (Satisficing statt Maximizing) und in Einklang mit seinem Umfeld und bestehenden Normen (Kultur, Anstand, Vertrauen etc.) aus. 40 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Bereiche ethischer Betrachtung innerhalb des Wirtschaftens Analog zur allgemeinen Aufteilung der Ethik unterscheiden wir zwischen: a) Wirtschaftsethische Metatheorie b) Unternehmensethik c) Wirtschaftsethik 41 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Bereiche ethischer Betrachtung innerhalb des Wirtschaftens a) Wirtschaftsethische Metatheorie Sie fragt nach.... Begriffen (z.B. Wirtschaft, Gerechtigkeit, Gewinnprinzip) Bedingungen (z.B. Markt- und Gesellschaftsordnung, Ordnungsprinzipien, Ziele, geschichtliche Entwicklung) Elementen bzw. Faktoren (z.B. supranationale Institutionen, Rechtsordnungen, Staaten, Tarifpartner, gesellschaftliche Gruppen bzw. Interessen)...des wirtschaftlichen und unternehmerischen Handelns. 42 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Bereiche ethischer Betrachtung innerhalb des Wirtschaftens b) Unternehmensethik Die Unternehmensethik fragt nach Pflichten, Normen und Zielen der einzelnen Unternehmung bzw. Korporation. Die Unternehmensethik betrachtet vor allem die ethischen Ansprüche an die am unternehmerischen Prozess Beteiligten (Stakeholder) und mögliche Konfliktfelder zwischen den einzelnen Anspruchsgruppen. Relevante Anspruchsgruppen (vgl. Freeman, 2009): Arbeitnehmer/Gewerkschaften Führungskräfte/Management Eigentümer/Aktionäre/Anteilseigner Kunden Lieferanten Gläubiger Staat Öffentliche Meinung/Medien 43 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Bereiche ethischer Betrachtung innerhalb des Wirtschaftens c) Wirtschaftsethik Die Wirtschaftsethik fragt nach Pflichten, Normen und Zielen wirtschaftlicher bzw. wirtschaftsrelevanter sozialer Systeme. Normative Ansätze der Wirtschaftsethik: Gerechtigkeit als umfassende Kategorie Lustitia Commutativa = Zuteilungsgerechtigkeit: „Jedem das Seine“ Lustitia Distributiva = Verteilungsgerechtigkeit: „Jedem das Gleiche“ Naturrecht und/oder positives Recht Gewaltfreiheit wirtschaftlich handelnder Subjekte 44 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Inhalte und Objekte der Wirtschaftsethik Über- und zwischenstaatliche wirtschaftliche Themen: § Planwirtschaft – Marktwirtschaft § Protektionismus Binnenstaatliche wirtschaftliche Themen: § Wettbewerb § Globalisierung § Tarifautonomie § Bestechung/Korruption § Kartelle § Monopole § Steuern und Abgaben § Steuerhinterziehung 45 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Blickwinkel der Wirtschaftsethik Wirtschaftsethik Angewandte Ethik Normative Ökonomik Vernunftethik des Wirtschaftens 46 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Wirtschaftsethik als angewandte Ethik Ethik erhält ihre empirischen Anwendungsbedingungen durch die Ökonomie. Ethik wird als „Gegengift“ gegen zu viel ökonomische Rationalität verstanden. Die ökonomische Sachlogik wird durch die Ethik begrenzt. Ethik wird zur „Hüterin der Moral“ in der Wirtschaft – auch auf Kosten des ökonomischen Erfolgs. Sie legt der Wirtschaft gleichsam ein Korsett an. 47 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Wirtschaftsethik als normative Ökonomik Die Ökonomik gibt der Ethik eine axiomatische Handlungslogik vor. Ethik wird als „Schmiermittel“ für mehr ökonomische Rationalität verstanden. Ethik wird für ökonomische Interessen be- bzw. genutzt. Ethik sucht als Moralökonomie nach den funktionalen Voraussetzungen des ökonomischen Erfolgs. Dieser wird durch die der Wirtschaft eigenen Rationalität ethisch abgesichert. 