Pubertät - Vorlesung - SS 2024
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Universität Erfurt
2024
Prof. Dr. Claudia Steinbrink
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This document is a lecture on puberty, covering topics such as physical development, effects, and neurobiological changes. It includes data from various sources and research studies. The lecture is for the summer semester of 2024 at Universität Erfurt.
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Pubertät Vorlesung Ausgewählte Themen aus den Bereichen Entwicklung, Lehren, Lernen Prof. Dr. Claudia Steinbrink SS 2024 Themen Körperliche Entwicklung im Rahmen der Pubertät 1. Veränderung der Statur 2. Wachstumsschub 3. Veränderungen im Herz-Kre...
Pubertät Vorlesung Ausgewählte Themen aus den Bereichen Entwicklung, Lehren, Lernen Prof. Dr. Claudia Steinbrink SS 2024 Themen Körperliche Entwicklung im Rahmen der Pubertät 1. Veränderung der Statur 2. Wachstumsschub 3. Veränderungen im Herz-Kreislauf- sowie Atmungssystem 4. Geschlechtsreifung 5. Beginn und Tempo der Pubertätsentwicklung 2 Themen Auswirkungen der Pubertät 1. Körperzufriedenheit bei Mädchen und Jungen 2. Auswirkungen von Früh- und Spätentwicklung 3. Stimmungsschwankungen Auswirkungen neurobiologischer Veränderungen in der Pubertät 3 Zum Einstieg: Fragen und Aussagen von Schülerinnen zum Thema Pubertät aus Archibald, Graber & Brooks-Gunn (2007) 4 Definition von Pubertät Flammer & Alsaker (2002): Pubertät = Gesamtheit der körperlichen Entwicklung im Kontext der Erlangung der Geschlechtsreife 5 Körperliche Entwicklung im Rahmen der Pubertät Überblick: Bedeutsamste körperliche Veränderungen während der Pubertät (Grob & Jaschinski, 2003; vgl. Archibald et al., 2007, Silbereisen & Weichold, 2012) 1. Veränderung der Statur (insbesondere das Verhältnis von Körperfett und Muskelmasse) 2. Wachstumsschub mit Zunahme von Größe und Gewicht 3. Veränderungen im Herz-Kreislauf- sowie Atmungssystem, die einen Anstieg von Kraft und physischer Ausdauer ermöglichen 4. Entwicklung der primären Geschlechtsorgane (Hoden, Eierstöcke) 5. Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale (Veränderungen der Genitalien, Brust, Schambehaarung, 7 Gesichts- und Körperbehaarung, Geschlechtsorgane) Veränderung der Statur Geschlechtsunterschiede in Körperproportionen (vgl. Berk, 2011) - Geschlechtsunterschiede in Körperproportionen werden von der Wirkung von Geschlechtshormonen auf das Skelett verursacht Jungen: - Schultern verbreitern sich im Verhältnis zu den Hüften Mädchen: - Hüften verbreitern sich im Verhältnis zu Schultern und Taille 9 Anteil von Körperfett und Muskeln bei Mädchen und Jungen (vgl. Grob & Jaschinski, 2003; Flammer & Alsaker, 2002) Muskeln: - bis zum 11. Lebensjahr: bei Jungen und Mädchen verläuft die muskuläre Zunahme parallel zu derjenigen des Skeletts - 14. – 17. Lebensjahr: Muskelgewebe bei Jungen nimmt zu, Muskelzuwachs bei Mädchen verlangsamt sich Körperfett: - bis zum 8. Lebensjahr: Zunahme des Körperfettanteils bei Mädchen und Jungen relativ gering - bei Mädchen: Körperfettanteil steigt bis zum 12. Lebensjahr langsam an, nimmt von 12 – 18 Jahren deutlich zu Muskel-Fett-Verhältnis am Ende der Pubertät: - Jungen: 3:1 10 - Mädchen: 5:4 Wachstumsschub Wachstumsschub bei Mädchen und Jungen (vgl. Silbereisen & Weichold, 2012; Siegler et al., 2011; Berk, 2011) Wachstumsschub Abschluss des Wachstums Mädchen 10. – 14. Lebensjahr 16 – 17 Jahre Jungen 12. – 16. Lebensjahr 17 – 19 Jahre Heranwachsende legen insgesamt etwa 25 bis 28 cm an