Sprache: Wege zum Verstehen PDF
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ZHAW - Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
2001
Kirsten Adamzik
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This document, "Sprache: Wege zum Verstehen", explores the origins and nature of language, referencing biblical accounts like the story of the Tower of Babel and Adam's creation in the Genesis account. It examines language as a fundamental human trait and the concept of language diversity. The document discusses important linguistic concepts such as the role of language in communication and the need for cross-cultural communication.
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# Sprache: Wege zum Verstehen ## Sprache und Sprachen - Ursprungsmythen - Sprache ist ein allen Menschen vertrautes Phänomen. - Die Erkundungsfahrt durch die Welt der Sprache beginnt bei Adam und Eva, genauer gesagt bei Adam. - In der Bibel wird zum erstenmal von der menschlichen Sprache gesproche...
# Sprache: Wege zum Verstehen ## Sprache und Sprachen - Ursprungsmythen - Sprache ist ein allen Menschen vertrautes Phänomen. - Die Erkundungsfahrt durch die Welt der Sprache beginnt bei Adam und Eva, genauer gesagt bei Adam. - In der Bibel wird zum erstenmal von der menschlichen Sprache gesprochen, als Adam noch allein auf der Welt ist. - Es handelt sich um die zweite Version des Schöpfungsberichts, in der Adam vor den Tieren geschaffen und Eva danach aus seiner Rippe gemacht wird: > Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. […] Und Gott der Herr sprach: >>Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.<<< Und Gott der Herr machte aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nennte; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heissen. Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen; aber für den Menschen ward keine Gehilfin gefunden, die um ihn wäre. Da liess Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen [...]. (1. Mose 2, 4 und 18-21) - An diesem biblischen Mythos sind zwei Dinge interessant: - Offenbar ist der Mensch von Anfang an mit Sprache ausgestattet, er kommt als sprachbegabtes Wesen in die Welt. - Es ist ja nicht davon die Rede, dass Gott dem Menschen eigens die Sprache gibt. Er hat sie von vornherein, der »Odem des Lebens<«< impliziert Sprachfähigkeit. - Noch viel bemerkenswerter ist Folgendes: Nach diesem Bericht erfindet sich Adam seine Sprache selbst, er schafft die Namen für die Tiere. ## Die Sprache im Paradies - Man hat sich in früheren Jahrhunderten vielfach den Kopf darüber zerbrochen, mit welcher Sprache Adam eigentlich ausgestattet war, welches die Ursprache ist, ob der erste Mensch Hebräisch, Aramäisch, Phönizisch oder was sonst für eine Sprache mit auf den Weg bekam. - Im 16. Jahrhundert wurde gar die Auffassung vertreten, Adam habe Deutsch gesprochen.¹ - Bei all diesen Spekulationen ging man anscheinend von der Vorstellung aus, dass Gott dem ersten Menschen gleich ein grosses Wörterbuch samt Grammatik in die Hand gedrückt - bzw. realistischer: ihm entsprechende Kenntnisse in den Kopf gelegt hat. - Der Schöpfungsbericht stellt jedoch etwas anderes dar: Gott hat Adam die Sprache nicht in Form einer bestimmten Sprache mitgegeben, sondern als Sprache schlechthin. - Er hat ihm die Fähigkeit gegeben, selbst sprachliche Ausdrücke zu erfinden. ## Der Turmbau zu Babel - Bekannter ist ein anderer biblischer Mythos von der Sprache, die Geschichte vom Turmbau zu Babel, wo die Menschen - längst aus dem Paradies vertrieben und zahlreich gemehrt, aber mit einer einzigen, allen gemeinsamen Sprache ausgestattet in Hybris verfallen und einen Turm bauen wollen, »dessen Spitze bis an den Himmel reicht<«, um ihre Macht und Stärke zu bezeugen. - Angesichts dieser Vermessenheit beschliesst