Bauphysik der Fassade - Prinzipien der Konstruktion PDF
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Ulrich Knaack, Eddie Koenders, Elena Alexandrakis, David Bewersdorff, Ines Haake, Sascha Hickert, Christoph Mankel
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Summary
Das Buch "Bauphysik der Fassade" befasst sich mit den physikalischen Aspekten in Gebäuden, insbesondere im Hinblick auf die Konstruktion von Fassaden. Es behandelt Themen wie Wärme, Feuchte, Luftdichtheit, Schall und Licht und deren Einfluss auf die Bauteile und angrenzenden Bereiche. Die Autoren erklären die Vorgänge und liefern Prognosen zur Leistungsfähigkeit von Konstruktionen.
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Bauphysik der Fassade Prinzipien der Konstruktion 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 1 09.04.18 23:10 ...
Bauphysik der Fassade Prinzipien der Konstruktion 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 1 09.04.18 23:10 Ebenfalls in dieser Reihe bei Birkhäuser erschienen: Ulrich Knaack, Tillmann Klein, Marcel Bilow, Thomas Auer Fassaden – Prinzipien der Konstruktion Dritte und überarbeitete Auflage ISBN 978-3-03821-094-8 Maarten Meijs, Ulrich Knaack Bauteile und Verbindungen – Prinzipien der Konstruktion ISBN 978-3-7643-8668-9 Ulrich Knaack, Sharon Chung-Klatte, Reinhard Hasselbach Systembau – Prinzipien der Konstruktion ISBN 978-3-7643-8746-4 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 2 09.04.18 23:10 ULRICH KNAACK Bauphysik der Fassade EDDIE KOENDERS (HRSG.) Prinzipien der Konstruktion ELENA ALEXANDRAKIS DAVID BEWERSDORFF INES HAAKE SASCHA HICKERT CHRISTOPH MANKEL BIRKHÄUSER BASEL 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 3 09.04.18 23:10 Wir danken der Technischen Universität Darmstadt für die finanzielle Unterstützung dieses Buches. Ebenso danken wir Ria Stein für ihr Lektorat und Claudia Siegele für ihr Fachlektorat. Ein Dank gilt auch den studentischen Mitarbeitern Barbara Bauer, Sina Aghababaei Najjar und Jacqueline Sienell, die die Zeichnungen erstellt haben. Abschließend geht unser Dank an Prof. Dr. Normen Langner für die inhaltlichen Korrekturen und die Unterstützung. Layout, Covergestaltung und Satz: Nicole Schwarz, Typolabor, Berlin Grafisches Grundkonzept der Reihe „Prinzipien der Konstruktion“: Oliver Kleinschmidt, Berlin Autorenschaft der Texte: 1 Einleitung – Ulrich Knaack, Eddie Koenders 2 Wärme – Christoph Mankel 3 Feuchte – Elena Alexandrakis, David Bewersdorff 4 Luftdichtheit – David Bewersdorff 5 Schall – Ines Haake 6 Licht – Sascha Hickert 7 Bauphysik in der Praxis – David Bewersdorff, Sascha Hickert, Ulrich Knaack 8 Bauphysik und Werkstoffe – Eddie Koenders 9 Bauphysik und Gebäudehülle – Ulrich Knaack Fachlektorat: Claudia Siegele, bausatz, Karlsruhe Lektorat: Ria Stein, Berlin Herstellung: Amelie Solbrig, Berlin Papier: Magno Satin, 150 g/qm Lithografie: [bildpunkt] Druckvorstufen GmbH, Berlin Druck: optimal media GmbH, Röbel Coverfotografie: Ed White (Wood Innovation and Design Centre, MGA | Michael Green Architecture, Prince George, 2014) Dieses Buch ist auch als E-Book (ISBN PDF 978-3-0356-0956-1; ISBN EPUB 978-3-0356-0946-2) sowie in englischer Sprache erschienen (ISBN 978-3-0356-1145-8). Library of Congress Cataloging-in-Publication data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2018 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Printed in Germany ISBN 978-3-0356-1134-2 9 8 7 6 5 4 3 2 1 www.birkhauser.com 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 4 09.04.18 23:10 57 5 Schall Inhalt 57 Grundlagen 62 Bauakustik 64 Luftschallschutz von Wänden 7 1 Einleitung 68 Luftschallschutz am Beispiel von vier Außenwandkonstruktionen 7 Warum Bauphysik? 