Körpergröße zu 12 Wachstumsschub bei Mädchen und Jungen (vgl. Siegler et al., 2011) aus Siegler et al. (2011); Daten aus Malina (1975) 13 Wachstumsschub: Asynchroner Wachstumsverlauf verschiedener Körperteile (vgl. Berk, 2011; Grob & Jaschinski, 2003) Zunächst: - Beschleunigung des Wachstums von Händen, Beinen und Füßen Erst später: - Wachstum des Rumpfes ⇒ erklärt, warum Jugendliche in der frühen Adoleszenz oft ungelenk und unproportioniert erscheinen: lange Beine, riesige Füße und Hände 14 Gewichtszunahme in der Pubertät (vgl. Berk, 2011; Siegler et al., 2011) - Heranwachsende legen etwa 23 bis 34 kg an Körpergewicht zu 15 Veränderungen im Herz- Kreislauf- sowie Atmungssystem Veränderungen in Organsystemen (vgl. Silbereisen & Weichold, 2012) - Verdopplung der Größe des Herzens - Absinken der Herzfrequenz - Anstieg des systolischen Blutdrucks - Veränderung der Zusammensetzung des Blutes - Zunahme der Größe und Vitalkapazität der Lunge - Verlangsamung des Stoffwechsels ⇒ Vergrößerung der Leistungsfähigkeit 17 Geschlechtsreifung Geschlechtsreifung bei Jungen (vgl. Grob & Jaschinski, 2003; Flammer & Alsaker, 2002; Silbereisen & Weichold, 2012) - Beginn der Geschlechtsreifung: Wachstum von Hoden, Hodensack und ersten Schamhaaren - danach: Beginn des Peniswachstums - später: Auftreten des ersten Samenergusses - schließlich: Wachstum der Achselhaare aus Archibald et al. 19 (2007) Geschlechtsreifung bei Mädchen (vgl. Grob & Jaschinski, 2003; Flammer & Alsaker, 2002; Silbereisen & Weichold, 2012) - Beginn der Geschlechtsreifung: Wachstum der Brüste und Schamhaare - später: Beginn der Veränderung der Genitalien (Vergrößerung von Uterus, Vagina, Schamlippen u. Klitoris) - schließlich: Menarche (erste Regelblutung) aus Archibald et al. 20 (2007) Beginn und Tempo der Pubertätsentwicklung Große Variabilität bezüglich Beginn und Tempo der Pubertätsentwicklung (vgl. Grob & Jaschinski, 2003) Beginn der Pubertät: - Mädchen: 8 bis 13 Jahre - Jungen: 9;6 bis 13;6 Jahre Tempo der Pubertätsentwicklung: = Zeitspanne zwischen ersten Anzeichen der Pubertät und vollständiger physischer Reife - Mädchen: 1,5 bis 6 Jahre - Jungen: 2 bis 5 Jahre Beginn und Tempo der Pubertät sind unabhängig voneinander => einige Jugendliche haben Pubertät bereits abgeschlossen, wenn gleichaltrige Freunde diese noch gar nicht begonnen haben 22 Erklärungen für Unterschiede in Beginn und Tempo der Pubertätsentwicklung: Individuelle Ebene (vgl. Grob & Jaschinski, 2003; Berk, 2011; Flammer & Alsaker, 2002) Haupteinflussfaktor auf den Altersabschnitt der pubertären Veränderungen: Genetische Ausstattung - Altersabschnitt der pubertären Veränderungen wird vor allem von den Erbanlagen bestimmt - Eltern und Kinder ähneln sich bzgl. Beginn der Pubertät - eineiige Zwillinge sind sich ähnlicher als zweieiige Zwillinge bzgl. des Erreichens von Pubertätsschritten 23 Erklärungen für Unterschiede in Beginn und Tempo der Pubertätsentwicklung: Individuelle Ebene (vgl. Grob & Jaschinski, 2003; Berk, 2011; Flammer & Alsaker, 2002) Früherer Beginn der Pubertätsentwicklung durch: 1. Reichhaltige Ernährung und höheres Körpergewicht - Jugendliche mit besserer Ernährung vor der Geburt sowie im Säuglings- und Kleinkindalter erreichen Pubertät früher - starke Zunahme von Körpergewicht und Fettanteil kann bei Mädchen die geschlechtliche Reifung auslösen - Fettzellen schütten Protein Leptin aus => signalisiert dem Gehirn, dass das Mädchen ausreichende Energiereserven für die Pubertät hat - Zusammenhang zwischen sexueller Reifung und Körpergewicht (Body Mass