Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Vorlesung PDF

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Universität Heidelberg

2024

Dr. Fabian Engler

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political science German politics constitutional law political systems

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This document is a lecture for the Winter semester 2024/2025 about the fundamental aspects of the political system in the Federal Republic of Germany. The content covers topics like the Basic Law (Grundgesetz) and political culture in Germany, including media, participation

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Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 2. Sitzung Das Grundgesetz 1. Das Grundgesetz 2. Die Entstehung des Grundgesetzes 3. Verfassungsgrundsätze 4. Die oft geänderte Verfassung? ...

Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 2. Sitzung Das Grundgesetz 1. Das Grundgesetz 2. Die Entstehung des Grundgesetzes 3. Verfassungsgrundsätze 4. Die oft geänderte Verfassung? WIEDERHOLUNG Gründe für die Beschäftigung mit BRD – Politisches System, in dem wir leben – Ausgangsbasis für den Vergleich – Interessantes politisches System – Stabilität des politischen Systems Erbe – Gescheiterte Demokratie und Nationalsozialismus – Sozialstaat – Rechts- und Verwaltungsstaat – (Exekutiv-)Föderalismus Das Grundgesetz Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland heißt „Grundgesetz“. Die verfassungsgebende Versammlung hieß „Parlamentarischer Rat“. Das Grundgesetz wurde nie in einer Volksabstimmung angenommen. Warum? Die Entstehung des Grundgesetzes Frankfurter Dokumente 1.7.1948: Westl. Militärgouverneure schlagen Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung vor. Vorgaben: – „demokratische Verfassung“ – „Regierungsform des föderalistischen Typs“ – „angemessene Zentralinstanz“ – „Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten“ Die Entstehung des Grundgesetzes Chronologie 10.-23. August 1948: Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee 1. September 1948: Konstituierung des Parlamentarischen Rates 8. Mai 1949: 3. Lesung des GG im Parlamentar. Rat 12.5.: Letter of Approval der Alliierten; Verkündung des Besatzungsstatuts 18., 20., 21.5.: Abstimmung in Landtagen 23.5.1949: Unterzeichnung des GG Die Entstehung des Grundgesetzes Das Grundgesetz – von den Alliierten oktroyiert? Vorgaben der Frankfurter Dokumente Unsicherheit über Besatzungsstatut 2 explizite Interventionen: – 22.11.1948: Forderung nach zweiter Kammer mit ausreichenden Befugnissen – 2.3.1949: Rückmeldung zum in 3. Lesung des Hauptausschusses verabschiedeten GG-Entwurf: Einspruch gegen 8 Punkte, z.B. Finanzverwaltung Gesetzgebungskompetenzen Die Entstehung des Grundgesetzes Konsens und Konflikt im Parlamentarischen Rat In den meisten Bereichen herrschte breiter Konsens zwischen den Parteien. Konflikte vor allem in 4 Bereichen: – Wirtschaftsverfassung, Recht auf Eigentum – Beziehungen Staat – Kirche – 2. Kammer Senat versus Bundesrat gleichberechtigt vs. untergeordnet – Organisation Bundesverfassungsgericht Die Entstehung des Grundgesetzes Mehrheitserfordernis im Parlamentarischen Rat Mehrheit im PR – 65 Mitglieder: 27 SPD, 27 CDU/CSU, 5 FDP, 2 DP, 2 Zentrum, 2 KPD – Annahme mit 53:12 Stimmen Mehrheit in 2/3 der Landtage – Annahme in allen Landtagen außer dem Bayerns Genehmigung durch die Militärgouverneure Verfassungsgrundsätze „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art. 1 Abs. 1 GG) „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ (Art. 20 Abs. 1 GG) „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ (Art. 20 Abs. 2 GG) „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ (Art. 20 Abs. 3 GG) Verfassungsgrundsätze 1) Rechtsstaat und Grundrechte 2) Demokratie 3) Republik 4) Föderalismus 5) Sozialstaat 6) Offenheit zu internationaler Einbindung Verfassungsgrundsätze Die freiheitlich demokratische Grundordnung „Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtstaatliche Herrschaft auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Ent- faltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition“ (BVerfGE 2,1). Das oft geänderte Grundgesetz? Zahl der Änderungen an Artikeln des GG nach Legislaturperiode Quelle: Erhebungen von R. Zohlnhöfer; 20. WP nur bis 2023 Das oft geänderte Grundgesetz? Änderungsintensität der GG-Abschnitte Zahl der Änderungen Änderungen Artikel 1949 pro Artikel Präambel 1 1 1 I Grundrechte 19 15 0,79 II Bund u. Länder 18 21 1,17 III Bundestag 12 19 1,58 IV Bundesrat 4 4 1 IVa Gemeinsamer Ausschuss (1) 1 (1) V Bundespräsident 8 3 0,38 VI Bundesregierung 8 2 0,25 VII Gesetzgebung 13 72 5,54 VIII Ausführung und Verwaltung 9 20 2,22 VIIIa Gemeinschaftsaufgaben (2) 14 (7) IX Rechtsprechung 13 22 1,69 X Finanzwesen 11 53 4,82 Xa Verteidigungsfall (11) 15 (1,36) XI Übergangs- und Schlussbe- 31 32 1,03 stimmungen Σ 147 294 1,99 Quelle: Busch 2006: 48, Ergänzungen von R. Zohlnhöfer; Stand: Ende 2023 Das oft geänderte Grundgesetz? Warum die häufigen Änderungen? Vergleichsweise leichte Änderbarkeit des GG Funktionale Notwendigkeit: Reaktion auf Veränderungen der Umwelt – Unvollständige Verfassung (Wehrverfassung, Notstandsverfassung, Wiedervereinigung) – Detaillierte Verfassung (Gesetzgebungskataloge) Fazit und Blick in die Forschung GG als zugleich rigider und flexibler Verfassungsrahmen (vgl. Grotz/Schroeder 2021) Hohe Legitimität in der Bevölkerung Der Weg zum Grundgesetz (Niclauß 1998) Verfassungswandel im Mehrebenensystem (Hönnige, Kneip und Lorenz 2011) Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 3. Sitzung Politische Kultur und Medien 1. Politische Kultur 2. Medien WIEDERHOLUNG Warum heißt die deutsche Verfassung Grundgesetz? Wurde das Grundgesetz von den Alliierten oktroyiert? Welche Themen waren im Parlamentarischen Rat umstritten? Was ist die freiheitlich demokratische Grundordnung? Wie steht es um die Veränderbarkeit des Grundgesetzes? 1. Politische Kultur 1. Politische Kultur: Definition „Gesamtheit der Werte und Glaubensüberzeugungen der Bürger und ihre Einstellungen zu – und Vorstellungen von – den politischen Institutionen, den politischen Vorgängen und der Staatstätigkeit“ (Schmidt 2010: 619). 1. Politische Kultur: Bedeutung für politisches System Politische Systeme benötigen Unterstützung aus der Bevölkerung Unterstützung kann sich beziehen auf… – Allgemeine Idee der Demokratie – Konkrete Unterstützung der Demokratie – Aktuelle politische Akteure – Aktuelle politische Entscheidungen Ausmaß an Unterstützung ist veränderbar: Austausch von pol. Akteuren und/oder pol. Entscheidungen kann Unterstützung stabilisieren 1. Politische Kultur: Typen Almond und Verba (1963) unterscheiden 3 Idealtypen: – Parochial – Untertanenkultur – Partizipatorisch Besonders günstig für Demokratie ist ein Mischtyp, die „Civic Culture“ 1. Politische Kultur: Interesse an Politik Wie stark interessieren Sie sich für Politik? Quelle: GLES 2021 1. Politische Kultur: Kompetenz Inwieweit stimmen Sie folgender Aussage zu: "Die ganze Politik ist so kompliziert, dass jemand wie ich gar nicht versteht, was vorgeht."? Quelle: Allbus 2018 1. Politische Kultur: Formen von Beteiligung Konventionelle / institutionalisierte vs. unkonventionelle / nicht-institutionalisierte Partizipation Institutionalisiert: Wahlen, Abstimmungen, Parteien Nicht-institutionalisiert: Demonstration, politischer Konsum, politische Diskussionen, politische Gewalt 1. Politische Kultur: Partizipation (Wahlbeteiligung) Quelle: www.bundeswahlleiter.de 1. Politische Kultur: Rekrutierungsfähigkeit d. Parteien Nationalstolz Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein. Quelle: Allbus 2018 1. Politische Kultur: Demokratie als Idee Bitte sagen Sie mir [...], wie sehr Sie grundsätzlich für oder grundsätzlich gegen die Idee der Demokratie sind. Quelle: Allbus 2018 1. Politische Kultur: Demokratiezufriedenheit Sind Sie mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert, alles in allem gesehen zufrieden? Quelle: Eurobarometer 98.2 (2023) 1. Politische Kultur: Institutionenvertrauen Quelle: Eurobarometer 98.2 (2023) 1. Politische Kultur: Ost-West-Unterschiede Demokratiezufriedenheit (Positives) Institutionenvertrauen Quelle: Eurobarometer 1. Politische Kultur: Blick in die Forschung Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt (Mau 2024) The Wall in the Mind – Revisited Stable Differences in the Political Cultures of Western and Eastern Germany (Pickel und Pickel 2023) Der Verlust politischer Gleichheit. Warum die sinkende Wahlbeteiligung der Demokratie schadet (Schäfer 2015) Die demokratische Regression. Die politischen Ursachen des autoritären Populismus (Schäfer und Zürn 2021) Gesellschaftliche Selbstermächtigung in Deutschland (Kirsch, Kube und Zohlnhöfer 2022) 2. Medien 2. Medien: Funktionen Möglichst neutrale Informationen Herstellung von Öffentlichkeit Ermöglichung von Kommunikation zwischen Regierenden und Regierten Setzung der Agenda Kritik 2. Medien: Rechtliche Grundlagen Art. 5 GG – Recht auf freie Meinungsäußerung – Informationsfreiheit – Medienfreiheit Gesetzgebungskompetenzen – Bund für technische Seite des Rundfunks – Länder für inhaltliche Regelungen (Kulturhoheit), daher viele Staatsverträge 2. Medien: Mediensystem der BRD Printmedien privatwirtschaftlich organisiert – Überregionale Qualitätspresse (FAZ, SZ, etc.) – Boulevard (Bild etc.) – Regionalzeitungen – Prinzip des Außenpluralismus Rundfunk: Duales System – Überwiegend gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche und kommerzielle private Sender – Binnenpluralismus im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Außenpluralismus im privat-kommerziellen Bereich 2. Medien: Bedeutung einzelner Medien https://de.statista.com/statistik/daten/studie/954283/umfrage/meinungsbildungsgewicht-der-informationsmedien-in-deutschland/ 2. Medien: Einflusskanäle auf Politik Agenda-Setting (Themensetzung) Zeittakt Verkürzung und Vereinfachung Konfrontation Negativberichterstattung („cost of ruling“ steigen) 2. Medien: Blick in die Forschung Framing Fukushima. Zur Darstellung der Katastrophe in Deutschland im Vergleich zu Großbritannien, Frankreich und der Schweiz (Kepplinger/Lemke 2014) Die Mediatisierung der Migrationspolitik und Angela Merkels Entscheidungspraxis (Kepplinger 2019) Beeinflussen Klima-Schulstreiks die politische Agenda? Eine Analyse der Twitterkommunikation von Bundestagsabgeordneten (Raisch/Zohlnhöfer 2020) Fazit Politische Kultur wichtig für die Stabilität eines politischen Systems Medien zentral für politische Information und Herstellung von Öffentlichkeit Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 4. Sitzung Wahlsystem und Wahlverhalten 1. Wahlsystem 2. Wahlverhalten WIEDERHOLUNG Was versteht man unter „politischer Kultur“? Welche Typen von politischer Kultur können unterschieden werden? Wie kann die politische Kultur in D beschrieben werden? Welche Funktionen haben Medien? Welche Auswirkungen haben Massenmedien auf politische Prozesse? 1. Wahlsystem 1. Wahlsystem: Wahlrechtsgrundsätze Art. 38 GG: – allgemein – unmittelbar – frei – gleich – geheim Weitere Einzelheiten im Bundeswahlgesetz Bundeswahlgesetz kann vom BT mit einfacher Mehrheit ohne Zustimmung des BRat geändert werden 1. Wahlsystem: Zwei-Stimmen-System Erststimme bestimmt Wahlkreissieger/-in durch relative Mehrheit in 299 Einerwahlkreisen Seit Reform 2023: Wahlkreissieger/-in zieht nur in BT ein, wenn Sitz durch Zweitstimmen gedeckt ist! Zweitstimme für eine starre Parteiliste 1. Wahlsystem: Einordnung Verhältniswahl: Relevant für die Vergabe der Bundestagssitze ist der Anteil der Zweitstimmen auf Bundesebene. 5-Prozent-Hürde: Bei der Sitzvergabe werden nur Parteien berücksichtigt, die mehr als 5 Prozent der Zweitstimmen erhalten haben. Grundmandatsklausel: galt bis zur Reform 2023  ausgenommen von der 5-Prozent-Hürde waren Parteien, die mind. 3 Direktmandate gewinnen konnten 1. Wahlsystem: Mandatsvergabe Seit Reform 2023: Fixe Zahl von 630 Mandaten (davon 299 Wahlkreise) Relevant für die Gesamtzahl der Mandate einer Partei sind die Zweitstimmen Wahlkreissieger/-in (relative Mehrheit) erhält Mandat, soweit dieses durch Zweitstimmenanteil der Partei gedeckt ist Soweit einer Partei mehr Mandate in einem Bundesland zustehen, als sie Wahlkreise gewinnt, kommen die Kandidaten von starren Partei-Landeslisten zum Zuge 1. Wahlsystem: Überhangmandate Bis zur Reform 2023 galt: – Wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direkt- mandate gewinnt, als ihr nach Zweitstimmen „zustehen“, durfte sie diese Mandate bislang behalten (Überhangmandate).  Problem: Verzerrung des Zweitstimmenergebnisses – Andere Parteien wurden kompensiert (Ausgleichsmandate) 1. Wahlsystem: Entwicklung der Überhangmandate 1. Wahlsystem: Überhangmandate Bis zur Reform 2023 galt: – s.o. Nach der Reform 2023 gilt: – Das Mandat eines Wahlkreissiegers muss vom Zweitstimmenergebnis der Partei gedeckt sein – Ist die Zahl der Wahlkreissiege in BL größer als die Mandatszahl auf Basis der Zweitstimmen in BL:  Wahlkreissieger erhalten in der Reihenfolge des Erststimmenergebnisses ein Mandat  Keine Überhangmandate 1. Wahlsystem: Reformen Trotz der leichten Änderbarkeit lange nur wenige substanzielle Änderungen – 1953: bundeseinheitliche 5-Prozent-Hürde – Einführung der Zweitstimme – 1956: Grundmandatsklausel – 3 statt 1 Direktmandat – 1953, 1964, 1990, 1995: Änderung Zahl MdB – 1970: Herabsetzung des aktiven und passiven Wahlrechts auf 18 Jahre (vorher 21 bzw. 25) – 1985, 2005: Wechsel des Umrechnungsverfahrens – 2011/13: Vermeidung negatives Stimmgewicht; Ausgleich von Überhangmandaten – 2020: Veränderung beim Ausgleich von Überhangmandaten; zum 1.1.2024 Reduktion der Wahlkreise 1. Wahlsystem: Reform 2023 Größte – und besonders kontroverse – Reform Feste Zahl an Sitzen (630, davon 299 Wahlkreise) Wahlkreissieger erhalten nicht mehr automatisch Mandat Abschaffung von Überhang- und Ausgleichsmandaten Abschaffung der Grundmandatsklausel Entscheidung des BVerfG im Sommer 2024 – 5%-Hürde ohne Ausnahmen verfassungswidrig – Reformoptionen: a) Grundmandatsklausel wieder einführen b) 5%-Hürde absenken c) Zählgemeinschaften mehrere Parteien erleichtern 2. Wahlverhalten 2. Wahlverhalten: Die Wählerschaft (2021) Alter (Wahlberechtigte) – 18-29 Jahre: 14,4% – 60 und mehr Jahre: 38,2% Geschlecht (Wahlberechtigte) – Frauen: 51,7% – Männer: 48,3% Bildung (Wähler) – Mindestens Abitur: 44% – Hauptschule: 16% 2. Wahlverhalten: Die Wählerschaft (2021) „Versorgungsklassen“ (Wähler) – Berufstätigkeit: 60% – Rentner: 22% – Arbeitslose: 2% Gewerkschaftsmitglieder (Wähler): 14% Religion (Wähler) – Protestanten: 33% – Katholiken: 26% – Andere Religionen: [10%] – Ohne Bekenntnis: 31% 2. Wahlverhalten: Bundestagswahlergebnisse (Zweitstimmenanteile) 2. Wahlverhalten: Erklärungsvariablen Makroebene: – Konfliktlinien/Sozialstruktur 2. Wahlverhalten: Strukturelle Faktoren (2021) SPD CDU/CSU Grüne FDP AfD Linke Gesamt 25,7 24,1 14,8 11,5 10,3 4,9 Frauen 27 24 17 10 8 5 Männer 24 23 14 13 12 5 Arbeiter 28 23 8 9 16 5 Hauptschule 35 31 5 8 12 2 Hochschule 20 20 27 14 5 6 60+ 35 34 9 8 8 4 Ost-D. 24,2 16,9 10,9 9,7 19,1 10,0 Quelle: FGW/Statista 2. Wahlverhalten: Volatilität 1965-2021 2. Wahlverhalten: Erklärungsvariablen Makroebene: – Konfliktlinien/Sozialstruktur Mikroebene – Parteiidentifikation – Kandidaten – Sachthemen & Problemlösungskompetenz 2. Wahlverhalten: Vergleich BTW 2009-2021 Bundestagswahl 2009 – Finanz- und Wirtschaftskrise – Union mit „asymmetrischer Demobilisierung“ und größerer wahrgenommener Lösungskompetenz sowie Kanzlerbonus Bundestagswahl 2013 – Positive Wirtschaftsentwicklung (trotz Eurokrise) – Überparteilich hoch angesehene Kanzlerin, hohe „Zukunftskompetenz“ der Union 2. Wahlverhalten: Vergleich BTW 2009-2021 Bundestagswahl 2017 – Noch positivere Wirtschaftsentwicklung, aber deutlich schlechter „auf Zukunft vorbereitet“ – Kanzlerinnenbonus noch vorhanden – Migration als wichtigstes Problem, dort Kompetenzvermutung bei Union (35%), SPD (15%) und AfD (12%) Bundestagswahl 2021 – Kandidaten: Scholz (48%) vs. Laschet (24%) vs. Baerbock (14%) – Wahlentscheidende Themen: Soziales (28%) vs. Klima (22%) vs. Wirtschaft (25%) vs. Corona (7%) – Kompetenzzuschreibungen Soziales: SPD 30% vs. CDU/CSU 14% vs. Grüne 9% Klima: SPD 10% vs. CDU/CSU 11% vs. Grüne 39% Corona: CDU/CSU 32% vs. SPD 19% vs. Grüne 5% Blick in die Forschung Überblickswerke – Wahlen und Wähler. Analysen zur Bundestagswahl 2021 (Schoen und Weßels 2024) – Die Bundestagswahl 2021. Analysen der Wahl-, Parteien-, Kommunikations- und Regierungsforschung (Korte et al. 2023) Einzelstudien zur Erklärung von Wahlverhalten – prominentes Thema aktuell: „Wer wählt die AfD und warum?“ – Forschung untersucht zahlreiche potentielle Faktoren, z.B. … Soziale Eigenschaften, politische Einstellungen, Demokratiezufriedenheit, sozioökonomische Bedingungen, Distanz zur Grenze (u.a. Bergmann et al. 2018; Hambauer/Mays 2018; Hansen/Olsen 2019; Jäckle et al. 2018; Pesthy et al. 2021; Steiner/Landwehr 2018) Blick in die Forschung Analysen zur Reform des Bundestagswahlrechts und Rezeption in der Bevölkerung – Welches Wahlsystem wollen die Wähler? Evidenz von einem Conjoint-Experiment (Jankowski, Linhart und Tepe 2019) – Even in the Best of Both Worlds, You Can’t Have It All: How German Voters Navigate the Trilemma of Mixed-member Proportionality (Haffert, Langenbach und Rommel 2024) Blick in die Forschung Even in the Best of Both Worlds, You Can’t Have It All: How German Voters Navigate the Trilemma of Mixed-member Proportionality (Haffert, Langenbach und Rommel 2024) Trilemma bei Systemen mit Personalisierter Verhältniswahl Garantierter Einzug des WK-Siegers in den BT Proportionalität zwischen Soll-Größe des BT wird Stimmen- und Sitzanteilen nicht überschritten Welche zwei der drei Elemente sind für Sie zentral? Blick in die Forschung Even in the Best of Both Worlds, You Can’t Have It All: How German Voters Navigate the Trilemma of Mixed-member Proportionality (Haffert, Langenbach und Rommel 2024) Blick in die Forschung Even in the Best of Both Worlds, You Can’t Have It All: How German Voters Navigate the Trilemma of Mixed-member Proportionality (Haffert, Langenbach und Rommel 2024) Blick in die Forschung Even in the Best of Both Worlds, You Can’t Have It All: How German Voters Navigate the Trilemma of Mixed-member Proportionality (Haffert, Langenbach und Rommel 2024) Ergebnisse der repräsentativen Studie – Alle Prinzipien finden Zustimmung – Proportionalität am wenigsten – Auswahl zw. zwei Prinzipien: Proportionalität tendenziell seltener ausgewählt – Erhalten Befragte Informationen zu Trilemma, steigt die Zustimmung zu: a) Status quo vor der Reform 2023 b) Abschaffung v. Überhangmandaten (Reform 2023) c) Grabenwahlsystem (CDU/CSU-Vorschlag 2022) – Wahlsystempräferenzen weitgehend unabhängig von Parteipräferenz Fazit Wahlsystem bis zur Reform 2023 von beachtlicher Stabilität gekennzeichnet Reform 2023 umfangreiche Änderung Wahlverhalten kann erklärt werden durch – Sozialstrukturelle Faktoren – Parteiidentifikation – Kandidaten/-innen – Sachhemen & Problemlösungskompetenz Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 5. Sitzung Parteien und Parteiensystem 1. Parteien 2. Parteiensystem WIEDERHOLUNG Welche Wahlrechtsgrundsätze sind im GG verankert? Beschreibung von Wahlsystem und Mandatsvergabe Welche Veränderungen gingen mit der Wahlrechtsreform 2023 einher? Inwieweit können gesellschaftliche Strukturen Wahlverhalten erklären? Wie kann man mit dem Ann Arbor Modell Wahlverhalten erklären? 