69 Trittschallschutz von Decken 7 Wärme, Feuchte, Luftdichtheit, 70 Raumakustik Schall und Licht 72 Zusammenfassung Schall und 8 Fassadenmaterial und -konstruktion typische Wandaufbauten als Speicher und Barriere 9 Gebäudehülle – Grenze zwischen innen und außen 75 6 Licht 75 Grundlagen 13 2 Wärme 77 Photometrische Größen 83 Tageslicht und Kunstlicht im Vergleich 13 Behaglichkeit 88 Sonnenschutz und Blendschutz 13 Wärmetransport 90 Tageslichtlenkung 17 Wärmeübergangswiderstand 17 Wärmespeicherfähigkeit 18 Wärmedurchgang durch Bauteile 93 7 Bauphysik in der Praxis 20 Sommerlicher Wärmeschutz 21 Wärmeschutz am Beispiel von 95 Wärmeschutz vier Außenwandkonstruktionen 98 Feuchteschutz 23 Wärmebrücken 100 Luftdichtheit 24 Zusammenfassung Wärme und 102 Schallschutz typische Wandaufbauten 105 8 Bauphysik und Werkstoffe 27 3 Feuchte 106 Beton 28 Grundlagen 108 Ziegel 28 Luftfeuchte 110 Stahl 29 Beanspruchungen des Gebäudes 112 Glas durch Wasser 114 Holz 34 Hygiene 117 Weitere ökologische Baumaterialien 36 Wassertransport 40 Feuchteschutz am Beispiel von vier Außenwandkonstruktionen 119 9 Bauphysik und Gebäudehülle 42 Zusammenfassung Feuchte und typische Wandaufbauten 119 Anforderungen an die Gebäudehülle 122 Konstruktionstypen der Fassade 128 Potenziale für die Zukunft 45 4 Luftdichtheit 45 Grundlagen Anhang 45 Lüftung 49 Zugluft 129 Autoren 49 Luftdruck 130 Auswahlbibliografie 54 Zusammenfassung Luftdichtheit 132 Register und typische Wandaufbauten 135 Bildnachweis 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 5 09.04.18 23:10 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 6 09.04.18 23:10 1 Einleitung WARUM BAUPHYSIK? Schon in der Planungsphase ist es notwendig, sich auch mit den physikalischen Aspekten in Gebäu- den zu beschäftigen. Ein Beispiel: Als Resultat eines vom kommerziellen Erfolg getriebenen Woh- nungsbaus im Berlin der Gründerjahre (ab ca. 1870) wurden Wohnungen so kompakt organisiert, dass lediglich der Wenderadius der Feuerwehrspritze die Dimension von Innenhöfen definierte – 5,34 × 5,34 m. In der Konsequenz mangelte es an notwendiger Belüftung der Wohnungen, was zu- erst die Menschen und in einem zweiten Schritt die Gebäude schädigte, da aufgrund der mangeln- den Lüftung sowie der unzureichenden Heizsysteme eine zu hohe Feuchte entstand. Einfache Regeln zur minimalen Belüftung haben hier Abhilfe geschaffen – und zeigen die Relevanz physikali- scher Gegebenheiten in Gebäuden. Mit der Energiekrise 1973 wurde die Beschäftigung mit dem Energieverbrauch von Gebäuden ein wesentlicher Aspekt in der Planung: bessere Dämmung, effizi- entere Heiz- und Kühlsysteme sowie eine energetisch optimale Orientierung des Gebäudes waren die Folgen. Aber nicht nur das Sparen von Energie, sondern ein allgemeines Wohlbefinden der Nutzer ist das Ziel der Planung und Realisierung von Gebäuden – und hier beginnt das Thema Bau- physik sich zu entwickeln. Die Bauphysik beschäftigt sich mit Übergangsphänomenen innerhalb einer Konstruktion und zwischen Materialien. Hierbei sind die Phänomene Wärme, Feuchte, Luftdurchläs- sigkeit, Schall und Licht zu unterscheiden. Untersucht und beurteilt werden der Energietransport sowie die Umwandlungsprozesse und deren Einflüsse auf das Bauteil selbst sowie die angrenzenden Bereiche innen und außen. Hierdurch können sowohl die Vorgänge erklärt werden als auch Vorher- sagen zur erwartbaren Leistungsfähigkeit von Konstruktionen erfolgen. Interessant ist jedoch nicht nur das Ergebnis des einzelnen Vorgangs, sondern auch das Zusammenwirken der verschiedenen Phänomene, beispielsweise das Kondensieren von Wasser an kalten Oberflächen wie einer nicht gedämmten massiven Wand als Resultat der