48 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Wirtschaft als Vernunftethik des Wirtschaftens Die Ökonomie erhält durch die Ethik eine kritische Reflexionsorientierung. Ethik bildet die normative Grundlage für die Ökonomie. Die ökonomische Sachlogik wird auf eine ethisch legitime Basis gestellt. Ethik fragt nach den normativen Voraussetzungen legitimen ökonomischen Handelns. Sie stellt sie in den Gesamtkontext menschlichen Handelns. 49 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Konsequenz der Blickwinkel Wirtschaftsethik Angewandte Ethik Normative Ökonomik Vernunftethik des Wirtschaftens „Korrektive“ „Funktionalistische“ „Integrative“ Wirtschaftsethik“ Wirtschaftsethik Wirtschaftsethik 50 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen WUE vs. Business Ethics: ein Vergleich Unterschiedliche Hintergründe, Methodik und Theoriebildung manifestieren die strukturellen Differenzen zwischen der wirtschafts- und unternehmensethischen Betrachtung innerhalb des kontinental-europäischen (WUE) und des anglo- amerikanischen Raumes (Business Ethics). (1) Business Ethics Methodik: Business Ethics begreift sich selbst als „[...] applied ethics“, d.h. anwendungsorientierte, praktische und positivistische Ethik. Die US-amerikanische Business-Ethics-Forschung hat ihren Ausgangspunkt vorwiegend in konkreten Entscheidungsproblemen des Managements (Business Ethics – a managerial Approach?). Im vordergründigen Interesse steht also nicht theoretische Fundierung und systematische Modellbildung ethischer Probleme, sondern der gezielte Aufbau von Problemlösungskompetenzen im Umgang mit ethischen Managementkonflikten. Schulungsmethoden umfassen Fallstudien und Best Practices. 51 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen WUE vs. Business Ethics: ein Vergleich (1) Business Ethics Motivation: Wirtschafts- und unternehmensethische Überlegungen besitzen eine lange Tradition in der akademischen und praxisgeführten Diskussion der USA und Großbritanniens: Ausgangspunkt bildet die Große Depression der 1930er-Jahre und die Einsicht, dass der Markt alleine nicht in der Lage ist, das Problem negativer Auswirkungen zu lösen. Als Korrektur des Marktversagens begrenzte die US-Regierung die unternehmerische Freiheit entscheidend. Um präventiv weitere staatliche Regulierungsmaßnahmen zu verhindern, verpflichten sich Großunternehmer (vgl. Rockefeller, Ford, Carnegie) selbst zu tugendhaft-ethischen Sozial- Programmen (Gesundheitsprogramme, Wohnungsbau etc.) und anderen philanthropischen Zwecken in Form von Sponsoring oder Wohltätigkeitsveranstaltungen. Ausgangspunkt einer neuen Diskussion über ethische Aspekte des Wirtschaftens bildet das Werk „Social Responsibility of the Businessman“ (Bowen, 1953) und „Business and Society“ (McGuire, 1963), die damit eine holistische Sichtweise – weit über das „bürgerliche Engagement“ und Sponsoring hinaus – der unternehmerischen Verantwortung anbieten und somit das moderne Konzept der „Corporate Social Responsibility“ ideengeschichtlich maßgeblich mitbestimmt haben. 52 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen WUE vs. Business Ethics: ein Vergleich (1) Business Ethics Ideengeschichte: USA/GB sind residuale Sozialstaaten, die den Bürgern und damit auch Unternehmen ein großes Maß an Eigenverantwortung hinsichtlich der sozialen Sicherung auferlegen (Liberalismus). Individuelle Freiheit wird höher bewertet als die kollektive Daseinsvorsorge. Zur Kompensation der fehlenden existenzsichernden und bedarfsdeckenden Sozialsysteme ist das Gemeinwesen explizit auf ein umfangreiches Engagement von Unternehmen angewiesen, bspw. um soziale Härten auszugleichen. Das gesellschaftliche Engagement im Rahmen des „Good Citizen“ wird im Sinne des „Giving Back to Society“ gesellschaftlich eingefordert: Unternehmen profitieren von nationalen Standortbedingungen und nähren sich aus den soziokulturellen Grundlagen der Gesellschaften (Social Contract-Theory). Diese (Inter-)Dependenz schafft Verpflichtung der Gemeinschaft, etwas von den unternehmerischen „Gewinnen“ zurückzugeben. Diese Verpflichtung bleibt jedoch in ordnungskonformer Weise „freiwillig“ und kann nicht gesetzlich eingefordert werden. 