Index) bei Mädchen und Jungen24 Erklärungen für Unterschiede in Beginn und Tempo der Pubertätsentwicklung: Individuelle Ebene (vgl. Grob & Jaschinski, 2003; Berk, 2011; Flammer & Alsaker, 2002) Früherer Beginn der Pubertätsentwicklung durch: 2. Familiäre Stressoren vor allem bei Mädchen: - Tendenz zu früherem Einsetzen der Pubertät bei konfliktreichem Familienleben, strenger Erziehung oder Trennung der Eltern Kritik: - Zusammenhang könnte auch genetisch vermittelt sein: Mütter, die früh in die Pubertät gekommen sind, bekommen mit größerer Wahrscheinlichkeit früher Kinder => Anstieg des Risikos von Ehekonflikten und Trennung der Eltern 25 Erklärungen für Unterschiede in Beginn und Tempo der Pubertätsentwicklung: Individuelle Ebene (vgl. Grob & Jaschinski, 2003; Berk, 2011; Flammer & Alsaker, 2002) Späterer Beginn der Pubertätsentwicklung durch: 1. chronische Erkrankungen 2. massive sportliche Betätigung 26 Erklärungen für Unterschiede in Beginn und Tempo der Pubertätsentwicklung: Soziale Ebene (vgl. Grob & Jaschinski, 2003; Berk, 2011; Silbereisen & Weichold, 2012) Unterschiede im Pubertätsverlauf in Abhängigkeit von - Sozioökonomischem Status - Nationalität Indirekter Einfluss dieser sozialen Faktoren: Unterschiede sind zurückzuführen auf Unterschiede in - Ernährung - Hygiene - medizinischer Versorgung Säkulare Akzeleration = Vorverlegung des Zeitpunkts der körperlichen Reife in den letzten Jahrhunderten - durchschnittliches Menarchealter 1840: 17 Jahre 27 - durchschnittliches Menarchealter heute: 12 Jahre Säkulare Akzeleration: Veränderungen des Menarchealters in den letzten zwei Jahrhunderten (vgl. Konrad & König, 2018) aus Konrad & König (2018) 28 Auswirkungen der Pubertät Körperzufriedenheit bei Mädchen und Jungen Körperzufriedenheit in der Pubertät bei Mädchen (vgl. Grob & Jaschinski, 2003; Flammer & Alsaker, 2002) Mädchen - sind durch vergleichsweise raschen Fettzuwachs ab dem 10. Lebensjahr oft besorgt über ihre Körperentwicklung - sind oft mit Gewicht unzufrieden, obwohl Statur im Durchschnitt liegt - haben erhöhtes Risiko, im Jugendalter Essprobleme zu entwickeln - sind mit ihrem Aussehen generell unzufriedener als Jungen - wünschen sich oft eine schlankere Figur - zeigen einen kontinuierlichen Abfall der Zufriedenheit mit dem Körper im Altersbereich zwischen 13 und 18 Jahren - leiden aufgrund der Zunahme an Gewicht und Körperfett oft unter Einbruch des Selbstwertgefühls - werden durch das Wachstum der Brüste positiv in ihrem 31 Körperbild beeinflusst Körperzufriedenheit in der Pubertät bei Jungen (vgl. Grob & Jaschinski, 2003; Flammer & Alsaker, 2002) Jungen: - sind mit ihrem Aussehen generell zufriedener als Mädchen - wünschen sich typischerweise eine kräftigere Figur - zeigen einen kontinuierlichen Anstieg der Zufriedenheit mit dem Körper im Altersbereich zwischen 13 und 18 Jahren - nehmen die Zunahme von Körpergröße und Kraft positiv wahr 32 Auswirkungen von Früh- und Spätentwicklung Auswirkungen von Frühentwicklung bei Jungen (vgl. Grob & Jaschinski, 2003) Frühentwickelte Jungen (als Gruppe): - haben höheren Status bei Gleichaltrigen als Spätentwickler (aufgrund der positiven Bewertung von Größenwachstum und Muskelmasse) - werden als reifer wahrgenommen - sind populärer - haben häufiger Führungsrollen inne - machen früher sexuelle Erfahrungen als Gleichaltrige - haben ein positiveres Selbstbild als noch nicht pubertäre Gleichaltrige 34 Auswirkungen von Frühentwicklung bei Jungen (vgl. Grob & Jaschinski, 2003) Frühentwickelte Jungen (als Gruppe): - zeigen mit größerer