temperaturabhängigen Wasseraufnahmekapazität von Luft – mit dem Risiko von Schimmelbildung oder Frostschäden. Neben diesen bautechnischen Aspekten ist ein weiterer wesentlicher Themenbereich die Behag- lichkeit, also das körperliche und seelische subjektive Wohlbefinden einer Person. Da dieses subjek- tiv ist, genügt der einfache Nachweis einzelner technischer Aspekte nur bedingt, um eine vollstän- dige Bewertung vorzunehmen. Die Verknüpfung der verschiedenen Phänomene sowie eine bewusste Akzeptanz der subjektiven Bewertung ist wesentlich – wir werden nicht in der Lage sein, für alle Personen ein optimales Raumklima zu jeder Zeit herzustellen, haben aber das Ziel erreicht, wenn 80 % der Nutzer im Wesentlichen zufrieden sind. WÄRME, FEUCHTE, LUFTDICHTHEIT, SCHALL UND LICHT Inhaltlich wird die Bauphysik in die Themen Wärme, Feuchte, Luftdichtheit, Schall und Licht geglie- dert, auch wenn zwischen den Bereichen deutliche Verknüpfungen bestehen. Der Bereich Wärme befasst sich mit der Entstehung und dem Transport von Wärme durch die Luft und durch Bauteile. Hierbei werden auch die physikalischen Phänomene des Wärmeübergangs von einem in ein ande- res Medium als auch die verschiedenen Aggregatzustände vor allem des Wassers behandelt. Ein weiterer Aspekt ist die Wirkung der Phänomene auf den Menschen und dessen Wohlbefinden. Im Bereich der Feuchte werden neben den konstruktiven Fragen, die durch Wasser am Gebäude E I N LE ITU NG 7 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 7 09.04.18 23:10 entstehen, auch die des in Luft gebundenen Wassers behandelt. Zu beachten sind die Wasserauf- nahme und Wasserabgabe von Luft bei unterschiedlichen Temperaturen und die daraus für eine Konstruktion entstehenden Konsequenzen wie Wasserausfall an kalten Flächen. Die beiden Erscheinungen Wärme und Feuchte werden auch direkt durch die Luftdichtigkeit be- einflusst. Undichte Konstruktionen ermöglichen sowohl den Wärmeaustausch als auch das Eindrin- gen von Feuchte. Entsprechend sind Konstruktionen zu schützen oder mit Entlüftungsmöglichkeiten auszulegen. Der Bereich Schall steht etwas losgelöst von den Themenkomplexen Wärme und Feuchte. Hier geht es um die Ausbreitung von Schall als Energieimpuls in der Luft (Luftschall) oder in Bauteilen (Körperschall). Hieraus resultierend muss bei einer Planung entschieden werden, ob Bauteile flexi- bel oder schwer ausgeführt werden, um die Ausbreitung des Schalls zu minimieren. Ein über den Umfang des Buches hinausgehender Aspekt ist die gezielte Steuerung von Schall, um akustische Effekte zu erreichen. Licht ist zum einen wesentlich, um die Funktion eines Gebäudes zu ermöglichen – ob nun als natürliche Belichtung von außen oder als Kunstlicht. Darüber hinaus beschäftigt sich dieser Bereich mit der Notwendigkeit einer direkten Außenbeziehung des Gebäudes sowie der Reduzierung des Energieeintrags durch Sonnenlicht mittels Verschattung. Auswirkungen auf den Menschen Als Mensch steht man in kontinuierlicher Wechselwirkung mit dem Gebäude, in welchem man sich befindet. Es ist deshalb wichtig, das bauphysikalische Verhalten des Gebäudes und dessen Ein- flüsse auf den Menschen zu verstehen und zu steuern. Fassaden und die Materialien, aus denen diese gefertigt worden sind, bestimmen wesentlich diese Umgebung des Menschen und sein Wohl- befinden. Die gewählten Geometrien der Fassaden zusammen mit den Materialien beeinflussen maßgeblich die Wechselwirkung zwischen Mensch und Gebäude. Das menschliche Wohlbefinden ist subjektiv. So ist es möglich, dass sich in einem Gebäude eine Person sehr behaglich fühlt, weil Wärme und Feuchte entsprechend dem individuellen Empfinden ausgeglichen sind, während an gleicher Stelle eine andere