53 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen WUE vs. Business Ethics: ein Vergleich (1) Business Ethics (2) Wirtschafts- und Unternehmensethik Methodik: Die Ansätze der kontinentaleuropäischen WUE differenzieren sich stark von den Ansätzen der angloamerikanischen Business Ethics: WUE ist nicht prävalent anwendungsorientiert, sondern setzt auf die systematische Begründung ethischer Handlungszwänge und befasst sich intensiv mit den normativen Dimensionen der Ökonomie auf (meta-)theoretischer Ebene. Der Vorwurf des zu stark begründungslastigen WUE- Ansatzes begrenzt die internationale Akzeptanz der europäischen Schule. Zusätzliches Problem der Akzeptanz der WUE von Seiten der Unternehmenspraxis: „Ist angesichts des ohnehin schon weitreichenden sozialen Regelungsrahmens weiteres Engagement überhaupt noch notwendig?“ (vgl. Motive) 54 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen WUE vs. Business Ethics: ein Vergleich (1) Business Ethics (2) Wirtschafts- und Unternehmensethik Motive: Wirtschafts- und unternehmensethische Überlegungen besitzen ebenfalls eine lange Tradition in Kontinentaleuropa und der BRD: Als Zeichen bürgerlichen Engagements errichtete Jakob Fugger (15 Jhr.) bereits Sozial-Siedlungen für arme Bürger, der Unternehmer Krupp baute Krankenhäuser und Werkswohnungen für Mitarbeiter (1870) und Robert Bosch führte bereits im Jahr 1906 sozial-verträgliche Arbeitszeiten (8- Stundenschichten) in seinen Werken ein. Der kulturanthropologische „ehrbare Kaufmannsbegriff“ gilt über Epochen hinweg als feste Orientierungshilfe rechten Wirtschaftens. Neben diesem informellen Normenbild gründet sich die gesellschaftliche Rolle von Unternehmen im Vergleich zu den USA auf einer spezifischen sozialstaatlichen Tradition mit stark staatlichem regulativen Charakter (formelle Institution): Als Korrektiv der negativen sozialen Entwicklungen im Zuge der Industrialisierung wurden bereits 1883 umfangreiche Sozialgesetze eingeführt (vgl. Bismarck). Den Höhepunkt der staatlich- geführten Korrektur des Marktversagens wurde mit der Einführung eines „gezähmten Kapitalismus“ nach Beendigung des 2. Weltkriegs erreicht (1949). Der Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft schreibt den Unternehmen detailliert und explizit (gesetzlich) soziale Aufgaben, Pflichten und Rechte zu. Unternehmen müssen sich so zur Einhaltung arbeits-, sozial- und umweltrechtlicher Regelungen verpflichten und mit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen zur Lösung des distributiven Marktversagens beitragen. Was in den USA und GB als Unternehmensengagement gelobt wird, ist in Deutschland und weiten Teilen Europas regulative Praxis. Diesen Umstand machte eine zusätzliche ethische Betrachtungsweise der Ökonomie und deren Akteure lange obsolet. 55 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen WUE vs. Business Ethics: ein Vergleich (1) Business Ethics (2) Wirtschafts- und Unternehmensethik Ideengeschichte und Methodik: Die deutschsprachige und europäische Wirtschafts- und Unternehmensethik findet ihren Ursprung in dem akademischen und gesellschaftlichen Diskurs der 1980er-Jahre. Ausgangspunkt waren – wie im Falle der „Nachhaltigkeit“ – zunehmend verschärfte soziale Disparitäten, negative ökologische Auswirkungen eines globalen Kapitalismus und der graduelle Abbau sozialstaatlicher Regulierungspolitik (vgl. Ökologie-Bewegung etc.). Theoriebildung und neu entwickeltes Rollenbild von Unternehmen begründet sich ebenfalls auf dem neoklassischen