Einführung in Genetik - Teil 1 PDF

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This document is an introduction to genetics, covering topics such as the history of genetics, Gregor Mendel, and basic genetic concepts. It includes important figures and dates in the development of the field.

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Einführung in Genetik Teil 1 MOL.208 Christoph Ruckenstuhl - IMB Was ist Genetik? Genetik ist die Wissenschaft der Vererbung. Ursprünglich untersuchten Genetiker die Regeln der Vererbung, dann auch die dahinterliegenden Prinzipien. Die klassische Geneti...

Einführung in Genetik Teil 1 MOL.208 Christoph Ruckenstuhl - IMB Was ist Genetik? Genetik ist die Wissenschaft der Vererbung. Ursprünglich untersuchten Genetiker die Regeln der Vererbung, dann auch die dahinterliegenden Prinzipien. Die klassische Genetik untersucht die Grundelemente der Vererbung und ihre Verteilung bei der Zellteilung. Die molekulare Genetik untersucht die dahinterliegenden molekularen Vorgänge mit biochemischen Methoden. Für die Untersuchung evolutionärer Vorgänge ist die Populationsgenetik wichtig, die sich mit der Vererbung in Organismengruppen (Herden, Familien) beschäftigt. 2 Anfänge der Genetik Schon vor der modernen genetischen Forschung entwickelten die Menschen Durch Beobachtung und experimentieren ein Gefühl für Vererbungsvorgänge. Alle heutigen Zuchtpflanzen und Tiere sind schon vor Jahrtausenden aus weniger Ertrag bringenden Wildformen herausgezüchtet worden, bzw. nach spontanen Mutationen (vom Menschen) ausgelesen worden (z.B. Mais). Das gelingt nur, wenn das dickste Vieh und die größte Frucht nicht besonders schnell verspeist (oder als Dankopfer verbraucht) wurden, sondern (doch wohl bewusst) für die Weiterzucht eingesetzt wurden. 3 Anfänge der Genetik Die Erfolge dieser klassischen Züchtungen beeindrucken. Beim Mais (Ursprung vor 7000 Jahren), der ohne den Menschen nicht mehr überlebensfähig ist (Aussaat+Düngung+…), konnte die Wildform Teosinte (in Mexiko beheimatet), ein unscheinbares Gras, nur durch molekularbiologische Methoden identifiziert werden. (Clemens G. Arvay: Hilfe, unser Essen wird normiert!) 4 Anfänge der Genetik Bananen und Karotte 5 Anfänge der Genetik Für die Genetik wichtige Komponenten wurden im 19. Jahrhundert und davor entdeckt, meist ohne das ihre Rolle für Vererbung klar wurde: Die Zelle als Grundbaustein lebender Wesen: R. Hooke 1665 (England) Zellkerne bei Pflanzen (R. Brown 1831, England) und Tieren (T. Schwann 1839, Deutschland) Zellteilung als Grundprinzip des Lebens („omnis cellula ex cellula“) R. Virchow (Deutschland) um 1855 6 Anfänge der Genetik Zellkerne verschmelzen bei Befruchtung (1875/77 O. Hertwig/E. Strasburger, Deutschland) Chromosomen um 1870 Chromosomenzahl bleibt bei der Mitose unverändert (W. Flemming 1882, Deutschland) Meiose als Teilung mit Chromosomenzahl- Halbierung (ca. 1885 T. Boveri (Deutschland), u.a.) Nukleinsäuren im Zellkern (F. Miescher 1871 (Schweiz) - wegen der chemischen Einförmigkeit hat er sie als Erbmaterial ausdrücklich ausgeschlossen - es dauerte bis 1944, bis dieser Fehler korrigiert wurde!) 7 Gregor Mendel Der Mönch Gregor Mendel veröffentlichte 1866 seine „Versuche über Pflanzenhybride“, in denen er seine meist an Erbsen (Pisum sativum) durchgeführten Kreuzungsexperimente berichtete und daraus grundlegende Vererbungsregeln ableitete. Er benutzte dabei zum ersten Mal für biologische Forschung Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung (Statistik). Er untersuchte eine Reihe gegeneinander abgrenzbarer Merkmale, die sich also nicht gegenseitig beeinflussen. Solche Abgrenzbarkeit von Merkmalen ist für genetische Forschung bis heute wichtig. 