Migration und Gesundheit - Past Paper PDF

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This document is a chapter on migration and health, covering topics like the definition of migration, the phases of the migrant journey, associated health challenges, and the integration of migrants within a health care system. It includes statistics on migration trends and focuses on the health challenges faced by migrants.

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B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 1 7 Migration und Gesundheit Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels  wissen Sie, was Migration bedeutet, und können Sie Migration hinsichtlich der Gründe, der Herkunftsländer und Zielländer zahl...

B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 1 7 Migration und Gesundheit Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels  wissen Sie, was Migration bedeutet, und können Sie Migration hinsichtlich der Gründe, der Herkunftsländer und Zielländer zahlenmäßig einordnen,  wissen Sie um die Phasen des Lebenslaufs von Menschen mit Migrationshintergrund und um deren unterschiedliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Migrierten,  sind Sie über kritische Lebensereignisse von Menschen mit Migrationshintergrund informiert,  kennen Sie die Schwierigkeiten der Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund am Gesundheitssystem,  haben Sie sich Wissen über sprachliche und interkulturelle Barrieren im Kontakt zwischen medizinischem Fachpersonal und Patient:innen mit Migrationshintergrund angeeignet,  haben Sie gelernt, welche kulturellen Unterschiede es im Gesundheits- und Risikoverhalten gibt,  kennen Sie ein Programm zur Unterstützung des Gesundheitsverhaltens bei Geflüchteten. 7.1 Migration Unter Migration ist die dauerhafte oder auch die vorübergehende Verlegung des eigenen Lebensmittelpunktes in einen anderen Staat als den Heimatstaat zu verstehen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [BAMF], 2006). Es handelt sich um ein weltweites Phänomen. Dabei lässt sich zwischen Migrierten erster Generation und Migrierten zweiter Generation unterscheiden. Erstere sind Personen, die in einem anderen Land geboren wurden und im Verlauf ihres Lebens das Land gewechselt haben. Zweite sind Personen, deren Eltern ausländische Wurzeln haben, die jedoch selbst in dem neuen Heimatland geboren wurden und leben. Der Begriff Migrationshintergrund bezieht sich dabei nicht nur auf Menschen, die direkt zugewandert sind, sondern schließt auch deren Nachkommen mit ein, selbst wenn nur ein Elternteil ein anderes Herkunftsland hat. Sowohl eine kulturelle Prägung als auch physische Merkmale wie Hautfarbe oder Physiognomie der Gesichtszüge werden an die nächste Generation weitergegeben. Nach wie vielen Generationen kein Migrationshintergrund mehr besteht, lässt sich schwer festlegen und unterliegt auch keiner klaren Definition. Bei Migrierten unterscheidet man allgemein zwischen Arbeitsmigration (Migration zum Zweck der Arbeitsaufnahme in einem anderen Land), Expatriate (auch Expats, Fachkräfte, die von Ihrem Unternehmen in eine ausländische Zweigstelle entsandt werden) und Geflüchteten (Personen, die ihr Land aufgrund lebensbedrohlicher Notlagen verlassen mussten). Entscheidend sind bei dieser Aufteilung also die Gründe für die Verlegung des Wohnortes in ein anderes Land. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt dabei hauptsächlich auf der Gruppe der Geflüchteten. Seit den 1960er Jahren ist die Zahl der Migrierten beständig gestiegen. Global gesehen sind aktuell rund 281 Millionen Menschen nicht in ihrer Heimat wohnhaft. Dies entspricht 3.6 % der Weltbevölkerung (International Organziation for Migration [IOM], 2022). Fast zwei Drittel aller internationalen Migrierten leben in Asien (85.6 Millionen) oder Europa (86.7 Millionen). Nordamerika nimmt die drittgrößte Anzahl an internationalen Migrierten auf (58.7 Millionen), gefolgt von Afrika (25.4 Millionen), Lateinamerika und der Karibik (14.8 Millionen) sowie Ozeanien (8.9 Millionen). Fast 40 % aller Migrierten im Jahr 2020 waren unter 18 Jahre (MacAuliffe & B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 2 Triandafylliodou, 2021). Ein aktueller interaktiver Report findet sich unter https://worldmigrationreport.iom.int/wmr-2022-interactive/. Haupteinwanderungsländer stellen dabei die USA, Russland, Deutschland, Saudi-Arabien und Großbritannien dar (Mösko et al., 2017). Die Länder, in denen die meisten Flüchtlinge beherbergt werden, sind die Türkei (3.6 Millionen), Islamische Republik Iran (3.4 Millionen), Columbien (2.5 Millionen) und Deutschland (2.1 Millionen). Zwischen 2000 und 2010 bildeten Bangladesch, Mexiko, Indien, China und Pakistan die Hauptauswanderungsländer. 