Marktversagen: (1) Es kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass organisationsindividuelle Nutzenmaximierung dem Nutzenmaximum einer Gesellschaft entspricht und (2) Kriterien der Nutzenmaximierung und ethisch-moralische Kriterien offensichtlich nicht kongruent sind. Der Druck auf eine neue soziale Rollenfindung von Unternehmen wird zunehmend unterstützt durch postmaterialistische Wertebilder. Vergleichbar mit den USA begründet sich die Forderung nach mehr Verantwortung seitens der Unternehmenspraxis auf dem aufklärerischen Grundgedanken des „Gesellschaftsvertrages“ (Hobbes, Kant). In Kontrast zum amerikanischen Liberalismus gehen die Forderungen aber weg vom Konzept der „Freiwilligkeit“ zu einem stärkeren regulativen Grundsatz und damit ordonomischen Regelungsrahmen. 56 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ethische Denktraditionen in der Ökonomie – ein ideengeschichtlicher Abriss § Traditionell beschäftigte sich eine Vielzahl von Autoren von der Antike bis zur Moderne mit dem Beziehungsverhältnis von Ethik und Ökonomie (z.B. Xenophon, Aristoteles, Platon, Thomas von Aquin, Sokrates, Luther etc.). § Zeit ihrer Existenz war die Ökonomie immer eng verknüpft mit ethischen Überlegungen. § Mehr noch hat die moderne Ökonomie ihren Ursprung in der Moralphilosophie (vgl. Mandeville, Smith). Wurde die Ökonomie etwa aus dem Geist der Moral geboren? Sind die Grundlagen der modernen Wirtschaftswissenschaften etwa in ethischen Tradition aufzufinden und wie gestaltet sich dann das Verhältnis zwischen wirtschaftlichem Handeln und moralischen Prinzipien? 57 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: die Antike (1) Ökonomie und Ethik vor Adam Smith: Bis zum 16./17. Jahrhundert gibt es keine eigenständige Ökonomik. Das wirtschaftliche Leben ist Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit und den damit verbundenen sozialethischen Problemen. Die Wirtschaft ist für die Denker der Antike und des Mittelalters ein Feld ethisch bestimmten Handelns. Das Problem der Gerechtigkeit entwickelt sich seit der Antike zur entscheidenden Frage der Wirtschaftsethik. 58 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: die Antike Es geht nicht um die Untersuchung wirtschaftlicher Eigengesetzlichkeiten, sondern um die Frage, wie solche Eigengesetzlichkeiten den sittlichen und politischen Zielsetzungen unterworfen werden können. Als Grundübel wurde die dem Reichtumserwerb zugeordnete Geldgier angesehen. „In Bezug auf das, was Gewinn verheißt, sind wir so unersättlich, dass selbst die, welche die größten Reichtümer besitzen, sich nicht damit begnügen, sondern, indem sie nach immer mehr trachten, das, was sie haben, aufs Spiel setzen“ (Sokrates). „… so dass denn darin (d.h. im Geld) noch keiner satt geworden ist, doch an allem Andern bekommt man endlich Überdruss“ (Aristophanes). 59 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: die Antike Platon (427-374 v. Chr.) § Platon hat eine differenzierte Sichtweise, die bereits genuin ökonomische Argumente mit einschließt. § Geld = Tauschmittel § Handel = Arbeitsteilung § „Reichtum verdirbt die Seele des Menschen durch Genusssucht, die Armut wird durch ihren Jammer in das schamlose Gebaren selbst hineingetrieben.