Person sich sehr unbehaglich fühlen kann, da sie beispielsweise nach einer sportlichen Aktivität überhitzt ist. Es ist die Aufgabe der Bau- physik, diese Umgebungsbedingungen des Gebäudes so zu organisieren, dass im Durchschnitt ca. 80 % der Nutzer zufrieden sind. Die Wechselwirkung zwischen Mensch und Gebäude beinhaltet eine sensitive Bilanzierung der bauphysikalischen Einflüsse wie Wärme, Feuchte, Luftdichtigkeit, Schall und Licht. Schon kleine Änderungen dieser Einflüsse können eine Situation, in der sich ein Mensch befindet, von angenehm in unangenehm umwandeln. So kann eine kleine Änderung der Temperatur dazu führen, dass unser Körper beginnt Energie an die Umgebung abzugeben mit dem Ziel, die Bilanz wiederherzustellen. Dies führt dazu, dass unsere Körpertemperatur reduziert wird und wir dies als zu kalt empfinden. Im gleichen Sinne gilt das für die übrigen bauphysikalischen Einflüsse wie zum Beispiel Feuchte: Wir beginnen zu schwitzen, wenn die Feuchte in einem Raum zu hoch ist. Wichtig ist also, immer die Bilanz der bauphysikalischen Einflüsse zu betrachten und als Gesamtes zu optimieren – sodass wir Menschen uns unter allen Bedingungen wohlfühlen. FASSADENMATERIAL UND -KONSTRUKTION ALS SPEICHER UND BARRIERE Das Material, aus welchem eine Konstruktion aufgebaut werden soll, hat neben den konstruktiven Funktionen auch bauphysikalische Bedingungen zu erfüllen. Im letzten Jahrzehnt sind die Ansprüche, die von Menschen an Gebäude gestellt werden, stetig gestiegen. Auch die Diskussionen rund um den Klimawandel haben das Bewusstsein der Menschen sowie deren Verständnis von Wohlbefinden im Gebäude weiter beeinflusst. Material und Konstruktion sind damit in ihrer wechselseitigen Abhän- gigkeit weiter zusammengewachsen. Sie bieten so die Möglichkeit, die Umgebung des Menschen und damit sein Wohlbefinden mit integralen Lösungen zu beeinflussen. Moderne Entwicklungen im Bereich der Bauphysik orientieren sich immer mehr an der Energie- effizienz des Gesamtgebäudes. Hierbei werden Fassaden und ihre Materialien als energieaktives Teil 8 E I N LE ITU NG 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 8 09.04.18 23:10 des Gebäudes betrachtet. Wärmeüberflüsse werden über Wände und Fassaden an die Umgebung abgegeben oder in den Wänden gespeichert ≥ 1. Moderne Werkstoffentwicklungen ermöglichen diese Form von Energiespeicher und führen dazu, dass das Gebäude nicht nur als Hülle und Konst- ruktion, sondern als energieaktives Element betrachtet werden kann: Die Speicherung von Wärme in Material oder Konstruktionselementen wird bereits in Prototypen angewendet. Wärmespeicherung durch sogenannte Phasenwechselmaterialien (PCMs) kann beispielsweise in Gipsplatten erfolgen, um damit die Temperatur in Räumen zu steuern und entsprechend Energie einzusparen. Auf diese Weise werden die Bauphysik, das Material und die Konstruktion als integrale Lösung energetisch optimiert. Weitere Einwicklungen in diesem Bereich führen zu neuen integrierten Material- und Kons- truktionskonzepten wie zum Beispiel Gradientbetone, bei welchen gezielt Wärmespeicher- oder Bar- riereeigenschaften des Betons ≥ 2 genutzt werden. Hier öffnet sich eine neue Welt von Möglichkeiten, welche im Bereich der Bauphysik als Schnittstelle zwischen Material und Konstruktion neue und inno- vative Lösungen erkennen lassen. GEBÄUDEHÜLLE – GRENZE ZWISCHEN INNEN UND AUSSEN Die Gebäudehülle stellt die Grenze zwischen innen und außen dar – hier wird der Energiefluss unter- brochen bzw. gelenkt. Entsprechend hat die Gebäudehülle direkt und maßgeblich Einfluss auf den Innenraum und dessen Funktionalität sowie auf den Energiehaushalt des Gebäudes. Je nach Konst- ruktion, Fügung und verwendeten