1. Parteien Allgemeine Funktionen von Parteien Interessenrepräsentation Politische Gestaltung Integration Elitenrekrutierung Parteien im deutschen Verfassungskontext Wichtigste Organisationen im Willensbildungsprozess Verankerung in Art. 21 GG Verpflichtung auf innerparteiliche Demokratie Möglichkeit des Parteiverbots Parteiverbot Beantragung durch BReg, BT oder Bundesrat Entscheidung durch BVerfG Voraussetzungen: – Nicht-Anerkennung der fdGO – „aktiv kämpferische aggressive Haltung“ ggü. bestehender Ordnung (BVerfGE 5, 85) – Mindestmaß an Erfolgsaussichten (BVerfGE 144,20) Erfolgreiche Verfahren – Sozialistische Reichspartei (1953) & KPD (1956) Alternative: Ausschluss von staatl. Parteienfinanzierung Parteienfinanzierung Ziele der staatlichen Parteienfinanzierung Ausreichende Mittel Keine Startvorteile einzelner Parteien („Chancengleichheit“) Keine Abhängigkeit Keine Korruption Parteienfinanzierung Welche Einnahmen gibt es? – Staatliche Mittel – Mitgliedsbeiträge – Spenden – Parteivermögen/wirtschaftliche Betätigung Formen staatl. Parteienfinanzierung: – Unmittelbare Leistungen – Steuerverzicht – Leistungen an Fraktionen, MdBs, Mitarbeiter – (Leistungen an Stiftungen) Parteienfinanzierung Voraussetzung – Bei letzter Europa- oder Bundestagswahl 0,5% oder bei einer der letzten LTW 1,0% der Stimmen – Rechenschaftsbericht Ausschluss bei Verfassungsfeindlichkeit möglich Parteienfinanzierung Gegenwärtige Regelung Jährlich 0,93 Euro für jede Wählerstimme (für die ersten 4 Mio. Stimmen je 1,13 Euro) 0,45 Euro für jeden eingenommenen Beitrags- od. Spendeneuro, soweit diese von natürlichen Personen stammen und pro Person und Jahr nicht über 3.300€ liegen Absolute Obergrenze 2023 bei rund 187,6 Mio.€ – Jährliche Anpassung an Preise Relative Obergrenze: max. 50% der Gesamteinnahmen einer Partei aus staatlichen Mitteln (ohne Steuer- vergünstigungen) Überblick über die (im BT vertretenen) Parteien SPD Gegründet 1875/1890, Vorläufer bis 1863 Massenintegrationspartei Nach 1945 zunächst Arbeiterpartei Wandel zur Volkspartei mit dem Godesberger Programm 1959 Programmatisch auf soziale Gerechtigkeit verpflichtet, stärkere Orientierung auf den Staat als Problemlöser Zunehmend gesellschaftspolitisch linke Orientierung Überblick über die (im BT vertretenen) Parteien Union (CDU und CSU) Neugründung nach 1945 Volksparteien mit breiter sozialer Basis Nachholende Parteibildung Erhebliche regionale Unterschiede Programmatisch keine konservative Partei im Sinne der britischen Tories – Konservativ in vielen Wert- und Sicherheitsfragen – Aber auch Sozialstaatspartei – Frühe Befürwortung der Marktwirtschaft Überblick über die (im BT vertretenen) Parteien Bündnis 90/Die Grünen Gründung in Westdeutschland 1980, Fusion mit Bürgerrechtspartei der vormaligen DDR 1993 Ehemals „Anti-Parteien-Partei“, große Rolle der Parteiflügel Wählerschaft besser verdienend und höher gebildet als bei Volksparteien Vertretung postmaterialistischer Werte Position auf der sozio-ökonomischen Links-Rechts- Achse tendenziell mitte-links Überblick über die (im BT vertretenen) Parteien FDP Neugründung nach 1945 Keine große Mitgliedschaft Wählerschaft besser verdienend und höher gebildet als bei Volksparteien Koalitionspolitisch phasenweise flexibel 2 programmatische Strömungen – Wirtschaftsliberalismus – Politischer Liberalismus (Bürgerrechte) Überblick über die (im BT vertretenen) Parteien AfD 2013 entstanden aus Opposition gegen die Euro- Rettungspolitik Zunehmender Fokus auf Migrationsthemen ab 2015 Abspaltung des Lucke-Flügels wg. programmatischer Verschiebung Rechtspopulistische Ausrichtung – einzelne Landesverbände laut Verfassungsschutz gesichert rechtsextrem Zunehmende Etablierung auf Bundes- und Landesebene mit besonderem Erfolg in Ostdeutschland Überblick über die (im BT vertretenen) Parteien Die Linke Entstanden 2007 durch Zusammenschluss von PDS und WASG Sehr starke Verankerung in Ostdeutschland Konzentration auf die Verteidigung (und möglichst Ausbau) des Wohlfahrtsstaates sowie Pazifismus 2024: Abspaltung – Bündnis Sahra Wagenknecht Überblick über die Parteien Sonstige Parteien In den 1950er Jahren im BT: – BHE, DP, KPD, Zentrum Derzeit im Bundestag: – SSW, BSW In Landtagen: – Freie Wähler (BY; RP) – SSW (SH) – Bürger in Wut, jetzt: Bündnis Deutschland (HB) – BSW (BB; SN; TH) 2. Parteiensystem Definition: Parteiensystem „Gesamtheit der in einem politischen Gemeinwesen agierenden Parteien und die Struktur und Dynamik ihrer wechselseitigen Beziehungen“ (Schmidt 2010: 584). Fragmentierung: Zahl der Parteien Teilnehmer Bundestagswahl 2021: 47 Parteien (davon 40 mit Landeslisten) Im Bundestag vertreten 2021: 9 Parteien (5 Fraktionen) Effektive Zahl der Parteien 2021: 5,77 – Nach Laakso und Taagepera (1979): 1 Effektive Anzahl der Parteien= ; σ𝑛 𝑝 𝑖=1 𝑖 2 mit p = Stimmenanteil; i = Partei i Entwicklung der Zahl effektiver Parteien Polarisierung: Links-Rechts Quelle: Lehmann et al. 2024 Polarisierung: Mehr als eine Dimension Zweidimensionalität des politischen Raumes Quelle: Kriesi et Gesellschaftspolitisch liberal al. 2006: 925 Immigrationsfreundlich Gesellschaftspolitisch konservativ Immigrationskritisch Interventionsfreundlich Interventionskritisch Pro Sozialstaat Kontra Sozialstaat Parteiensystemdynamik Das deutsche Parteiensystem folgte seit 1947 weitgehend einer bipolaren Logik, bei der 2 Blöcke gegeneinander standen Auslöser am 24. Juli 1947: – Bürgerliche Parteien und SPD können sich nicht auf einen Kandidaten für die Position des Wirtschaftsdirektors der Bizone einigen – SPD geht in die Opposition, Union und FDP setzen eigene Kandidaten durch Parteiensystemdynamik Wegen des 2,5-Parteiensystems hingen Regierungswechsel bis in die 1980er Jahre von der FDP ab (pivotales Parteiensystem), die sich allerdings fast immer vor Wahlen festlegte Auch auf Länderebene wurden meist Koalitionen nach „Bonner Muster“ gebildet Durch Akzeptanz der Grünen wurde das Parteiensystem noch stärker bipolar, vollständige Machtwechsel möglich Einschränkungen der bipolaren Logik AfD nicht koalitionsfähig erachtet, Linke unklar Koalitionsmuster auf Länderebene sind sehr gemischt – CSU/FW (BY) – CDU/Grün (NW, SH) – CDU/SPD/Grüne (SN geschäftsführend) – CDU/SPD/FDP (ST) – „Große Koalition“ (CDU/SPD) (BE, HE) – SPD (SL) – SPD/Linke (MV) – SPD/Grüne (HH, NS) – SPD/Linke/Grüne (HB, TH geschäftsführend) – „Ampel“ (SPD/FDP/Grüne) (RP) – SPD/CDU/Grüne (BB, geschäftsführend) – Grün/CDU (BW) Blick in die Forschung Überblickswerke – Handbuch der deutschen Parteien (Decker/Neu 2018) – Parteienforschung (Wiesendahl 2022) – Organizing political parties: representation, participation, and power (Scarrow, Webb und Poguntke 2017) Daten zu programmatischen Positionen von Parteien – Open Expert Survey (Jankowski et al. 2021) – Chapel Hill Expert Survey (Jolly et al. 2022) – Manifesto Project (Lehmann et al. 2024) Blick in die Forschung Analysen zu Veränderungen im deutschen Parteiensystem – Erfolgspotential des Bündnis Sahra Wagenknecht (Wagner et al. 2023) Quelle: Wagner et al. (2023) auf Basis v. Daten des Chapel Hill Expert Survey (Jolly et al. 2022) Blick in die Forschung Analysen zu Veränderungen im deutschen Parteiensystem – Erfolgspotential des Bündnis Sahra Wagenknecht (Wagner et al. 2023) – Erfolgspotential der Freien Wähler (Wurthmann et al. 2024) – Auswirkungen der AfD auf die Polarisierung des Parteiensystems (Atzpodien 2020) oder auf Koalitions-/Regierungsbildung (Decker/Ruhose 2021) Fazit Parteien = zentrale Akteure im politischen Willensbildungsprozess Parteiverbot & Ausschluss v. staatl. Finanzierung nur durch BVerfG Parteiensystem gekennzeichnet durch… – zunehmende Fragmentierung – zunehmende Polarisierung – Folge: zunehmend erschwerte Koalitionsbildung Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 6. Sitzung Interessengruppen WIEDERHOLUNG Welche Funktionen haben politische Parteien? Wann und von wem können Parteien verboten werden? Wie ist die staatliche Parteienfinanzierung geregelt? Auf welchen Dimensionen konkurrieren Parteien miteinander? Wie kann die Entwicklung des deutschen Parteiensystems charakterisiert werden? Was sind Verbände? „Interessengruppen sind dauerhaft organisiert und vertreten wirtschaftliche, soziale und politische Interessen partikularer Gruppen gegenüber staatlichen Akteuren und anderen Interessengruppen“ (Trampusch 2011) Unterschied zu Parteien – Keine Teilnahme an Wahlen – Keine unmittelbare Beteiligung an Regierung – Häufig weniger breites thematisches Spektrum Funktionen von Verbänden Interessenaggregation und -artikulation Information Beeinflussung Implementation und Selbstregulierung Welche Verbände gibt es – und wie viele? Zahl der eingetragenen Vereine in D. 2022: 615.759 (Stifterverband 2022) Im Lobbyregister des BT aufgenommen: 6.238 Interessenvertretungen (Stand 20.06.2024) Politisch relevant u.a.: – Wirtschaft und Arbeit (Gewerkschaften, BDA, BDI, DIHK, Bauernverband, …) – Sozialer Bereich / „Dritter Sektor“ (Caritas, DRK, AWO, …) – Kirchen – Idelle Vereinigungen (ai, BUND, …) Einflusskanäle: Bundesregierung Beiräte Stellungnahme bereits zu Referentenentwürfen (§§47- 48 GGO) Bereitstellung von Informationen Häufige Kontakte, ähnliche Sozialisierung „Verbandsherzogtümer“ (Vertriebenen-, Landwirtschafts-, Arbeitsministerium) Einflusskanäle: Bundestag Verbandsfärbung, insbesondere in Ausschüssen (v.a. Landwirtschaft, Arbeit & Soziales) Öffentliche Anhörungen Informationen und Kontakte Einflusskanäle: Parteien Geld Stimmen Mitgliedschaft (personelle Durchdringung) Einflusskanäle: Öffentlichkeit Presseerklärungen Talkshows etc. Protestaktionen Pluralismus Definitionskriterien bei Lijphart (2012: 159) – Viele kleine Interessengruppen – Keine oder nur schwache Dachorganisation – Kaum Beratungen zwischen den Spitzen der Verbände untereinander und zwischen ihnen und der Regierung – Keine tripartistischen Pakte Verbände versuchen, Entscheidungen zu beeinflussen, Gegenverbände ebenfalls  „Resultante des Kräfteparallelogramms“ wird schließlich durchgesetzt (Gemeinwohl a posteriori) Pluralismuskritik Nicht zu jedem Verband bildet sich ein Gegenverband Gruppen unterscheiden sich bzgl. Organisationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit Organisationsfähigkeit: Fähigkeit zur Bildung einer Organisation Organisationsfähigkeit wegen Trittbrettfahrerproblem schwierig (Olson 1965) Wer organisiert sich? Kleine Gruppen organisieren sich eher als große Große Gruppen organisieren sich eher, wenn sie… – selektive Anreize bieten. – Zwangsmitgliedschaft durchsetzen können. Daher steht nicht jedem Verband ein Gegenverband gegenüber. Konfliktfähigkeit Fähigkeit einer Gruppe, glaubhaft mit der Nichterbringung systemrelevanter Leistungen zu drohen Fähigkeit ist ebenfalls nicht für alle Gruppen in gleicher Weise gegbeben. Neokorporatismus „Institutionalisierte und gleichberechtigte Beteiligung von gesellschaftlichen Verbänden an der Formulierung und Ausführung staatlicher Politik“ (Czada 1992: 218) Definitionskriterien bei Lijphart (2012: 159) – Wenige große Interessengruppen – Durchsetzungsfähige Dachorganisationen – Regelmäßige Beratungen zwischen den Spitzen der Verbände untereinander und zwischen ihnen und der Regierung – Umfassende tripartistische Pakte Neokorporatismus Nicht pressure politics à la Pluralismus, sondern Inkorporierung der Verbände in die staatliche Willens- bildung Voraussetzungen seitens der Verbände – Hoher Organisationsgrad – Vertretungsmonopol für ihren Bereich – Verpflichtungsfähigkeit gegenüber ihren Mitgliedern Korporatistischer Tausch Beeinflussungsmuster Von Beyme (1997) untersucht 110 Schlüssel- entscheidungen auf Einfluss: – Symmetrischer Korporatismus (9,1% der Fälle): Kapital vs. Arbeit, z.B. Wirtschafts- und Steuerpolitik Beeinflussungsmuster Makrokorporatismus in der BRD Konzertierte Aktion (1967-1976) – „Keynesianische Koordinierung“, Lohnmoderierung – Konnte Beschäftigungsverluste in Folge von Ölkrise nicht verhindern Bündnis für Arbeit (1996, 1998-2003) – „Angebotskorporatismus“: Erleichterung des Umbaus von Sozialstaat und Arbeitsmarkt – Wenig erfolgreich, daher Ablösung durch „Regieren mit Kommissionen“ Bündnis für Arbeit (2022) – Bekämpfung der Inflation und ihrer konjunkturellen Folgen Beeinflussungsmuster Emanzipation von Verbänden in der Sozialpolitik? Traditionell korporatistische Interessenvermittlung in der Sozialpolitik Enge Verflechtung zwischen Verbänden, Ministerium und BT-Ausschuss Verflechtung nimmt im Zeitverlauf ab  phasenweise Sozialpolitik ohne Sozialpartner (z.B. Hartz-Reformen) Beeinflussungsmuster Von Beyme (1997) untersucht 110 Schlüssel- entscheidungen auf Einfluss: – Symmetrischer Korporatismus (9,1% der Fälle): Kapital vs. Arbeit, z.B. Wirtschafts- und Steuerpolitik – Asymmetrischer Korporatismus (16,4%): Kapital oder Arbeit dominierend – Korporativer Dualismus plus statuspolitischer Pluralismus (23,6%): Kapital, Arbeit und statuspolitische Gruppen, z.B. Gesundheitspolitik Beeinflussungsmuster Von Beyme (1997) untersucht 110 Schlüssel- entscheidungen auf Einfluss: – Oligopol von Statusgruppen (22,7%): wenige (oder nur eine) Statusgruppe(n) dominieren, z.B. Landwirtschaft – Erweiterter Pluralismus (12,7%): viele Gruppen (echter Pluralismus), z.B. Rechtspolitik – Pluralismus bei Dominanz der ideellen Fördererverbände (15,5%): viele Gruppen, ideelle Förderverbände dominieren, z.B. Umweltpolitik Blick in die Forschung Überblickswerke – Handbuch Gewerkschaften in Deutschland (Schroeder 2014) – Handbuch Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände in Deutschland (Schroeder & Weßels 2017) – Lobbying in the European Union: Interest Groups, Lobbying Coalitions, and Policy Change (Klüver 2013) – Business Lobbying in the European Union (Coen, Katsaitis & Vannoni 2021) Blick in die Forschung Beiträge zur Messung korporatistischer Strukturen (im internationalen Vergleich) – Corporatism in 24 industrial democracies: meaning and measurement (Siaroff 1999) – Changing the guard: trends in corporatist arrangements in 42 highly industrialized societies from 1960 to 2010 (Jahn 2016) Blick in die Forschung Korporatismus & Policy-making – in Deutschland: Konzertierung, Verhandlungsdemokratie und Reformpolitik im Wohlfahrts-staat (Jochem & Siegel 2003) Politisch-ökonomische Konfliktlinien im sich wandelnden Wohlfahrtsstaat (Bender 2020) – im internationalen Vergleich: Social pacts in Europe: emergence, evolution, and institutionalization (Avdagic, Rhodes & Visser 2011) Social concertation in Europe during the Great Recession: A fsQCA- study of social partner involvement (Bender & Ebbinghaus 2020) Fazit Verbände = intermediäre Organisationen Verbände haben verschiedene Einflusskanäle Unterscheidung verschiedener Verbändesysteme Unterschiedliche Beeinflussungsmuster in BRD Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 7. Sitzung Der Bundestag WIEDERHOLUNG Welche Einflusskanäle haben Verbände? In welcher Weise beeinflussen Verbände Entscheidungen im Pluralismus? Welche Kritik gibt es am Pluralismus? Was ist (Neo-)Korporatismus? Welche Beeinflussungsmuster findet von Beyme (1997) empirisch? Parlamentarismus vs. Präsidentialismus Hauptunterscheidungsmerkmal (nach W. Steffani): Abberufbarkeit der Regierung durch das Parlament aus politischen Gründen Sekundäre Merkmale von parlamentarischen Systemen – Verschmelzung zwischen Exekutive und Legislative – Duale Exekutive – Fraktionsdisziplin – Dualismus zw. Parlamentsmehrheit und Opposition Stellung im politischen System der BRD Einzige direkt gewählte Institution auf Bundesebene Die meisten anderen Staatsorgane leiten ihre politische Legitimation vom Bundestag ab. Er steht daher im Zentrum des parlamentarischen Systems. Soziale Zusammensetzung Soziale Zusammensetzung des BT spiegelt nicht die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung wider. Unterrepräsentiert sind im 20. Deutschen Bundestag – Frauen (34,9% statt 51,7% in Gesamtbevölkerung) – Menschen mit Migrationshintergrund (11,3% statt 24,3%) – Arbeiter (0,3% statt 16,6%) – Menschen mit geringer Ausbildung (Akademikeranteil 88% statt 22%) – Junge Menschen (unter 30: 6,4% statt 14,4%) ABER: Ist soziale Repräsentation notwendig? Organisation: Fraktionen Einzelne Abgeordnete sind nur ihrem Gewissen verpflichtet (Art. 38 GG). Allerdings sind viele Rechte Fraktionen (bzw. 5% der Abgeordneten) vorbehalten. – Einbringung eines Gesetzentwurfs – Anfragen, aktuelle Stunden Arbeitsteilung zwischen den Abgeordneten – Arbeitsgruppen und Berichterstatter zu einzelnen Gesetzen sind Politikfeldspezialisten. – Rest der Fraktion schließt sich dieser Position in der Regel an Organisation: Ausschüsse Einige Ausschüsse sind im GG erwähnt. – Petitionsausschuss, Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Verteidigungsausschuss, Europaausschuss Ausschüsse werden i.d.R. spiegelbildlich zu den Ressorts gebildet. – Ausnahmen: Wahlprüfung, Petitionen, Europa, Menschenrechte, Sport, Tourismus, Haushalt, Kultur Organisation: Ausschüsse Besetzung der Ausschüsse nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen Ausschussvorsitze werden zwischen den Fraktionen aufgeteilt. – Der Vorsitz im Haushaltsausschuss liegt immer bei einem Abgeordneten der stärksten Oppositionsfraktion. Gesetzesberatung Selbstbefassungsrecht Organisation: Präsidium/Ältestenrat Präsidium: Bundestagspräsidentin und (aktuell 5) Stellvertreter/innen Ältestenrat: Präsidium plus 23 weitere MdB Ältestenrat ist u.a. für Tagesordnung & Verwaltungs- fragen zuständig. Keine einseitige Dominanz der Mehrheitsfraktionen bei der Gestaltung der Tagesordnung Funktionen Wahl Gesetzgebung Kontrolle Artikulation Wahl: Bundeskanzler Regierungsbildung als zentrale Aufgabe des BT Wahl in Art. 63 GG geregelt Ablösung nur durch Wahl eines neuen Bundeskanzlers („konstruktives Misstrauensvotum“) Wahl: Weitere Organe Hälfte der Bundesverfassungsrichter BT stellt in Form seiner Mitglieder die Hälfte der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt. Gesetzgebung: Das Verfahren Initiative: Bundestag (5% der Abgeordneten), Bundesregierung oder Bundesrat 1. Lesung: Beratung, Ausschussüberweisung Ausschuss: Detailberatung und Bericht 2. und 3. Lesung: Abstimmung Bundesrat … (s. kommende Sitzung) Gesetzgebung: Statistik 20. WP (bis Ende November 2024) Im BT eingebracht 574 – Regierungsvorlagen 329 (57,3%) – Bundesrat 46 (8,0%) – Bundestag 199 (34,7%) Koalitionsfraktionen 70 [12,2%] Oppositionsfraktion(en) 116 [20,2%] Inter- oder außerfraktionell 13 [2,3%] Verkündet 289 – Regierungsvorlagen 214 (74,0%) – Bundesrat 2 (0,7%) – Bundestag 69 (23,9%) Koalitionsfraktionen 66 [22,9%] Oppositionsfraktion(en) 0 [0%] Inter- oder außerfraktionell 3 [1,0%] – Abgespaltene Gesetze 4 (1,4%) Kontrolle 3 Formen von Kontrolle: – Politische Richtungskontrolle – Effizienzkontrolle – Rechtskontrolle Dualismus Regierungsmehrheit vs. Opposition bedingt unterschiedliche Wahrnehmung der Kontrollaufgabe. Mehrheitsfraktionen: diskrete Kontrolle hinter den Kulissen Kontrolle Opposition kontrolliert öffentlichkeitswirksam. – Informationen/Vorhaben: Kleine/große Anfrage, aktuelle Stunde, Regierungsbefragung – Untersuchungsausschuss – Anstrengung abstrakter Normenkontrolle – (Konstruktives Misstrauensvotum) Weitere (parlamentarische) Kontrolle – Haushaltsauschuss – Wehrbeauftragter – Parlamentarisches Kontrollgremium Artikulation Debatten im Plenum als Verdeutlichung unterschiedlicher (parteipolitischer) Positionen Debatten werden nicht geführt, um andere MdB zu überzeugen. Blick in die Forschung Überblickswerke – Der Deutsche Bundestag (Ismayr 2012) – Parlamentarismusforschung (Patzelt 2020) – Parlamentarismus. Eine Einführung (Marschall 2018) – The Oxford Handbook of Legislative Studies (Martin, Saalfeld & Strom 2014) – Der Gesetzgeber. Der Bundestag als Entscheidungszentrum (von Beyme 1997) Blick in die Forschung Determinanten von Gewissensentscheidungen (Abtreibung, Sterbehilfe, Stammzellen, Organspende, gleichgeschlechtliche Ehe, …) – Political Parties and MPs’ Morality Policy Voting Behaviour: Evidence from Germany (Engler & Dümig 2017) – Personal Characteristics of MPs and Legislative Behavior in Moral Policy Making (Baumann, Debus & Müller 2015) – Conservative Politicians and Voting on Same-sex Marriage (Kauder & Potrafke 2019)  Parteizugehörigkeit trotzdem zentraler Faktor  Konfession und andere persönliche Eigenschaften  Wiederwahlchancen bei Direktmandaten  Werteeinstellungen im Wahlkreis Blick in die Forschung Determinanten von abweichendem Abstimmungsverhalten Quelle: Mai et al. (2023) Blick in die Forschung Determinanten von abweichendem Abstimmungsverhalten Quelle: Mai et al. (2023) Blick in die Forschung Determinanten von abweichendem Abstimmungsverhalten – Voting against the Party Line. How Career-Related Characteristics of Members of Parliament Shape their Legislative Behaviour (Mai 2023) – Behavioral consequences of mixed electoral systems: Deviating voting behavior of district and list MPs in the German Bundestag (Sieberer 2010) – Voting behaviour in the 19th German Bundestag and beyond: between the daily business of unity and a special vote of conscience (Mai, Link & Engler 2023)  Strukturelle Faktoren: z.B. Mehrheitswahlsystem  (Partei-)politische Faktoren: z.B. Oppositionspartei  Inhaltliche Faktoren: z.B. Außen-/Verteidigungspolitik  Individuelle Faktoren: z.B. Distanz zu Parteilinie, Direkt- mandat, gefährdete Wiederwahl, wenig Sozialisierung in Partei, hohe Nebeneinkünfte Fazit BT = einzige direkt gewählte Institution auf Bundesebene BT = zentrale Position im politischen System der BRD  Wahl des Bundeskanzlers  Beschluss von Gesetzen  Kontrolle der Regierung Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 8. Sitzung Der Bundesrat WIEDERHOLUNG Welche Besonderheiten weist die soziale Zusammensetzung des BT auf? Warum ist die BRD als parlamentarisches Regierungs- system einzuordnen? Wie funktioniert die Arbeitsteilung in Fraktionen? Wie wählt der BT einen Bundeskanzler? Woher stammen die Gesetzentwürfe? Wie kontrolliert der Bundestag die Bundesregierung? Stellung Parlamentarischer Rat konstruierte den Bundesrat als „Widerlager gegen die Parteipolitik“. Gegengewicht der Länderverwaltungen gegen die Bundesregierung Keine zweite Parlamentskammer im klassischen Sinne Bundesrat muss einer ganzen Reihe von Gesetzen sowie Verordnungen und Verwaltungsvorschriften zustimmen. Besondere Rolle im Gesetzgebungsnotstand (Art. 81 GG) Zusammensetzung Repräsentiert sind die Regierungen der Bundesländer. Jedes Land hat mind. 3 Stimmen Mehr als 2 Mio. Einwohner 4 Stimmen Mehr als 6 Mio. Einwohner 5 Stimmen Mehr als 7 Mio. Einwohner 6 Stimmen Disproportionalität, so z.B.: – HB: 1 BRat-Stimme pro ca. 228.000 Einwohner – NW: 1 BRat-Stimme pro ca. 3,02 Mio. Einwohner Parteipolitische Zusammensetzung 1949-2023 Monate In Prozent aller In Prozent der Monate CDU/CSU- bzw. der SPD-geführten Regierungen Gleichförmige Mehrheiten für 163 18,1 35,5 CDU/CSU-geführte Regierung Gegenläufige Mehrheiten für 296 32,8 64,5 CDU/CSU-geführte Regierung Große Koalition 179 19,8 Gegenläufige Mehrheiten für SPD- 254 28,1 95,8 geführte Regierung Gleichförmige Mehrheiten für SPD- 11 1,2 4,2 geführte Regierung Summe 903 100 Quelle: Wagschal 2001; Updates: Zohlnhöfer Aktuelle parteipolitische Zusammensetzung CDU/CSU, Gemischt SPD, Grüne, Summe FDP, FW (C-Länder) Linke (A- (B-Länder) Länder) 3 Stimmen HB, HH, MV, SL 12 4 Stimmen BE, (BB), RP, (TH) 28 (SN), ST, SH 5 Stimmen HE 5 6 Stimmen BY BW, NW NI 24 Summe 6 41 22 69 Formelle Arbeitsweise Ausschüsse nach Bereichen der Bundesregierung – 1 Vorsitz je Land (= 16 Ausschüsse) – Jedes Land 1 Stimme im Ausschuss – Vertretung nach Ressortprinzip – Daher erheblich divergierende parteipolitische Mehrheiten in einzelnen Ausschüssen (Umwelt, Inneres). – Ausschussabstimmung keine Vorwegnahme von Plenumsabstimmung Formelle Arbeitsweise (2) Koordination – Sammlung unstrittiger Punkte für Plenum – Harmonisierung v. Positionen innerhalb der Länderkabinette – Ggf. „freie Hand“ / „pflichtgemäßes Ermessen“ Im Plenum – Länder können Stimmen nur geschlossen abgeben. – Uneinheitliche Stimmabgabe gilt als ungültig. Politische Koordination Neben der formellen Koordination auch frühzeitige (partei)politische Koordination Innerparteiliche Koordination in Parteivorständen etc. Fachministerkonferenzen oder Konferenz der Ministerpräsidenten (MPK) – Teilweise schon bei Koalitionsbildung im Bund MPK-Verfahren in Merkel-Jahren prominent – Atomausstieg, Energiewende, Migration, Bund-Länder- Finanzbeziehungen, Corona-Pandemie Aufgaben Wahl der Hälfte der Bundesverfassungsrichter/-innen Beteiligung an der Gesetzgebung und Verabschiedung von Verordnungen Beteiligung an der Gesetzgebung Erster Durchgang: Stellungnahme zu Gesetzentwürfen der Bundesregierung Zweiter Durchgang: Behandlung von Entwürfen, die der Bundestag in dritter Lesung angenommen hat. Einspruchsgesetze Alle Gesetze, für die im GG nichts anderes bestimmt ist, sind Einspruchsgesetze. Bundesrat kann gegen ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz Einspruch einlegen. Bundestag kann den Einspruch zurückweisen. Wenn BRat mit Mehrheit Einspruch erhebt, ist Mehrheit im BT erforderlich. Legt BRat mit Zweidrittelmehrheit Einspruch ein, ist Zweidrittelmehrheit im BT nötig. Zustimmungsbedürftige Gesetze Zustimmung des Bundesrates notwendig, damit Gesetz zustande kommt. Betreffen meist Länderinteressen. Zustimmungsbedürftigkeit im GG einzeln geregelt (28 Sachverhalte in 22 Artikeln). Im Einzelfall kann Zustimmungsbedürftigkeit umstritten sein. Zunächst sollte Zustimmungsbedürftigkeit Ausnahme sein. Einheitstheorie des BVerfG von 1958 Entwicklung der Zustimmungsbedürftigkeit 60 50 40 30 20 10 0 Daten: Zohlnhöfer 2023 Die Föderalismusreform I Ziel: Entflechtung der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern Neufassung Art. 84(1) GG ermöglicht es, in bestimmten Fällen Zustimmungsbedürftigkeit zu umgehen. Effekte bei der Zustimmungsbedürftigkeit Daten: Zohlnhöfer; Stand: Ende 2023 Vermittlungsausschuss (VA) Ständiges Gremium: – Je 16 Mitglieder aus BT und BRat – Weisungsfreiheit – Nicht-öffentliche Beratungen – Ergebnisse können nur angenommen oder abgelehnt werden. Einspruchsgesetze: Bundesrat muss mit Mehrheit VA anrufen. Zustimmungsbedürftige Gesetze: VA kann von Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag angerufen werden. Anrufungsquote (linke Achse) und Anzahl der gescheiterten Gesetze (rechte Achse) Daten: Zohlnhöfer (2023) Einfluss Parteipolitische vs. Länderinteressen Selbst bei gleichgerichteten Mehrheit spielt der Bundesrat eine wichtige Rolle. Auch in Zeiten gegenläufiger Mehrheiten selten Blockaden. Häufig findet Kompromissbildung bei gegenläufigen Mehrheiten schon vor dem zweiten Durchgang statt. Seit der Wiedervereinigung bestand kaum je die Möglichkeit „durchzuregieren“. Besonderheiten bei unklaren Mehrheitsverhältnissen „Gemischt“ regierte Länder enthalten sich bei kontroversen Fragen oft. Faktisch wirkt Enthaltung wie Nein, aber mit unterschiedlichen Folgen – Bei Einspruchsgesetzen: Anrufung des VA und Einspruch benötigen BRat-Mehrheit  kein Einspruch – Bei Zustimmungsgesetzen: Mehrheit für Zustimmung notwendig  keine Zustimmung Einschränkung bei Zustimmungs-, aber nicht bei Einspruchsgesetzgebung. Blick in die Forschung Überblickswerke – 60 Jahre Bundesrat. (Jun & Leunig 2011) – Der Bundesrat in der Parteiendemokratie: Aufgabe, Strukturen und Wirkung der Länderkammer im föderalen Gefüge (Schmedes 2019) Parteipolitisierung des BR und Reformoptionen – Parteipolitik im Bundesrat. Der Bundesrat und seine Ausschüsse (Müller et al. 2020) – Regieren im “Parteienbundesstaat”: Zur Architektur der deutschen Politik (Decker 2011) – Reformstau durch Föderalismus? (Papier 2009) Auswirkungen der Föderalismusreform I – Die christlich-liberale Koalition als Nutznießer der Föderalismusreform? Bundesrat, Föderalismus und die Regierung Merkel II (Reus & Zohlnh. 2015) Fazit Beteiligung der Exekutiven der Länder an der Legislative des Bundes Möglicher Konflikt zwischen Länderinteressen und Parteipolitik Hinweise Die Sitzung am 18.12. findet nicht in Präsenz statt. Sie erhalten via Moodle eine vertonte Powerpoint- Präsentation zum Sitzungsthema Die nächste reguläre Sitzung findet statt am 08.01.2025. Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 9. Sitzung Die Exekutive WIEDERHOLUNG Welche Stellung hatte der Parlamentarische Rat dem BRat zugedacht? Wie ist der BRat zusammengesetzt? Was sind Einspruchs- bzw. Zustimmungsgesetze? Und wie hat sich ihre Anzahl im Zeitverlauf verändert? Wie steht es um die Parteipolitisierung des Bundesrats? Exekutive Parlamentarische Regierungssysteme haben häufig eine duale Exekutive. – Staatsoberhaupt (in D.: Bundespräsident) – Regierungschef & Kabinett (in D.: Bundeskanzler & BReg) Bundespräsident Sowohl hinsichtlich Legitimation als auch hinsichtlich Kompetenzen ggü. Weimar deutlich geschwächt. Wahl durch Bundesversammlung (= MdB + gleich große Anzahl von durch die Landtage gewählten Personen) Bundespräsident: Aufgaben Repräsentiert die Bundesrepublik Schlägt dem Bundestag einen Bundeskanzler vor Ernennt Bundeskanzler, Bundesminister etc. Fertigt Gesetze aus – 8 Fälle, in denen er dies verweigerte Überparteiliche Führung Reservefunktion bei… – Wahl eines Bundeskanzlers mit relativer Mehrheit – Verlorener Vertrauensfrage – Gesetzgebungsnotstand Bundesregierung Bundeskanzler und Minister Zentrale Organisationsprinzipien (Art. 65 GG) – Kanzlerprinzip – Ressortprinzip – Kabinettsprinzip Prinzipien stehen in Spannungsverhältnis zueinander. Kanzlerprinzip Legitimation: Bundeskanzler ist einziges Mitglied der Bundesregierung, das gewählt wird. Schwer abwählbar (Art. 67 GG) Vorschlagsrecht (Art. 64 (1) GG): Minister werden auf Vorschlag des Kanzlers ernannt und entlassen. Organisationsgewalt: Kanzler kann Ministerien zuschneiden Richtlinienkompetenz (Art. 65 (1) GG) Vertrauensfrage (Art. 68 GG) Ressortprinzip Jeder Minister leitet Ressort in eigener Verantwortlichkeit Fachkompetenz der Ministerialverwaltung bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen als Machtressource Besondere Rechte: – Finanzen: Finanzwirksame Maßnahmen – Justiz/Inneres: Verfassungsmäßigkeit – Frauen/Jugend: Frauenpolitische Angelegenheiten – Verteidigung: Befehls- und Kommandogewalt Kabinettsprinzip Konflikte werden entschieden. Viele Befugnisse nur als Kollektiv – Einbringen von Gesetzentwürfen – Anrufung Vermittlungsausschuss, BVerfG Aber: „Die Entscheidungen werden im Kabinett weniger getroffen als gebilligt“ (von Beyme 1997: 139). Entscheidungen werden oft nicht im Kabinett, sondern in informellen Gremien vorbereitet (Informalisierung). Informalisierung Fast alle wichtigen politischen Entscheidungen werden außerhalb des Kabinetts vorbereitet (z.B. Koalitions- ausschuss, Kommissionen etc.). Im Kabinett fehlen wichtige Akteure (z.B. Parteivor- sitzende, Fraktionsvorsitzende, Ministerpräsidenten). Gleichzeitig sind im Kabinett Akteure vertreten, die nicht zu den Kernentscheidern zählen. Kanzlerdemokratie? Begriff kam in der Ära Adenauer auf. Karlheinz Niclauß (2004, 2015) erarbeitete ein entsprechendes Konzept. – Zentrale Rolle bei der Entscheidungsdurchsetzung – Persönliches Prestige – Personalunion Kanzler – Parteivorsitzender – Dualismus Regierung vs. Opposition – Persönliches Engagement in der Außenpolitik Einschränkungen Rücksichtnahme auf Koalitionspartner Rücksichtnahme auf innerparteiliche Flügel und regionalen Proporz Republik der „Landesfürsten“ Starke Stellung des Bundesrates Bundesverfassungsgericht Europäische und internationale Verflechtung Blick in die Forschung Überblickswerke – Handbuch Regierungsforschung (Korte & Florack 2022) – Bundeskanzleramt und Bundesregierung: Handbuch für Wissenschaft und Praxis (Busse & Hofmann 2019) – Der Bundespräsident im politischen System (van Ooyen & Möllers 2012) Rolle des Bundeskanzlers im politischen System – Kanzlerdemokratie: Regierungsführung von Konrad Adenauer bis Angela Merkel (Niclauß 2015) – Managing the legacy of long-term leaders: the curious evolution of leadership styles in the German Chancellery (Helms 2024) Blick in die Forschung Bilanzbände einzelner Bundesregierungen – Das Ende der Merkel-Jahre. Eine Bilanz der Regierung Merkel 2018- 2021 (Zohlnhöfer & Engler 2022) – Zwischen Stillstand, Politikwandel und Krisenmanagement. Eine Bilanz der Regierung Merkel 2013-2017 (Zohlnhöfer & Saalfeld 2019) –…  Bilanz verschiedener Polity-/Politics-Elemente sowie Policy-Bereiche Fazit Duale Exekutive – wie in anderen parlamentarischen Regierungssystemen Bundespräsident weitgehend repräsentative Aufgaben, aber „Reservefunktion“ Bundeskanzler mit formal herausgehobener Stellung, aber eingebettet in Koalitionszwänge Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler INFORMATIONEN zur KLAUSUR – Anmeldung: bis eine Woche vor dem jeweiligen Klausurtermin – Ersttermin: 10.2.2025, 10:00 Uhr – Zweittermin: 24.3.2025, 10:00 Uhr – Räumlichkeiten: Infos nach Ende der Anmeldefrist via Moodle – Freie Wahl zwischen Erst- und Zweittermin – Struktur der Klausur 60 Minuten (4 LP) bzw. 90 Minuten (6 LP) Multiple Choice-Klausur mit 30 Fragen (4 LP) bzw. 45 Fragen (6 LP) Keine Auswahlmöglichkeit – alle Aufgaben sind zu beantworten Mindestens eine Antwortmöglichkeit ist korrekt. – Teilnahmevoraussetzung für Fachfremde: erfolgreicher Abschluss (oder Abschluss in diesem WiSe) der VL „Einführung in die Politikwissenschaft“ 2 10. Sitzung Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) WIEDERHOLUNG Welche Funktionen hat der Bundespräsident in „Normal-“ bzw. in Krisenzeiten? Welche drei Organisationsprinzipien definieren die Arbeit der Bundesregierung? Was sind die Merkmale einer „Kanzlerdemokratie“? Welche offenen Fragen haben Sie zur Video-Einheit? Rechtliche Regelungen Bislang galt: – Aufbau, Verfahren und Richterwahl nicht im GG geregelt, sondern im BVerfGG Dezember 2024: GG-Änderung auf Antrag von SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP & SSW-MdB – Integration der wesentlichen Elemente des BVerfG ins GG – Dort sind nun u.a. geregelt: Rang als Verfassungsorgan Aufbau Richterwahl & Amtsdauer Aufgaben Aufbau 2 Senate mit je 8 Richtern – 1. Senat „Grundrechtssenat“ – 2. Senat „Staatsrechtssenat“ Effizienzsteigerung durch Kammern (bestehend aus jeweils 3 Richtern) Wer wird Verfassungsrichter? Voraussetzungen – Befähigung zum Richteramt & mindestens 3 Richter jedes Senats müssen Richter an obersten Bundesgerichten gewesen sein. – Mindestens 40, höchstens 68 Jahre alt Wahl erfolgt auf 12 Jahre, Wiederwahl ist nicht möglich. Wahl je der Hälfte der Richter mit Zweidrittelmehrheit durch Bundestag bzw. Bundesrat Verfahrensarten Verfassungsbeschwerden – Antragsberechtigt: Jedermann, soweit der Rechtsweg ausgeschöpft ist. Konkrete Normenkontrolle – Antragsberechtigt: Gerichte Abstrakte Normenkontrolle – Antragsberechtigt: Bundesregierung, Viertel der MdB, Landesregierung Parteiverbot – Antragsberechtigt: Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat Verfahrensarten Verwirkung von Grundrechten – Antragsberechtigt: Bundesregierung, Bundestag, Landesregierung Beschwerden im Wahlprüfungsverfahren – Antragsberechtigt: Wahlberechtigte (mit zuvor vom BT abgelehntem Einspruch gegen Wahl), 1 Bundestagsfraktion, Zehntel der MdB Organstreitverfahren – Antragsberechtigt: Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundestagsfraktionen, einzelne Abgeordnete, Parteien, Bundesversammlung, Bundeskanzler, Bundesminister Bund-Länder-Streitigkeiten – Antragsberechtigt: Bundesregierung, Landesregierungen Entwicklung der Verfahrenseingänge & -erledigungen seit 1951 Quelle: BVerfG (2023) Anrufung 1951-2023 264.137 eingegangene Verfahren, davon sind… – 254.276 Verfassungsbeschwerden (96,3%!) Erfolgsquote im Durchschnitt der letzten 10 Jahre: ca. 1,7% – 4030 Normenkontrollverfahren (davon ca. 95% konkrete NK) – 10 Parteiverbotsverfahren & Ausschluss/Parteienfinanzierung – 4 Verwirkung von Grundrechten – 550 Beschwerden im Wahlprüfungsverfahren – 401 Organstreitverfahren – 214 Andere Verfahren – (4652 einstweilige Anordnungen ohne Hauptsacheverfahren) Was entscheidet das Gericht? Entscheidet nur, wenn es angerufen wird. Wenn es angerufen wird, muss es entscheiden (keine political question). Es kann (formal) nur Verfassungsmäßigkeit prüfen. Keine Revisionsinstanz oberhalb BVerfG Mögliche Entscheidungen – Grundgesetz-Konformität bestätigt – Nichtigkeit – Unvereinbarkeit – Verfassungskonforme Interpretation Wirkung Nichtigkeits-/Unvereinbarkeitserklärungen – 527 Normen aus Bundesgesetzen und -verordnungen für nichtig/unvereinbar erklärt, darunter 52 ganze Gesetze/Verordnungen (bis 2022). – Weitere 289 Ländernormen Vorauseilender Gehorsam Reformerzwinger Justizialisierung der Politik? These: – Zu starke Einengung des Spielraums des Gesetzgebers wegen zu präziser Vorgaben. – Eigenständige Politikgestaltung durch das Gericht – Demokratieproblematik Beispiele: – Parteienfinanzierung – Schwangerschaftsabbruch – Steuerpolitik – Wahlrecht BVerfG als Gegenregierung? These: a) Das Gericht behindert systematisch die Politik der jeweiligen Regierung. b) Das Gericht versucht, eine bestimmte politische Linie durchzusetzen. Empirisch insgesamt nicht haltbar Bislang stellt das Verfahren der Rekrutierung parteipolitische Ausgewogenheit sicher. BVerfG als Instrument der Opposition? These: Die Opposition versucht, vor dem BVerfG parlamentarische Niederlagen noch in Siege umzumünzen. Es gibt kein explizites Recht der Opposition, vor dem BVerfG zu klagen. Aber durch ein Viertel der MdB und Landes- regierungen steht der Opposition der Weg offen (in gewissen Fällen