“ § Preis = wirklicher Wert § Zinsverbot § Gerechtigkeit als Zielpunkt 60 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: die Antike Aristoteles (384-322 v. Chr.) § Aristoteles unterscheidet zwischen Ökonomik (natürlicher Erwerbskunst) und Chrematistik (Vermehrung des Geldes). § Für die Chrematistik ist „die Zirkulation die Quelle des Reichtums. Und um das Geld scheint sie sich zu drehen, denn das Geld ist der Anfang und das Ende dieser Art von Austausch. Daher ist auch der Reichtum, wie ihn die Chrematistik anstrebt, unbegrenzt. Wie nämlich jede Kunst, der ihr Ziel nicht als Mittel, sondern als letzter Endzweck gilt, unbegrenzt in ihrem Streben ist, (…), so gibt es auch für diese Chrematistik keine Schranke ihres Ziels, sondern ihr Ziel ist absolute Bereicherung. Die Ökonomik, nicht die Chrematistik, hat eine Grenze (…) die erste bezweckt ein vom Gelde selbst Verschiedenes, die andere seine Vermehrung. (…) Die Verwechslung beider Formen (…) veranlasst einige, die Erhaltung und Vermehrung ins Unendliche als Endziel der Ökonomik zu betrachten.“ 61 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: die Antike Aristoteles und die Freigebigkeit § „Der Reichtum gehört zu den Gebrauchsgegenständen. Gebrauchen wird derjenige am besten, der dazu tüchtig ist. Also wird den Reichtum am besten derjenige gebrauchen, der die das Vermögen betreffende Tugend besitzt. Dies ist aber der Freigiebige.“ § „Die Freigebigkeit wird nicht nach dem Vermögen beurteilt. Denn sie besteht nicht in der Menge der Gaben, sondern in der Haltung des Gebenden, und diese richtet sich nicht nach dem Vermögen. So hindert nichts, dass einer freigebig ist, der weniger gibt, weil er aus geringerem Vermögen schöpft.“ (Nikomachische Ethik) 62 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: die Antike Aristoteles und das Geld, der Preis und der Zins § „Darum muss auch alles, wovon es Tausch gibt, vergleichbar sein. Dazu ist das Geld bestimmt und ist sozusagen eine Mitte. Denn es misst alles, also auch das Übermaß und den Mangel und auch, wie viele Schuhe einem Haus oder Nahrungsmittel äquivalent sind.“ § „Das Geld ist für den Umtausch aufgekommen, der Zins aber weist ihm die Bestimmung an, sich durch sich selbst zu vermehren. Daher hat er auch bei uns den Namen „tokos“ (Junges) bekommen; (…) der Zins aber stammt als Geld vom Gelde und ist von allen Erwerbszweigen der naturwidrigste.“ § „Für einen späteren Austausch ist (…) das Geld uns gewissermaßen ein Bürge, dass er möglich sein wird, wenn das Bedürfnis eingetreten sein wird. Denn wenn man anbietet, muss man bekommen können. Freilich geht es da wie mit anderem: Sein Wert ist nicht immer derselbe. Dennoch ist er verhältnismäßig stabil.“ 63 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: das Mittelalter Bestimmungsverhältnis von Ethik und Ökonomie in der Scholastik Im Mittelpunkt stehen nicht die Analyse ökonomischer Wirkungszusammenhänge, sondern deren ethische Bewertung. Diese bezieht sich auf drei große Bereiche: 1. Die Lehre vom gerechten Preis 2. Die Lehre vom unrechtmäßigen Profit 3. Das Verbot des Wuchers 64 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: vom Hochmittelalter zur Neuzeit In der sog. Spätscholastik (ca. 1350 - 1550) kommt es zum Verfall der scholastischen Wirtschaftslehre (Johannes Buridan, Nikolaus von Oresme, Antonin von Florenz, Gabriel Biel, Schule von Salamanca): Man diskutiert über die Entstehung des Geldes und die Frage des gerechten Preises. Damit einhergehend und diese Debatten beeinflussend ist ein Wandel ökonomischer Institutionen wahrnehmbar: doppelte Buchführung, Banken, Versicherungen. Zugleich führt das Entstehen von Nationalstaaten zu einem Verlust kirchlicher Autorität. 65 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: die Neuzeit Martin Luther (1483-1546) und die Wirtschaftsethik Konzeptionelle Kernprobleme Luthers (1): § Gibt es einen freien Willen? § Anderes Arbeitsverständnis: Gottesdienst am Nächsten § Arbeit als Pflicht: Auswirkungen auf die protestantische Ethik (Max Weber) § 1524 „Bedenken von Kaufmannshandlung“: „Dein Verkaufen ist ein Werk, das Du gegen deinen Nächsten übst und es soll mit solchem Gesetz und Gewissen verfasst sein, dass du es übst ohne Schaden und Nachteil deines Nächsten.