2022 hingegen waren die Ursprungsländer der vier größten Flüchtlingsgruppen Syrien (6.5 Millionen), Ukraine und Afghanistan (jeweils 5.7 Millionen) sowie Venezuela (5.5 Millionen); der Anstieg der ukrainischen Flüchtlinge (Ende 2021 noch 27,300) gilt als der schnellste seit dem Zweiten Weltkrieg (United Nations High Commissioner for Refugees [UNHCR], 2023). Betrachtet man die Lage in Deutschland genauer, so hatten bei einer Gesamteinwohnerzahl von 83 Millionen Ende 2022 28.7 % der in Deutschland lebenden Menschen einen Migrationshintergrund (Statistisches Bundesamt, 2023). Kamen dabei zwischen 1986 bis 1994 die meisten Migrierten aus osteuropäischen Ländern (Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien) sowie aus der Türkei, so haben sich die Hauptherkunftsländer seitdem stark verändert. Im Jahr 2016 gehörten Syrien, Arabische Republik (266,250), Afghanistan (127,012), Irak (96,116), Islamische Republik Iran (26,426), Eritrea (18,854), Albanien (14,853), Pakistan (14,484), Nigeria (12,709) und die Russische Föderation (10,985) zu den Hauptherkunftsländern der Migrierenden, die nach Deutschland kamen (BAMF, 2017). Für das Jahr 2022 ergaben sich folgende Änderungen bei den absoluten Zahlen und Herkunftsländern in Bezug auf Asylanträge (BAMF, 2023): Arabische Republik Syrien (70,976), Afghanistan (36,358), Türkei (23,938); in Summe sanken die Zahlen bis 2020 und steigen seither erneut an. Insgesamt stehen sowohl Migrierte als auch die Bürger:innen des Aufnahmelandes vor der Herausforderung der Integration (siehe Video 7.1). Video 7.1. Migration und Integration. Verfügbar unter https://youtu.be/2vFLe9XIyL4 7.2 Gründe für Migration Die Gründe für Migration sind zahlreich. Zunächst kann man jedoch eine grobe Unterteilung vornehmen zwischen den Faktoren, die Menschen dazu veranlassen, ihr Land zu verlassen (Push- Faktoren; siehe auch Video 7.1 und Video 7.2), und denjenigen Faktoren, die eine Anreizwirkung ausüben und dafür sorgen, dass Menschen in ein bestimmtes Land immigrieren (Pull-Faktoren; Mösko et al., 2017). Zu den Push-Faktoren zählen beispielsweise im Heimatland stattfindende Kriege (Bürger- und zwischenstaatliche Kriege), Naturkatastrophen, politische oder religiöse Verfolgung, Arbeitslosigkeit, geringe ökonomische Chancen, mangelnde gesundheitliche Versorgung oder auch schlechte Bildungsmöglichkeiten. Erfolgt die Ausreise vorwiegend aufgrund von Push- Faktoren wie Naturkatastrophen oder Kriegen, ist davon auszugehen, dass eine Ausgangsbelastung der Migrierenden vorliegt. Diese Menschen sind zum Teil Opfer von Gewalt und Folter geworden und leiden daher unter erheblichen psychischen und/oder körperlichen Belastungen (von Schlippe et al., 2013). Ein weiterer Belastungsfaktor besteht darin, dass Geflüchtete ihr Überleben oder die Möglichkeit zur Migration häufig der Unterstützung anderer Personen zu verdanken haben, denen sie familiär oder aber auch aufgrund derselben Nationalität verbunden sind. Als Beispiel kann hier eine Familie in einer Kriegsregion dienen, in der die Erwachsenen ihre Ersparnisse darin investieren, dass die Kinder das Land verlassen können, während sie selbst ohne finanzielle Rücklagen im Kriegsgebiet verbleiben. Diese Erfahrung, dass B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 3 andere Menschen Opfer bringen, um das eigene Erreichen einer besseren Lebenssituation oder überhaupt das Überleben zu ermöglichen, kann eine Person ebenfalls deutlich belasten. Diese sogenannte „Überlebensschuld“ stellt dabei einen robusten Prädiktor für die Entwicklung affektiver Störungen, wie beispielsweise Depressionen, dar (Reddemann, 2015). Weiterhin bedeutet Migration auch immer, ein Land, seine Kultur und Familie oder Freunde zu verlassen. Laut Müller-Wille (2002) resultiert aus diesem Trennungsprozess häufig ein Langzeittrauma, insbesondere aufgrund der fehlenden Gewissheit um ein mögliches Wiedersehen. Unter die Pull-Faktoren fallen Familiengründung oder -zusammenführung, Arbeit, die Hoffnung auf bessere Einkommensmöglichkeiten, Bildungs- und Aufstiegschancen, Frieden und Sicherheit, bessere Bildungs- und Entwicklungsperspektiven für die Kinder, ein solideres Gesundheitssystem oder ein sicheres politisches System. Meist entsteht Migration aus einem Zusammenwirken von sowohl Push- als auch Pull-Faktoren (siehe Video 7.2). Video 7.2. Push- und Pull-Faktoren bei der Migration. Verfügbar unter https://youtu.be/Zzf0H9Sp3jo 7.3 Migrationsphasen und Gesundheit Für ein Verständnis des Zusammenhangs zwischen Migration und Gesundheit müssen zunächst die unterschiedlichen Phasen des Migrationsprozesses genauer betrachtet werden. Der Lebenslauf von Geflüchteten gliedert sich in drei zeitlich voneinander abgrenzbare Phasen (siehe Abbildung 7.1). 