Gott: > Ich will herabfahren und ihre Sprache verwirren, dass keiner mehr den andern versteht. Und Gott stieg herab und verwirrte ihre Sprache und zerstreute die Menschen von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten ihre Stadt zu bauen. (1. Mose 11, 7-8) ## Sprachvielfalt - Der Schöpfungsbericht, der die Sprache als etwas darstellt, was vom Menschen nicht wegzudenken ist, entspricht einer Auffassung, die wir auch heute noch teilen. - Die Geschichte von der babylonischen Sprachverwirrung passt dagegen weder zu dieser Vorstellung von Adams >angeborener Sprachfähigkeit noch zu unseren heutigen Erkenntnissen über die menschliche Sprache. - Was wir über Sprache, Sprachen und Menschen mit verschiedenen Sprachen wissen, lässt sich mit diesem Bericht kaum vereinbaren. - Führen wir uns dies etwas genauer vor Augen und legen wir zunächst die biblische Darstellung zugrunde. - Gott zerstreute also die Menschen über die ganze Erde, indem er ihre Sprache verwirrte, also die Sprachverschiedenheit und Sprachenvielfalt einführte. - Sprachenvielfalt ist nun etwas, was seit den frühesten historischen Zeugnissen der Menschheitsgeschichte das Übliche ist. - Was aber haben die Menschen in diesem Sprachenwirrwarr gemacht? - Keine Türme mehr gebaut, die bis an den Himmel reichen? - Die Skyline von New York lässt uns daran zweifeln. - Haben zumindest die in verschiedene Erdteile zerstreuten Menschen aufgehört, miteinander zu sprechen? - Keineswegs, sie haben zum Beispiel die Telekommunikation erfunden und können sich heute auch miteinander unterhalten, wenn sie sich an ganz verschiedenen Orten dieser Welt befinden. - Für solche Projekte, die u.a. die Erfindung, Installierung und den Gebrauch von Satelliten voraussetzen, bedarf es internationaler Kooperation., das heisst aber nichts anderes, als dass die Menschen all dies unter den Bedingungen realer Sprachenvielfalt zustande gebracht haben. - Das Mindeste, was man angesichts dessen sagen muss: Die babylonische Sprachverwirrung war offenbar kein sehr effizientes Mittel, den Menschen ihren Übermut auszutreiben! - Führen wir uns einmal vor Augen, was tatsächlich geschieht, wenn Menschen sich in einer Situation des Sprachenwirrwarrs befinden und keiner den anderen versteht. - In dieser Situation gibt es mehrere Möglichkeiten: - Entweder die Sprecher verschiedener Sprachen bringen sich gegenseitig ihre Sprachen bei und lernen also mehrere. - Oder - die menschliche Gesellschaft zeichnet sich ja durch Arbeitsteilung aus - sie beauftragen einige ihrer Mitglieder damit, andere Sprachen zu lernen und lassen sich alles übersetzen. - Wenn sie für beides keine Zeit oder kein Geld haben, können sie schlimmstenfalls auch noch etwas anderes tun: Wenn es nämlich keine gemeinsame Sprache gibt, dann kann man sich zur Not eine erfinden. ## Pidgins und Kreolsprachen - Tatsächlich haben wir historische Beispiele für Verhältnisse, die denen von Babel zum Verwechseln ähnlich sind, Situationen nämlich, in denen Sprecher unterschiedlichster Sprachgemeinschaften zusammentreffen und miteinander kommunizieren wollen oder müssen. - Dies gilt z.B. für die Kolonialländer. - Gewiss: Oft haben die Mächtigen einfach ihre Sprache durchgesetzt und die Urbevölkerung ausgerottet oder zum Erlernen der eigenen Sprache gezwungen. - In anderen Fällen aber ist tatsächlich eine neue Sprache, eine Mischsprache entstanden, zu der sehr viele Einzelsprachen und Dialekte beigetragen haben. - Solche Sprachen nennt man Pidgins. - Dieser Ausdruck geht wahrscheinlich auf eine chinesisch gefärbte Aussprache des englischen Wortes business zurück, und business war in der Tat die Grundlage für diese Sprachmischungen. - Sie entstanden in den Handels- und Verwaltungszentren der Kolonisatoren, in denen eine Vielzahl von Einheimischen aus der näheren