Manifest der Kommunistischen Partei PDF

Summary

Das Manifest der Kommunistischen Partei, aus dem Jahr 1848, beschreibt die Geschichte der Klassenkämpfe und analysiert die Entwicklung des Kapitalismus. Es legt die grundlegende Analyse von Marx und Engels zur kapitalistischen Gesellschaft dar, mit Fokus auf die Klassenkämpfe und den Aufstieg des Proletariats (Arbeiterklasse).

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Marx Karl. 2009. Das Manifest der Kommunistischen Partei. 2. Ausgabe von 1848. Hrsg. v. Theo Stammen und Alexander Classen. Paderborn: Wilhelm Fink, pp. 66-77. 1. Manifest der kommunistischen Partei...

Marx Karl. 2009. Das Manifest der Kommunistischen Partei. 2. Ausgabe von 1848. Hrsg. v. Theo Stammen und Alexander Classen. Paderborn: Wilhelm Fink, pp. 66-77. 1. Manifest der kommunistischen Partei 67 Texte In den früheren Epochen der Geschichte finden wir fast überall eine vollständige Gliederung der Gesellschaft in verschiedene Stän­ de, eine mannigfaltige Abstufung der gesellschaftlichen Stellungen. 1. Karl Marx: Manifest der kommunistischen Partei Im alten Rom haben wir Patrizier, Ritter, Plebejer, Sklaven; im Mit­ Ausgabe von telalter Feudalherren, Vasallen, Zunftbürger, Gesellen, Leibeigene, und noch dazu in fast jeder dieser Klassen wieder besondere Abstu­ [ 1] Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunis­ fungen. mus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetz­ Die aus dem Untergange der feudalen Gesellschaft hervorge­ jagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst und der Zar, Metter­ gangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensät­ nich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten. ze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Wo ist die Oppositionspartei, die nicht von ihren regierenden Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der Gegnern als kommunistisch verschrien worden wäre, wo die Oppo­ alten gesetzt. sitionspartei, die den fortgeschritteneren Oppositionsleuten sowohl Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich je­ wie ihren reaktionären Gegnern den brandmarkenden Vorwurf des doch dadurch aus, daß sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die Kommunismus nicht zurückgeschleudert hätte? ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feind­ Zweierlei geht aus dieser Tatsache hervor. liche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klas­ Der Kommunismus wird bereits von allen europäischen Mäch­ sen: Bourgeoisie und Proletariat. ten als eine Macht anerkannt. Aus den Leibeigenen des Mittelalters gingen die Pfahlbürger Es ist hohe Zeit, dass die Kommunisten ihre Anschauungswei­ der ersten Städte hervor; aus dieser Pfahlbürgerschaft entwickelten se, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen sich die ersten Elemente der Bourgeoisie. und den Märchen vom Gespenst des Kommunismus ein Manifest der Die Entdeckung Amerikas, die Umschiffung Afrikas schufen Partei selbst entgegenstellen. der aufkommenden Bourgeoisie ein neues Terrain. Der ostindische Zu diesem Zweck haben sich Kommunisten der verschiedens­ und chinesische Markt, die Kolonisierung von Amerika, der Austausch ten Nationalität in London versammelt und das folgende Manifest mit den Kolonien, die Vermehrung der Tauschmittel und der Waren entworfen, das in englischer, französischer, deutscher, italienischer, überhaupt gaben dem Handel, der Schiffahrt, der Industrie einen nie flämischer und dänischer Sprache veröffentlicht wird. gekannten Aufschwung und damit dem revolutionären Element in der zerfallenden feudalen Gesellschaft eine rasche Entwicklung. Die bisherige feudale oder zünftige Betriebsweise der Industrie reichte nicht mehr aus für den mit den neuen3 Märkten anwachsenden Bedarf. Die Manufaktur trat an ihre Stelle. Die Zunftmeister wurden Bourgeois und Proletarier1 verdrängt durch den industriellen Mittelstand; die Teilung der Arbeit zwischen den verschiedenen Korporationen verschwand vor der Tei­ [ 1] Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft2 ist die Geschichte lung der Arbeit in der einzelnen Werkstatt selbst. von Klassenkämpfen. Aber immer wuchsen die Märkte, immer stieg der Bedarf. Auch Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeige­ die Manufaktur reichte nicht mehr aus. Da revolutionierte der Dampf ner, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte und die Maschinerie die industrielle Produktion. An die Stelle der standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbro­ Manufaktur trat die moderne große Industrie, an die Stelle des indus­ chenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der je­ triellen Mittelstandes traten die industriellen Millionäre, die Chefs desmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesell­ ganzer industrieller Armeen, die modernen Bourgeois. schaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Die große Industrie hat den Weltmarkt hergestellt, den die Klassen. Entdeckung Amerikas vorbereitete. Der Weltmarkt hat dem Handel, 68 E. Texte 1. Manifest der kommunistischen Partei 69 der Schiffahrt, den Landkommunikationen eine unermeßliche Ent­ hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der wicklung gegeben. Diese hat wieder auf die Ausdehnung der Industrie Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt. zurückgewirkt, und in demselben Maße, worin Industrie, Handel, Die Bourgeoisie hat dem Familienverhältnis seinen rührend­ Schiffahrt, Eisenbahnen sich ausdehnten, in demselben Maße ent­ sentimentalen Schleier abgerissen und es auf ein reines Geldverhält­ wickelte sich die Bourgeoisie, vermehrte sie ihre Kapitalien, drängte nis zurückgeführt. sie alle vom Mittelalter her überlieferten Klassen in den Hinter­ Die Bourgeoisie hat enthüllt, wie die brutale Kraftäußerung, grund. die die Reaktion so sehr am Mittelalter bewundert, in der trägsten Wir sehen also, wie die moderne Bourgeoisie selbst das Pro­ Bärenhäuterei ihre passende Ergänzung fand. Erst sie hat bewiesen, dukt eines langen Entwicklungsganges, einer Reihe von Umwäl­ was die Tätigkeit der Menschen zustande bringen kann. Sie hat ganz zungen in der Produktions- und Verkehrsweise ist. andere Wunderwerke vollbracht als ägyptische Pyramiden, römische Jede dieser Entwicklungsstufen der Bourgeoisie war beglei­ Wasserleitungen und gotische Kathedralen, sie hat ganz andere Züge tet von einem entsprechenden politischen Fortschritt4. Unterdrückter ausgeführt als V ölkerwanderungen und Kreuzzüge. Stand unter der Herrschaft der Feudalherren, bewaffnete und sich Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktions­ selbst verwaltende Assoziationen5 in der Kommune6, hier unabhän­ instrumente, also die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesell­ gige städtische Republik7 , dort dritter steuerpflichtiger Stand der schaftlichen Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren. Unverän­ Monarchie8, dann zur Zeit der Manufaktur Gegengewicht gegen den derte Beibehaltung der alten Produktionsweise war dagegen die Adel in der ständischen oder in der absoluten Monarchie und Haupt­ erste Existenzbedingung aller früheren industriellen Klassen. Die grundlage9 der großen Monarchien überhaupt, erkämpfte sie sich fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Er­ endlich seit der Herstellung der großen Industrie und des Welt­ schütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit marktes im modernen Repräsentativstaat die ausschließliche poli­ und Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen früheren10 tische Herrschaft. Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuß, aus. Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von die die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, verwaltet. alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern können. Alles Stän­ Die Bourgeoisie hat in der Geschichte eine höchst revolutio­ dische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die näre Rolle gespielt. Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegen­ Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen, hat alle seitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen. feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört. Sie hat Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Ab ?-tz für die buntscheckigen Feudalbande, die den Menschen an seinen natür­ ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Uberall lichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein an­ muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen her­ deres Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen, als das stellen. nackte Interesse, als die gefühllose „bare Zahlung". Sie hat die heili­ Die Bourgeoisie hat durch die11 Exploitation des Weltmarkts gen Schauer der frommen Schwärmerei, der ritterlichen Begeiste­ die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestal­ rung, der spießbürgerlichen Wehmut in dem eiskalten Wasser egois­ tet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen tischer Berechnung ertränkt. Sie hat die persönliche Würde in den Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nati­ Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und onalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich wohlerworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Ein­ gesetzt. Sie hat, mit einem Wort, an die Stelle der mit religiösen und führung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unver­ Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den ent­ schämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt. legensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabri­ Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer kate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet. Sie verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse 70 E. Texte 1. Manifest der kommunistischen Partei 71 befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der ent­ Ackerbau, Dampfschiffahrt, Eisenbahnen, elektrische Telegraphen, ferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An Urbarmachung ganzer Schiffbarmachung der Flüsse, ganze aus dem die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Boden hervorgestampfte Bevölkerungen - welch früheres 13 