8 Mendels sieben Merkmale 9 Mendels sieben Merkmale https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=82936122 10 Mendels Experimente Mendel kombinierte zwei Pflanzen mit alternativen Merkmalen in reziproken Kreuzungen - beide Pflanzen wurden als weiblicher und männlicher Partner eingesetzt - das geht nur bei einhäusigen (monözischen) Pflanzen. Die Blüte der Erbsen-Pflanze ist zwittrig, was die Verhinderung der Selbstbestäubung für Mendel aufwendig machte allerdings auch eine Fremdbestäubung effizient verhinderte! Anleitung zu den Kreuzungsexperimenten: Online: Arche Noah - Auf den Spuren Gregor Mendels (F. Luf und P. Lammer, März 2017) 11 Mendels Experimente Anleitung zu den Kreuzungsexperimenten: Online: Arche Noah - Auf den Spuren Gregor Mendels (F. Luf und P. Lammer, März 2017) 12 Inzuchtstämme Solche einhäusigen Pflanzen ermöglichen Selbstbefruchtungen! Durch deren Wiederholung gelangt man zu „reinen Linien“ → Pflanzen, bei denen alle Nachkommen genetisch identisch (isogen) sind. Solche Inzuchtstämme sind für genetische Arbeiten eine große Hilfe bzw. unabdingbar → auch bei Labormäusen gibt es solche Inzuchtlinien. Durch Inzucht steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass rezessive Erbdefekte zur Ausprägung kommen (fast alle Inzuchtstämme sind gegenüber Hybridstämmen unterentwickelt und anfälliger). Daher ist Inzucht beim Menschen in fast allen Kulturen tabuisiert. Mendel setzte für seine Arbeiten reine Linien ein. 13 1. Mendelsche Regel Uniformitäts- oder Reziprozitätsregel Nachkommen reziproker Kreuzungen reiner Linien besitzen einen einheitlichen Phänotyp Als erstes Kreuzungsergebnis bei der Untersuchung nur eines Merkmalspaares (= monohybride Kreuzung) zeigte sich, daß von den alternativen Merkmalsformen bei den Nachkommen der 1. Generation (F1-Generation oder 1. Filialgeneration) immer nur eine zur Ausprägung kommt, sodaß alle Mitglieder der F1-Generation die gleichen Merkmale ausprägen : Uniformitäts- oder Reziprozitätsregel. 14 1. Mendelsche Regel Parent- oder Eltern-Generation 15 1. Mendelsche Regel Das ausgeprägte Merkmal (A) wurde von Mendel als die dominante, das nicht ausgeprägte (a) als die rezessive Form des Merkmals bezeichnet (recedere - zurücktreten). 16 Punnett-Viereck Zur Analyse von Kreuzungsexperimenten wird gern die Darstellung als „Punnett-Viereck“ verwendet, weil darin alle entstehenden Typen und ihre Häufigkeit direkt abgelesen werden können. 17 Zusatz zur 1. Mendelschen Regel Mendel beobachtete dabei auch eine Besonderheit, die man heute als Heterosis oder Überdominanz bezeichnet: Die Stammlänge der Hybriden (heterozygote F1- Generation) war länger als selbst die des langwüchsigen Elternteils. Hybride übertreffen häufig in Merkmalen ihre homozygoten (reinerbigen) Ausgangsformen. Beispiel: Beim Hybridmais beruht der erhöhte Ertrag auf Heterosis, das Saatgut muss aber immer neu gekauft werden, da die positive Eigenschaft bei Rückkreuzungen (F2-Generation) ausdünnt (siehe 2. Mendelsche Regel). 