Materialien werden Energieströme und Feuchtetransport unter- bunden und begrenzt oder ermöglicht, so gewünscht. Gute Dämmeigenschaften erlauben es, so- wohl im Winter die Wärme im Gebäude zu halten als auch im Sommer die Wärme auszugrenzen ≥ 3. Materialien/Konstruktionen, die dies leisten, sind im Allgemeinen leicht und außerdem schlechte Wärmeleiter und entsprechend meist nicht als tragende Konstruktion geeignet. Im Gegensatz hierzu 1 Forschungsprojekt ETA-Fabrik, Technische Universität Darmstadt, 2016 Bei diesem energieeffizienten Versuchsgebäude nimmt die äußere Fassade mittels 2 Solarthermie Sonnenenergie auf und gibt sie in Speichersysteme ab. Im Bedarfs- fall wird die Energie in den Innenraum abgegeben. Dieses Prinzip kann bei Bedarf an Kühlung auch umgekehrt verwendet werden. Wärmedämmender Schaum aus Beton Mineralisierter Schaum kann bei Rohdichten unter 200 kg/m³ als Wärmedämmung eingesetzt werden. Sein Porenanteil liegt bei ca. 90 %, die Feststoffmatrix besteht meist aus Zementstein sowie Zusatzstoffen. E I N LE ITU NG 9 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 9 09.04.18 23:10 3 Unilever-Haus, Hamburg, Behnisch Architekten, 2009 Die Doppelfassade besteht aus einer inneren Glasebene und einer äußeren Folienfassade. Der Luftzwischenraum dient zur klimatischen Konditionierung der Büroräume. 4 Bürogebäude Manitoba Hydro Place, Winnipeg, KPMB Architects, 2009 Mittels der im Solarkamin entstehenden Thermik wird das Bürogebäude entlüftet und erzeugt einen Sog, um Frischluft in das Gebäude zu bringen (Klimakonzept: Transsolar). 10 E I N LE ITU NG 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 10 09.04.18 23:10 können massive Konstruktionen nicht nur die Funktion des Tragens übernehmen, sondern sind als gute Wärmeleiter auch in der Lage, Wärme zu speichern – und damit über einen Tageszyklus zu bewahren und abzugeben, ein Umstand, der zur Ausbalancierung von Temperaturunterschieden die- nen kann. Diese Widersprüchlichkeit gilt es bei der Wahl der Konstruktion der Gebäudehülle zu beachten und so zu nutzen, dass die für eine Funktion notwendigen Vorteile optimiert werden – im genannten Beispiel mit einer inneren tragenden und schweren Konstruktion, die außen mit einem leichten und nicht tragenden Material gedämmt wird. Selbstverständlich ist diese Wahl abhängig vom umgebenden Klima und der Funktion des Gebäudes. Die in diesem Buch vorgestellten Konstruktionen sind übliche technische Lösungen und beruhen auf Systemen, die breite Anwendung finden. Hierfür haben sich für die Bereiche Wärme, Feuchte, Luftdichtigkeit, Schall und Licht jeweils Strategien entwickelt, die für die Konstruktionen optimale technische und wirtschaftliche Lösungen darstellen. Da es wie beschrieben immer um ein Abwägen der einzelnen bauphysikalischen Themen sowie der jeweiligen Lösungen geht, sind auch hier nicht immer alle Aspekte vollständig lösbar – entsprechende konstruktive Kompromisse werden aufgezeigt. Klimadesign als Instrument für bessere Häuser Die Kombination der für die Bauphysik wesentlichen Komponenten des Gebäudes, des Materials und der Gebäudehülle findet sich im Klimadesign oder Klima-Engineering ≥ 4. Diese relativ neue Planungsdisziplin befasst sich mit der direkten Abhängigkeit von biophysikalischen Phänomenen von der Gebäudekubatur, der Maße (Materialien) im Gebäude, der Gebäudehülle (Konstruktion, Anteil transparenter Flächen), der Gebäudeausrichtung sowie der durch die Funktion eingebrachten Energiequellen und der für das Wohlbefinden der Nutzer notwendigen Qualitäten. Durch die integ- rale Betrachtung all dieser Parameter und der Optimierung einzelner Aspekte gelingt es, nicht nur in der Funktionalität, sondern auch im