und weiteren Umgebung zusammenkamen, die weder untereinander über ein gemeinsames Kommunikationsmittel verfügten noch die Sprache der Kolonisatoren beherrschten, aber gezwungen waren, sich mit diesen und untereinander wenigstens rudimentär zu verständigen. - Und offenbar ermöglichte ihre angeborene Sprachfähigkeit es ihnen, die Lücke zu füllen und eine Mischsprache auszubilden. - Sie weist zwar einen stark reduzierten Wortschatz und vereinfachte lautliche und grammatische Strukturen auf, reicht aber aus, um die für das business notwendige Verständigung zu gewährleisten. - Im weiteren Verlauf, nämlich dann, wenn spätere Generationen Pidgins als gängige (erste) Sprache hören, können dann diese rudimentären Systeme sogar zu voll funktionsfähigen, nicht auf bestimmte Kommunikationsbereiche beschränkten und formal nicht mehr defizienten Sprachen ausgebaut werden. - Kinder von Pidginsprechern können nämlich - wiederum auf Grund ihrer angeborenen Sprachfähigkeit - eine neue Sprache kreieren. - In diesem Fall spricht man von Kreolsprache. ## Wie viele Sprachen gibt es? - Erstaunlicherweise gibt es auf diese Frage keine eindeutige Antwort: Während man früher oft mit Angaben um 3.000-4.000 operierte, kann man in neueren Bestandsaufnahmen Zahlen zwischen 6.000 und 15.000 finden. - Wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Zahlen? Es lassen sich dafür mindestens zwei Gründe anführen: 1. Von den vielen Sprachen dieser Welt (es handelt sich auf jeden Fall um mehrere Tausend) sind längst nicht alle gleich gut beschrieben, und es sind auch nicht alle Regionen dieser Welt gleich gut auf die in ihnen benutzten Sprachen hin erforscht. - Manche Regionen bilden daher einfach noch relativ weisse Flecken auf der Landkarte, und es ist nicht (genau) bekannt, wie viele und welche Sprachen es dort gibt. - Dass es noch weisse Flecken auf der Landkarte gibt, wäre übrigens nicht weiter schlimm, wenn die Sprachwissenschaft noch alle Zeit der Welt hätte, sämtliche Sprachen nach und nach zu erforschen. - In letzter Zeit wird man sich jedoch zunehmend bewusst, dass diese Möglichkeit vielleicht nicht gegeben ist - viele Sprachen sind vom Aussterben bedroht. - Tatsächlich rechnen Pessimisten damit, dass in den nächsten 50 Jahren die Hälfte der derzeit noch benutzten Sprachen verschwinden wird. - Es gibt in der Zwischenzeit allerdings auch eine stärker werdende Gegenbewegung und diverse Gesellschaften zur Rettung bedrohter Sprachen.² 2. Der zweite Grund ist fundamentalerer Natur und lässt sich (im Gegensatz zum ersten) nicht einmal prinzipiell aus der Welt schaffen - er führt uns direkt auf grundlegende Probleme der Sprachwissenschaft. - Diese lassen sich vorerst in folgender Feststellung fassen: Es ist gar nicht so einfach anzugeben, was genau eine Einzelsprache ist und wo ihre Grenzen zu anderen Einzelsprachen sind. - Warum ist dies so? - Wir hatten oben festgestellt, dass man langage nicht als solche anwenden kann, sondern immer eine Einzelsprache benutzen muss. - Tatsächlich sind jedoch auch diese Einzelsprachen keine konkreten Objekte, die unmittelbar als solche gegeben wären und die man direkt beobachten könnte. - Das einzige unmittelbar beobachtbare - sicht- bzw. hörbare sprachliche Phänomen sind vielmehr die konkreten Einzelfälle des Sprachgebrauchs, die mündlichen oder schriftlichen Äusserungen, die Sprecher produzieren, also Parole-Akte. - Normalerweise nimmt man nun natürlich an, dass Parole-Akte produziert werden, indem Menschen auf ihre Kenntnis einer bestimmten Einzelsprache zurückgreifen. - Mitunter stellt sich die Frage, um welche Einzelsprache es sich bei bestimmten Parole-Akten handelt. - Unproblematisch scheint dies zu sein, wenn man die Sprache kennt, schwieriger dagegen, wenn man sie eben nicht kennt. - Denn wer eine Äusserung