1. die Phase vor der Flucht 2. die Phase während der Flucht 3. die Phase nach der Flucht Da die Geflüchteten zu jeder Phase unterschiedlichen inneren und äußeren Faktoren ausgesetzt sind, liegt jeweils ein anderer Bezug zu Gesundheit und Krankheit vor. Manche dieser Faktoren greifen unmittelbar (z. B. psychische Destabilisierung bei unbegleiteten geflüchteten Minderjährigen oder das Erleiden einer schwerwiegenden Verletzung in einem Bürgerkrieg), während andere Faktoren ihre Wirkung erst mit einiger Verzögerung entfalten (z. B. genetische Dispositionen oder langfristig verbesserte medizinische und psychologische Behandlungsmöglichkeiten). B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 4 Abbildung 7.1 Phasen im Lebenslauf von Geflüchteten. Nach Spallek und Razum, 2016, S. 158 7.3.1 Vor der Flucht Wie bereits beschrieben sind insbesondere bei der Gruppe von Geflüchteten aufgrund von Krieg oder politischer Verfolgung Ausgangsbelastungen wahrscheinlich. Zwar mangelt es hier an belastbaren Daten, Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass etwa 20 % dieser Geflüchteten an den Folgen erlebter Traumata leiden (Frommberger et al., 2014). Daneben können auch die umweltbedingten Expositionen im Heimatland sowie erlernte gesundheitsförderliche oder risikovermeidende Verhaltensweisen als bedeutsame Faktoren für die Gesundheit vor der Flucht wirksam werden. Diese sind dabei je nach Heimatland verschieden und können sich auf Bedingungen der Umwelt wie beispielsweise Sonneneinstrahlung oder Luftverschmutzung beziehen oder in der Gesundheitsversorgung des Heimatlandes begründet sein (beispielsweise der oftmals geringere Impfschutz). Insbesondere zu der Prävalenz und Inzidenz von Erkrankungen bei Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu der Mehrheitsbevölkerung im neuen Heimatland oder auch im Vergleich mit der Bevölkerung im Herkunftsland gibt es jedoch nur wenige Daten. Nach einem Tuberkulosebericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigen beispielsweise ausländische Staatsangehörige eine 6.5-mal höhere Tuberkuloseinzidenz auf als die deutsche Bevölkerung (Brodhun et al., 2011). Ein umgekehrtes Muster zeigt sich bei dem Erkrankungsrisiko durch Krebs; Migrierte der ersten Generation haben hier eine geringere Sterblichkeitsrate als Personen aus dem neuen Heimatland (Arnold et al., 2010). Auch das vor der Flucht erlernte Gesundheitsverhalten hat eine Auswirkung: Laut Daten des RKI (2008) weisen beispielsweise Kinder mit Migrationshintergrund im Einschulungsalter deutlich häufiger hohe BMI-Werte auf als Kinder ohne Migrationshintergrund, wofür unterschiedliche Auffassungen bezüglich des Bewegungs- und Aktivitätsverhaltens verantwortlich gemacht werden könnten. Auch tragen nicht-deutsche Kinder weniger häufig Fahrradhelme und B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 5 Protektoren (Kahl et al., 2007) und sind dadurch bei Unfällen unter Umständen stärker verletzungsgefährdet. Weiterhin können im eigenen Heimatland geschlechtsbedingte Unterschiede in den Expositionen gesundheitlicher Gefährdungen und der gesundheitlichen Situation insgesamt bestehen, die noch lange nach der Migration ihre Auswirkungen zeigen können (Spallek & Razum, 2016). Als besonders drastisches Beispiel lässt sich hier die Genitalbeschneidung bei Mädchen anführen (Sauer & Neubauer, 2014). Kulturelle Einstellungen zu beispielsweise Verhütung oder Geburten der Herkunftskultur können ebenfalls Auswirkungen auf die spätere Gesundheit im neuen Heimatland haben. So weisen beispielsweise türkische Migrierte der ersten Generation ein geringeres Brustkrebsrisiko im Gegensatz zu deutschen Frauen auf, was vermutlich daran liegt, dass das Durchschnittsalter der Erstgeburt bei deutschen Frauen deutlich höher ist und dies wiederum einen Risikofaktor für Brustkrebs darstellt (Soerjomataram et al., 2012). 