Jahrhun­ Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhän­ dert ahnte, daß solche Produktionskräfte im Schoß der gesellschaft­ gigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch lichen Arbeit schlummerten. in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Wir haben aber 14 gesehen: Die Produktions- und Verkehrsmit­ Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und Be­ tel, auf deren Grundlage sich die Bourgeoisie heranbildete, wurden schränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen in der feudalen Gesellschaft erzeugt. Auf einer gewissen Stufe der nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur. Entwicklung dieser Produktions- und Verkehrsmittel entsprachen die Die Bourgeoisie reißt durch die12 rasche Verbesserung aller Verhältnisse, worin die feudale Gesellschaft produzierte und aus­ Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommu­ tauschte, die feudale Organisation der Agrikultur und Manufaktur, nikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. mit einem Wort die feudalen Eigentumsverhältnisse den schon ent­ Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der wickelten Produktivkräften nicht mehr. Sie hemmten die Produktion, sie alle chinesischen Mauem in den Grund schießt, mit der sie den statt sie zu fördern. Sie verwandelten sich in ebenso viele Fesseln. hartnäckigsten Fremdenhaß der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie mußten gesprengt werden, sie wurden gesprengt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich An ihre Stelle trat die freie Konkurrenz mit der ihr angemes­ anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, senen gesellschaftlichen und politischen Konstitution, mit der öko­ die sogenannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d. h. Bour­ nomischen und politischen Herrschaft der Bourgeoisklasse. geois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach Unter unsren Augen geht eine ähnliche Bewegung vor. Die ihrem eigenen Bilde. bürgerliche Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Die Bourgeoisie hat das Land der Herrschaft der Stadt unter­ Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so worfen. Sie hat enorme Städte geschaffen, sie hat die Zahl der städ­ gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert at, tischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade ver­ gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Ge alten m ht mehrt und so einen bedeutenden Teil der Bevöllcerung dem Idiotismus mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor. Seit Dezenmen des Landlebens entrissen. Wie sie das Land von der Stadt, hat sie die ist die Geschichte der Industrie und des Handels nur noch 15 die Ge­ barbarischen und halbbarbarischen Länder von den zivilisierten die schichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die mo­ Bauernvölker von den Bourgeois-Völkern, den Orient vom Okzident dernen Produktionsverhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse, abhängig gemacht. welche die Lebensbedingungen der Bourgeoisie und ihrer Herrschaft Die Bourgeoisie hebt mehr und mehr die Zersplittenmg der sind. Es genügt, die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer perio­ Produktionsmittel, des Besitzes und der Bevölkerung auf. Sie hat die dischen Wiederkehr immer drohender die Existenz der ganzen bür­ Bevölkerung agglomeriert, die Produktionsmittel zentralisiert und gerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein das Eigentum in wenigen Händen konzentriert. Die notwendige Fol­ großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte,. sondeI? sogar 16 der ge hiervon war die politische Zentralisation. Unabhängige, fast nur bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den verbündete Provinzen mit verschiedenen Interessen, Gesetzen, Re­ Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen gierungen und Zöllen wurden zusammengedrängt in eine Nation, eine früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre - die Epidemie Regierung, ein Gesetz, ein nationales Klasseninteresse, eine Doua­ der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen nenlinie. Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein Die Bourgeoisie hat in ihrer kaum hundertjährigen Klassen­ allgemeiner Vernichtungskrieg 17 scheinen ihr alle Lebensmittel abge­ herrschaft massenhaftere und kolossalere Produktionskräfte geschaf­ schnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und fen als alle vergangenen Generationen zusammen. Unterjochung der warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel In­ Naturkräfte, Maschinerie, Anwendung der Chemie auf Industrie und dustrie, zuviel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfü- 72 E. Texte 1. Manifest der kommunistischen Partei 73 gung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Die moderne Industrie hat die ldeine Werkstube des patriar­ Z vili at on und 18 der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse; im Gegen­ chalischen Meisters in die große Fabrik des industriellen Kapitalisten teil, sie smd zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden verwandelt. Arbeitermassen, in der Fabrilc zusammengedrängt, wer­ von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, brin­ den soldatisch organisiert. Sie werden als gemeine Industriesoldaten _ ie di ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden gen unter die Aufsicht einer vollständigen Hierarchie von Unteroffizieren sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürgerlichen Ver­ und Offizieren gestellt. Sie sind nicht nur Knechte der Bourgeoisklas­ hältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reich­ se, des Bourgeoisstaates, sie sind täglich stündlich glich und stündlich tum zu fassen. - Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? geknechtet von der Maschine, von dem ufseher, u d vor allell1: v?n Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Pro­ dem22 einzelnen fabrizierenden Bourge01s selbst. Diese Despotie ist duktivkräften; anderseits durch die Erobenmg neuer Märkte und die um so kleinlicher, gehässiger, erbitternder, je offener sie den Erwerb gründlichere Ausbeutung der alten 19 Märkte. Wodurch also? Dadurch als ihren letzten Zweck23 proklamiert. daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel' Je weniger die Handarbeit Geschicklichkeit und Kraftäuße­ den Krisen vorzubeugen, vermindert. rung erheischt, d. h., je mehr die moderne Industrie sich entwickelt, Die Waffen, womit die Bourgeoisie den Feudalismus zu Bo­ desto mehr wird die Arbeit der Männer durch die der Weiber24 ver­ den geschlagen hat, richten sich jetzt gegen die Bourgeoisie selbst. drängt. Geschlechts- und Altersunterschiede haben keine gesell­ [. 9] Aber die Bourgeoisie hat nicht nur die Waffen geschmiedet, schaftliche Geltung mehr für die Arbeiterklasse. Es gibt nur noch die ihr den Tod bringen; sie hat auch die Männer gezeugt, die diese Arbeitsinstrumente, die je nach Alter und Geschlecht verschiedene Waffen führen - die modernen Arbeiter, die Proletarier. Kosten machen. In demselben Maße, worin sich die Bourgeoisie, d. h. das Ist die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten so Kapital, entwickelt, in demselben Maße entwickelt sich das Proleta­ weit beendigt, daß er seinen Arbeitslohn bar ausgezahlt erhält, so riat, die Klasse der modernen Arbeiter, die nur so lange leben, als sie fallen die andern Teile der Bourgeoisie über ihn her, der Hausbesitzer, Arbeit finden, und die nur so lange Arbeit finden, als ihre Arbeit das der Krämer, der Pfandverleiher usw. Kapital vermehrt. Diese Arbeiter, die sich stückweis verkaufen müs­ Die bisherigen kleinen Mittelstände, die kleinen Industriellen, sen, sind eine Ware wie jeder andere Handelsartikel und daher gleich­ Kaufleute und Rentiers, die Handwerker und Bauern, alle diese Klas­ mäßig allen Wechselfällen der Konkurrenz, allen Schwankungen des sen fallen ins Proletariat hinab, teils dadurch, daß ihr kleines Kapital Marktes ausgesetzt. für den Betrieb der großen Industrie nicht ausreicht und der Konkur­ Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der Ma­ renz mit den größeren Kapitalisten erliegt, teils dadurch, daß ihre schinerie und die Teilung der Arbeit allen selbständigen Charakter Geschicklichkeit von neuen Produktionsweisen entwertet wird. So und damit allen Reiz für den20 Arbeiter verloren. Er wird ein bloßes rekrutiert sich das Proletariat aus allen Klassen der Bevölkerung. Z behör der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste, am Das Proletariat macht verschiedene Entwicklungsstufen leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird. Die Kosten, die der durch. Sein Kampf gegen die Bourgeoisie beginnt mit seiner Exis­ Arbeiter verursacht, beschränken sich daher fast nur auf die Lebens­ tenz. mittel, die er zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung seiner Race Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Arbeiter ?edarf. Der P_reis einer Ware, also auch der Arbeit, ist aber gleich einer Fabrilc, dann die Arbeiter eines Arbeitszweiges an einem Ort ihren Produkt10nskosten. In demselben Maße, in dem die Widerwär­ gegen den einzelnen Bourgeois, der sie direkt ausbeutet. Sie richten tigkeit der Arbeit wächst, nimmt daher der Lohn ab. Noch mehr, in ihre Angriffe nicht nur gegen die bürgerlichen Produktionsverhäl - emselben Maße, wie Maschinerie und Teilung der Arbeit zunehmen, nisse, sie richten sie gegen die Produktionsinstrumente selbst; s e m demselben Maße nimmt auch die Masse der21 Arbeit zu, sei es vernichten die fremden konkurrierenden Waren, sie zerschlagen die ur h Vermehrung der Arbeitsstunden, sei es durch Vermehrung der Maschinen, sie stecken die Fabriken in Brand, sie suchen sich25 die m emer gegebenen Zeit geforderten Arbeit, beschleunigten Lauf der untergegangene Stellung des mittelalterlichen Arbeiters wiederzuer­ Maschinen usw. ringen. 