Wahrscheinlichkeit normbrechende Verhaltensweisen Gründe: - Frühentwickler haben oft ältere Freunde als normgerecht oder spätentwickelte Jungen - diese Freundschaften können frühentwickelte Jungen in problematische Situationen führen 35 Auswirkungen von Frühentwicklung bei Jungen (vgl. Flammer & Alsaker, 2002) Frühentwickelte Jungen (als Gruppe): - haben mehr körperliche Beschwerden als andere Jugendliche 36 aus Flammer & Alsaker (2002) Auswirkungen von Spätentwicklung bei Jungen (vgl. Grob & Jaschinski, 2003) Spätentwickelte Jungen (als Gruppe): - haben ein höheres Bedürfnis nach Autonomie - haben ein negativeres Selbstbild - haben weniger Selbstkontrolle und Selbstvertrauen als normgerecht entwickelte Jungen 37 Exkurs: Körperliches Entwicklungstempo und Autonomie (Silbereisen et al., 1992; vgl. Grob & Jaschinski, 2003) - Untersuchung des Einflusses des körperlichen Entwicklungstempos auf Autonomie mittels Befragung - Teilnehmer: 970 Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahren Eines der Ergebnisse: - frühentwickelte Jugendliche im Alter von 15 bis 16 Jahren haben mehr Einfluss auf ihre Heimkommenszeit als ihre Altersgenossen aus Grob & Jaschinski (2003) 38 Auswirkungen von Frühentwicklung bei Mädchen (vgl. Flammer & Alsaker, 2002) Frühentwickelte Mädchen (als Gruppe): - haben mehr körperliche Beschwerden als andere Jugendliche 39 aus Flammer & Alsaker (2002) Auswirkungen von Frühentwicklung bei Mädchen (vgl. Grob & Jaschinski, 2003) Frühentwickelte Mädchen (als Gruppe): - nehmen die Menarche häufig negativ wahr (Belastung kann nicht durch wechselseitige Unterstützung von Gleichaltrigen aufgefangen werden) sind (als Gruppe) im Hinblick auf den sozialen Status benachteiligt - sind weniger populär - sind weniger ausgeglichen - sind häufiger isoliert und unsicherer - haben einen geringeren Selbstwert - haben größere emotionale Probleme - neigen häufiger zu Depressionen 40 Auswirkungen von Frühentwicklung bei Mädchen (vgl. Flammer & Alsaker, 2002) Frühentwickelte Mädchen (als Gruppe): - machen sich mehr Gedanken über ihr Gewicht und ihr Essverhalten - versuchen öfter abzunehmen als spätentwickelte Mädchen 41 aus Flammer & Alsaker (2002) Auswirkungen von Frühentwicklung bei Mädchen (vgl. Grob & Jaschinski, 2003) Frühentwickelte Mädchen (als Gruppe): - haben früher freundschaftliche und sexuelle Kontakte zu älteren Jungen - zeigen aufgrund ihrer Kontakte zu älteren Jugendlichen früher und häufiger normbrechendes Verhalten 42 Zusammenfassung: Auswirkungen von Früh- und Spätentwicklung bei Mädchen und Jungen (vgl. Grob & Jaschinski, 2003) besonders früher oder später Beginn der Pubertät wirkt sich auf die weitere Entwicklung je nach Geschlecht unterschiedlich aus: - bei Jungen wirkt sich eine besonders späte pubertäre Entwicklung eher negativ aus - bei Mädchen wirkt sich eine besonders frühe pubertäre Entwicklung eher negativ aus 43 Schlussbemerkungen zu Auswirkungen von Früh- und Spätentwicklung (vgl. Flammer & Alsaker, 2002) - die meisten Unterschiede zwischen früh-, normativ- und spätreifen Jugendlichen sind eher klein ⇒ Pubertät ist ein Problem für einige Jugendliche, nimmt im Allgemeinen jedoch einen relativ unproblematischen Verlauf - wenn Probleme auftreten, dann gelten sie nicht einheitlich - Beispiel: frühreife Mädchen neigen zu negativem Selbstbild, depressiven Gefühlen, Essproblemen ⇒ nur einige Mädchen bekommen diese Probleme, nicht alle! ⇒ ob und welche Probleme gezeigt werden, hängt mit vielen anderen Variablen zusammen ⇒ keine generellen Erwartungen zu den Reaktionen