Energieverbrauch des Gebäudes effizienter zu werden. Weitere Entwicklungen hinsichtlich verbesserter Gebäude werden sich mit dem Thema der für die Herstellung von Materialien notwendigen Energie – der grauen Energie – beschäftigen: Hier wird das Verhältnis der für die Herstellung von Materialien und Konstruktionen notwendigen Energie im Verhält- nis zur einzusparenden Energie für die Funktion des Gebäudes entscheidend für die Planung sein. In gleicher Weise erscheinen Konzepte, bei denen eine Anpassung der material- und konstruktions- bezogenen Parameter erfolgen kann, erfolgversprechend. Gebäudehüllen, welche aus schaltbaren Materialien bestehen, die je nach Notwendigkeit und Energiehaushalt Wärme aufnehmen, speichern und abgeben können, bieten die Möglichkeit, die Tages- und Nachtzyklen auszugleichen, und leisten damit einen Beitrag zum Gesamtenergiehaushalt des Gebäudes. Wirtschaftlich könnte man hier sogar von „Bauphysik 4.0“ sprechen, wobei integrale Lösungen nicht nur die Konstruktionsplanung enthalten, sondern auch das Energieeinsparpotenzial durch Wärmespeicherung, die mögliche Ver- wendung von bio-basierten Lösungen, das Ausnutzen des Wiederverwendungspotenzials von Roh- stoffen – und das alles basierend auf modernen digitalen Produktionstechnologien. Es ergeben sich gewaltige Herausforderungen – wobei auf den Bausektor zudem große Investitionen in Wissen und moderne Technologien zukommen werden. E I N LE ITU NG 11 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 11 09.04.18 23:10 12 WÄR M E 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 12 09.04.18 23:10 2 Wärme hängt von der Umgebungstemperatur, der Tätigkeit und der Bekleidung ab. Man geht dazu von einer 80 kg schweren Per- son aus. Bei 20 °C ergibt sich in ruhender Position (Sitzen) eine Wärmeabgabe bzw. ein Wärmestrom von rund 100 W. Der vom Körper abfließende Wärmestrom setzt sich aus der Wärme konvektiven Wärmeabgabe an die Raumluft und der radiativen Wärmeabgabe an Raumumgebungsflächen zusammen. Je größer der Temperaturunterschied zwischen Körpertemperatur und Raumtemperatur bzw. der raumbegrenzenden Oberflächentem- peratur ist, desto größer ist der entstehende Wärmestrom. Dieser Zusammenhang wirkt sich negativ auf das Behaglichkeitsempfin- den aus. Besonders deutlich wird dieser Effekt, wenn sich Perso- nen im Winter in der Nähe von kalten Bauteiloberflächen wie zum Wärme bzw. Wärmeenergie ist für den Menschen ein leicht greif- Beispiel großflächigen Fenstern aufhalten. Der Wärmestrom zwi- bares physikalisches Phänomen. Dies liegt unter anderem daran, schen Körperoberfläche und Bauteiloberfläche kann so groß wer- dass die Temperatur als lineares Maß dieser Energie für den Men- den, dass ein unangenehmes Zuggefühl auf der Hautoberfläche schen gut spürbar ist. Wir nehmen also Wärme direkt durch un- entsteht. Erhöht man die Wandoberflächentemperatur, verbessert ser größtes Organ – die Haut – wahr und können sehr gut zwi- sich auch unmittelbar das Wohlbefinden. schen niedrigen Temperaturen im Winter und hohen Temperaturen Des Weiteren ist der Zusammenhang zwischen Temperatur im Sommer unterscheiden. Physikalisch betrachtet ist Wärme und relativer Luftfeuchte von großer Bedeutung. Bei Temperatu- eine Energieform, die aus der Bewegungsenergie der Atome und ren von 21 °C (± 2 °C) kann die relative Luftfeuchte zwischen Moleküle von Materie resultiert. 