74 E. Texte 1. Manifest der kommunistischen Partei 75 Auf dieser Stufe bilden die Arbeiter eine über das ganze Land Diese Organisation der Proletarier zur Klasse, und damit zur zerstreute und durch die Konkurrenz zersplitterte Masse. Massen­ politischen Partei, wird jeden Augenblick wieder gesprengt durch die hafteres26 Zusammenhalten der Arbeiter ist noch nicht die Folge ihrer Konkurrenz unter den Arbeitern selbst. Aber sie ersteht immer wieder, eigenen Vereinigung, sondern die Folge der Vereinigung der Bour­ stärker, fester, mächtiger. Sie erzwingt die Anerkennung einzelner geoisie, die zur Erreichung ihrer eigenen politischen Zwecke das Interessen der Arbeiter in Gesetzesform, indem sie die Spaltungen der ganze Proletariat in Bewegung setzen muß und es einstweilen noch Bourgeoisie unter sich benutzt. So die Zehnstundenbill in England. kann. Auf dieser Stufe bekämpfen die Proletarier also nicht ihre Die Kollisionen der alten Gesellschaft überhaupt fördern man­ Feinde, sondern die Feinde ihrer Feinde, die Reste der absoluten nigfach den Entwicklungsgang des Proletariats. Die Bourgeoisie be­ Monarchie, die Grundeigentümer, die nichtindustriellen Bourgeois, findet sich in fortwährendem Kampfe: anfangs gegen die Aristokra­ die Kleinbürger. Die ganze geschichtliche Bewegung ist so in den tie; später gegen die Teile der Bourgeoisie selbst, deren Interessen Händen der Bourgeoisie konzentriert; jeder Sieg, der so errungen mit dem Fortschritt der Industrie in Widerspruch geraten; stets gegen wird, ist ein Sieg der Bourgeoisie. die Bourgeoisie aller auswärtigen Länder. In allen diesen Kämpfen Aber mit der Entwicklung der Industrie vermehrt sich nicht sieht sie sich genötigt, an das Proletariat zu appellieren, seine Hilfe nur das Proletariat; es wird in größeren Massen zusammengedrängt, in Anspruch zu nehmen und es so in die politische Bewegung hinein­ seine Kraft wächst, und es fühlt sie mehr. Die Interessen, die Lebens­ zureißen. Sie selbst führt also dem Proletariat ihre eigenen30 Bil­ lagen innerhalb des Proletariats gleichen sich immer mehr aus, indem dungselemente, d. h. Waffen gegen sich selbst, zu. die Maschinerie mehr und mehr die Unterschiede der Arbeit ver­ Es werden ferner, wie wir sahen, durch den Fortschritt der wischt und den Lohn fast überall auf ein gleich niedriges Niveau Industrie ganze Bestandteile der herrschenden Klasse ins Proletariat herabdrückt. Die wachsende Konkurrenz der Bourgeois unter sich hinabgeworfen oder wenigstens in ihren Lebensbedingungen bedroht. und die daraus hervorgehenden Handelskrisen machen den Lohn der Auch sie führen dem Proletariat eine Masse Bildungselement3 1 zu. Arbeiter immer schwankender; die immer rascher sich entwickelnde, In Zeiten endlich, wo der Klassenkampf sich der Entscheidung unaufhörliche Verbesserung der Maschinerie macht ihre ganze Le­ nähert, nimmt der Auflösungsprozeß innerhalb der herrschenden bensstellung immer unsicherer; immer mehr nehmen die Kollisionen Klasse, innerhalb der ganzen alten Gesellschaft, einen so heftigen, so zwischen dem einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den grellen Charakter an, daß ein ldeiner Teil der herrschenden Klasse Charakter von Kollisionen zweier Klassen an. Die Arbeiter beginnen sich von ihr lossagt und sich der revolutionären Klasse anschließt, damit, Koalitionen27 gegen die Bourgeois zu bilden; sie treten zusam­ der Klasse, welche die Zukunft in ihren Händen trägt. Wie daher men zur Behauptung ihres Arbeitslohns. Sie stiften selbst dauernde früher ein Teil des Adels zur Bourgeoisie überging, so geht jetzt ein Assoziationen, um sich für diese2 8 gelegentlichen Empörungen zu Teil der Bourgeoisie zum Proletariat über, und namentlich ein Teil verproviantieren. Stellenweis bricht der Kampf in Erneuten aus. der Bourgeoisideologen, welche zum theoretischen Verständnis der Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter, aber nur vorübergehend. ganzen geschichtlichen Bewegung sich hinaufgearbeitet haben. Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der unmittelbare Er­ Von allen Klassen, welche heutzutage der Bourgeoisie gegen­ folg, sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der überstehen, ist nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre Klasse. Arbeiter. Sie wird befördert durch die wachsenden Kommunikations­ Die übrigen Klassen verkommen und gehen unter mit der großen mittel, die von der großen Industrie erzeugt werden und die Arbeiter Industrie, das Proletariat ist ihr eigenstes Produkt. der verschiedenen Lokalitäten miteinander in Verbindung setzen. Es Die Mittelstände, der kleine Industrielle, der kleine Kaufmann, bedarf aber bloß der Verbindung, um die vielen Lokalkämpfe von der Handwerker, der Bauer, sie alle bekämpfen die Bourgeoisie, um ihre überall gleichem Charakter zu einem nationalen, zu einem Klassen­ Existenz als Mittelstände vor dem Untergang zu sichern. Sie sind also kampfe zu zentralisieren. Jeder Klassenkampf aber ist29 ein politischer nicht revolutionär, sondern konservativ. Noch mehr, sie sind reaktionär, Kampf. Und die Vereinigung, zu der die Bürger des Mittelalters mit denn32 sie suchen das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Sind sie ihren Vizinalwegen Jahrhunderte bedurften, bringen die modernen revolutionär, so sind sie es im Hinblick auf den ihnen bevorstehenden Proletarier mit den Eisenbahnen in wenigen Jahren zustande. Übergang ins Proletariat, so verteidigen sie nicht ihre gegenwärtigen, 76 E. Texte 1. Manifest der kommunistischen Partei 77 sondern ihre zukünftigen Interessen, so verlassen sie ihren eigenen Alle bisherige Gesellschaft beruhte, wie wir gesehen haben, Standpunkt, um sich auf den des Proletariats zu stellen. auf dem Gegensatz unterdrückender und unterdrückter Klassen. Um Das Lumpenproletariat, diese passive Verfaulung der unters­ aber eine Klasse unterdrücken zu können, müssen ihr Bedingungen ten Schichten der alten Gesellschaft, wird durch eine proletarische gesichert sein, innerhalb derer sie wenigstens ihre knechtische Exis­ Revolution stellenweise in die Bewegung hineingeschleudert, seiner tenz fristen kann. Der Leibeigene hat sich zum Mitglied der Kommu­ ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger sein, sich zu reaktio­ ne in der Leibeigenschaft herangearbeitet, wie der Kleinbürger zum nären Umtrieben erkaufen zu lassen. Bourgeois unter dem Joch des feudalistischen Absolutismus. Der Die Lebensbedingungen der alten Gesellschaft sind schon moderne Arbeiter dagegen, statt sich mit dem Fortschritt der Industrie vernichtet in den Lebensbedingungen des Proletariats. Der Proletari­ zu heben, sinkt immer tiefer unter die Bedingungen seiner eigenen er ist eigentumslos; sein Verhältnis zu Weib und Kindern hat nichts Klasse herab. Der Arbeiter wird zum Pauper, und der Pauperismus mehr gemein mit dem bürgerlichen Familienverhältnis; die moderne entwickelt sich noch rascher34 als Bevölkerung und Reichtum. Es tritt industrielle Arbeit, die moderne Unterjochung unter das Kapital, die­ hiermit offen hervor, daß die Bourgeoisie unfähig ist, noch länger die selbe in England wie in Frankreich, in Amerika wie in Deutschland, herrschende Klasse der Gesellschaft zu bleiben und die Lebensbedin­ hat ihm allen nationalen Charakter abgestreift. Die Gesetze, die Mo­ gungen ihrer Klasse der Gesellschaft als regelndes Gesetz aufzuzwin­ ral, die Religion sind für ihn ebenso viele bürgerliche Vorurteile, gen. Sie ist unfähig zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven hinter denen sich ebenso viele bürgerliche Interessen verstecken. die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie Alle früheren Klassen, die sich die Herrschaft eroberten, gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo sie ihn suchten ihre schon erworbene Lebensstellung zu sichern, indem sie ernähren muß, statt von ihm ernährt zu werden. Die Gesellschaft kann die ganze Gesellschaft den Bedingungen ihres Erwerbs unterwarfen. nicht mehr unter ihr leben, d. h. ihr Leben ist nicht mehr verträglich Die Proletarier können sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte mit der Gesellschaft. nur erobern, indem sie ihre eigene bisherige Aneignungsweise und Die wesentlichste35 Bedingung für die Existenz und für die damit die ganze bisherige Aneignungsweise abschaffen. Die Proleta­ Herrschaft der Bourgeoisklasse ist die Anhäufung des Reichtums in rier haben nichts von dem Ihrigen zu sichern, sie haben alle bisherige den Händen von Privaten36, die Bildung und Vermehrung des Kapi­ Privatsicherheit33 und Privatversicherungen zu zerstören. tals; die Bedingung des Kapitals ist die Lohnarbeit. Die Lohnarbeit Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Mino­ beruht ausschließlich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich. Der ritäten oder im Interesse von Minoritäten. Die proletarische Bewe­ Fortschritt der Industrie, dessen willenloser und widerstandsloser gung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Träger die Bourgeoisie ist, setzt an die Stelle der Isolierung der Ar­ Interesse der ungeheuren Mehrzahl. Das Proletariat, die unterste beiter durch die Konkurrenz ihre revolutionäre Vereinigung durch die Schicht der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht erheben, nicht auf­ Assoziation. Mit der EntwicklJJ,ng der großen Industrie wird also richten, ohne daß der ganze Überbau der Schichten, die die offizielle unter den Füßen der Bourgeoisie die Grundlage selbst weggezogen37, Gesellschaft bilden, in die Luft gesprengt wird. worauf sie produziert und die Produkte sich aneignet. Sie produziert Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der Kampf des vor allem ihre38 eigenen Totengräber. Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Pro­ Proletariats sind gleich unvermeidlich. letariat eines jeden Landes muß natürlich zuerst mit seiner eigenen Bourgeoisie fertig werden. Indem wir die allgemeinsten Phasen der Entwicklung des Proletariats zeichneten, verfolgten wir den mehr oder minder ver­ steckten Bürgerkrieg innerhalb der bestehenden Gesellschaft bis zu dem Punkt, wo er in eine offene Revolution ausbricht und durch den gewaltsamen Sturz der Bourgeoisie das Proletariat seine Herrschaft begründet. G. Kommentar 151 G. Kommentar zum „Kommunistischen 3) Einer der Angelpunkte im Aufbau des „Manifests" ist die Be­ Manifest" stimmung der Rolle der Kommunisten in der zeitgenössischen Ge­ sellschaft (vgl. Vorbemerkung). Diese Bestimmung erfolgt im Text auf zweifache Weise: einmal durch die geschichtstheoretische Be­ 1. Vorbemerkungen gründung der kommunistischen Bewegung im historischen Entwick­ lungsprozeß der bürgerlichen Gesellschaft (so in den Abschnitten I 1) Die nachstehenden Erläuterungen zum Verständnis des „Mani­ und II); sodann durch die Abgrenzung der kommunistischen Bewe­ fests" folgen fortlaufend dem oben abgedruckten Text des „Mani­ gung von den verschiedenen sozialistischen Strömungen der Epoche fests" durch die einzelnen Abschnitte, die zu diesem Zweck durch­ (so in den Abschnitten III und IV ). nummeriert wurden, und haben hauptsächlich folgende drei Von dieser Thematik her sind die verschiedenen Abschnitte - trotz Zielsetzungen: aller Differenzen - eng miteinander verklammert und bilden einen (a) Sie wollen jeweils durch eine knappe Vorbemerkung den spe­ fortschreitenden Gedankenzusammenhang, den der Leser erfassen zifischen Charakter und den Sinn eines jeden Abschnitts für sich und soll. im Kontext des Ganzen des „Manifests" verdeutlichen und Für das Verständnis des gesamten Aufbaus des „Manifests" ist der (b) zu einzelnen wichtigen Begriffen, Namen und Anspielungen Brief von Fr. Engels vom 23./24. November 1847 aufschlußreich, in auf historische Ereignisse etc. Informationen, evtl. auch speziellere dem Engels schreibt: ,,Ich fange an: Was ist der Kommunismus; und Literaturhinweise zum gründlicheren Weiterstudium geben. dann gleich das Proletariat-Entstehungsgeschichte, Unterschied von (c) Schließlich wollen sie auf die wichtigsten Ideenbeziehungen früheren Arbeitern, Entwicklung des Gegensatzes des Proletariats und -verbindungen der im „Manifest" ausgesprochenen Gedanken und der Bourgeoisie, Krisen, Folgerungen [... ]" Der innere Aufbau mit anderen Schriften von Marx und/oder zeitgenössischen Denkern des „Manifests" entspricht dieser Gliederungsskizze weitgehend, verweisen, um auf diese Weise die Position des „Manifests" im Ge­ darin allerdings anders, dass Marx genetisch-entwicklungsgeschicht­ samtwerk von Marx und im Denken der Epoche zu verdeutlichen. lich ansetzt. Die Kommunisten sind zunächst durch ihre Stellung zum Zum Zweck des leichteren Auffindens der kommentierten Stellen Proletariat bestimmt; also muß vorweg das Proletariat bestimmt wer­ werden die Absätze des Textes innerhalb der einzelnen Abschnitte den; das Proletariat setzt seinerseits die Bourgeoisie voraus, durch durchnumeriert. die es erzeugt wird; mithin muß vorweg die Genesis der Bourgeoisie vorgeführt werden. Erst nach dieser Geschichtstheorie kann dann - 2) Das ,Manifest' besteht aus einer Vorbemerkung und vier Ab­ im II. Abschnitt - die Rolle der Kommunisten in der proletarischen schnitten. Die Vorbemerkung trägt keine Überschrift, während die Bewegung und -in Abschnitt III - ihre Besonderheit gegenüber den vier Teile folgende Titel führen: (I) Bourgeois und Proletarier; (II) verschiedenen anderen sozialistischen Strömungen herausgearbeitet Proletarier und Kommunisten; (TII) Sozialistische und kmnmunisti­ werden. Mit dem abschließenden IV. Abschnitt ist dann diese Aufga­ sche Literatur (dieser Teil ist in sich nochmals folgendermaßen un­ be bis zur unmittelbaren Tagespolitik zu Ende geführt. tergliedert: 1. Der reaktionäre Sozialismus, a. Der feudale Sozialis­ mus, b. Kleinbürgerlicher Sozialismus, c. Der deutsche oder der wahre Sozialismus, 2. Der konservative oder Bourgeoissozialismus, 2. Zur „Vorbemerkung": 3. Der kritisch-utopische Sozialismus und Kommunismus); (IV) Die Stellung der Kommunisten zu den verschiedenen oppositionellen Parteien. Das „Manifest" beginnt mit einer Vorbemerkung oder Einleitung, die Jeder dieser Teile hat im Zusammenhang des Ganzen eine beson­ keinen Titel trägt. Sie ist trotz ihrer Kürze für das Verständnis des dere Funktion zu erfüllen. Die einzelnen Teile sind so aufeinander Ganzen von großer Bedeutung und Gewicht. Marx hat es hier ver­ bezogen, dass sie mit einer gewissen Notwendigkeit in der bestehen­ standen, in einigen wenigen Andeutungen (1) den epochalen Hinter­ den Reihenfolge erscheinen. grund, (2) die damalige Einschätzung des Kommunismus in Europa 152 G. Kommentar G. Kommentar 153 zu umreißen und (3) noch die externe Bedeutung des „Manifests" als eine Irrlehre verurteilt hatte, ,,die im höchsten Grad dem Naturrecht Parteiprogramm des „Bundes der Kommunisten" anzugeben. Der entgegengesetzt ist und die, einmal zur Herrschaft gelangt, zu einem entscheidende Gedanke ist, dass der Kommunismus von einer ledig­ radikalen Umsturz der Rechte, Lebensverhältnisse und des Eigen­ lich ,gespenstischen' Existenz zur offenen Darlegung seiner Ziele tums, ja der menschlichen Gesellschaft führen muß." übergehen soll. Zar: Gemeint ist hier Zar Nikolaus I. (Zar von 1825 bis 1855), der 1825 den Dekabristenaufstand, 1831 den polnischen Aufstand nie­ derschlagen ließ und Kongreßpolen seine beschränkte Selbständig­ Zu Absatz (1): keit vollends nahm. Gespenst des Kommunismus: Diese zum geflügelten Wort gewordene Metternich: (1773-1859), seit 1809 österreichischer Außenminis­ Formel ist auch sonst aus der zeitgenössischen Literatur des deut­ ter, maßgeblicher Politiker des Wiener Kongresses und der europä­ schen Vormärz mehrfach belegt: z.B. in Rotteck-Welcker: ,,Staats­ ischen wie innerdeutschen Reaktion und Restauration nach 1815. Lexikon"; dort beginnt der Artikel „Communismus" so: ,,Seit weni­ Nach 1821 österr. Haus-, Hof- und Staatskanzler, 1848 aus Wien gen Jahren ist in Deutschland von Cmmnunismus die Rede und schon vertrieben. Vgl. H. v. Srbik: Metternich - der Staatsmann und der ist er zum drohenden Gespenst geworden, vor dem die Einen sich Mensch, 3 Bde. 1925. Zu Metternichs Verhältnis zur Revolution vgl. fürchten, womit die Anderen Furcht einzujagen suchen." (Bd. 3, H. J. Schoeps: Metternichs Kampf gegen die Revolution. Weltan­ S. 290-2. Aufl.1846) Ähnlich bei Lorenz von Stein, dem Historiker schauung in Briefen, in: HZ, 205 (1967), S. 529 ff., und Th. Schieder: der sozialen Bewegungen der Epoche, in: ,, Der Socialismus und Das Problem der Revolution im 19. Jh., in: ders.: Staat und Gesell­ Communismus des heutigen Frankreichs - ein Beitrag zur Zeitge­ schaft im Wandel unserer Zeit, 1958, S. 11-57. schichte", 2. Aufl.1848, Bd. 1, S. 4, wo es heißt: ,,Neben beiden steht Guizat: (1787-1878) französischer Politiker und Historiker. Von der Communismus, ein finster drohendes Gespenst, an dessen Wirk­ 1840-1848 franz. Außenminister. 1847 / 48 franz. Ministerpräsident lichkeit Niemand glauben will, und dessen Dasein doch Jeder aner­ unter dem Bürgerkönig Louis Philipp, trug durch seine starre Haltung kennt und fürchtet". Vgl. auch die Vorrede von Heinrich Heine: ,,Lu­ gegen eine Wahlrechtsreform und gegen Sozialgesetzgebung viel tetia ", wo von den Kommunisten als von einem „Schrecknis" die zum Ausbruch der Februarrevolution von 1848 in Paris bei. Vgl.die Rede ist (H. Heine, Werke, ed. Kaufmann, Bd. 6, S. 246, 1962) Bemerkungen vonA. de Tocqueville in seinen „Erinnerungen" (dt. Zu bedenken ist ferner, dass die Begriffe Sozialismus und Kommu­ 1954) über Guizot. nismus, so wie sie im Vormärz aufkamen und verwendet wurden, Französische Radikale: Die Radikalen werden hier deswegen in damals noch als unklar und auch nicht genau voneinander unter­ einer Reihe mit dem Papst und der Heiligen Allianz aufgeführt, weil scheidbar galten. Vgl. dazu: A. E. Bestor: The Evolution ofthe Soci­ sie als radikale bürgerliche Liberale zwar für politische Gleichheit, alist Vocabulary, in: J. Hist. ldeas 9 (1948), S. 259-302, und H. Mül­ nicht aber für die soziale Gleichheit der Bürger eintraten und daher ler: Ursprung und Geschichte des Wortes Sozialismus und seiner kommunistische Bestrebungen ( etwa gegen das Privateigentum) ab­ Verwandten, 1967. lehnten. Heilige Hetzjagd: Anspielung auf die „Heilige Allianz", das am Deutsche Polizisten: Anspielung auf die polizeistaatlichen Metho­ 26. 9. 1815 in Paris aufAnregung des russischen Zaren Alexander I. den in den Einzelstaaten des Deutschen Bundes nach 1815, vor allem zwischen Rußland, Österreich und Preußen geschlossene Bündnis, nach dem Erlaß der Karlsbader Beschlüsse (1819), durch die die das mit Ausnahme des Papstes, Englands und der Türkei später alle progressiven Elemente des deutschen Bürgertums, besonders auch europäischen Staaten jener Epoche umfaßte und zur Aufrechterhal­ die Studentenschaft unterdrückt wurden. Vgl. dazu Fr. Schnabel: tung von Religion, Frieden und Gerechtigkeit im Sinne der Alten Deutsche Geschichte im 19. Jh. (TB-Ausgabe), Bd. 3 (Monarchie und Mächte gegen die Französische Revolution und ihre Ideen gerichtet Volkssouveränität) und Bd. 4 (Die vormdrzliche Zeit), 1964 sowie war. Vgl. H. Schaeder: Autokratie und Heilige Allianz, 1963. W. Conze (Hrsg.): Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz, Papst: Gemeint ist Plus IX. (Papst von 1846-1878), der in der 1962. Enzyklika „Qui pluribus" vom 9. 