“ § Preislehre: „Ich mag meine Ware so teuer geben als ich soll, oder, als recht billig ist.“ (Nähe zur Scholastik) § Preiskalkulation: Nahrung, Kost, Mühe, Arbeit und Gefahr als Bestimmungsgründe § Borgen versus Wucher 66 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: die Neuzeit Martin Luther (1483-1546) und die Wirtschaftsethik Konzeptionelle Kernprobleme Luthers (2): § „Von den Gesellschaften sollt ich wohl viel sagen, aber es ist Alles grundlos und bodenlos, mit eitel Geiz und Unrecht, dass nichts dran zu finden ist, das mit gutem Gewissen zu handeln sei. Denn wer ist so grob, der nicht siehet, wie die Gesellschaften nichts anderes sind, denn eitel rechte Monopolia? Wilche auch die weltliche heidenische Rechte verbieten, als ein öffentlich schädlich Ding aller Welt; ich will des göttlichen Rechts und christlichen Gesetz schweigen. Denn sie haben alle Waar unter ihren Händen, und machens damit, wie sie wollen, und treiben ohne alle Scheu die obberuhrten Stuck, dass sie steigern oder niedrigen nach ihrem Gefallen, und drucken und verderben alle geringen Kaufleute, gleichwie der Hecht die kleine Fisch im Wasser; gerade als wären sie Herrn über Gottes Creaturen, und frei von allen Gesetzen des Glaubens und der Liebe.“ § „Wie sollt das immer mügen göttlich und recht zugehen, dass ein Mann in so kurzer Zeit so reich werde, dass er Könige und Kaiser auskaufen mochte.“ 67 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: die Neuzeit Martin Luther (1483-1546) und die Wirtschaftsethik Konzeptionelle Kernprobleme Luthers (3): § „Recht täte hie und da die weltliche Obrigkeit, dass sie solchen (= Preisunterbietern) nähme alles, was sie hätten, und triebe sie zum Lande hinaus.“ § Der Staat hat eine regulatorische Rolle bzw. Funktion für das Marktgeschehen. § „Denn menschliche Natur ist falsch, eitel, lügenhaft und ungewiss, wie die Schrift sagt und auch die Erfahrung täglich lehret.“ 68 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik vor Adam Smith: die Neuzeit Adam Smith ( 1723-1790): Urvater der modernen Ökonomik § Der freie Markt ist gerecht und zugleich bei der Hervorbringung von Wohlstand effizient: Der Markt, seine Mechanismen und die Gesetze führen automatisch zu einer effizienten Allokation (Zuteilung) und gerechten Distribution (Verteilung) von Ressourcen zwischen den Marktteilnehmern bzw. Transaktionsteilnehmern. Die Grundlage für dieses Wirken ist das wirtschaftliche Eigeninteresse des Einzelnen: „Gib mir, was ich wünsche, und du bekommst, was du benötigst. Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen“ (Wealth of Nations/ Wohlstand der Nationen, 1776). und die Bedingung des gegenseitigen Tauschvorteil: „[...] Wir wenden uns nicht an ihre Menschen- sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil. Niemand möchte weitgehend vom Wohlwollen seiner Mitmenschen abhängen“ (Wealth of Nations/ Wohlstand der Nationen, 1776). 69 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik: Adam Smith Die Grundlage seiner ökonomischen Theorie der Gerechtigkeit ist der materielle Egoismus des Einzelnen, doch wie stehen diese Überlegungen Smiths weiteren Beobachtungen über den Menschen und seiner anthropologischen Disposition gegenüber? „Mag man den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen, und die ihm selbst die Glückseligkeit dieser anderen zum Bedürfnis machen, obgleich er keinen anderen Vorteil daraus zieht, als das Vergnügen, Zeuge davon zu sein“ (Theorie of Moral Sentiments/ Theorie der ethischen Gefühle, 1759). Liegt hier ein Widerspruch vor? Das sog. Adam-Smith Problem: Wie passen bedingungsloses Eigeninteresse und mitmenschliche Anteilnahme zusammen? 