35–70 % schwanken und wird trotz dieser erheblichen Spanne Im Bauwesen spielt Wärmeenergie eine große Rolle. Das Ziel als behaglich empfunden. Höhere Temperaturen und/oder stei- ist es, ein für den Menschen thermisch behagliches und hygieni- gende relative Luftfeuchtigkeit erzeugen das Gefühl einer drü- sches Raumklima zu erreichen. Im Winter müssen Räume beheizt ckenden Schwüle. Hohe Luftfeuchten behindern die körperei- und im Sommer eventuell gekühlt werden. Hierbei soll möglichst gene Temperaturregulierung, weil beim Schwitzen kaum mehr wenig Energie verbraucht werden. Zusätzlich muss eine Tauwas- Energie durch den Effekt der Verdunstungskälte abgegeben wer- serbildung an Bauteiloberflächen zwingend vermieden werden, den kann. Niedrige Temperaturen mit hohen relativen Luftfeuch- damit kein Schimmelpilzwachstum entsteht. Eine Gebäudehülle ten werden als typisch nasskalt empfunden. Hierbei wird dem muss daher einen gewissen Dämmstandard aufweisen – dafür Körper Wärme über die höhere Wärmeleitfähigkeit der Luft entzo- sind entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Um diese fachlich gen, und die entstehende Verdunstungskälte auf der Hautoberflä- korrekt zu planen, sind grundlegende Kenntnisse auf dem Gebiet che kühlt den Körper zusätzlich aus. der Wärmelehre erforderlich. WÄRMETRANSPORT BEHAGLICHKEIT Wärme ist eine Energieform, die mit der Temperatur als Zustands- Das Wohlbefinden eines Menschen trägt entscheidend zu des- größe einhergeht. Die Temperatur ist ein Maß für die Bewegungs- sen Gesundheit und Leistungsfähigkeit bei. Innerhalb eines Ge- energien der Teilchen innerhalb eines Stoffes oder Stoffsystems. bäudes ist das Raumklima hierfür der ausschlaggebende Faktor. Dies gilt sowohl für die Schwingungsenergie der Moleküle fester Je nach Kleidung und Aktivität des Bewohners sind Raumtempe- Körper als auch für die Molekülbewegung in unregelmäßigen ratur und relative Luftfeuchte entsprechend anzupassen. Aber Bahnen bei Gasen und Flüssigkeiten. auch die Temperatur der Bauteiloberflächen und die Luftge- Der Transport von Wärmeenergie ist grundsätzlich an eine schwindigkeit beeinflussen das Wohlempfinden der Menschen, Temperaturdifferenz in einem Stoffsystem gebunden. Dabei wird die zudem hinsichtlich des Raumklimas ganz unterschiedliche Wärme immer von einem hohen Temperaturniveau in Richtung Empfindungen haben. Insofern ist die Behaglichkeit keine exakte, des niedrigeren Temperaturniveaus transportiert. Der sich erge- sondern eine subjektive Größe. bende Wärmestrom bezeichnet die pro Zeiteinheit transportierte Referenzgrößen als Beurteilungsgrundlage für ein behagliches Wärmemenge. Bezogen auf eine Übertragungsfläche ergibt sich Raumklima sind über ein sogenanntes akzeptables Raumklima die Wärmestromdichte. Die wichtigsten Wärmeübertragungsme- geregelt. Nach DIN EN ISO 7730 müssen 80 % empirisch ermit- chanismen der Wärmelehre sind Wärmeleitung, Konvektion und telter Personendatensätze ein Raumklima als thermisch behaglich Wärmestrahlung. einstufen. Ein behagliches Empfinden wird dann erreicht, wenn mit möglichst geringem Aufwand ein Gleichgewicht zwischen der im Körper erzeugten Wärmeleistung und dem vom Körper abgegebe- nen Wärmestrom geschaffen wird. Die vom Körper abgegebene WÄR M E 13 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 13 09.04.18 23:10 Wärmeleitung Das Phänomen der Wärmeleitung beschreibt den maßgebenden Die stoffspezifische Größe zur Beschreibung der Wärmeleit- Wärmetransportmechanismus in festen Stoffen und Stoffsyste- eigenschaften eines Materials ist die Wärmeleitfähigkeit λ men, die miteinander in Berührung stehen. Jedes Atom eines [W/mK]. Die Wärmeleitfähigkeit gibt an, wie viel Wärmeenergie Stoffes schwingt in Abhängigkeit der Temperatur innerhalb sei- pro Längeneinheit einer Materialschicht und einem Temperatur- nes Schwingradius um seine Position der Ruhelage. Die Position delta von 1 K transportiert wird. Die Wärmeleitfähigkeit wird durch der Ruhelage entspricht dem Standort eines Atoms im Stoffge- die