11.1846 den Kommunismus als 154 G. Kommentar G. Kommentar 155 Zu Absatz (6): sentheorie und zeigen so, wie Marx sich beim.damaligen (noch unter­ entwickelten) Stand seiner ökonomischen Kenntnisse, die durch die Kommunisten der verschiedenen Nationalität...: Hinweis auf den Freundschaft mit Engels wesentlich gefördert worden waren, den Ver­ 2. Kongreß des „Bundes der Kommunisten" Nov./Dez. 1847 in Lon­ fall der bürgerlichen Gesellschaftsformation und Herrschaft, ihre Auf­ don, auf dem Marx und Engels den Auftrag erhielten, für den Bund lösung und ihre schließliche Ablösung durch eine neue, von unten ein Parteiprogramm auszuarbeiten (Vgl. oben „Zur Autorschaft") n achdrängende Klasse, durch das Proletariat, dachte. (3) im letzten Vgl. dazu: Fr. Engels: ,,Geschichte des Bundes der Kommunisten, Teil dieses Abschnittes (Absätze 29-54) wird dann die Heraufkunft 1885, und: ,,Der Bund der Kommunisten" -Dokumente und Materi­ und die Ausbildung dieser neuen Klasse des Proletariats aus den so­ alien Bd. I, 1836-1849, Berlin (Ost), 1970. zialen, ökonomischen und politischen Bedingungen der bürgerlich­ kapitalistischen Gesellschaft, ihre Lebenssituation sowie ihr weltge­ /. Abschnitt: Bourgeois und Proletarier schichtlicher Auftrag dargestellt, mit anderen Worten, ihre Konstituierung „als Klasse für sich selbst" (MEW 4, 181): I. Vorbemerkung zum ganzen Abschnitt: Einzelbemerkungen zum 1. Abschnitt: Dieser erste Abschnitt des „Manifests" ist nicht nur der umfangreichs­ te, sondern zugleich auch von seinem Inhalt her der wichtigste. Marx hat es hier verstanden, auf wenigen Seiten in äußerst kom­ Zu Absatz ( 1) primierter und pointierter Form ei1:1 en Abriß sei1:1er r volutionären Die Geschichte... Geschichte von Klassenkämpfen: Für diesen be­ Geschichts- und Gesellschaftstheone zu geben, die er m den voran­ rühmten Satz, der wie ein Fanfarenstoss den ersten Abschnitt des gehenden Jahren zum Teil mit seinem Freund Fr. Engels ge:meinsam „Manifests" eröffnet, gilt, was für viele andere Grundpositionen des in Paris und Brüssel entwickelt und in verschiedenen Schriften dar­ Marx.sehen Denkens zutrifft: Marx hat sie weder „erfunden" noch als gestellt hatte: in seinen Beiträgen zu den „Deutsc -Französisc en erster vertreten. In einem bekannten Brief an Weydemeyer hat Marx Jahrbüchern" (1844), in den (damals unveröffenthchten) ,,Pariser seine Abhängigkeit von bürgerlichen sozialwissenschaftlichen und Manuskripten" (1844/45), in den„ Thesen ad Feuerbach" (1845) i philosophischen Autoren freimütig eingestanden: ,,Was mich nun 1 der (ebenfalls damals nicht veröffentlichten) ,,Deutschen Ideologie betrifft, so gebührt mir nicht das Verdienst, weder die Existenz der (1845/48), der „Heiligen Familie" (1845) und im „Elend der Philo- Klassen in der modernen Gesellschaft noch ihren Kampf unter sich sophie" ( 1847 - Original auf französisch).. entdeckt zu haben. Bürgerliche Geschichtsschreiber hatten längst vor. Ohne dass dies besonders kenntlich gemacht wäre, gliedert sich mir die historische Entwicklung dieses Kampfes der Klassen, und dieser Abschnitt sachlich in drei große Teile: (]) der erste (die Absät­ bürgerliche Ökonomen die ökonomische Anatomie dargestellt" ze 1-3) formuliert und expliziert in knappster Zuspitzung in einem (MEW, Bd. 28, S. 507 f.). Satz das Marxsche Grundgesetz aller Menschheitsgeschichte; (2) der Vor Marx haben bereits Rousseau (in seinem zweiten Diskurs zweite (die Absätze 4-28) dient dazu, das Wesen der bürgerlichen „ Über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Gesellschaft unter den wichtigsten Hinsichten darzustellen; dieser Teil Menschen" ) und die französischen Frühsozialisten aus der gliedert sich seinerseits nochmals in vier Unterab chnitte: (a Die Ab­ Schule des Grafen Saint-Simon, ferner die Vertreter der sog. schot­ sätze 4-11 behandeln die allgemeine gesellschaftliche und wrrtschaft­ tischen Moralphilosophie wie John Miliar(,, Vom Ursprung des Un­ liche Entwicklung, die die bürgerliche Gesellschaft durchlaufen hat: terschieds in den Rangordnungen und Ständen der Gesellschaft", (b) der Absatz 12 ergänzt dieses Bild durch den politischen Aspekt; 1771, dt. Neuausgabe 1967) den Kampf der Klassen untereinander (c) 1n den Absätzen 13-24 wird in einer an Klarheit und Emdringlich­ als ein entscheidendes Moment in der Entwicklungsgeschichte der keit kaum zu überbietenden Darstellung ein Bild der weltgeschicht­ bürgerlichen Gesellschaft verstanden. Vgl. dazu: R. Dahrendorf: lichen Leistung der modernen bürgerlichen Gesellschaft entworfe ; Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen (2. Aufl. (d) schließlich geben die Absätze 25-28 eine knappe Fassung der Kn- 1966-dort weiterführende Literatur!). Auch die französischen His- 156 G. Kommentar G. Kommentar 157 toriker der Großen Revolution von 1789 erkannten im Klassenkampf keit des Selbstbewußtseins; Herrschaft und Knechtschaft". In diesem ein Grundgesetz der Geschichte der Menschen; so schrieb z. B. Gui­ Zusammenhang muß Hegel unter die Vorläufer der Marxschen Klas­ zot in seinem Werk „ Civilisation en Europe ": ,,L'Europe moderne sentheorie gerechnet werden - dies um so mehr, als diese Stelle sich est nee de la lutte des diverses classes de la societe." V gl. dazu auch: auf der Stufe des „Selbstbewußtseins" findet, von der Marx - mit den M. Hahn: Historiker und Klassen, 1976. übrigen Junghegelianern B. Bauerscher Observanz in früheren Jah­ ren ausging (vgl. Dissertation von Marx). Die Klassenkonzeption stellt sich insofern - zunächst - als eine Restitution der konkreten Zu Absatz (2/3 ): Hegelschen Konzeption gegen die verflachenden Abstraktionen der Auf den ersten Blick scheint es, als ob Marx den Begriff der Klasse Junghegelianer (aus deren „Selbstbewußtsein" die Dialektik von hier in einem sehr saloppen Verständnis, mitunter synonym mit Stand Herrschaft und Knechtschaft gestrichen ist) dar. Marx geht mit dem verwendet. Demgegenüber ist zu betonen, dass der Begriff der Klas­ nächsten Schritt dann über Hegel ebenso wie über die französischen se hier in zweifacher Weise angewendet wird: (1) als Begriff des Urheber des Klassenkonzeptes hinaus, indem er es historisch verlän­ Allgemeinen und (2) als Begriff des Besonderen (d. h. lediglich auf gert und auf den (neuen) Klassengegensatz Bourgeoisie - Proletariat die moderne bürgerliche Gesellschaft und ihre Untergliederungen anwendet. bezogen). Zum näheren Verständnis dieser doppelten Begriffsver­ Im Absatz (3) werden die „ Vollständige Gliederung der Gesell­ wendung (allgemein - besonders) ist heranzuziehen: Marx: Kritik des schaft" und die „mannigfachen Abstufungen" in früheren Epochen Hege/sehen Staatsrechts, MEW, 1, S. 231, wo es heißt: ,,Das Chris­ hervorgehoben, d. h. eine Klassentheorie skizziert, die komplexere tentum ist die Religion [kat' exochen], das Wesen der Religion, der Verhältnisse umfaßt als den bloßen Gegensatz bestimmter Klassen. deifizierte Mensch als eine besondere Religion. So ist die Demokra­ Diese Variante der Klassentheorie bleibt indes im „Manifest" ohne tie das Wesen aller Staatsverfassungen, der sozialisierte Mensch als weitere Konsequenzen, weil Marx in den folgenden Absätzen die eine besondere Staatsverfassung; sie verhält sich zu den übrigen Klassenverhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft scharf auf den Ge­ Verfassungen, wie die Gattung sich zu ihren Arten verhält, nur dass gensatz Bourgeoisie- Proletariat zuspitzt. V gl. M. Mauke: Die Klas­ hier die Gattung selbst als Existenz, darum gegenüber den dem Wesen sentheorie von Marx und Engels, 1970; R. Daluendorf: Soziale Klas­ nicht entsprechenden Existenzen selbst als eine besondere Art er­ sen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft, 1957; scheint.'' Im Sinne dieser Dialektik ist im „Manifest" die bürgerliche St. Ossowski: Klassenstruktur im sozialen Bewußtsein, 1962; T. B. Gesellschaft als Klassengesellschaft kat' exochen gefaßt, die daher Bottomore: Die sozialen Klassen in der modernen Gesellschaft, zugleich das geschichtliche Grundmodell auch für abweichende For­ 1967. men liefert. V gl. dazu auch „Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" (1857) von Marx (MEW 13, S. 636: ,,Die bürgerliche Zu Absatz (4): Gesellschaft ist die entwickeltste und mannigfaltigste historische Or­ ganisation der Produktion. Die Kategorien, die ihre Verhältnisse aus­ Feudale Gesellschaft-bürgerliche Gesellschaft: Nach dem Entwick­ drücken, das Verständnis ihrer Gliederung, gewährt daher zugleich lungsschema des historischen Materialismus (wie es weniger von Einsicht in die Gliederung und die Produktionsverhältnisse aller un­ Marx als vielmehr von Engels begründet wurde) nehmen nach der tergegangenen Gesellschaftsformen [... ] Anatomie des Menschen ist (hypothetisch angenommenen) klassenlosen Urgesellschaft und der ein Schlüssel zur Anatomie des Affen. Die Andeutung auf Höheres antiken Sklavenhaltergesellschaft die feudale und die bürgerliche in den untergeordneten Tierarten können dagegen nur verstanden Gesellschaft die dritte bzw. vierte Rangstufe ein - vor der sozialisti­ werden, wenn das Höhere selbst schon bekannt ist." schen Gesellschaft. In Absatz (2) wird der direkte Klassengegensatz im Sinne eines Bourgeoisie - bürgerliche Gesellschaft: Marx braucht beide Be­ unmittelbaren Herrschafts-Knechtsschaftsverhältnisses hervorgeho­ griffe synonym. Allein schon daraus ist ersichtlich, dass er „bürger­ ben. V gl. dazu Hegel, ,,Phänomenologie", B, N. A (Ausg. Molden­ liche Gesellschaft" im modernen, von den englischen Ökonomen hauer/Michel, Ed. 3, S. 145 ff.): ,,Selbständigkeit und Unselbständig- (A. Smith, D. Ricardo) und Hegel geprägten Verständnis als vorwie- 158 G. Kommentar G. Kommentar 159 gend wirtschaftende Gesellschaft im Unterschied (und Gegensatz) zu als er sich zunehmend mit ethnologischen Studien befaßt. Vgl. dazu dem bis ins späte 18. Jh. wirksam gebliebenen klassischen gemein­ L. Krader: Ethnologie und Anthropologie bei Marx, 1973; L. Krader europäischen Begriff der bürgerlichen Gesellschaft, der sich vom (Hrsg.): Karl Marx: Die ethnologischen Exzerpthefte, 1976. griechischen „koinonia politike" (Aristoteles, ,,Politik", I, 1,1) her­ leitet und in der lateinischen Fassung „societas civilis" in fast alle modernen europäischen Sprachen Eingang gefunden hat (,,civil soci­ Zu Absatz /8): ety", ,,societe civile"). Die Eigentümlichkeit des klassischen Begriffs Zünftige Betriebsweise: Dieser Begriff verweist auf die vom Zunft­ der bürgerlichen Gesellschaft besteht darin, dass er zugleich das po­ wesen geprägte Organisation der Produktion, vorwiegend im Mittel­ litische Gemeinwesen mitumfaßt. Dass auch Marx diesen alten Be­ alter. griff noch gelegentlich gegenwärtig hat, lehrt seine Schrift „Zur Ju­ Manufaktur: vom lat. ,,manu facere" (= mit der Hand verfertigen); denfrage" (Bd. I [Ed Lieber], S. 461 ff.). Zur Geschichte des Begriffs die das 17. und 18. Jh. vornehmlich kennzeichnende Organisationsform ,,Bürgerliche Gesellschaft" vgl. 0. Brunner: Neue Wege der Verfas­ der Produktion von Gütern, für die charakteristisch war, dass das Pro­ sungs- und Sozialgeschichte, 21968; W. Conze: Das Spannungsfeld dukt unter Verwendung einfacher Maschinen bereits in einem arbeits­ von Staat und Gesellschaft im Vormärz, in: ders. (Hrsg.) Staat und teiligen Prozeß vornehmlich durch Handarbeit hergestellt wurde. Gesellschaft im deutschen Vormärz, 1962, S. 207 ff.; K. Löwith: Von Marx befaßt sich eingehender mit dem Problem der Manufaktur Hegel zu Nietzsche, 1964; M. Riede!: Hegels „bürgerliche Gesell­ und ihrer Revolutionierung durch die moderne Industrialisierung im schaft" und das Problem ihres Ursprungs, in: ders.: Studien zu Hegels Kapital, Bd. I, Kap. 12 (,,Teilung der Arbeit und Manufaktur"), und Rechtsphilosophie, 1969, S. 135 ff.; M. Riede!: Artikel „Bürger, ebendort Kap. 13, Abschnitt 8 (,,Revolutionierung der Manufaktur s. 672 ff. (1972). Staatsbürger, Bürgertum" in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. I, Handwerk und Hausarbeit durch die große Industrie") (beides in: MEW, Bd. 23, S. 356 ff. und 483 ff.). - Vgl. a. J. Kuhseher, Al/ge­ Die von Marx in diesen Sätzen mehr angedeutete als ausgefülnie meine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, Mün­ Periodisierung der Geschichte entspricht nicht exakt dem dogma­ chen4 1971, Bd. 2, S. 146 ff. tischen Schema des späteren Marxismus-Leninismus; in Marx' Schriften gibt es verschiedene Versuche, die weltgeschichtlichen Epochen im Zusammenhang zu sehen, ohne dass Marx zu einem Zu Absatz (8-10) abstrakten Schematismus gekommen wäre; im Gegenteil: in der Als Momente der durch die Bourgeoisie bewirkten techniSch-ökono­ ,,Deutschen Ideologie" lehnt er einen solchen ausdrücklich ab: ,,Die­ mischen Revolution werden genannt: a) ,,Die Teilung der Arbeit in se Abstraktionen haben für sich, getrennt von der wirklichen Ge­ der einzelnen Werkstatt" (Abs. 8) - vgl. dazu „Kapital", Bd. I, schichte, durchaus keinen Wert. Sie können nur dazu dienen, die Kap. 11 (,,Kooperation") (MEW, Bd. 23, S. 341 ff.) und Kap. 12 Ordnung des geschichtlichen Materials zu erleichtern, die Reihenfol­ (,,Teilung der Arbeit und Manufaktur") (MEW, Bd. 23, S. 356 ff.); ge seiner einzelnen Schichten anzudeuten. Sie geben aber keines­ b) die Revolution der industriellen Produktion durch „Dampf und wegs, wie die Philosophie, ein Rezept oder Schema, wonach die Maschinerie" (Abs. 9) - vgl. dazu „Kapital", Bd. I, Kap. 13 (,,Ma­ geschichtlichen Epochen zurechtgestutzt werden können." (MEW, schinerie und große Industrie") (MEW, Bd. 23, S. 391 ff.); c) die Bd. 3, S. 27). Diese Textstelle macht deutlich, dass für Marx die Schaffung des Weltmarkts (Abs. 10) und die „Vermehrung der Kapi­ Periodisierung der Weltgeschichte, die ihn auch später - etwa in den talien", also Akkumulation des Kapitals (Abs. 10)-vgl. dazu „Ka­ ,,Grundrissen" (1857/58-S. 363 ff. und 375 ff.) und im „Kapital" pital", Bd. I, Kap. 23/24 (MEW, Bd. 23, S. 640 ff. und 741 ff.). (Bd. I, Kap. 24) - weiter beschäftigt, stärker methodologische oder heuristische Bedeutung und Funktion besitzt. Zur Konzeption der „Urgesellschaft" im Marxismus vgl. vor allem Zu Absatz (11): Fr. Engels: ,, Ursprung der Familie" (MEW, Bd. 21, S. 25 ff.); bei Zur Periodisierung vgl. oben (zu Abs. 4). Es ist am Ausdruck „Pro­ Marx selbst taucht dieses Thema erst in den 70er Jahren explizit auf, dukt eines langen Entwicklungsganges" noch hervorzuheben, dass 160 G. Kommentar G. Kommentar 161 die Bourgeoisie als Klasse nach Marxens Theorie damit nicht als ih n ausfechten. Sowenig man das, was ein Indivlduum ist, nach dem schlechthin gegebene Entität, sondern als Resultat der geschicht­ beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebensowenig kann man eine solche lichen Entwicklung aufgefaßt wird. Dies ist wichtig im Hinblick auf Umwälzungsepoche aus ihrem Bewußtsein beurteilen, sondern muß den analogen Entwicklungsprozeß des Proletariats (Abs. 27 ff., bes. viel mehr dieses Bewußtsein aus den Widersprüchen des materiellen 39 ff.). Vgl. dazu auch noch „Elend der Philosophie" (MEW,Bd. 4 , Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen S. 181): ,,So ist diese Masse bereits eine Klasse gegenüber dem Ka­ Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären. Eine pital, aber noch nicht für sich selbst." Überhaupt bildet die Schrift Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte ent­ Elend der Philosophie in vieler Hinsicht die Grundlage für wesent­ wickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktions­ liche Ausführungen im I. Abschnitt des „Manifests". verhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenz­ Bourgeoisie als Produkt: resümierender Hinweis darauf, dass alle bedingungen derselben im Schoße der alten Gesellschaft selbst gesellschaftliche Entwicklung in Marxens Theorie von den Entwick­ ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur lungen der Produktionsweise ( der Produktivkräfte wie der Produkti­ Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets onsmittel) abhängt. Marx hat diesen Zusammenhang an anderer Stel­ finden, dass die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen le später unübertrefflich konzise so formuliert: ,,Das allgemeine Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Pro­ Resultat, das sich mir ergab und, einmal gewonnen, meinen Studien zeß ihres Werdens begriffen sind. In großen Umrissen können asia­ zum Leitfaden diente, kann kurz so formuliert werden: In der gesell­ tische, antike, feudale und moderne bürgerliche Produktionsweisen schaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimm­ als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation te, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Pro­ bezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind duktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktions­ materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Pro­ prozesses, antagonistisch nicht im Sinne von individuellem Antago­ duktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesell­ nismus, sondern eines aus den gesellschaftlichen Lebensbedingungen schaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer der Individuen hervorwachsenden Antagonismus, aber die im Schoße Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußt­ der bürgerlichen Gesellschaft sich entwickelnden Produktivkräfte seinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Le­ schaffen zugleich die materiellen Bedingungen zur Lösung dieses bens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß Antagonismus. Mit dieser Gesellschaftsformation schließt daher die überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab." (Werke [Ed. Lie­ sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein ber], Bd. VI, S. 838 ff.) bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den Zu Absatz (12): vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren Politischer Fortschritt: Deutlich wird hier die Marxsche Einschät­ sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produk­ zung des Politischen, speziell des Staates, als eines sekundären, ab­ tivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt geleiteten Phänomens herausgestellt. Der Staat ist Instrument der dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der Herrschaft in den Händen der jeweils herrschenden Klasse, die durch ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau diesen Staat ihr System der Unterdrückung anderer Gesellschafts­ langsamer oder rascher um. In derBetrachtung solcher Umwälzungen klassen aufrechterhält. Es ist nur konsequent, wenn Marx von diesem muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen naturwissen­ Standpunkt aus sozialistische Doktrinen, die soziale Reformen und schaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Verbesserungen der Lage des Proletariats durch den Staat bewirkt Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religi­ wissen wollen (vgl. z.B. Lorenz von Stein und seine Theorie des ösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz ideologischen For­ ,,sozialen Königtums"), strikt ablehnt. Vgl. K. Marx und Fr. Engels: men, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ,,Die Deutsche Ideologie" (MEW, Bd. 4). 162 G. Kommentar G. Kommentar 163 Zu Absatz (13): ZuAbsatz (20): Die revolutionäre Rolle der bürgerlichen Gesellschaft ist (a) histo­ Selbstgenügsamkeit: Dieser Begriff verweist auf den Traditionszu­ rische Legitimation der Bourgeoisie gegenüber früheren Formati­ sammenhang mit der aristotelischen „autarkia", die als ein wesent­ onen, (b) Grundlage der revolutionären Rolle des Proletariats. liches Strukturmerkmal vollgültiger Gemeinwesen galt und die auch im Bereich der alteuropäischen Ökonomik als der Lehre vom Hause ZuAbsatz/14): einen zentralen Stellenwert besaß. Vgl. dazu 0. Brunner: Das ,ganze Haus' und die alteuropäische ,Ökonomik', in: ders.: Neue Wege der Marx betont die „entzaubernde" Wirkung der bürgerlichen Revoluti­ Verfassungs- und Sozialgeschichte, 2 1968, S. 103 ff. on in der Geschichte. Damit wird - durch analoge Begriffe zu „Be­ Weltliteratur: Dieser von J. W Goethe geprägte Begriff hat schnell rechnung" und „Rechenhaftigkeit" (Abs. 14) - eine deutliche Analo­ allgemeine in- und ausländische Anerkennung gefunden. Am 31. Jan. gie zu Max Webers Lehre von der steigenden Rationalität der 1827 sagte Goethe gesprächsweise zu Eckermann: ,,Nationalliteratur modernen Industriegesellschaft hergestellt - vgl. auch Abs. 18: ,,mit will jetzt nicht viel sagen; die Epoche der Weltliteratur ist an der Zeit, nüchternen Augen... " und jeder muß jetzt dazu wirken, diese Epoche zu beschleunigen." In Die Boitrgeoisie hat alle... Verhältnisse zerstört: Diese Passage einem anderen Gespräch (mit dem polnischen Schriftsteller A. E. bietet besonders eindrucksvolle Formulierungen von der weltge­ Odyniec vom 15. Aug. 1829) spricht Goethe vom „Freihandel der schichtlich revolutionären Rolle der bürgerlichen Gesellschaft, in der Begriffe und Gefühle", der „ebenso wie der Verkehr in Produkten und es besonders auf die antithetisch gesetzten Adjektiva und Substantiva Bodenerzeugnissen den Reichtum und das allgemeine Wohlsein der ankommt, die den charakteristischen Unterschied zwischen der (vor­ Menschheit steigere." Vgl. dazu H. J. Schrimpf: Goethes Begriff der angehenden) feudalen und der bürgerlichen Gesellschaft bis in die Weltliteratur, 1968. Differenzierungen der Lebensatmosphäre hinein zu erfassen suchen. Dabei ist zu beachten, dass für Marx beide Gesellschaftsformationen solche der Ausbeutung und der Klassenherrschaft sind und dass bei­ ZuAbsatz (21): de für ihn mit geschichtlicher Notwendigkeit auftreten, dass er mithin Chinesische Mauern: zeitgeschichtliche Anspielung auf den von - trotz der offensichtlich „wärmeren" Schilderung der feudalen Ge­ England gegen das alte China erfolgreich durchgeführten sog. ,,Opi­ sellschaft in diesem Text - keineswegs für sie und gegen die bürger­ um-Krieg" (1840-42), nach dessen Abschluß England im Vertrag von liche Stellung nimmt. Die Betrachtung