70 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik: Adam Smith Adam Smith in der „Theory of Moral Sentiments“ (1759) § Smith unterstellt die allgemeine Fähigkeit und Neigung des Menschen zur mitfühlenden Anteilnahme am Schicksal der anderen (Sympathie). § Die Wahrnehmung von Affektäußerungen des Beobachteten in Verbindung mit der Wahrnehmung der äußeren Ursachen seiner Freude beziehungsweise seines Leidens verursachen entsprechende Empfindungen im Beobachter. § Die Vollkommenheit der menschlichen Natur zeigt sich in der Begrenzung egoistischer Züge. § Smith will erklären, nicht predigen. Die TMS ist eine positive Theorie, die Verhalten auf der Grundlage moralischer Empfindungen zu erklären versucht. § Garant unserer ethischen Gefühle ist der unparteiische Beobachter (verstanden als weiser und tugendhafter Mensch): „There is always the appeal to a still higher tribunal, to that of the all- seeing Judge of the world, whose eye can never be deceived, and whose judgment can never be perverted. 71 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik: Adam Smith Adam Smith im „Wohlstand der Nationen“ (1776) § Das entscheidende Motiv oder die Hauptantriebsfeder für die Bildung von Wohlstand und Fortschritt in einem Land ist das anthropologisch- begründete Streben des einzelnen nach Verbesserung seiner ökonomischen Lage. Entsprechend gründet das Motiv auf einem ethischen Gefühl: der Eigenliebe Doch: Wie können mitfühlende Anteilnahme am Schicksal des anderen und Eigenliebe im wirtschaftlichen Handeln zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden? Adam Smith Antwort: Ein freier und perfekter Markt reguliert, beschränkt übermäßigen Egoismus und führt zu einem gerechten (fairen) Ausgleich divergierender Interessen. 72 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik: Adam Smith Das Adam-Smith-Problem: Der Mensch agiert sowohl auf Basis von Sympathie als auch auf Eigennutz „Theorie der ethischen Gefühle“ (1759) „Wohlstand der Nationen“ (1776) Ausgangspunkt: Sympathie (Menschen Ausgangspunkt: Arbeitsteilung begünstigt die empfinden Mitgefühl für andere) Entwicklung vom Wohlstand einer Nation Urteil über Handlung anderer: Billigung oder Hintergrund: Eigenliebe des Individuums führt zur Missbilligung der Handlung rationalen Nutzenorientierung Urteil über eigene Handlung: Bewertung aus Abhängigkeit als Folge der Arbeitsteilung lässt Sicht des sog. „unparteiischen Beobachters“ Menschen am Markt tauschen die Eigennutzorientierung findet durch die dem Menschen unterstellte Sympathie ihre Legitimation 73 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik: nach Adam Smith Karl Marx (1818-1883) Ausgangspunkt: historischer Materialismus Der Kapitalismus ist gekennzeichnet durch den zunehmenden Klassengegensatz zwischen Proletariat (Arbeiter) und der Bourgeoisie (Kapital) Die Unterdrückung der Arbeiterschaft findet im Kapitalismus einen Höhepunkt mit der Entstehung einer neuen Klasse, den Lohnabhängigen. § Die Arbeiterklasse hält kein Eigentum an den Produktionsmitteln und ist als industrielle Reservearmee gezwungen ihre Arbeitskraft zu verkaufen § Das Privileg der Industriellen gründet sich auf dieser Zwangslage und manifestiert die Konzentration des Kapitals 74 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik: nach Adam Smith Karl Marx (1818-1883) zur Entwicklung des Bewegungsgesetzes der Geschichte: Urgesellschaft Sklaven- Feudalismus PHASE 3 Kapitalismus gesellschaft v- Produktions- Produkti Spannung kräfte verhältnisse Revolution 75 | Business Ethics I | Prof. Dr. Thomas Schwartz - Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation II. Grundlagen der WUE - Konzeptionen Ökonomie vs. Ethik: nach Adam Smith Arbeitskraft wird selbst zur Ware: Verdinglichung arbeitsteilige kapitalistische Produktionsweise: Entfremdung Mit- menschen Aufhebung durch Revolution Selbst Arbeit Proletariat Bourgeoisie Produkt