7.3.2 Während der Flucht Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei migrierenden Menschen im Allgemeinen zumindest eine gewisse physische Gesundheit vorliegen muss, um sich auf den Weg in ein neues Land aufmachen zu können. Der Prozess der Migration, die Ausreise und die Einreise können sich jedoch auch bei Menschen mit einer anfangs nicht beeinträchtigten Gesundheit als schwerwiegende Belastungsfaktoren erweisen, durch die es zu erneuten traumatischen Erfahrungen kommen kann (z. B. Erfahrungen der Geflüchteten auf der Balkan-Route oder auf der Einreise über das Mittelmeer 2015/2016). Der Prozess der Flucht stellt zudem besonders für Frauen ein Risiko in Bezug auf sexuelle Gewalt dar. So können währenddessen neue Gewalterfahrungen oder auch sexuelle Übergriffe erfolgen und dadurch die psychische und körperliche Gesundheit der Flüchtenden gefährden. Ungünstige Gegebenheiten in Notunterkünften wie Platzmangel, Hygienedefizite, mangelnde gesundheitliche Versorgung und Nahrungsknappheit erschweren unter Umständen die Situation zusätzlich und können ebenfalls negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen haben. Geringe Hilfsbereitschaft im Aufnahmeland, Ausnutzung der Hilflosigkeit der Flüchtenden und intergruppale Konflikte in extremen Fluchtsituationen sind weitere potenziell schädigende Faktoren für die psychische und physische Befindlichkeit. Auch die Ungewissheit in Bezug auf die weitere Zukunft stellt einen kritischen Faktor dar. Bei einer Flucht aus dem Heimatland sind häufig sowohl die Erfolgswahrscheinlichkeit, ein Aufnahmeland unversehrt zu erreichen, als auch die Einreiseerlaubnis unklar. So starben im Jahr 2017 zwischen Januar und Juni beispielsweise auf dem Weg von Nordafrika über das Mittelmeer 2,253 Personen oder wurden als vermisst gemeldet. Auf dem Land wurden weitere 40 Todesfälle registriert (UNHCR, 2017). Aus unterschiedlichsten Gründen sind Geflüchtete daher im Verlauf der Flucht einer Vielzahl kritischer Lebensereignisse ausgesetzt (siehe Kurs 1, Kapitel 3 „Stress und Stressbewältigung“), was ein erhebliches migrationsspezifisches Gesundheitsrisiko darstellt (Kizilhan & Bermejo, 2009). 7.3.3 Nach der Flucht Die gesundheitliche Situation von Geflüchteten nach der Migration ist von den Bedingungen vor und während der Flucht abhängig und ebenso von den Gegebenheiten in dem aufnehmenden Land wie dessen kulturelle Gepflogenheiten und Sprache. Aus der Gesamtsituation resultieren häufig die Erfahrungen eines veränderten sozioökonomischen Status und das Erleben von B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 6 Diskriminierung; beides kann zu einer weiteren Erhöhung der allgemeinen Belastungssituation beitragen. Sozioökonomische Situation und sozialer Status Die sozioökonomische Situation von Geflüchteten ist im Vergleich zu der Mehrheitsbevölkerung im Lande im Durchschnitt niedriger. Dies kann durch sehr unterschiedliche Ursachen bedingt sein, die sowohl ein bereits vor der Flucht geringeres Bildungs- und Einkommensniveau als auch den Verlust von Vermögen und mangelnde Möglichkeiten zur Nutzung hochqualifizierter Studien- und Berufsabschlüsse umfassen. Ein niedriger sozioökonomischer Status ist unabhängig von der Migration mit einem höheren Erkrankungs- und Sterberisiko verbunden (Richter & Hurrelmann, 2016). Damit stellt der sozioökonomische Status einen der vermittelnden Effekte für die Beziehung zwischen Migration und schlechter Gesundheit dar. Bei Geflüchteten beeinflusst der soziale Status umgekehrt, welche Personen überhaupt migrieren. Oft, wenn auch nicht immer, sind es im Ursprungsland Personen mit einem höheren sozialen Status, welche die Möglichkeiten zur Flucht haben (siehe Abbildung 7.2). Damit stellt der oftmals nach der Flucht eintretende Verlust des sozioökonomischen Status ebenfalls eine psychische Belastung dar. Abbildung 7.2 Zusammenspiel von Migration, Gesundheit und sozialem Status. Nach Spallek und Razum, 2016, S. 160 Diskriminierung Unter Diskriminierung wird die Ungleichbehandlung (zumeist im negativen Sinne) von Individuen verstanden, die aufgrund deren Mitgliedschaft in Gruppen, denen gegenüber Vorurteile existieren, resultiert (Erb, 2017). Sie erfolgt nicht nur aufgrund sichtbarer Merkmale (wie z. B. Hautfarbe), sondern ebenso aufgrund kultureller Andersartigkeit (Spallek & Razum, 2016) und äußert sich in Abwertung und Ausschluss von der Teilhabe in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen. Hierbei ist nicht nur die Diskriminierung durch die Mehrheitsbevölkerung relevant, sondern auch Prozesse einer Selbstausgrenzung, die von den Migrierten ausgehen können. Die Wahrnehmung der Erwartung der eigenen kulturellen Gruppe, an den Lebensweisen und Werten der Herkunftskultur unverändert festzuhalten (wie z. B. Heiratsverbote in