auch als einzelne Partei). Empirische Auswertung Beantragung (1951-2023): Anträge in „politischen Verfahren“ überwiegend von Opposition initiiert – Abstrakte Normenkontrolle: 66,2% initiiert von oppositionellen Akteuren Aber: nur 12% kommen von der parlamentarischen Opposition – Organstreit: 88,5% initiiert von oppositionellen Akteuren 62,6% kommen direkt von der parlamentarischen Opposition – Bund-Länder-Streitigkeiten & Verfassungsbeschwerden wenig geeignet für und selten genutzt aus parteipolitischen Gründen (Quelle: Stüwe 2023) Empirische Auswertung Erfolg (1951-1998) – SPD (Opposition von 1951-1966 und 1982-1998) Abstrakte Normenkontrolle: kaum Erfolge als Fraktion (1 von 9), als Länderregierung erfolgreicher (22 von 41 inkl. Teilerfolgen) Organstreit: Teilerfolge als Fraktion (5 (davon 4 Teilerfolge) von 10); Partei ohne Initiative Bund-Länder: sehr erfolgreich in der ersten Phase (4 von 5), erfolglos in der zweiten Phase (0 von 4) – CDU/CSU (Opposition von 1969-1982) Abstrakte Normenkontrolle: erhebliche Erfolge als Fraktion (2 von 3) und als Länderregierung (11 von 15 inkl. Teilerfolgen) Organstreit: erfolgreich sowohl als Fraktion (1 von 1) als auch Länderregierung (1 von 1) Bund-Länder: erfolgreich (1 von 1) (Quelle: Stüwe 2023) Empirische Auswertung Erfolg (1951-1998) – FDP ohne nennenswerte Aktivitäten während ihrer Oppositionszeiten – Grüne (Opposition von 1982-1998) Organstreit: in 3 von 9 Fällen erfolgreich – PDS (Opposition von 1990-1998) Organstreit: in 2 von 4 Fällen erfolgreich (Quelle: Stüwe 2023) Blick in die Forschung Überblickswerke – Handbuch Bundesverfassungsgericht (van Ooyen & Möllers i.E.) – Verfassungsgerichtsbarkeit in der BRD (Höreth 2014) BVerfG im politischen Alltag – Konfliktlagen des Bundesverfassungsgerichts mit den Regierungen Schröder und Merkel, 1998–2013 (Kneip 2023) – Bundesverfassungsgericht und Wahlrecht (Hellmann 2023) – Das Bundesverfassungsgericht und die Corona-Krise (Möllers & van Ooyen 2023) Regieren ohne/mit/durch Richter? – Bundesverfassungsgericht und Opposition (Stüwe 2023) – Governing with Judges. Constitutional Politics in Europe (Stone Sweet 2000) Fazit BVerfG wichtiger Akteur im politischen System BVerfG kann Politikentscheidungen mit prägen BVerfG als Instrument der Opposition oder Gegenregierung allerdings fraglich Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 11. Sitzung Der Föderalismus WIEDERHOLUNG Wie ist das Bundesverfassungsgericht aufgebaut? Wie werden Bundesverfassungsrichter bestimmt? Was sind die wichtigsten Verfahrensarten, wie häufig kommen sie jeweils vor und wer ist antragsberechtigt? Was besagt die These von der Justizialisierung der Politik? Ist das BVerfG eine Gegenregierung? Ist das BVerfG ein Instrument der Opposition? Warum Föderalismus? Minderheitenschutz / Schonung der kulturellen, sprachlichen, religiösen oder sonstigen Autonomie Integration heterogener Gesellschaften Machtteilung / Machtbeschränkung Experimentierfeld Die Bundesländer Fläche in qkm: 404 (HB) – 70.552 (BY) Bevölkerung in Mio. (2022): 0,7 (HB) – 18,1 (NRW) BIP/Kopf in € (2022): 32.837 (MV) - 76.910 (HH) ALQ (2023): 3,4% (BY) – 10,6% (HB) Mathekompetenz 9. Klasse (IQB-Bildungstrends 2018; Anteil mind. Regelstandard): 29% (HB) – 57% (SN) Ausländeranteil (2022): 6,5% (MV) – 22,2% (BE) Katholikenanteil (2022): 3,1% (ST) – 50,8% (SL) Wahlbeteiligung (2021): 67,9% (ST) – 79,9% (BY) Die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern Bund: – Hauptsächlich Gesetzgebung (aber oft mit Bundesrat!) – Kaum Verwaltung (Ausnahmen: Äußeres, Verteidigung, Wasserstraßen, Autobahnen) Länder: – Hauptsächlich Verwaltung – Wenig Gesetzgebungskompetenzen (Bildung, Polizei, Gemeindeverfassung; teilweise auch Umwelt- und Wirtschaftsstrukturpolitik) Die Finanzverfassung Bund und Länder sind in ihrer Haushaltsführung unabhängig. Großteil der Steuereinnahmen kommt aus den gleichen Quellen (Steuerverbund): – Einkommensteuer – Körperschaftsteuer – Umsatzsteuer Aufteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden variiert je nach Steuer. Aufteilung Gemeinschaftssteuern Aufteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden variiert je nach Steuer. Angaben für 2022 Bund Länder Gemeinden Einkommensteuer 42,5 42,5 15 Körperschaftsteuer 50 50 0 Umsatzsteuer 46,6 50,5 2,8 Die Finanzverfassung (2) Bundessteuern: Versicherungssteuer, Verbrauchsteuern (ohne Biersteuer), Zuschläge auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer Landessteuern: Erbschaftsteuer, Grunderwerbsteuer, Biersteuer, Spielbankabgabe (, Vermögensteuer) Gemeindesteuern: Gewerbesteuer, Grundsteuer Anteil der Länder am Gesamtsteueraufkommen: 42,9% (2022) Länderfinanzausgleich bis 2019 2 Arten von Länderfinanzausgleich: – Horizontal (zwischen den Ländern) – Vertikal (zwischen Bund und Ländern) Zweistufiges Verfahren beim horizontalen Länderfinanzausgleich: 1. Umsatzsteuervorwegausgleich 2. Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern (Länderfinanzausgleich im engeren Sinne) Anschließend vertikaler Finanzausgleich: Bundesergänzungszuweisungen Länderfinanzausgleich seit 2020 Horizontaler Ausgleich – Wegfall der bisherigen horizontalen Elemente – Neu: Umverteilung zwischen den Ländern über Umsatzsteuerverteilung („Finanzkraftausgleich“) Vertikaler Ausgleich – Länder bekommen knapp 10 Mrd. € mehr vom Bund – Neue Bundesergänzungszuweisungen u.a. für steuer- schwache Kommunen und zum Forschungsförderungs- ausgleich Revisionsklausel ab 2030 auf Antrag von BReg, BT oder 3 Ländern (Art. 143f GG) Politik in den Bundesländern Begrenzte Anzahl von Bereichen, in denen die Länder Gesetzgebungskompetenzen besitzen. Horizontale Koordination („dritte Ebene“) Dennoch gibt es in einigen Bereichen gewisse Unterschiede: – Studiengebühren (nicht mehr) – Schulpolitik – Nichtraucherschutz in Gaststätten – Ladenschluss Ergebnisse Dauerwahlkampf Politikverflechtung: „Politisch-administrative Entscheidungsstruktur, in der die meisten öffentlichen Aufgaben nicht durch Entscheidungen und Handlungen einzelner – getrennt von einander agierender – Gebietskörperschaften, sondern durch die horizontale Kooperation der Länder und die vertikale Kooperation von Bund und Ländern […] wahrgenommen werden“ (Schmidt 2010: 609) Politikverflechtungsfalle? Die Reformen des Föderalismus Scharpfs These: Obwohl der politikverflochtene Föderalismus systematisch suboptimale Entscheidungen produziert, kann er nicht reformiert werden. Gegenbeispiele Föderalismusreform I und II? Politikverflechtungsfalle? Die Reformen des Föderalismus Föderalismusreform I (2006) – Zustimmungsbedürftigkeit (vgl. Sitzung Bundesrat) – Mehr Gesetzgebungskompetenzen der Länder – Veränderungen bei der Gesetzgebung des Bundes (Rahmengesetzgebung, konkurrierende Gesetzgebung) – Verbot der Kofinanzierung reiner Länderaufgaben (inzwischen aufgeweicht) – Aufteilung von internationalen Sanktionszahlungen Föderalismusreform II (2009) – Schuldenbremse Reform der föderalen Finanzbeziehungen (2017) eher Zentralisierung und Vertikalisierung (Kube 2019) Reformoptionen Länderneugliederung Ländergesetzgebung: Bedingte Abweichungsrechte Größere Steuerautonomie Reform des Bundesrates – Wertung der Enthaltungen – Abschied vom einheitlicher Stimmabgabe Blick in die Forschung Überblickswerke – Kooperativer Föderalismus und Politikverflechtung (Kropp 2010) – Der deutsche Föderalismus. Grundlagen – Reformen – Perspektiven (Sturm 2015) – Die Politik der Bundesländer. Zwischen Föderlismusreform und Schuldenbremse (Hildebrandt & Wolf 2016) Föderalismusreformen & Auswirkungen – Föderalismusreform: Kein Ausweg aus der Politikverflechtungsfalle (Scharpf 2009) – Towards a new German federalism? (von Blumenthal 2010) – Policy-Vielfalt zwischen den Bundesländern nach der Föderalismusreform I: Art, Ausmaß und Akteure (Reus & Vogel 2018) Blick in die Forschung Föderalismus und Politikgestaltung – Bildungspolitik – Distributing Pieces of a Pie. Education Budgets of the German Länder Between Party Politics and Fiscal Rules (Brumm & Hörisch 2024) Föderalismus und Politikgestaltung – Migrationspolitik – Politik nach Präferenzlage oder pragmatisches Problemlösen? Landesregierungen und die Unterbringung von Asylbewerbern (Bauer- Blaschkowski 2020) Blick in die Forschung Föderalismus und Politikgestaltung – Pandemie-Management – Effects of Territorial Party Politics on Horizontal Coordination among the German Länder – An Analysis of the COVID-19 Management in Germany (Person, Behnke & Jürgens 2024) Fazit Föderalismus als konstitutives Element im politischen System Starke finanzielle und politische Verflechtung zwischen Bund und Ländern EVALUATION Den Link zur Evaluation finden Sie auch im Moodle-Kurs unter „Ankündigungen“! Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 12. Sitzung Europäisierung WIEDERHOLUNG Welche Gründe für die Einführung föderaler Strukturen in der BRD gibt es? Über welche Kompetenzen verfügt der Bund, über welche die Länder? Welche Besonderheiten weist die Finanzverfassung der BRD auf? Was versteht man unter Politikverflechtung, was unter Politikverflechtungsfalle? Wodurch waren die Föderalismusreformen der letzten 20 Jahre charakterisiert? 2 Arten von Europäisierung (Übertragung staatlicher Kompetenzen auf die EU) Auswirkungen dieses Kompetenztransfers auf die nationalstaatlichen Institutionen, Prozesse und Politikinhalte „80-Prozent-Mythos“ Delors (1988): „In 10 Jahren werden 80 Prozent der Wirtschaftsgesetzgebung, vielleicht auch der steuerlichen und sozialen, gemeinschaftlichen Ursprungs sein.