18 Heterosis – Bsp. Hybridmais Eltern | F1 | bei weiterer Vermehrung geht der Effekt verloren 19 2. Mendelsche Regel Spaltungsregel Kreuzte Mendel die F1-Hybriden untereinander, traten in der F2-Generation (2. Filialgeneration) alle ursprünglichen Merkmale auf, die rezessiven aber nur bei 25% der Nachkommen. Durch weitere Kreuzung (durch Selbstbefruchtung) der F3- Generation erkannte Mendel, dass tatsächlich je 25% der F2-Nachkommen reinerbig für das dominante bzw. rezessive Merkmal sind, 50% mischerbig (und dadurch das dominante Merkmal ausprägen). Die Merkmale (Genotyp) verteilen sich also 1:2:1, die Ausprägung (Phänotyp) ist 3:1. 20 2. Mendelsche Regel Selbstbefruchtung → 21 2. Mendelsche Regel Haploide A a Gameten (der F1-Gen.) A AA Aa a Aa aa 22 2. Mendelsche Regel Spaltungsregel Kreuzungen der heterozygoten Nachkommen (F1) zweier reinrassiger Elternlinien untereinander führen zur Aufspaltung der Phänotypen nach bestimmten Zahlenverhältnissen. 23 3. Mendelsche Regel Unabhängigkeitsregel Unterscheiden sich die Ausgangslinien in mehr als einem Merkmalspaar, spricht man von polyhybriden (dihybrid, trihybrid...) Kreuzungen. Mendel führte auch solche Untersuchungen durch und fand das Prinzip der unabhängigen Segregation von Merkmalen: Allele (die alternativen Formen eines Gens) verteilen sich im Prinzip unabhängig voneinander und von den Allelen anderer Gene auf die Nachkommen. 24 3. Mendelsche Regel Dihybride Kreuzung (Blütenfarbe, Blütenform) bei der Trompetenblume Betrachtung des Phänotyp 9:3:3:1 25 3. Mendelsche Regel * Betrachtung des Genotyps 3x3 = 9 Varianten * P entspricht hier der F1-Generation der vorherigen Folie! 26 Wichtige Begriffe der Genetik Die Grundeinheit der Vererbung ist das Gen. Jedes Gen codiert für eine Polypeptidkette oder für funktionelle RNAs. Als Genom bezeichnet man die Gesamtheit der Erbsubstanz einer Zelle. Der Genotyp einer Zelle bezeichnet die Gesamtheit der Gene. Beim Begriff Genom geht es also eher um die DNA-Moleküle (Biochemie), bei Genotyp eher um die Geneigenschaften (Genetik). Das tatsächliche Erscheinungsbild einer Zelle bzw. eines vielzelligen Organismus ist der Phänotyp. Eine wichtige Aufgabe des Genetikers ist es, aus dem beobachteten Phänotyp auf den Genotyp zu schließen. 27 Wichtige Begriffe der Genetik Varianten eines Gens bezeichnet man als Allele. Zwei Zellen, die die gleichen Gene, aber unterschiedliche Allele in (mindestens) einem Gen haben, besitzen einen unterschiedlichen Genotyp. Diploide Zellen enthalten zwei Chromosomensätze und damit zwei Kopien jedes Gens, haploide Zellen nur einen und damit eine Kopie. Sind die beiden Kopien bei Diploiden identisch, ist der Organismus homozygot (reinerbig) für dieses Gen, besitzt er aber zwei unterschiedliche Allele des Gens, ist er heterozygot (mischerbig). 28 Wichtige Begriffe der Genetik Es kann mehrere unterschiedliche Allele eines Gens geben (Multiple Allelie – durchaus der „Normalzustand“). Das am häufigsten (in der Natur) vorkommende wird dann als Wildtypallel bezeichnet und meist mit + (z.B. g+/g oder auch +/g für eine Heterozygote in Gen g) gekennzeichnet, oder auch mit Großbuchstaben (A). Mutantenallele werden dann mit Kleinbuchstaben (a) gekennzeichnet. 29 Wichtige Begriffe der Genetik Die Veränderung des Gens - durch Mutation - kann zum völligen Funktionsverlust führen (Nullallel, amorphes Allel) die Funktion schwächen (hypomorphes Allel) oder über das Wildtypniveau steigern (hypermorphes Allel) ganz neue Eigenschaften verursachen (neomorphes Allel). Beispiel: WT-Gen (codiert für Farbe-produzierendes Enzym) bewirkt rote Blütenfarbe, Nullallel bewirkt weiße Blüte, hypomorphes Allel rosa Blüte, hypermorphes tiefrote Blüte (viel Farbstoff), neomorphes blaue Blüte (anderes Farbmolekül durch veränderte Enzymaktivität, passiert extrem selten). 