Richtung anderer kultureller Gruppen) und die Sanktionierung von Abweichungen von diesen Lebensweisen und Werten, kann ebenfalls zu dem Gefühl der Nicht- Zugehörigkeit und Ausgrenzung führen (Ohlert, 2015). B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 7 Das Thema der Diskriminierung wird unter zwei Gesichtspunkten für die gesundheitliche Situation von Migrierten wirksam. Zum einen hat wahrgenommene und tatsächliche Diskriminierung negative Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit und zum anderen erfolgt Diskriminierung, ebenso wie in anderen Lebensbereichen, auch im Gesundheitssektor. In Bezug auf den zweiten Aspekt finden sich Hinweise darauf, dass aufgrund von Diskriminierungsprozessen schlechtere medizinische Behandlungen oder ein weniger wertschätzender Umgang resultieren können. So erhielten in Großbritannien laut einer Untersuchung von McKenzie und Bhui (2007) Angehörige einer ethnischen Minderheit bei einer psychischen Störung seltener eine Psychotherapie verschrieben, sondern sie wurden eher medikamentös und häufig auch ohne ausreichende Aufklärung behandelt. Ähnliche Ergebnisse finden sich auch für Deutschland; so berichteten beispielsweise Patient:innen aus dem Kongo über verzögerte Operationen und ein Nicht-Ernst-Nehmen von Beschwerden (Gerlach et al., 2008). 7.4 Migration und das Gesundheitssystem Die Inanspruchnahme von gesundheitlichen Dienstleistungen unterscheidet sich bei Migrierten von Bewohnern aus dem neuen Heimatland. Graetz et al. (2017) analysierten verschiedene Studien, die in mehreren europäischen Ländern die Nutzung von verschiedenen gesundheitlichen Leistungen von Migrierten mit der von Nicht-Migrierten verglichen. Die Ergebnisse zeigten insgesamt eine hohe Variabilität, allerdings nahmen Migrierte in vielen Studien die Leistungen von „accident and emergency“, also Notfallmedizin, häufiger in Anspruch und gingen auch häufiger in die Notfallambulanz von Krankenhäusern. Dieser Trend ist in Deutschland jedoch weniger deutlich als in anderen Ländern (Mösko et al., 2017). Fachärztliche Leistungen und Vorsorgeuntersuchungen, insbesondere für Kinder, werden hingegen seltener von Migrierten genutzt (Graetz et al., 2017). In einer weiteren Untersuchung mit dem Fokus auf die Inanspruchnahme psychologischer Behandlungsangebote zeigte sich bei einer Vollerhebung ambulanter Psycholog:innen in Berlin, dass Migrierte unterdurchschnittlich oft Leistungen in Anspruch nahmen (Bäärnhielm et al., 2013). Da diese Bevölkerungsgruppe unter vielfältigen Belastungen leidet, ist dieser Aspekt in starkem Maße gesundheitsrelevant. Die Ergebnisse der Erhebung in Berlin werden unter anderem auch damit in Verbindung gebracht, dass ausländische Patient:innen mehr Scheu vor Beratungseinrichtungen haben und stärkere Schamgefühle erleben, vor allem, wenn sie keine realistische Vorstellung davon haben, was eine Therapie ist und wie sich der therapeutische Prozess gestaltet (von Schlippe et al., 2013). Für die insgesamt geringe Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten werden verschiedene Gründe in Betracht gezogen, wie beispielsweise eine unterschiedliche Auffassung von Gesundheitsvorsorge und fehlendes Vertrauen in Behandlungsmethoden sowie auch fehlende kulturelle Sensibilität auf Seiten der Behandelnden. Eine weitere gravierende Problematik sind zudem Barrieren in der Kommunikation. 7.4.1 Interkulturelle Barrieren in der Kommunikation In der Ottawa Charta der Vereinten Nationen (World Health Organization [WHO], 1986) wurde verankert, dass die Gesundheitsversorgung sensibel und respektvoll in Bezug auf die kulturellen Bedürfnisse aller Menschen sein soll (siehe auch Kurs 2, Kapitel 1 „Gesundheitsförderung“). Ein wichtiges Ziel ist demnach eine gleichberechtigte Teilhabe von Migrierten am Gesundheitssystem des neuen Heimatlandes. Dabei ist ein vertieftes Verständnis für die Bedürfnisse der Patient:innen eine notwendige Grundlage. Hierfür sind verschiedene Herangehensweisen möglich. So wäre beispielsweise die vermehrte Beschäftigung von Menschen B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 8 mit Migrationshintergrund im Gesundheitssektor ein Ansatzpunkt, um kulturelle Barrieren zu überwinden, da ihnen prinzipiell ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse und das Herkunftsland von Migrierten möglich ist. Gleichzeitig können sie als Vermittelnde in Richtung des deutschen medizinischen Personals fungieren und somit eine Brücke zwischen Behandelnden und den Patient:innen bauen. Ein anderer Ansatzpunkt ist die Schulung