“ Diese Vorstellung hält sich seither in der politischen Debatte ebenso wie in der Wissenschaft Europäische Impulse an der Gesetzgebung 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 8. WP 9. WP 10. WP 11. WP 12. WP 13. WP 14. WP 15. WP 16. WP 17. WP 18. WP Gesamt Wirtschaft Umwelt Arbeit/Soziales Inneres Quelle: König/Mäder 2008 (bis 15. WP); unpublizierte Daten von Annette Töller (ab 16. WP) Sind das wichtige Gesetze? Wahlperiode Anteil EU- Anteil EU- Anteil EU- Impuls an Impuls an Impuls an allen finanzwirksa- Schlüsselent- Gesetzen men Gesetzen scheidungen 8. WP - 20,0 16,9 9. WP 12,3 0 9,7 10. WP 25,2 0 16,9 11. WP 20,8 0 16,9 12. WP 22,8 14,3 24,7 13. WP 19,5 16,7 23,7 14. WP 27,1 25,0 32,2 15. WP 35,8 33,3 35,7 Gesamt 24,0 14,6 24,0 Quelle: König/Mäder 2008: 451f., 454f. Einschränkung der Aussagekraft der Daten Vorauseilender Gehorsam nationaler Regierungen Bei Verordnungen keine nationale Gesetzgebung mehr nötig Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung Nationale Akteure als Auslöser europäischer Vorgaben Europäisierung der Staatstätigkeit (1) 3 Quelle: Schmidt 2005 2 1 0 1950 1957 1968 1993 2004 Inneneres und Justiz Sozialpolitik Wirtschaft Umweltschutz Arbeitsmarkt Gesamt Europäisierung der Staatstätigkeit (2) Politikfeld 1958 1987 1993 1999 2003 VerfV Auswärtige Beziehungen GASP, EVP B 1 1,5 2,5 3 3 3 T 0 0,5 1,5 1,5 2 2 Außenhandels- B 2 2 3,5 4,5 4,5 4,5 politik T 1,5 1,5 3,5 3,5 3,5 3,5 Innen- und Justizpolitik Strafsachen/ B 1 1 2 2,5 2,5 2,5 Innere Sicherheit T 0 0 1 2 3 4 Zivilsachen B 1 1 2,5 3 3 3,5 T 0 0 3 3,5 4 4 Quelle: Börzel (2006); B = Breite; T = Tiefe Europäisierung der Staatstätigkeit (3) Politikfeld 1958 1987 1993 1999 2003 VerfV Sozio-kulturelle Angelegenheiten Umwelt-/ B 1 3 4 4 4 4 Verbraucher- T 0 3 3 – 4,5 3 – 4,5 3 – 4,5 3 – 4,5 schutz Gesundheit und B 1 3 3 4,5 4,5 4,5 Sicherheit am T 0 4 4 4,5 4,5 4,5 Arbeitsplatz Arbeits- B 1 1 2 2 2 2 beziehungen T 1 1 3,5 4 4 4 Kultur- und B 1 1 1 1 1 2 Bildungspolitik T 0 0 1 1 1 4,5 Sozialpolitik B 1 1 1,5 1,5 1,5 1,5 T 0 0 3 4 4 4 Forschung und B 1 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5 Entwicklung T 0 3-4 3-4 3,5 – 4,5 3,5 -4,5 3,5 – 4,5 Quelle: Börzel 2006 Europäisierung der Staatstätigkeit (4) Politikfeld 1958 1987 1993 1999 2003 VerfV Vier Freiheiten B 2 2,5 4,5 4,5 4,5 4,5 T 2 2,5 3,5 3,5 3,5 3,5 Wettbewerbs-/ B 2,5 3 3 3 3 3 Industriepolitik T 2 2 3 3 4 4 Energie und B 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5 3,5 Verkehr T 2 2 2 2 2 4 Konjunktur und B 1,5 1,5 1,5 2 2 2 Beschäftigung T 1,5 1,5 1,5 3,5 3,5 3,5 Landwirtschaft B 4 4 4 4 4 4 T 3 3 3 3 3 4,5 Strukturpolitik B 2 2 4 4 4 4 T 1-2 3 3 – 3,5 3 – 4,5 3,5 – 4,5 3,5 – 4,5 Währungspolitik B 1 1,5 4 5 5 5 T 0 1 4 5 5 5 Steuerpolitik B 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5 T 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5 Quelle: Börzel 2006 Europäisierung der Interessenvermittlung Verbände profitieren von Europäisierung. – Venue-Shopping – Sie sind bei europäischen Institutionen wegen Expertise und Legitimation gefragt. Parteien tun sich schwerer. – Durch die Wählerschaft national gebunden – Europäische Parteien sind oft heterogen, weil die nationalstaatliche Konfliktlinie dominiert. – Keine funktionale Notwendigkeit (kein parlamentarisches Regierungssystem) – Aber: zunehmend parteipolitische Konflikte Europäisierung der Institutionen? Europäisierung hat erheblichen Einfluss auf die Mitgliedstaaten. Europäische Willensbildung ist vergleichbar der deutschen Politikverflechtung.  Regierung wird auf Kosten des Parlaments gestärkt.  Regierung eines einzelnen Mitgliedstaates kann in vielen Bereichen überstimmt werden. Bundesregierung Problem: Zur effektiven Durchsetzung eigener Vorstellungen auf europäischer Ebene müssen frühzeitig Ressort- sowie Koalitionsinteressen gebündelt werden. Arbeitsteilung BMWi und AA (+ Kanzleramt): – AA zuständig für institutionelle und außenpolitische Fragen – BMWi (zwischen 1998 und 2005 BMF) für wirtschaftspolitische Fragen verantwortlich Koordination über verschiedene Gremien unterhalb des Kabinetts Bundestag Problem: Entparlamentarisierung – Keine Beteiligung an EU-Rechtsetzung – Umsetzung europäischer Beschlüsse in nationales Recht birgt nur eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten. EU-Ausschuss (seit 1992) kaum relevant Mitwirkung an europapolitischer Willensbildung ausge- baut durch Art. 23 GG (1992) sowie nachfolgende Ratifikationsgesetze – Frühzeitige umfassende Information – Stellungnahme und ggf. Parlamentsvorbehalt Bundesrat Problem: Bund konnte auch Länderkompetenzen ohne Bundesrat transferieren. Inzwischen Zustimmungsnotwendigkeit Europakammer (Art. 53, Abs. 3a GG) Mitwirkung nach Art. 23 GG (1992, 2006) – Information – Position des BRat muss von der Bundesregierung berücksichtigt werden (gestuft nach Bedeutung der Materie für die Länder). – Ggf. benennt der BRat einen Vertreter im Rat (schulische Bildung, Kultur, Rundfunk; Art. 23(6) GG). Bundesverfassungsgericht Problem: Vorrang des Gemeinschaftsrechts selbst vor nationalstaatlichem Verfassungsrecht Können europäische Rechtsakte (die u.U. gegen die Stimme der BReg zustande gekommen sind) vom BVerfG überprüft und ggf. verworfen werden? BVerfG nahm dieses Recht zunächst in Anspruch (Solange I, 1974), gab dieses Recht später aber (befristet) auf (Solange II, 1986). Bundesverfassungsgericht Maastricht-Urteil 1992/1993 kritisiert implizite Erweiterung von EU-Kompetenzen Lissabon-Urteil 2009 setzt Integration in die EU Grenzen. Prüfungsrecht des BVerfG für europäische Rechtsakte hinsichtlich: – Einhaltung Subsidiarität und begrenzter Einzelermächtigung – Wahrung des unantastbaren Kerngehalts des GG Bundesverfassungsgericht – Urteil 5.5.2020 EZB-Programm (und EuGH-Urteil) „ultra vires“ Reaktion EU-Kommission: Vertragverletzungsverfahren BReg verpflichtet sich, Wiederholung einer Ultra-Vires- Feststellung zu vermeiden – Wie kann sie das? Daraufhin Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens Blick in die Forschung Überblickswerke – Das neue deutsche Regierungssystem (Sturm & Pehle 2012) – Deutschland und Europa. Die Europäisierung des politischen Systems (Beichelt 2015) – Die Europäisierung des deutschen Regierungssystems (Sturm 2016) Europäisierung von Staatstätigkeit – Das Regieren jenseits des Nationalstaates und der Mythos einer 80- Prozent-Europäisierung in Deutschland (König & Mäder 2008) – Aufgabeneuropäisierung (Schmidt 2005) – Europäisierung der deutschen Politik? (Börzel 2006) Fazit Europäisierung von Staatstätigkeit… – …nimmt im Zeitverlauf zu. – …variiert zwischen Politikfeldern. Europäisierung von nationalen Akteuren und Institutionen Wintersemester 2024/2025 Vorlesung Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland Dr. Fabian Engler 13. Sitzung Reformfähigkeit des politischen Systems & Wiederholung / Klausurvorbereitung WIEDERHOLUNG Was versteht man unter Europäisierung? Wie steht es um die Europäisierung der nationalen Gesetzgebung? Welche Folgen hat die europäische Integration für… – …Interessenverbände und Parteien? – …Bundesregierung? – …Bundestag? – …Bundesrat? – …Bundesverfassungsgericht? „Semi-souveräner Staat“ (nach Katzenstein) Viele Vetospieler und Mitregenten  Parteien in Koalitionsregierungen, Bundesrat, Bundespräsident, Bundesverfassungsgericht, EU, … Föderale Struktur  Gesetzgebung, Verwaltung, Finanzen Delegation von Aufgaben  Geldpolitik  Zentralbank  Lohnfindung  Tarifparteien … „Semi-souveräner Staat“ (nach Katzenstein) Viele Vetospieler Föderale Struktur Delegation von Aufgaben Folge: Umfangreiche Politikveränderungen erschwert „Staat der Großen Koalition“ (nach Schmidt) These: Reformen erfordern formelle oder informelle Große Koalitionen aus den beiden Volksparteien Grund: Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat „Staat der Großen Koalition“ (nach Schmidt) These: Reformen erfordern formelle oder informelle Große Koalitionen aus den beiden Volksparteien Grund: Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat Folge: Reformblockaden oder Kompromisse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, falls sich CDU/CSU und SPD nicht einig sind Politikverflechtung(sfalle) (nach Scharpf) Politikverflechtung (vgl. Sitzung ‚Föderalismus‘): Föderale Entscheidungsstruktur mit horizontaler Kooperation der Gliedstaaten und vertikaler Kooperation zwischen Bund und Gliedstaaten Folge: Umfangreiche Politikveränderungen erschwert  Produktion suboptimaler Politikergebnisse Politikverflechtungsfalle: Fehlende Reformierbarkeit dieser föderalen Struktur aufgrund just dieser Verflechtungen Parteienwettbewerb im Bundesstaat (nach Lehmbruch) Gegensätzliche Handlungslogiken Kompetitiver Parteienwettbewerb (Wettbewerb) vs. verflochtener Bundesstaat (Kooperation) Folge Dieser Gegensatz („Strukturbruch“) im Institutionengefüge erschwert umfangreiche Politikveränderungen Auch allgemein: Parteienwettbewerb sehr intensiv  Knappe Wahlergebnisse, zunehmende Volatilität, Dauerwahlkampf wg. LT-Wahlen, zunehmende Parteienzahl Folge Umfangreiche Politikveränderungen erschwert Empirische Evidenz Belege für diese Thesen der Reformunfähigkeit des politischen Systems: – z.B. Rentenpolitik, Steuerpolitik, Klimapolitik, Digitalisierung Gegenbeispiele: – Europäische Integration, Hartz-Reformen, Föderalismus- reformen, Paradigmenwechsel in Familienpolitik, Kohleausstieg, Krisenreaktionen – ABER: viele umfangreiche Veränderungen häufig in (formellen oder informellen) Großen Koalitionen

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