wird vielmehr von dem Motiv Nanking die Abtretung von Hongkong und die Öffnung von fünf geleitet, jegliche Unterdrückung und Ausbeutung, d. h. menschliche chinesischen Häfen für den europäischen Handel erzwang und da­ Entfremdung, aufzuheben, was weder in der bürgerlichen noch in der durch die seit dem 17. Jh. in China regierende Mandschu-Dynastie feudalen Gesellschaftsformation für Marx denkbar ist. schwer erschütterte. Vgl. dazu auch die von K. Marx für die New York Der Begriff „Revolutionierung der Produktionsverhältnisse" Daily Tribune zwischen 1853 und 1859 geschriebenen Artikel über nimmt sachlich den Begriff der „industriellen Revolution" vorweg. China (in: Werke, Ed. Lieber, Bd. III, !, S. 536 ff.). Zu China im Unter dieser Hinsicht wird der Kapitalismus als eine permanente 19. Jh. vgl. P. J. Opitz: Vom Konfuzianismus zum Kommunismus, Revolution (der Produktionsverhältnisse) gefaßt. Vgl. dazu auch 1969, ders.: (Hrsg.): Chinas große Wandlung, revolutionäre Bewe­ Abs. 25. Die innere Dynamik der bürgerlichen Produktions- und Ver­ gungen im 19. und 20. Jh., 1972. kehrsverhältnisse treibt beständig über sich selbst hinaus. Diese Dy­ namik wird erkennbar durch die Unterscheidung zwischen den Pro­ duktivkräften einerseits (Abs. 25) und den Produktions- und ZuAbsatz (23): Verkehrsverhältnissen andererseits (Abs. 27). Vgl. dazu auch das Die Bourgeoisie hebt mehr und mehr... :- als zeitgeschichtlicher oben zitierte Vorwort zum ersten Heft der „Kritik der politischen Hintergrund für diese Charakterisierung der kapitalistischen Gesell­ Ökonomie" von 1859 (MEW, Bd. 13, S. 9). schaft darf die Bildung des Deutschen Zollvereins (1828 ff.) ange- 164 G. Kommentar G. Kommentar 165 nommen werden, der ja bekanntlich eine wesentliche Voraussetzung sen" (1835; abgedruckt in: Fr. v. Baader: Gesellschaftslehre, 1957, für die politische Einigung Deutschlands darstellte. Vgl. hierzu S. 235 ff.) (zu Baader vgl. E. Benz: Franz von Baaders Gedanken H. Hausherr: Der Zollverein und die Industrialisierung, in: K. G. über den „Proletair", in: Zeitschrift für Religions- und Geistesge­ Born (Hrsg.): Moderne deutsche Wirtschaftsgeschichte, 1966, schichte, 1948, S. 97 ff.), für den die „Zivilisation der Wenigen nur S. 55 ff. und W. 0. Henderson: The Zollverein, 1960; H. Böhme: Pro­ durch die Unzivilisation, ja Brutalität der Vielen besteht". Ähnlich legomena zu einer Sozial- und Wirtschaftsgeschichte im 19. u. 20. Jh., auch bei J. M. von Radowitz, der 1846 schreibt: ,,Das Proletariat steht 1968. in riesengroßer Gestalt da, und mit ihm öffnet sich die blutende Wun­ de der Gegenwart, der Pauperismus". Hegel, der in seiner Rechtsphi­ Zu Absatz (25): losophie dieselbe Problematik analysiert, braucht noch den alten Begriff des „Pöbel" (Vgl. Rechtsphilosophie,§ 244). Zum Ganzen Wir haben aber gesehen... : Marx resümiert hier die Entwicklung der vgl. W. Conze: Vom „Pöbel" zum „Proletariat" - Sozialgeschicht­ bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft und bezieht ihren Aufstieg liche Voraussetzungen des Sozialismus in Deutschland, in: H. U. auf ein allgemeines geschichtliches Gesetz. Durch dieses Rekurrieren Wehler (Hrsg.): Moderne deutsche Sozialgeschichte, 1969, S. 111 ff.; auf eine objektive Gesetzlichkeit hat er zugleich den Übergang ge­ G. Brief: Das gewerbliche Proletariat, in: Grundriß der Sozialöko­ funden zu der für ihn ebenfalls geschichtlich notwendig sich vorbe­ nomie, IX, 1926, S. 162 ff.; C. Jantke: Der vierte Stand, 1955, reitenden Peripetie der bürgerlichen Gesellschaft, die nach geschichts­ C. Jantke/D. Hilger: Die Eigentumslosen - der deutsche Pauperis­ immanenten Gesetzen in sich die Kräfte erzeugt, die sie einmal mus und die Emanzipationskrise, in: Darstellungen und Deutungen zerstören werden. Sie gibt ihm zugleich die Gelegenheit, seine Kri­ der zeitgenössischen Literatur, 1965. sentheorie an dieser Stelle zu explizieren, für deren Konzeption die ökonomischen Frühschriften von Fr. Engels und dessen Grundsätze des Kommunismus (in diesem Bande) von erheblicher Bedeutung Zu Absatz (31): waren. Vgl. dazu H. Bollnow: Engels'Auffassung von Revolution und Die Arbeit der Proletarier: Ohne auf Einzelheiten einzugehen, deutet Entwicklung in seinen „Grundsätzen des Kommunismus", in: Mar­ Marx hier den von ihm in den „Pariser Manuskripten" ausführlich xismusstudien, Bd. I, 1954 S. 77 ff.); P. Stadler: Wirtschaftskrise und und systematisch explizierten und über vier Stufen verlaufenden Pro­ Revolution bei Marx und Engels - zur Entwicklung ihres Denkens in zeß der menschlichen Entfremdung an. Vgl. ,,Pariser Manuskripte", den 50er Jahren, in HZ, 199 (1964), S. 113 ff. Werke (Ed. Lieber), Bd. I, S. 506 ff., bes. 559 ff.; I. Fetscher: Von Marx zur Sowjetideologie. 71962, S. 15 ff.; I. Meszaros: Der Entfrem­ Zu Absatz (29): dungsbegriff bei Marx, 1973; Fr. Müller: Entfremdung -zur anthro­ pologischen Begründung der Staatstheorie bei Rousseau, Hegel und Proletarier, Proletariat: von lat. ,,proles" (Nachkommenschaft) und Marx, 1970. „proletarius" (niedrig, gemein). Als Bezeichnung für die Besitzlosen und von der Hand in den Mund Lebenden im Deutschen schon im 17. Jh. - wenn auch selten - belegt Erst in den ersten Jahrzehnten Zu Absatz (32): des 19. Jh. verdrängt der Begriff „Proletarier", angeregt durch das Die moderne Industrie: Marx bietet an dieser Stelle Ansätze zu einer französische „proletairs" (,,die von unten her wuchernden")-den bis Soziologie des modernen Industriebetriebs, wie sie zu Beginn des dahin gängigeren Begriff „Pöbel" (von lat. ,,populus"). Im sozialkri­ 20. Jh. von M. Weber und später von der modernen Industrie- und tischen Denken des frühen 19. Jh. dient „Proletariat" dazu, die Klas­ Organisationssoziologie aufgenommen und systematisch entfaltet se der Ärmsten und Unterprivilegierten zu bezeichnen, deren soziale worden sind. Vgl. Fr. Fürstenberg (Hrsg.): Industriesoziologie, Lage im krassesten Gegensatz zu der der Reichen steht So bei Franz 1961. von Baader in seiner Schrift „ Über das dermalige Mißverhältnis der Vermögenslosen oder Proletairs zu den Vermögen besitzenden Klas- 166 G. Kommentar G. Kommentar 167 Zu Absatz (35): Zu Absatz /39): Die bisherigen kleinen Mittelstände: Diese Ausführungen dienen Aber mit der Entwicklung der Industrie: Die Organisation der Arbei­ Marx einmal als Beleg für die eingangs dieses Abschnittes des „Ma­ terschaft von der Masse zur Klasse beschäftigte Marx unentwegt. nifests" (s. Abs. 5) aufgestellte These, dass sich im bürgerlichen Hier schildert er zuerst den in der Anfangsphase wesentlich zwang­ Zeitalter die Klassengegensätze vereinfachen und dass die Gesell­ haften, durch die äußeren Umstände und harten Lebensbedingungen schaft „mehr und mehr in zwei große, einander direkt gegenüberste­ bewirkten, fortschreitenden Integrationsprozeß des Proletariats, in hende Klassen - Bourgeoisie und Proletariat" - spaltet, und zugleich dem die sinkenden Lebensbedingungen und damit verbundene allge­ als Hinweis auf die wachsende Verelendung der Massen unter der meine Egalisierung der Menschen die bestimmenden Momente sind. Herrschaft der bürgerlichen Gesellschaft. Die weitere Entwicklung Mehrere durch ihre Organisationsgestalt unterschiedliche Formen der der bürgerlichen Gesellschaft hat indessen gezeigt, dass die mittel­ proletarischen Zusammenarbeit (Koalition, Assoziation) ergeben sich ständischen Gruppen der GeseHschaft nicht nur nicht auf diese von auf diesem Wege. Marx prognostizierte Weise zerrieben worden sind, sondern im Ge­ Vgl. insgesamt zu Absatz (39) Marx: ,,Elend der Philosophie" genteil stetig sowohl zahlenmäßig als auch bedeutungsmäßig zuge­ (MEW, Ed. 4, S. 184 ff.), (vgl. auch oben zu Absatz 11). nommen haben. Vgl. dazu aber den wichtigen Abs. III/12, oben Erneute: (franz.) heute nicht mehr gebräuchlicher Ausdruck für S. 90 f. ,,Aufstand", ,,Meuterei", ,,Aufruhr". Zu Absatz (36): Zu Absatz /44): Entwicklungsstufen des Proletariats: Hat Marx im zweiten Unterab­ ,,In Zeiten, wo der Klassenkampf sich der Entscheidung nähert... " schnitt dieses Abschnitts des Manifests zunächst den Aufstieg der Marx beschreibt hier eine besonders wichtige Etappe im Entwick­ bürgerlichen Klasse zur herrschenden beschrieben, so gibt er jetzt lungs- und Integrationsprozeß des Proletariats; ihre Bedeutung liegt eine knappe Skizze zur Genese des Proletariats innerhalb der bürger­ darin, dass sich auf dieser Stufe „Bourgeoisieideologen", d. h. Ver­ lichen Gesellschaft unter besonderer Betonung der Elemente des treter der bürgerlichen Intelligenz (wie Marx und Engels selbst), die Klassenkampfes gegen die Bourgeoisie (vgl. dazu auch Absatz 51). sich eine philosophische Einsicht in die Bedingungen und Gesetzmä­ Marxens Hauptaugenmerk gilt dabei der allmählich fortschreitenden ßigkeiten der Geschichte verschafft haben, dem Proletariat verbin­ Organisation und Integration des Proletariats zu einer solidarisch den. Diese Verbindung ist in Marxens Augen von grundlegender handelnden Klasse. Vgl. dazu M. Vester: Die Entstehung des Prole­ Bedeutung für den geschichtlichen Fortschritt, weil nur durch diese tariats als Lernprozeß, 1970. bürgerlichen Philosophen dem Proletariat die zur Klassenintegration unerläßliche Bewußtseinsbildung vennittelt werden kann. In der Frühschrift „Kritik der Hege/sehen Rechtsphilosophie- Einleitung" Zu Absatz (37): (1844) hat Marx dieses notwendige aufeinander Verwiesensein von Sie zerschlugen die Maschinen... : Hinweis auf die sog. ,,Maschinen­ Philosophie und Proletariat folgendermaßen beschrieben: ,,Wie die stürmerei", als die Arbeiter zu Beginn der Industrialisierung oft ver­ Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so findet das Proletariat suchten, mittels der Zerstörung der neuen Maschinen die Unterneh­ in der Philosophie seine geistigen Waffen, und sobald der Blitz des mer zur Rückkehr zur herkömmlichen, vorwiegend handwerklichen Gedankens gründlich in diesen naiven Volksboden eingeschlagen ist, Arbeits- und Produktionsweise zu zwingen, um auf diese Weise die wird sich die Emanzipation der Deutschen zu Menschen vollziehen." Freisetzung von Arbeitskräften und die Entstehung von allgemeiner (Werke [Ed. Lieber], Ed. I, S. 504). Später hat Marx die Funktion der Arbeitslosigkeit als Folge der Technisierung und Mechanisierung der Bourgeoisieideologen auch noch im Zusammenhang seiner Schrift Produktion zu verhindern. ,,Der 18te Brumaire... " (1852) behandelt. 