des medizinischen Personals hinsichtlich interkultureller Kompetenzen. Interkulturelle Kompetenzen lassen sich als die Fähigkeit beschreiben, die kulturelle Verankerung der Wahrnehmung, des Urteilens, der emotionalen Reaktionen und des Verhaltens bei der eigenen und bei anderen Personen wahrzunehmen, zu akzeptieren und im Umgang mit Menschen einer anderen Kultur zu nutzen (Thomas, 2012; siehe Abbildung 7.3). Abbildung 7.3 Komponenten interkultureller Kompetenz im Gesundheitssystem. Nach Mösko et al., 2017, S. 593 Interkulturelle Kompetenz wird als aktiver Prozess verstanden, der die drei Komponenten des Wissens um kulturelle Unterschiede, der kultursensiblen Einstellung und der Fähigkeit, dieses Wissen und diese Einstellung in Verhalten zu überführen, umfasst. Durch die Schulung derartiger Fähigkeiten ist es möglich, die kulturellen Unterschiede zwischen den Behandelnden und den Patient:innen zumindest ins Bewusstsein zu rufen, dafür zu sensibilisieren und die Behandelnden zu befähigen, individuell und bedürfnisorientiert auf die Bedürfnisse ihrer Patient:innen einzugehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei den Schulungen sowohl länderspezifische als auch länderübergreifende Inhalte trainiert werden müssen. Taylor et al. (2013) untersuchten in diesem Kontext in Großbritannien die unterschiedlichen Schwierigkeiten bei der Behandlung von Patient:innen mit fehlenden oder nur geringen Englischkenntnissen. Sie interviewten hierzu Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten und identifizierten insgesamt fünf große Bereiche, in denen besondere Schwierigkeiten auftreten: 1. Sprachbarrieren, 2. geringe Lesefähigkeit, 3. Verständnisschwierigkeiten (z. B. weshalb es nicht gestattet ist, dass Kinder zu Krankenhausbesuchen bei infektiösen Krankheiten kommen dürfen, oder dass die Rolle des Übersetzers nicht richtig zugeordnet wird und sie oder er in B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 9 Entscheidungsprozesse eingebunden wird), 4. Einstellungen zu Geschlecht und Gesundheitsüberzeugungen und 5. dass Informationen nicht behalten werden (z. B. wann welche Tablette eingenommen werden muss). 7.4.2 Sprachliche Barrieren in der Kommunikation zwischen ausländischen Patient:innen und medizinischem Fachpersonal Gerade sprachliche Barrieren können gravierende Folgen nach sich ziehen. So werden jedes Jahr in Berlin schätzungsweise 34,000 Operationen oder Behandlungen aufgrund von Sprachbarrieren ohne ausreichende Aufklärung oder Einwilligung durchgeführt, da bei bis zu 5 % der Patient:innen keine oder eine nur sehr beeinträchtigte Verständigung möglich ist (Mösko et al. 2017). Dies bedeutet, dass viele Patient:innen einen medizinischen Eingriff erhalten, ohne über den Eingriff an sich oder mögliche Konsequenzen aufgeklärt zu werden oder eine eigenständige Entscheidung darüber fällen zu können, ob sie diesem zustimmen (siehe Fallbeispiel in Kasten 7.1). Die dreijährige Halime wurde wegen Niereninsuffizienz in die Klinik eingewiesen und auf der Dialysestation behandelt. Einige Monate zuvor war ihre Zwillingsschwester kurz nach Dialysebeginn auf der Intensivstation verstorben. Nun sollte der Patientin unter Narkose ein Katheter eingesetzt werden, da der Gesundheitszustand dies erforderte. Die türkischen Eltern des Mädchens verweigerten allerdings den Eingriff und bestanden darauf, ihre Tochter mit nach Hause zu nehmen. Nach mehreren Gesprächen unter Einbezug einer türkischsprechenden Therapeutin stellte sich heraus, dass die Eltern weder verstanden hatten, in welchem gesundheitlichen Zustand sich ihre damals verstorbene Tochter befunden hatte und warum sie auf die Intensivstation verlegt worden war, noch woran sie gestorben war. Deshalb verweigerten sie den Eingriff an der Zwillingsschwester ihrer verstorbenen Tochter. Es wurde deutlich, dass sie der Meinung waren, es ginge Halime aktuell gut und sie befürchteten, dass sie wie ihre Schwester auch nicht mehr aus der Narkose erwachen würde. Kasten 7.1. Fallbespiel für die Bedeutung sprachlicher Barrieren bei medizinischen Behandlungen. Aus Eberding & von Schlippe, 2001. Eingewanderten Personen werden in Deutschland im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes 600 Stunden Sprachkurs angeboten (Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge, 2017). Dies soll sicherstellen, dass alltägliche Interaktionen, wie sie im Supermarkt oder bei einfachen Behördengängen nötig sind, gelingen. Es soll zudem die sprachliche Handlungsfähigkeit erweitern und eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Während