von Jugendlichen auf ihre Pubertätsentwicklung möglich 44 Stimmungsschwankungen Hormonspiegel und Stimmungsschwankungen in der Pubertät (vgl. Berk, 2011; Grob & Jaschinski, 2003) - Stimmung von Jugendlichen schwankt stärker als die von Erwachsenen - in der Pubertät steht ein höherer Hormonspiegel mit ausgeprägterer Launenhaftigkeit in Zusammenhang (Korrelationen sind aber nur moderat) ⇒ Veränderungen der Stimmung scheinen durch Hormonspiegel mitverursacht zu sein ⇒ Stimmungsschwankungen sind teilweise biologisch verursacht 46 Zusammenhang zwischen negativer Stimmung und Anzahl negativer Ereignisse (vgl. Berk, 2011) - Erfassung von Stimmungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen über längere Zeiträume (z.B. 1 Woche) - in willkürlichen Intervallen: Signal an Teilnehmer zu dokumentieren, was sie gerade tun, mit wem sie zusammen sind und wie sie sich gerade fühlen - Jugendliche berichten weniger positive Stimmungen als Kinder im Schulalter oder Erwachsene - Korrelation zwischen negativer Stimmung und größerer Anzahl negativer Ereignisse (z.B. Schwierigkeiten mit Eltern, Trennung von Freund/Freundin) - stetige Zunahme von negativen Ereignissen von der Kindheit in die Adoleszenz - Reaktion auf negative Ereignisse ist bei Jugendlichen emotionaler als bei Kindern 47 Zusammenhang zwischen situativen Variablen und Stimmung bei Jugendlichen (vgl. Berk, 2011) - Korrelationen zwischen Stimmungsschwankungen und situativen Veränderungen - eher bessere Stimmung in mit Freunden oder selbstgewählten Freizeitaktivitäten verbrachter Zeit - eher schlechtere Stimmung in von Erwachsenen strukturierten Situationen (z.B. Unterricht) aus Berk 48 (2011) Auswirkungen neurobiologischer Veränderungen in der Pubertät Veränderungen der Gehirnstruktur in Kindheit und Jugendalter (vgl. Lohaus & Vierhaus, 2015; Silbereisen & Weichold, 2012; Siegler et al., 2011) Systematische Veränderung der Struktur des Gehirns im Alter von 4 bis 21 Jahren (vgl. Studie von Gogtay et al., 2004): Weiße Substanz (Nervenbahnen) nimmt zu - Nervenbahnen werden zunehmend myelinisiert - Leitungsgeschwindigkeit wird erhöht ⇒ Beschleunigung der Informationsverarbeitung Graue Substanz (Zellkörper) nimmt ab - überschüssige Neuronen und neuronale Verbindungen, die wenig, bzw. nicht genutzt werden, werden abgebaut => zunehmend effizientere Informationsverarbeitung 50 „Umbau“ erfolgt nicht in allen Hirnregionen simultan, sondern sukzessiv (vgl. Lohaus & Vierhaus, 2015) - körperliche Veränderungen in der Pubertät (schnelle Zunahme der Körpergröße, Veränderung der Körperproportionen) erfordern Anpassung der entsprechenden Hirnregionen, um effektive Körperbeherrschung zu gewährleisten - Beherrschung von Motorik und Sensorik ist überlebenswichtig ⇒ schnelle Anpassungen in entsprechenden Hirnregionen 51 „Umbau“ erfolgt nicht in allen Hirnregionen simultan, sondern sukzessiv (vgl. Lohaus & Vierhaus, 2015) Langsamere Anpassungen z.B. in folgenden Hirnregionen: Limbisches System - u.a. Verarbeitung von Emotionen und emotionalen Reizen Präfrontaler Cortex - u.a. zentrale Exekutive: Aufmerksamkeitssteuerung, Handlungsplanung, Handlungskontrolle ⇒ durch „Umbau“ dieser Hirnregionen: vorübergehende Probleme in Emotionsverarbeitung und kognitiver Handlungssteuerung - Umstrukturierungsprozesse im präfrontalen Cortex dauern 52 bis ins frühe Erwachsenenalter Veränderungen des Neurotransmitter- haushalts (vgl. Lohaus & Vierhaus, 2015; Silbereisen & Weichold, 2012) Reorganisation des - dopaminergen Systems (Dopamin = stimulierender Neurotransmitter; wird