produziert, sagt ja im Allgemeinen nicht dazu, welche Einzelsprache er gerade benutzt. - Das Problem der Identifizierung von Einzelsprachen stellt sich jedoch in Wirklichkeit nicht nur für uns unbekannte Sprachen, sondern kann auch bei Sprachen auftreten, die uns weitgehend geläufig sind. - Dies sei ausgehend von einem - authentischen - Parole-Akt demonstriert (Textbeispiel 1). - Es handelt sich um den Ausschnitt eines Gesprächs zwischen Frau A und Frau B, das 1994 geführt wurde. ## Sprachmischung - Welche Sprache spricht Frau B? - Sie selbst scheint zu meinen, es handle sich um Deutsch (Daitsch), und es ist ja auch mindestens eine Art Deutsch, jedenfalls ähnelt vieles dem Deutschen; anderes lässt dagegen eher an Englisch denken, das in dem Gespräch ja auch erwähnt wird. - Möglich wären nun (mindestens) folgende Lösungen: ## Varietäten - Frau B spricht eine besondere Sprache. - Diese ist aus einer Mischung einer speziellen, vielleicht älteren Variante des Deutschen mit dem Englischen hervorgegangen. - Frau B benutzt zwei Einzelsprachen: Sie wechselt in ihrem Parole-Akt zwischen dem Gebrauch einer Variante des Deutschen (oder einer dem Deutschen eng verwandten Sprache) und dem Englischen ab. - Die beiden Lösungsmöglichkeiten (die richtige findet sich im Anhang) machen nun schon deutlich, warum es so schwierig ist, genau zu bestimmen, was eine Einzelsprache ist, und warum es dementsprechend auch nicht möglich ist, genaue Angaben über die Menge der existierenden Einzelsprachen zu machen. - Einzelsprachen treten in verschiedenen Unterarten auf. - Man spricht hier von Varietäten (auch: Lekten, aus Dia-lekt). - Die Frage ist: Was berechtigt uns, verschiedene Varietäten als solche einer Sprache zu behandeln? - Gibt es z.B. die Sprache Rätoromanisch, d.h. ist es berechtigt, Sursilvan, Vallader usw. als eine Sprache zusammenzufassen? - Wann liegen noch Varietäten einer Einzelsprache vor, ab wann muss oder kann man von mehreren eigenständigen Sprachen reden? - Ist z.B. Amerikanisch eine eigene Sprache oder eine Varietät des Englischen? - Die bekanntesten Varietäten sind regionaler Art und werden Dialekte oder Mundarten genannt. - Es gibt aber auch andere Varietäten: Zum Beispiel sprechen Männer und Frauen nicht ganz gleich, Akademiker und Bauern nicht, Schüler und Rentner nicht usw. - Letzten Endes spricht überhaupt jeder Mensch ein bisschen anders als jeder andere. - Diese individuelle Sprache bezeichnet man als Idiolekt. - Aber sogar die Idiolekte sind nicht einheitlich, d.h. auch ein und dieselbe Person spricht nicht immer gleich: Zum Beispiel drückt sich der Anwalt während der Gerichtsverhandlung anders aus als am Stammtisch. ## Sprachstadien - Einzelsprachen verändern sich im Laufe der Zeit, treten also in historischen Varietäten auf. - Diese bezeichnet man meist als Sprachstadien. - Die Frage ist auch hier: Handelt es sich bei verschiedenen Sprachstadien um verschiedene Sprachen? - Ist z.B. das heutige Deutsch eine andere Sprache als das Deutsch, das vor tausend Jahren benutzt wurde, oder betrachten wir es noch immer als dieselbe Sprache? ## Sprachverwandtschaft - Verschiedene Einzelsprachen sind miteinander mehr oder weniger eng verwandt und einander daher mehr oder weniger ähnlich. - Im historischen Prozess kann eine Einzelsprache sich in verschiedene Varianten aufspalten (z.B. [Vulgär-]Latein in Italienisch, Französisch, Spanisch usw.). - Verschiedene Einzelsprachen oder Varietäten können sich aber auch aufeinanderzubewegen, dergestalt, dass sich auf ihrer Grundlage eine neue Varietät oder eine neue Sprache ausbildet (z.B. gibt es so genannte Ausgleichsmundarten, die weiträumiger verständlich sind als lokale Dialekte, und Standardsprachen werden normalerweise auf der Grundlage mehrerer Dialekte entwickelt). - Die Frage ist: Wann sprechen