Einführung in die Politikwissenschaft: Parteiensysteme PDF
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Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
2024
Dr. Christina-Marie Juen
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Summary
This document discusses party systems in political science. It is a presentation with questions, including single choice, open-ended and half-open questions. The document contains lecture material and is associated with the Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
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EINFÜHRUNG IN DIE POLITIKWISSENSCHAFT Parteiensysteme Dr. Christina-Marie Juen 19.11.2024 Klausurfragen – Single Choice (40 Punkte) – Halboffene Fragen (30 Punkte) – Offene Essay-Fragen (Kombination Vorlesung + Texte) (30 Punkte) Seite 2 Sing...
EINFÜHRUNG IN DIE POLITIKWISSENSCHAFT Parteiensysteme Dr. Christina-Marie Juen 19.11.2024 Klausurfragen – Single Choice (40 Punkte) – Halboffene Fragen (30 Punkte) – Offene Essay-Fragen (Kombination Vorlesung + Texte) (30 Punkte) Seite 2 Single Choice, 4P Bei welchem der folgenden Wahlsysteme handelt es sich um ein Verhältniswahlsystem mit geschlossenen Listen? – In einem Wahlsystem wird das Stimmenverhältnis der Parteien nach der Wahl proportional auf Sitze im Parlament umgerechnet. Zusätzlich ist in diesem Wahlsystem schon vor der Wahl festgelegt, wer über die Listen der Parteien in das Parlament einziehen kann, da die Reihung der Kandidierenden vorab festgelegt wird. – In einem Wahlsystem werden die Sitze im Parlament basierend auf dem Gewinn der absoluten Mehrheit in einem Wahlkreis festgelegt. Zusätzlich ist in diesem Wahlsystem schon vor der Wahl festgelegt, wer über die Listen der Parteien in das Parlament einziehen kann, da die Reihung der Kandidierenden vorab festgelegt wird. – In einem Wahlsystem werden die Stimmen nach der Wahl proportional, je nach Stimmenverhältnis der Parteien, auf Sitze im Parlament zugeteilt. In diesem Wahlsystem ist nicht vor der Wahl festgelegt, wer über die Listen der Parteien in das Parlament einziehen kann, da die Reihung der Kandidierenden vorab nicht festgelegt Seite 3 wird. Offene Frage, 15P Wahlen sind ein essentielles Merkmal von demokratischen Systeme, weswegen die Ausgestaltung des Wahlsystems eine große Rolle spielt. Erläutern Sie, warum Wahlen in Demokratie von großer Bedeutung sind und gehen Sie darauf ein, welche Funktionen ein Wahlsystem erfüllen soll. Erläutern Sie zudem, warum es wichtig ist, dass das Wahlsystem die Funktion der ‘Konzentration’ erfüllen kann. Beziehen Sie sich abschließend auf die Studie von Jankowski et al. 2019 und erklären die zentralen Ergebnisse in Bezug zur Funktion ‘Konzentration’. Seite 4 Ziele und Inhalt – Warum gibt es Parteien? – Welche Typen von Parteien gibt es? Seite 5 Warum gibt es Parteien? Parteien – Parteien als zentrale Akteure in Demokratien – Demokratien können auch anhand ihrer Parteiensysteme klassifiziert werden – anders als Regierungssystem oder auch Wahlsystem sind Parteiensysteme nicht in der Verfassung festgeschrieben – es gibt keine offizielle Festlegung, wie ein Parteiensystem gestaltet werden soll – Parteiensysteme sind aber nicht unabhängig von diesen Faktoren – Wahlsysteme beeinflussen bspw. Parteiensysteme – Außerdem können wir analysieren welche Effekte Parteiensysteme haben (auf Repräsentation, Wahlbeteiligung usw.) Seite 6 Was sind Parteien? – Parteien sind Organisationen, die an politischer Macht interessiert sind – Parteien streben aktiv nach Macht und wollen diese auch erhalten – Auch in Diktaturen existieren Parteien – häufig erleichtern diese den Machterhalt und bündeln Interessen in einer Organisation Seite 7 Parteien als Organisationen – Parteien haben unterschiedliche Funktionen – Strukturierung des politischen Wettbewerbs – Wettbewerb (‘contestation’) – Rekrutierung von politischem Personal – Repräsentation Seite 8 Strukturierung des politischen Wettbewerbs – Strukturierung innerhalb des Parlaments, aber auch innerhalb der Gesellschaft – Parlament: Parteien organisiert als Gruppen, Fraktionen oder Clubs; aber auch Koordination zwischen verschiedenen Ebenen