bei positiven Gefühlen ausgeschüttet) - serotonergen Systems (Serotonin = stimulierender Neurotransmitter; steuert die Kontraktion der Blutgefäße) Abnahme der Dichte der Rezeptoren für Dopamin und Serotonin ⇒ weniger stimulierende Reize erreichen den Kortex ⇒ besonders Areale des präfrontalen Cortex und des limbischen Systems (u.a. zuständig für Verarbeitung emotionaler Reize, Bewertung von Reizen, Umsetzung von Aktivitäten) werden weniger stark aktiviert als in der Kindheit 53 Veränderungen des Neurotransmitter- haushalts (vgl. Lohaus & Vierhaus, 2015; Silbereisen & Weichold, 2012) - besonders Areale des präfrontalen Cortex und des limbischen Systems (u.a. zuständig für Verarbeitung emotionaler Reize, Bewertung von Reizen, Umsetzung von Aktivitäten) werden weniger stark aktiviert als in der Kindheit ⇒ durch verringerte Reizzufuhr suchen Jugendliche aktiv nach neuartigen Erlebnissen mit ausgeprägten Reizen ⇒ Erhöhung der Wahrscheinlichkeit negativer Gefühlszustände ⇒ erhöhte Anstrengung erforderlich, um positive Gefühlszustände hervorzurufen - gleichzeitig: Reifungsvorgänge im präfrontalen Cortex (u.a. zuständig für Handlungskontrolle) nicht abgeschlossen ⇒ Gefahr risikoreichen Verhaltens 54 Erhöhte Anfälligkeit für Probleme in der Regula- tion von Affekt und Verhalten im Jugendalter (vgl. Steinberg, 2005) aus Steinberg (2005) 55 Veränderung des Melatoninstoffwechsels in der Pubertät (vgl. Lohaus & Vierhaus, 2015; Berk, 2011) Melatonin = Hormon, das an der Steuerung zirkadianer Rhythmen (insbesondere Schlaf-Wach-Rhythmus) beteiligt ist im Verlauf der Pubertät: - Reduzierung der Melatoninmenge - spätere Ausschüttung des Melatonins ⇒ späteres Einsetzen der Ermüdung in den Abendstunden ⇒ Jugendlicher geht viel später schlafen als ein Kind (benötigt aber beinahe so viel Schlaf wie in der mittleren Kindheit, ca. 9 Stunden) ⇒ Unausgeschlafenheit 56 Verschiebung des Schlaf-Wach-Rhythmus bei Jugendlichen (vgl. Konrad & König, 2018) 57 aus Konrad & König (2018) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Literatur Archibald, A.B., Graber, J.A. & Brooks-Gunn, J. (2007). Pubertal processes and physiological growth in adolescence. In G.R. Adams & M.D. Berzonsky (Eds.), Blackwell Handbook of Adolescence (pp. 24-47). Blackwell. Berk, L. (2011). Die körperliche und kognitive Entwicklung in der Adoleszenz (Kap. 11). In Entwicklungspsychologie (S. 487-543). Pearson. Flammer, A. & Alsaker, F.D. (2002). Pubertätsentwicklung (Kap. 4). In Entwicklungspsychologie der Adoleszenz (S. 71-91). Hans Huber. Grob, A. & Jaschinski, U. (2003). Körperliche und psychosexuelle Entwicklung (Kap. 4). In Erwachsen werden – Entwicklungspsychologie des Jugendalters (S. 33-40). Beltz. Konrad, K. & König, J. (2018). Biopsychologische Veränderungen. In A. Lohaus (Hrsg.), Entwicklungspsychologie des Jugendalters (S. 1 – 21). Springer. 59 Literatur Lohaus, A. & Vierhaus, M. (2015). Entwicklungsveränderungen im Jugendalter (Kap. 17). In Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters für Bachelor (S. 246-262). Springer. Schneider, W. & Lindenberger, U. (2012, Hrsg.). Entwicklungspsychologie. Beltz. Siegler, R., DeLoache, J. & Eisenberg, N. (2011). Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugendalter. Spektrum Akademischer Verlag. Silbereisen, R.K. & Weichold, K. (2012). Jugend (12-19 Jahre). In W. Schneider & U. Lindenberger (Hrsg.), Entwicklungspsychologie (S. 235-258). Beltz. Steinberg, L. (2005). Cognitive and affective development in adolescence. Trends in Cognitive Sciences, 9, 69-74. 60