wir von einer einzigen Sprache, wann von zwei (oder mehr) sehr eng verwandten Sprachen? - Als eine oder zwei Sprachen kann man z.B. Flämisch und Niederländisch oder Dänisch und Norwegisch (Bokmål) ansehen. - Diese sind ungefähr so gleich oder verschieden wie die deutsche Standardsprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. - Handelt es sich hier um eine oder drei Sprachen? ## Sprachfamilien - Miteinander verwandte Sprachen bilden eine Sprachfamilie wie z.B. das Indoeuropäische, zu dem wie die meisten europäischen Sprachen auch das Deutsche gehört. - Eine Sprachfamilie ist als eine Art Gross-familie zu verstehen und umfasst oft mehrere Gruppen von Sprachen, die einander sehr unähnlich sein können. ## Mehrsprachigkeit - Die meisten Individuen sind mehrsprachig, d.h. sie beherrschen mehrere Einzelsprachen, zumindest aber mehrere Varietäten einer Einzelsprache. - Einzelsprachen und Varietäten von Einzelsprachen können in Parole-Akten auch abwechselnd gebraucht bzw. gemischt werden (man spricht hier auch von Code-Switching). - Wann sollen wir von der Mischung zweier Sprachen, wann von einer (Misch-) Sprache sprechen? ## Unmittelbar gegeben ist nur parole - Um nun auch eine Vorstellung davon zu geben, wie sich das Problem der Abgrenzung von Einzelsprachen konkret darstellt, als Textbeispiel 2 eine Liste von Parole-Akten, die alle denselben Inhalt haben; es handelt sich um den Beginn des Johannes-Evangeliums. - Sie sind (fast ausschliesslich und so gut es geht) in Schriftzeichen wiedergegeben, die im heutigen Deutsch verwendet werden. - Wie viele Sprachen kann man dort unterscheiden? - Welche gehören enger zusammen? (Die Auflösung findet sich im Anhang.) - Fazit: Wenn wir von Einzelsprachen reden, als handele es sich dabei um relativ klar gegeneinander abgegrenzte Kommunikationsmittel, vereinfachen wir die Sachlage sehr stark. - Unmittelbar gegeben ist nur parole. - Und die Zuordnung von Parole-Akten zu Einzelsprachen ist nicht unproblematisch, da es tatsächlich zwischen verwandten Sprachen und Varietäten nur fliessende Übergänge gibt. - Auch historisch liegen keine Sprünge von einem Sprachstadium zum nächsten vor, sondern nur ein kontinuierlicher Wandlungsprozess. - Und schliesslich sind auch nicht miteinander verwandte Sprachen und Varietäten keineswegs strikt gegeneinander abgegrenzt, da sie miteinander in Kontakt treten und sich wechselseitig beeinflussen können. - Dennoch müssen wir natürlich gewisse Einteilungen vornehmen, schon um uns miteinander verständigen und das Forschungsfeld ab-stecken zu können. - In den Abbildungen 1-3 daher einige Daten zu den wichtigsten Sprachfamilien und Sprachen und eine Übersicht über die indoeuropäische Sprachfamilie. ## Sprache als System - Das Nachdenken über die menschliche Sprache ist - dies zeigen nicht zuletzt die biblischen Berichte - sicher ebenso alt wie die menschliche Sprache selbst. - Zum Nachdenken und Sprechen über die Sprache kommt man auf ganz natürlichem Wege schon beim Lernen der Sprache - sei es der Mutter- oder einer Fremdsprache. - Und gerade die praktischen Bedürfnisse des Sprachunterrichts haben auch schon früh vielfältige Bemühungen um die mehr oder weniger systematische Beschreibung von Einzelsprachen hervorgebracht. - In diesem Abschnitt soll es uns jedoch um die neuere Zeit gehen, jene Zeit, in der man von wissenschaftlicher Sprachbeschreibung im modernen Sinne spricht und sich die Disziplin der Linguistik, wie es heute meist heisst, etabliert. - Welche der verschiedenen Bedeutungen von Sprache und welche Fragestellungen rückten dabei ins Blickfeld? - Die Ausbildung der Wissenschaft von der Sprache fällt in das 19. Jahrhundert. - Dabei richtete sich die Aufmerksamkeit auf die eben besprochenen Verwandtschaften und Unterschiede zwischen Sprachen und Varietäten.