30 Wichtige Begriffe der Genetik Ein Allel, das im homozygoten Zustand zum Tod des Organismus führt, nennt man einen Letalfaktor. Bei essentiellen (lebenswichtigen) Genen ist das Nullallel somit ein Letalfaktor. Das Gegenteil sind Nicht-essentielle Gene*. * Muss das konstant sein? 31 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Zu einer scheinbaren Ausnahme von den Mendelschen Regeln kommt es, wenn keine klare Dominanz vorliegt, sondern sich die Allel-Eigenschaften mischen (z.B. Blütenfarbe rosa bei * weißen und roten Eltern). Man nennt das unvollständige Dominanz. * Achten sie auf die Verteilung, was fällt ihnen in der F2-Generation auf? 32 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Es gilt aber weiterhin die 1. Mendel´sche Regel, da alle Mitglieder der F1- Generation den gleichen Phänotyp zeigen. * „Nachkommen reziproker Kreuzungen reiner Linien besitzen einen einheitlichen Phänotyp.“ 33 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Codominanz Tritt auf, wenn sich verschiedene Allele eines Gens parallel ausprägen. Ein Beispiel ist das Blutgruppensystem AB0. Allel 0 (I0) ist tatsächlich ein funktionsloses Null-Allel. Allel A (IA) bewirkt die Anheftung von N- Acetylgalaktosamin an die Erythrocytenmembran. Allel B (IB) die von Galaktose. Heterozygote IAIB tragen beide Zucker auf den Erythrozyten (Blutgruppe AB). Hier liegt also kein normales dominant-rezessiv Verhalten vor. 34 Blutgruppen Chemisch ist der Unterschied zwischen den Blutgruppen A und B gering. 35 Blutgruppen Im Falle der Blutgruppengene läßt sich auch nicht eines der beiden IA und IB als das Wildtypgen zuordnen! * Man spricht in so einem Fall von Polymorphismus. Das ist häufiger der Fall! Exkurs: Das AB0-System wurde 1901 von Karl Landsteiner entdeckt, 1930 erhielt er dafür den Nobelpreis für Medizin. 36 Dominanz, partielle Dominanz und Codominanz 37 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Polygenie Werden Eigenschaften durch mehr als ein Gen geprägt (Polygenie, multifaktorielle Vererbung), ist der Erbgang schwieriger vorherzusehen. Polygenie ist sehr häufig und erschwert systematische Züchtungen nach klassischen Methoden. 38 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Polygenie Die Körnerfarbe von Weizen wird von zwei Genen bestimmt, dadurch gibt es fünf Farbabstufungen 39 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Pleiotropie Umgekehrt kann ein Gen auch mehrere Eigenschaften beeinflussen. Man spricht dann von pleiotropen Effekten oder Pleiotropie. Ein in Afrika verbreitetes Allel für das Hämoglobingen (roter Blutfarbstoff) führt zu Blutarmut (Sichelzellanämie), daneben zu Herzfehlern, Milzschäden, Schäden im Gehirn und häufiger Lungenentzündung. Auf der anderen Seite sind die Betroffenen resistenter gegen Malaria. 40 Sichelzellanämie Normale Erythrozyten Sichelzellerythrozyten 41 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Penetranz Die Ausprägung von Gen- eigenschaften kann auch z.B. durch Umwelt- einflüsse (Blattform und Wuchs beim Löwenzahn) beeinflusst werden. 42 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Penetranz Beim Himalaja-Kaninchen kommt es nur in kühlen Körperregionen zur Schwärzung des Fells, weil nur dort das Enzym Tyrosinase arbeitet. Das Gen ist also im ganzen Körper vorhanden, der Effekt tritt aber nicht überall auf. Das wird als unvollständige Penetranz bezeichnet. 