168 G. Kommentar G. Kommentar 169 Zu Absatz (45): Zu Absatz (49): Von allen Klassen... : Diese Ausführungen dienen dazu, das Proleta­ Die Analogie zwischen bürgerlicher und proletarischer Revolution, riat als revolutionäre Klasse von anderen sozialen Gruppen abzuhe­ die von Abs. 27 an die Darstellung beherrscht hat, hört hier auf. Wie ben, die auch unterdrückt und unterprivilegie1i sind, die aber keine so manches andere Theorem des „Manifests" ist auch dieses - das revolutionäre Befreiung suchen, sondern in einer rückwärtsge­ Aufhören der Analogie - konkreter entwickelt in Marxens Schrift wandten, ältere Gesellschaftsformationen restaurieren wollenden „Der J Ste Brumaire ". Dort heißt es u. a.: ,,Bürgerliche Revolutionen Mentalität verhaftet sind. Vgl. dazu auch Marx: ,,Kritik des Gothaer wie die des achtzehnten Jahrhunderts, stürmen rascher von Erfolg zu Programms" (MEW, Bd. 19, S. 22 ff.), wo es u. a. heißt: ,,Zum Scha­ Erfolg, ihre dramatischen Effekte überbieten sich[...]. Proletarische denersatz ist dagegen die Gegenstrophe Lassallesches Zitat vom Revolutionen dagegen, wie die des neunzehnten Jahrhunderts, kriti­ reinsten Wasser: ,der (der Arbeiterklasse) gegenüber alle andern sieren beständig sich selbst, unterbrechen sich fortwährend in ihrem Klassen nur eine reaktionäre Masse bilden'." Dieser Lassalleschen eigenen Lauf' usw. (MEW, Bd. 8, S. 118) Position hält Marx entgegen: ,,Im ,kommunistischen Manifest' heißt es: ,von allen Klassen, welche heutzutage der Bourgeoisie gegenü­ Zu Absatz (51): berstehen, ist nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre Klasse'." Marx fährt dann fort „Die Bourgeoisie ist hier als revolutionäre Abwehr eines abstrakten Internationalismus durch Marx. Vgl. dazu Klasse aufgefaßt- als Trägerin der großen Industrie- gegenüber Feu­ auch den Abschnitt IV und die Erläuterungen dazu. dalen und Mittelständen, welche alle gesellschaftlichen Positionen behaupten wollen, die das Gebilde veralteter Produktionsweisen. Sie ZuAbsatz(53): bilden also nicht zusammen mit der Bourgeoisie nur eine reaktionäre Alle bisherige Gesellschaft... : Nachdem Marx die Entwicklung des Masse. Andererseits ist das Proletariat der Bourgeoisie gegenüber Proletariats von der lockeren Verbindung zur bewußt organisierten revolutionär, weil es, selbst erwachsen auf dem Boden der großen Klasse verfolgt hat, konfrontiert er das Proletariat jetzt mit den un­ Industrie, der Produktion den kapitalistischen Charakter abzustreifen terdrückten Klassen anderer, vorangehender Gesellschaftsformati­ strebt, den die Bourgeoisie zu verewigen sucht." onen, um durch diesen Vergleich die exzeptionelle Lage des Proleta­ riats und damit seine ebenfalls exzeptionell einmalige Rolle in der ZuAbsatz (46): Geschichte der Menschheit klar hervorzuheben. Vgl. dazu auch Vgl. Marx: ,,Kritik des Gothaer Programms": ,,Aber das Manifest K. Marx: ,,Kritik der Hege/sehen Rechtsphilosophie - Einleitung" setzt hinzu: dass die ,Mittelstände... revolutionär (werden)... im (Werke [Ed. Lieber], Bd. I, S. 488 ff.). Die Intention des Absatz 49 -Aufzeigen der Grenze der Analogie Hinblick auf ihren bevorstehenden Übergang ins Proletariat". zwischen bürgerlicher und proletarischer Revolution - weiterfüh­ rend, spitzt Marx die Lage des Proletariats im Sinne einer absoluten ZuAbsatz (47): Verelendungstheorie zu. Es handelt sich dabei um den problema­ Lumpenproletariat: traditioneller Begriff zur Bezeichnung asozialer tischsten Teil des Manifests. Die Verelendungstheorie beruht auf Bevölkerungsgruppen unterhalb der Klasse des Proletariats und ohne einer Übernahme der Prämissen der klassischen Ökonomie (Ricar­ Klassenorganisation und -bewußtsein. dos) vom Minimum des Lohns (vgl. für diesen Zusammenhang u. a. Fr. Engels: ,,Der Freihandelskongreß in Brüssel", in: MEW, Bd. 4, S. 307 ff.). Marx leitet aus der unkritischen Rezeption dieses klas­ ZuAbsatz (48): sischen Theorems die Unfähigkeit der Bourgeoisie ab, der von ihr Die Gesetze, die Moral, die Religion...: Die Klassenbindung von beherrschten Klasse der Proletarier die Existenzbedingungen zu si­ Gesetz, Moral und Religion hat Marx gemeinsam mit Engels in der chern. Die Verelendungstheorie gehört zu den am meisten umstrit­ ,,Deutschen Ideologie" eingehend behandelt. tenen Theorien des Marxismus (vgl. G. Herre, Verelendung und 170 G. Kommentar G. Kommentar 171 Proletariat bei Karl Marx, 1973; F. Sternberg, Anmerkungen zu in der „Kritik des Gothaer Programms", für veraltet: ,,Es ist, als ob Marx, heute, 1965). unter Sklaven, die endlich hinter das Geheimnis der Sklaverei gekom­ Schon die abstrakte Isolation einer „Verelendungstheorie" aus dem men und in Rebellion ausgebrochen, ein in veralteten Vorstellungen genetisch-dialektischen Ablauf der Argumentation des „Manifests" befangener Sklave auf das Programm Rebellion schriebe: Die Skla­ war an sich problematisch. Dennoch kann man im „Manifest" eine verei muß abgeschafft werden, weil die Beköstigung der Sklaven im gewisse Grundlage für eine solche Theorie finden. Die Überwindung System der Sklaverei ein gewisses niedriges Maximum nicht über­ solcher problematischer Ansätze mußte mit einem parallelen Fort­ schreiten kann!" (MEW, Bd. 19, S. 26). schreiten der detaillierten Kritik an den Klassikern, insbesondere an Ricardo, einhergehen. Sie steht auch stets in einem direkten Bezug zu Lassalle. Die endgültige dialektische „Überwindung" Ricardos Zu Absatz (54): durch Marx geschieht erst imAnschluß an die„ Grundrisse" (1857 /8) Die wesentliche Bedingung... : In diesem letzten Absatz des I. Ab­ besonders in den ökonomischen Manuskripten der frühen 60er Jahre schnitts gibt Marx eine Zusammenfassung, die zunächst noch einmal (V gl. ,,Theorien übenden Mehrwert"(= Bd. IV des „Kapitals") so­ den ökonomischen Grundcharakter der bürgerlich-kapitalistischen wie „Kapital", Bd. III). Bereits 1859 schreibt Marx irn Zusammen­ Gesellschaft kennzeichnet, mit besonderer Berücksichtigung der Si­ hang mit Lassalles Ausführungen zur Geldtheorie in seinem „Herak tuation des Proletariats. Er weist zudem darauf hin, dass die bürger­ leitos der Dunkle": ,,Ich habe natürlich nicht die geringste Rücksicht liche Gesellschaft durch einen dialektischen Vorgang mit dern unauf­ auf diese talmudistische Weisheit genommen, aber den Ricardo sehr haltsamen und notwendigen Fortschritt der Industrialisierung sich im heruntergemacht wegen seiner Geldtheorie [... ] So mag Lassalle sich Proletariat ihren Überwinder selber schafft. Besonders wichtig ist in dadurch persönlich betroffen fühlen. An sich war nichts dabei, denn diesem Zusammenhang die Betonung der Unvermeidlichkeit dieses in der Schrift gegen Proudhon nahm ich selbst R[icardo]s Theorie historischen Prozesses. Dadurch wird nochmals die Wissenschaft­ an." (an Engels, 25. 2. 1859-MEW, Bd. 29, S. 404). Marx gibt sel­ lichkeit dieses auf der Erkenntnis der gesellschaftlichen Entwick­ ber hier also seine Abhängigkeit von Ricardo für 1847 zu. In der lungsgesetze beruhenden Marxschen Sozialismus im Unterschied „ Kritik des Gothaer Programms" schreibt er dann, mit bestimmterem und Gegensatz zu den anderen, auf vagen Versprechungen und hu­ Bezug auf die Verelendungstheorie (gegen Lassalles ,Ehernes Lohn­ manitären Appellen basierenden sozialistischen Doktrinen der Zeit gesetz'): ,,Seit Lassalles Tode hat sich die wissenschaftliche Einsicht demonstriert, mit denen Marx sich vor allem im m. Abschnitt des in unsrer Partei Bahn gebrochen, dass der Arbeitslohn nicht das ist, ,,Manifests" auseinandersetzen wird. was er zu sein scheint, nämlich der Wert respektive Preis der Arbeit, Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats sind gleich unver­ sondern nur eine maskierte Form für den Wert resp. Preis der Arbeit. meidlich: Dieser Satz steht in einem gewissen Widerspruch zu dem Damit war die ganze bisherige bürgerliche Auffassung des Arbeits­ „Oder" in Absatz 2 (weiter oben). Bei kleinlicher Exegese ließe sich lohns sowie die ganze gegen gelbe gerichtete Kritik ein für allemal die These aufstellen, dass - wenn beide gleich unvermeidlich sind - über den Haufen geworfen [... ]" (MEW, Bd. 19, S. 25). Lassalles sie ebenso gleich vermeidlich sein können; denn konstatiert ist nur Todesjahr war 1864. Marx selbst setzt also die Überwindung der die wechselseitige Abhängigkeit. Das mag aber dahingestellt bleiben. Grundlagen der eigentlichen Verelendungstheorie in die zweite Hälf­ Aus politischen Gründen wollte Marx dem Proletariat die Gewißheit te der 60er Jahre. Die Texte, die hier in Frage stehen, sind „Lohn, einer Zukunftsperspektive geben. Dennoch ist - im Hinblick auf die Preis und Profit" (in: MEW, Bd. 16, S. 101 ff.), ein Vortrag von 1865, Frage des ,Determinismus' - methodologisch entscheidend, dass der aber im Hinblick auf unsere Frage einer sorgfältigen Interpreta­ Marx nicht einfach von einem automatischen Prozeß der Überwin­ tion bedarf, und der I. Band des Kapitals, auf dessenAkkumulations­ dung des Kapitalismus spricht, sondern die handelnden Subjekte kapitel Engels in einem der „Kritik des Gothaer Programms" paral­ (Proletariat als Totengräber) als Zwischenglied einführt. V gl. dazu lelen Brief an Bebe! (vom 18./28. 3. 1875) zu recht hinweist (vgl. „Kapital", Bd. !, (MEW, Bd. 23, S. 791): ,,Die Zentralisation der MEW, Bd. 19, S. 5). Irn „Kapital" kann die ursprüngliche Verelen­ Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit" (nicht die dungstheorie als überwunden gelten; Marx betrachtet sie daher 1875, Verelendung der Arbeit!) ,,erreichen einen Punkt, wo sie unverträg- 172 G. Kommentar lieh werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropria­ teurs werden expropriiert". Auch hier wird, trotz der apodiktischen Form der ,Ablösung', faktisch nur der subjektive Faktor eingeschal­ tet, dessen In-Aktion-Treten auf einem gewissen Punkt der Entwick­ lung für unvermeidlich gehalten wird. Dies alles können nur Andeutungen des Zusammenhangs sein, der zwischen dem „Manifest" und dem „Kapital", vor allem Bd. I, be­ steht - und zwar sowohl in der Form der Fortsetzung als auch in der Korrektur.

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