der Umfang der Sprachkurse für diese Ziele ausreichend sein kann, ermöglicht er in den meisten Fällen jedoch keine ausreichende Sprachkompetenz für komplexere Interaktionen im Rahmen einer gesundheitlichen Betreuung und Versorgung. Besonders in den Fachgebieten der Chirurgie, der Inneren Medizin, der Gynäkologie und der Psychiatrie sehen sich daher Behandelnde wie Patient:innen vor erhebliche Sprachbarrieren gestellt (Deininger, 2007). Zur Überwindung dieser sprachlichen Kommunikationshindernisse werden verschiedene Optionen genutzt. Vor allem sind dies der Einsatz von muttersprachlichem Personal, der Einbezug von Familienmitgliedern für Übersetzungen oder der Einsatz professioneller Dolmetscher:innen. Einige Kliniken bieten bereits muttersprachliche Leistungen im pflegerischen, therapeutischen und medizinischen Bereich an. Da dies aber aufgrund der sehr unterschiedlichen Herkunftsländern der eingewanderten Personen und der damit einhergehenden vielfältigen Sprachen nicht umfassend möglich ist, kann diese Lösung nur einem kleineren Anteil der Migrierten einen guten Zugang zu dem Gesundheitssystem ermöglichen. B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 10 Bei dem Einsatz von Familienmitgliedern werden häufig jüngere Personen für die notwendigen Übersetzungen in die medizinische Behandlung einbezogen. Dies sind beispielsweise Kinder, die durch den Schulbesuch oft schneller in der Lage sind, sich die neue Sprache anzueignen. Diese Möglichkeit ist jedoch mit Problemen behaftet, da Beziehungs- und Rollenkonflikte resultieren können (z. B. Was übersetze ich aus der Rolle des Sohnes heraus und was übersetze ich aus der Rolle eines neutralen Übersetzers heraus?). Auch führt ein Übernehmen von Übersetzungsfunktionen durch Kinder nicht selten dazu, dass sich traditionelle Familienstrukturen verändern. So kann bei Eltern und/oder Kindern die Wahrnehmung entstehen, dass Eltern mit geringerer Sprachkompetenz an Autorität gegenüber ihren Kindern einbüßen, was weitreichende Folgen für die familiären Strukturen haben kann (Hehl & Ponge, 1997; siehe auch Video 7.3). Der Einsatz professioneller Dolmetscher:innen erweist sich gegenüber dem Vermitteln der Inhalte durch Familienangehörige als deutlich überlegen (Karliner et al., 2007). Professionelle Dolmetscher:innen haben den Vorteil, dass sie unparteiisch sind und im Allgemeinen keine eigenen Interessen mit in das Geschehen einbringen. Zudem kennen sie medizinische Fachbegriffe und können detailliert und korrekt übersetzen, was die Vermeidung oder Minimierung von Missverständnissen unterstützt. Allerdings besteht in Deutschland kein Rechtsanspruch darauf, dass jede Patientin oder jeder Patient, die oder der sich sprachlich unsicher fühlt, ein Recht auf eine professionelle Übersetzung hat (Mösko et al., 2017). Video 7.3 veranschaulicht, wie verschiedene Möglichkeiten zur Kommunikation mit Migrierten im medizinischen System umgesetzt werden können. Video 7.3. Mit kranken Flüchtlingen zum Arzt von Caritas Deutschland. Verfügbar unter https://youtu.be/2y-v1ak4pxU Der Einbezug von professionellen Dolmetscher:innen im Rahmen einer Psychotherapie wird unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert, vor allem auch mit Blick auf die traumatisierenden Erfahrungen vieler Migrierter (von Schlippe et al., 2013). Während einerseits eine Psychotherapie häufig überhaupt erst dann stattfinden kann, wenn eine Übersetzung erfolgt, kann auf der anderen Seite eigene Betroffenheit bei den Dolmetscher:innen im Angesicht der traumatischen Erlebnisse der Migrierten hinderlich für den therapeutischen Prozess sein. Auch mangelndes sprachliches Feingefühl kann ein Hindernis für präzises therapeutisches Arbeiten darstellen. Zudem muss die systemische Dynamik beachtet und die Rolle der übersetzenden Person dahingehend geklärt werden, dass die/der Dolmetscher:in Mitglied des therapeutischen Teams und nicht Bestandteil des Patientensystems ist. 7.4.3 Gesundheitliche Versorgung von Migrierten ohne legale Aufenthaltsgenehmigung Migrierte ohne legale Aufenthaltsgenehmigung befinden sich in einer Sondersituation mit spezifischen Barrieren für die Inanspruchnahme medizinischer und therapeutischer Angebote. Die Betroffenen haben oft die Besorgnis, bei einer Konsultation ärztlichen Fachpersonals oder der Inanspruchnahme einer gesundheitsbezogenen Leistung aufzufallen, entdeckt zu werden und dann in der Konsequenz abgeschoben zu werden. Vor diesem Hintergrund ist auf Seiten dieser Migrierten die Bereitschaft eingeschränkt, gesundheitliche Leistungen anzufragen (RKI, 2008). Darüber hinaus ist auch das medizinische Fachpersonal oftmals bezüglich Fragen wie etwa „Besteht eine Behandlungspflicht?