43 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Molekularer Hintergrund der unvollständigen Penetranz beim Himalaja-Kaninchen: vorliegen einer hitzelabilen Tyrosinase (Enzym, das an der Melaninbildung beteiligt ist -> enzymatische Oxidation des Tyrosins). Verliert ihre Aktivität bei höheren (Fell-) Temperaturen 44 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Epistasie Weiter verkompliziert werden genetische Analysen dadurch, dass die Wirkung eines Gens von der Wirkung anderer Gene abhängen kann. Wirken Genprodukte (Enzyme) im selben Stoffwechselweg nacheinander, so unterdrückt ein Ausfall „vorn“ im Weg den Phänotyp eines Ausfalls „weiter hinten“. Diese „Dominanz über ein nicht-alleles Gen“ wird als Epistasie bezeichnet: Das Gen „vorn“ ist epistatisch über ein Gen „hinten“ (im Stoffwechselweg). 45 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Klassisches Beispiel für Epistasie Adeninstoffwechsel und rote Hefe Genotyp ade2 ADE3 Ade3p Ade2p AIR AMP (Phospho-Ribosylaminoimidazol) (O2, Zellatmung) Roter Farbstoff Genotyp ade2 ade3 Ade3p Ade2p AIR AMP Kein roter Farbstoff, normale (beige) Zellen 46 Epistasie bei Hefe - Adeninstoffwechsel Adeninstoffwechsel und rote Hefe ADE2, ADE3 ade2∆, ADE3 Wie würde sich ein ADE2, ade3∆ Stamm verhalten? https://www.researchgate.net/figure/Water-transfer-extends-yeast-lifespan-Yeast-strains-W303-1b-or-BY4741-grown-in-SC- with_fig1_293827125 47 Ergänzungen zu den Mendel´schen Regeln Genkopplung Entgegen dem 3. Mendelschen Gesetz werden unterschiedliche Gene oft nicht unabhängig voneinander vererbt. Das geschieht, wenn sie in geringem Abstand auf dem gleichen Chromosom liegen - sie sind dann gekoppelt und werden meist gemeinsam vererbt. Es kann aber auch dann durch „crossing over“ oder Rekombination zur Trennung der beiden Gene kommen, indem zwischen den beiden Kopien des Chromosoms ein Austausch stattfindet. 48 Mendels Nachfolger Die Entdeckungen Mendels blieben zunächst praktisch unbeachtet*. Um 1900 wurden sie von de Vries, Tschernak-Seysenegg und Correns wiederentdeckt. Auf ihrer Basis wurde von Wilson, Sutton und Boveri die Chromosomentheorie der Vererbung aufgestellt. Ohne das die chemische Struktur der Chromosomen damals klar war, wurden sie als Träger der Erbinformation erkannt. Besonders wichtig war dabei die Parallelität der Vererbung der Geschlechtschromosomen mit der Vererbung geschlechtsgebundener Merkmale (die nur bei einem Geschlecht auftreten). *Das zeigt die Wichtigkeit der Verbreitung der Arbeit (Publikation). →LV-Empfehlung: SE 647.889 „Presenting and Publishing“ und siehe auch Exkurs am Ende dieses Folienpakets 49 Mendels Nachfolger Lange Zeit waren die Proteine, wegen ihrer offensichtlichen Komplexität, Favoriten der Forscher als Träger der Erbinformationen. 50 Mendels Nachfolger Experimentelle Nachweise zur DNA als Informationsträger I Griffith fand 1928, dass eine Mischung von nicht- pathogenen, kapsel-losen Mutanten (R-Form) von Pneumococcus mit hitze-getöteten pathogenen Zellen (S-Form) infektiös ist und Mäuse an Lungenentzündung sterben läßt. Offenbar war die genetische Information für die Virulenz übertragen worden (Pneumokokken- Transformation). Der Kapseltyp entsprach immer dem der eingesetzten S-Form, nicht der infektiösen Vorläufer-form der R-Mutante. Es handelte sich also nicht um eine Reversion der Mutation. 