innerhalb von Parteien – Gesellschaft: Parteien nehmen Interessen der Bürger:innen auf und tragen sie in die Partei – Funktion der Interessensaggregation besonders wichtig – Parteien fungieren für Bürger:innen als ideological shortcuts – Parteipräferenzen erleichtern Positionierung gegenüber bestimmten politischen Themen Seite 9 Wettbewerb – Parteien sind die formellen Bestreiter einer Wahl – Auch zwischen Wahlen stehen Parteien ständig im Wettbewerb – Zusätzlich mobilisieren Parteien Wähler:innen und Bürger:innen (Massenmobilisierung) um an Macht zu gelangen Seite 10 Rekrutierung – Rekrutierung und Auswahl von politischem Personal – Rekrutierung (Finden von Menschen, die den Job machen wollen) – Auswahl (Auswahl zwischen mehreren Bewerber:innen) – Kandidierendenauswahl als zentrale Aufgabe von Parteien – wir wissen wenig darüber, wie Kandidierende ausgewählt werden (Rehmert, 2020) – Große Herausforderung Bürger:innen zu finden, die für ein politisches Amt kandidieren wollen – Insbesondere Frauen kandidieren seltener (Fox und Lawless, 2014) Seite 11 Repräsentation – Parteien werden gewählt, um Interessen zu repräsentieren – Entscheidungsfindungsprozesse im Sinne der Bürger:innen – Repräsentation der Interessen im Parlament – Repräsentation unterschiedlicher Gruppen der Gesellschaft im Parlament – Aufgabe der deskriptiven Repräsentation – Aufgabe der substantiellen Repräsentation Seite 12 Modelle der Parteiorganisation Elitenparteien – Entstehung vor dem allgemeinen Wahlrecht – Mitglieder bildeten Parteien innerhalb der Parlamente – Unterstützung kam aus ihren eigenen Kreisen (der Elite) – keine Einbindung von Bürger:innen – Keine breite Mitgliederbasis Seite 13 Massenparteien – Entwickelt nach der Ausdehnung des Wahlrechts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – Entstand außerhalb der Parlamente – Merkmale: – organisiert als Parteien – politische Führung und eine zentrale Parteigeschäftsstelle – Ziel: Wahlen gewinnen – Massenparteien setzten sich oft für eine bestimmte soziale Gruppe ein – Starker Fokus auf diejenigen, die zuvor von der Politik ausgeschlossen waren Seite 14 Catch-all-Parteien – Massenparteien hatten nicht mehr genug Mitglieder – Ziel von Catch-all-Parteien in den 1950er und 1960er Jahren war eine möglichst große Partei – Wachsende Professionalisierung der Politik als Kennzeichen der Catch-all Parteien – Charakterisiert durch Entideologisierung oder zumindest die Absicht, möglichst viele Wähler:innen anzusprechen (‘´Volksparteien”) Seite 15 Kartellparteien – Vorherrschend seit den 1980er Jahren mit steigender Globalisierung und strukturellem Wandel – Mainstream-Parteien, oder Parteien an der Macht, bilden ein Kartell mit dem Ziel des Machterhaltes (Katz und Mair, 1995) – Parteien als “Agenten des Staates, nicht der Gesellschaft” (Caramani, 2017, 222) – Parteien verteidigen staatliche Entscheidungen oder auch jene von nicht-parteipolitischen Akteuren (bspw. Zentralbanken) – Viel Macht für Parteiführung und stark abnehmende Mitgliederzahlen Seite 16 Krouwel, Katz und Crotty (2006) Seite 17 Anti-Kartell-Partei – Reaktion auf die Kartellparteien – Meistens Anti-System oder populistische Parteien – Wollen alle Bürger:innen vertreten, ohne dabei auf eine bestimmte Gruppe zu fokussieren – Fokus auf Kritik an etablierten Parteien mit dem Vorwurf, dass diese – nur am eigenen Machterhalt interessiert sind – keine Politik für ‘das Volk’ machen wollen Seite 18 5 Minuten Pause Seite 19 Parteiensysteme Wie entstehen Parteiensysteme? Seite 20 Wahlsysteme – Parteiensysteme als Ergebnis des Wettbewerbs zwischen verschiedenen Parteien – Das Wahlsystem ist zentral für die Gestaltung der Parteiensysteme (Duverger, 1959) – Verhältniswahl begünstigt Mehrparteiensysteme – Mehrheitswahlrecht führt zu Zweiparteiensystemen – Wechselwirkung zwischen Wahlsystem und Parteiensystem – Wenn das Parteiensystem zuerst existiert, entscheiden die Parteien über das Wahlsystem (z.B. bevorzugen große Parteien ein Zweiparteiensystem) – Das Wahlsystem kann aufgrund politischer/historischer Umstände gestaltet werden Seite 21 Konfliktlinien – Industrielle und nationale Revolution(en) führten zu Konflikten zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen – Diese Konflikte werden als Cleavages bezeichnet (Lipset und Rokkan, 1967) – Cleavages sind: – Zentrum - Peripherie – Staat - Kirche – Stadt - Land – Arbeit - Kapital – Materialismus - Postmaterialismus – Starke Gruppenidentitäten Seite 22 Was sind Parteiensysteme? Seite 23 Parteiensysteme Parteiensysteme hauptsächlich strukturiert durch die Anzahl der Parteien und die ideologische Distanz – Wie zählen wir Parteien? (Laakso und Taagepera 1979) – Effektive Anzahl der Parteien (sowohl Wahl- als auch Parlamentsparteien) – Was bedeutet ideologische Distanz? – Grad der Polarisierung – Existenz von Anti-System Parteien – Ideologische Distanz zwischen Parteien Seite 24 1) Dominante-Partei-Systeme – Eine große Partei mit absoluter Mehrheit an Stimmen und Sitzen im Parlament – Es gibt keine anderen Parteien, die viele Stimmen erreichen kann – Es gibt keine wechselnde Regierung – Regierung oft Einparteienregierung – Beispiel: Österreich in den 70er/80er Jahren Seite 25 2) Zweiparteiensysteme – Zwei große Parteien teilen sich Stimmen und Sitze – Immer Phasen, in denen die Parteien die Mehrheit abwechseln – Regierung fast ausschließlich Einparteienregierung – Zweiparteiensysteme werden oft durch ein Mehrheitswahlrecht begünstigt – Beispiel: USA, Österreich bis 2000, UK (zweieinhalb) Seite 26 House of Commons (UK) und House of Representatives (US) Seite 27 3) Mehrparteiensysteme – Mehrere Parteien, von denen jedoch keine eine Mehrheit von 50% der Stimmen und Sitze erreichen kann – Parteien unterscheiden sich in ihrer Größe – kleinere Parteien häufig an den Rändern des politischen Spektrums – Mitte-Parteien mit vielen Wähler:innen – Regierung in den meisten Fällen Koalitionsregierungen oder seltener Minderheitsregierungen – Beispiel: Deutschland, Israel, Niederlande Seite 28 Bundestag (Deutschland) und Knesset (Israel) Seite 29 Welche Effekte haben Parteiensysteme? Seite 30 Mehrparteiensysteme und Regierungsbildung – In Mehrparteiensystemen gibt es selten Alleinregierungen einer Partei – Parteien sind auf Koalitionen angewiesen, wenn sie mir einer Mehrheit regieren wollen – Zunehmende Fragmentierung vieler Parteiensysteme (Cheibub et al., 2022; Valentim und Dinas, 2024) – Auswirkungen auf Koalitionsbildung – erschwerte Mehrheitsfindung – Koalitionen mit mehreren Parteien für Mehrheitsregierungen – größere ideologische Spannweite zwischen den Parteien Seite 31 Abschließend... Diskussionsfragen – Parteiensysteme können sich schnell verändern. Was denken Sie stellt die größte Veränderung für viele Parteiensysteme in den letzten Jahren dar? – Wie wirkt sich die Fragmentierung des Parteiensystems auf Regierungsbildung in Deutschland aus? Seite 32 Woche 7, 26.11.2024 Politische Einstellungen – Wie entstehen politische Einstellungen? – Was sind ‘linke’ und ‘rechte’ Einstellungen? – Welche politischen Einstellungen gibt es noch? Seite 33 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 34 Literatur Caramani, Daniele. 2017. Comparative politics. Oxford University Press. Cheibub, José Antonio, Thiago Moreira, Gisela Sin und Keigo Tanabe. 2022. “Dynamic party system fragmentation.” Electoral Studies 76: 102440. Duverger, Maurice. 1959. Political parties: Their organization and activity in the modern state. Metheun & Co. Ltd. Fox, Richard L und Jennifer L Lawless. 2014. “Uncovering the origins of the gender gap in political ambition.” American Political Science Review 108 (3): 499–519. Katz, Richard S und Peter Mair. 1995. “Changing models of party organization and party democracy: the emergence of the cartel party.” Party politics 1 (1): 5–28. Krouwel, André, Richard S Katz und William J Crotty. 2006. “Handbook of Party Politics.”. Lipset, Seymour Martin und Stein Rokkan. 1967. Cleavage structures, party systems, and voter alignments: an introduction. Rehmert, Jochen. 2020. “Party Elites’ Preferences in Candidates: Evidence from a Conjoint Experiment.” Political Behavior pp. 1–25. Valentim, Vicente und Elias Dinas. 2024. “Does party-system fragmentation affect the quality of democracy?” British Journal of Political Science 54 (1): 152–178. Seite 35