“, „Habe ich eine Meldepflicht?“ oder: „Wie ist die Kostenübernahme geregelt?“ nicht ausreichend geschult, was ebenfalls zu Unsicherheiten führen kann. Daher hat die Bundesärztekammer ein Informationsblatt herausgegeben, das über die B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 11 wesentlichen Sachverhalte und Rechtslagen aufklärt (Bitte lesen Sie hierzu vertiefend: http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/Faltblatt_Patienten- ohne-Aufenthaltsstatus_30112013.pdf). Es wird grundsätzlich zwischen Notfallbehandlung und geplanter Behandlung unterschieden. Bei Notfallbehandlungen (akute oder schmerzhafte Erkrankungen und Leistungen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit) besteht sowohl eine Behandlungspflicht als auch ein verlängerter Geheimnisschutz (Mösko et al., 2017). Dies bedeutet, dass für die Kostenerstattung die Daten an das Sozialamt weitergeleitet werden können, eine Weiterleitung an die Ausländerbehörde allerdings nicht erfolgen muss. 7.5 Gesundheitspsychologische Angebote für Migrierte Mittlerweile engagieren sich unterschiedliche Institutionen mit verschiedenen Projekten zur Förderung der Gesundheit bei Geflüchteten und eingewanderten Personen. So wurde beispielsweise bereits 1994 der bundesweite Arbeitskreis „Migration und öffentliche Gesundheit“ von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration ins Leben gerufen, der unter anderem die Umsetzung folgender Ziele anstrebt (Grieger & Gardemann, 2003):  Sensibilisierung von Fachkräften und Institutionen für migrationsbedingte Aspekte von Gesundheit  Verstärkung der Wahrnehmung von zugewanderten Menschen als Klient:innen im Gesundheitswesen und eine angemessene Berücksichtigung ihrer gesundheitsbezogenen Bedürfnisse  Verbesserung der migrationsspezifischen Gesundheitsberichterstattung  Förderung der interkulturellen Fachkompetenz im Gesundheitsdienst und den kooperierenden Einrichtungen  Mitwirkung an der Konzeption eines Leitbildes im öffentlichen Gesundheitsdienst, das die Anforderungen berücksichtigt, die sich aus der Heterogenität der Bevölkerung ergeben  Berücksichtigung der unterschiedlichen Vorstellungen von Gesundheit und von Krankheit sowie deren Prävention und Behandlung bei Migrierten und im deutschen Gesundheitssystem Es existiert eine Reihe von Initiativen und Programmen, durch die Geflüchtete und andere Menschen mit Migrationshintergrund in gesundheits- und krankheitsbezogenen Belangen unterstützt werden sollen. Ein speziell auf das Gesundheitsverhalten bezogenes Programm, REFUGIUM (Rat mit Erfahrung: Flucht und Gesundheit – Information und Multiplikation; http://www.refugium.budrich.de/) wurde beispielsweise am Department Gesundheitswissenschaften der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg entwickelt und zielt auf die Verbesserung des Gesundheitsverhaltens von Geflüchteten. Es umfasst die Themen Ernährung, Bewegung, Psychische Gesundheit, Hygiene und lokale Gesundheitsversorgung. Im Rahmen dieses Projekts werden Geflüchtete als Multiplikator:innen für Gesundheitsförderung und Prävention ausgebildet. Sie lernen, Gesundheitsinformationen in Workshops an Menschen in Flüchtlingsunterkünften zu vermitteln und die Umsetzung dieser Informationen zu unterstützen. Als Leitfaden für die Durchführung der Workshops dienen Manuale, die das didaktische Vorgehen bei der Vermittlung der Informationen erklären. Die gesundheitsbezogenen Informationen werden sowohl mündlich als auch in Form von Flyern bereitgestellt, die in den Sprachen Deutsch, Englisch, Albanisch, Arabisch, Bulgarisch, Dari/Farsi, Russisch und Türkisch vorliegen. Abbildung 7.4 zeigt die Flyer zum Thema Ernährung in deutscher und arabischer Sprache. Das Programm wird begleitend evaluiert; allerdings liegen noch keine publizierten Daten zu seiner Wirksamkeit vor. B. Sc. Psychologie, AF G; Kurs 3, Kapitel 7 12 Abbildung 7.4 Informationen zum Thema Ernährung aus dem Programm REFUGIUM in Deutsch und Arabisch. Verfügbar unter http://refugium.budrich.de/ernaehrung/ Literaturverzeichnis Arnold, M., Razum, O., & Coebergh, J. W. (2010). Cancer risk diversity in non-western migrants to Europe: An overview of the literature. European Journal of Cancer, 46(14), 2647-2659. https://doi.org/10.1016/j.ejca.2010.07.050 Bäärnhielm, S., Jávo, C., & Mösko, M. O. (2013). 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