51 Pneumokokken- Transformation Pathogene Zellen (S-Form = smooth / glatt) Nicht-pathogene, kapsel- lose Mutanten (R-Form = rough / rau) 52 Pneumokokken-Transformation Die Pneumokokken-Transformation klappte deswegen so einfach/effizient weil Pneumococcus (heute Streptococcus pneumoniae) gram-positiv ist. Die Zellwand hält also hydrophobe Substanzen ab, nicht aber die hydrophile DNA. Gram-positive besitzen eine „natürliche Kompetenz“ für die Aufnahme von DNA. Beim gram-negativen E. coli ist eine aufwendige Vorbehandlung der Zelle notwendig, um sie „kompetent“ für die Transformation (hier: „erzwungene“ Aufnahme von DNA) zu machen. 53 Mendels Nachfolger Experimentelle Nachweise zur DNA als Informationsträger II Avery, McLeod und McCarthy gelang es 1944, aus der pathogenen S-Form Extrakte zu isolieren und damit die R-Form zur Pathogenität zu transformieren. Behandlung des isolierten Materials mit Proteasen und RNAsen verhinderten das nicht, wohl aber DNAse- Behandlung. Auch eine chemische Analyse des Extrakts zeigte, daß er überwiegend aus DNA bestand. 54 Pneumokokken-Transformation II 55 Pneumokokken-Transformation II 56 Mendels Nachfolger Experimentelle Nachweise zur DNA als Informationsträger III Es blieben Zweifel, ob Spuren von Protein mitübertragen waren. 1951 markierten Hershey und Chase die Proteinhülle vom Bakteriophagen T2 mit 35S und die DNA mit 32P radioaktiv. Beim Infizieren der Bakterienzelle blieb die Proteinhülle außen zurück, nur das 32P, und damit die DNA, gelangte in die Zelle und bewirkte die Neuentwicklung von Phagen. Die neuen Phagen enthielten wiederum 32P-DNA, aber kein 35S vom Ursprungsphagen. Das Erbmaterial musste die DNA sein. 57 Mendels Nachfolger Nachweis: DNA, nicht Protein dringt in die infizierte Zelle ein 58 Exkurs: Isotopen und Radioaktivität Der Einsatz von Isotopen ist ein wichtiges Hilfsmittel der biochemischen Forschung. Atomkerne bestehen aus Protonen und Neutronen. Die positiv geladenen Protonen bestimmen den chemischen Charakter des Atome (welches Element es ist), die Neutronen „verdünnen“ die Protonen. Alle Atome mit gleicher Protonenzahl stehen an der gleichen Stelle im Periodensystem, sind daher Isotope desselben Elements - unabhängig von ihrer Neutronen- zahl. 59 Exkurs: Isotopen und Radioaktivität Dabei gibt es für jede Protonenzahl einen optimalen Bereich für die Neutronenzahl. Bei dieser Mischung sind die Atome stabil*, bei Abweichungen werden sie radioaktiv: sie zerfallen spontan unter Aussendung von Strahlung. Das kann sehr schnell, aber auch erst nach langer Zeit geschehen. *von einigen Elementen, besonders denen mit sehr hoher Protonenzahl (alle ab 84 Polonium), gibt es keine stabilen Formen (43 Technetium, 61 Promethium; Uran, Plutonium...), die „stabilsten“ Isotope haben in diesen Fällen eine längere Halbwertszeit (Lebensdauer) als Isotope mit sehr hoher oder sehr niedriger Neutronenzahl 60 Exkurs: Isotopen und Radioaktivität Da sich Isotope chemisch gleich verhalten, ersetzen radioaktive Isotope die natürlichen ohne Probleme auch in biochemischen Vorgängen, sie lassen sich dabei durch die abgegebene Strahlung leicht verfolgen. Auch nicht-radioaktive Isotope können nützlich sein. Die unterschiedliche Neutronenzahl verändert das Gewicht des Atoms und damit des Moleküls, zu dem es gehört. Das kann die Eigenschaften (Schwebedichte von DNA - Meselson und Stahl-Experiment) verändern. Isotope unterscheiden sich schließlich noch im „Spin“ des Atomkerns, quasi dem Drehmoment. Das lässt sich bei der NMR-Spektroskopie (Kernspinresonanz) ausnutzen, bei der z.B. der natürliche Kohlenstoff (12C) unsichtbar ist und daher nur das seltene 13C gemessen wird. 61

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