Faktoren Rohdichte, Feuchtegehalt und Temperatur beein- füge bei 0 ° Kelvin = – 273,15 ° Celsius (absoluter Nullpunkt). Be- flusst. Materialien mit dichter Atom- und Molekülpackung (hohe findet sich ein Atom in absoluter Ruhelage, geht von ihm keine Rohdichte) besitzen demnach eine hohe und Materialien mit aus- Bewegungsenergie aus. Bei steigender Temperatur erhöht sich gedünnter Atom- und Molekülpackung (geringe Rohdichte) eine die Schwingungsenergie der Atome. niedrige Wärmeleitfähigkeit. Je nach Gefügestruktur eines Stoffes oder Stoffsystems sind Ferner steigt die Wärmeleitfähigkeit mit zunehmender Feuchte dessen Atome in Molekülstrukturen, Atomgitterstrukturen oder stetig an. Für diesen Effekt sind eingelagerte Wassermoleküle in- gemischten Strukturen angeordnet. Je dichter die Atome und nerhalb der Porenstruktur eines Stoffes verantwortlich, welche als Moleküle gepackt sind, desto häufiger überlappen sich deren Berührungsbrücken zwischen der Molekülstruktur wirken und Schwingradien und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines demnach den Energietransport begünstigen. Aufgrund der stei- Zusammenstoßes während der Schwingbewegung. Über die Zu- genden Bewegungsenergie nimmt in aller Regel die Wärme- sammenstöße wird Wärmeenergie von stark schwingenden Ato- leitfähigkeit sowohl von dichten als auch von porösen Stoffen mit men und Molekülen an angrenzende schwach schwingende über- steigender Temperatur zu. Bemerkenswert ist, dass der Effekt bei tragen und durch ein Stoffsystem geleitet. Das Materialmodell ≥ 1 porösen Stoffen, wie zum Beispiel einigen Dämmstoffen, stärker visualisiert die Wahrscheinlichkeit potenzieller Zusammenstöße in ausgeprägt ist. Abhängigkeit der Materialstruktur. Die allgemeine Wärmeleitgleichung nach dem Fourier’schen Gesetz beschreibt das Phänomen der Wärmeleitung durch eine Materialschicht im eindimensionalen Fall ≥ 2. Material mit geringer Rohdichte ∂T ∂2 T ρc =λ 2 ∂t ∂x mit λ Wärmeleitfähigkeit [W/mK] Q ρ Rohdichte [kg/m³] c spezifische Wärmekapazität [J/kgK] Material mit hoher Rohdichte θ(X,t) Q θ1 dθ dx θ2 1 (λ,ρ,c) X Wärmeleitfähigkeit in Abhängigkeit von der Materialrohdichte 2 Das Materialmodell zeigt die über Federsysteme verbundenen Atome bzw. Moleküle sowie deren Schwingbewegungen in Abhängigkeit von der Materialstruktur, wobei Q die speicherbare Wärmeleitgleichung nach dem Fourier’schen Gesetz Wärmeenergie ist. Je dichter eine Gefügestruktur ist, desto Die Wärmeleitgleichung beschreibt die materialspezifische, höher ist die Wahrscheinlichkeit potenzieller Zusammenstöße. instationäre Temperaturverteilung über einen Materialquerschnitt Das Modell zeigt vereinfacht nur die Schwing-bewegungen in in Abhängigkeit von der Materialschichtdicke und der Zeit. horizontaler Richtung. Die reale Molekülbewegung und Wärme- übergabe erfolgt im dreidimensionalen Raum. 14 WÄR M E 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 14 09.04.18 23:10 In aller Regel treten in der Natur immer instationäre Randbedin- Strömen die warmen Luftmoleküle an einer kalten Oberfläche ei- gungen auf. Wie sich die Temperatur über einen Querschnitt ver- nes Körpers entlang, wird die Wärmeenergie an die Körperober- teilt und in welchem Zeitraum dies geschieht, hängt von der Wär- fläche abgegeben. Analog können warme Körperoberflächen meleitfähigkeit und der Wärmespeicherkapazität des Stoffes ab. Wärmeenergie an die angrenzenden Luftmoleküle abgeben, wo- Diese Effekte formuliert der Temperaturleitkoeffizient bei sich wiederum eine Strömung ergibt. Dieser auf unterschied- lichen Dichten basierende Vorgang wird als freie Konvektion λ bezeichnet. Im Gegensatz zur freien Konvektion kann ein Konvek- α= ρ c tionsstrom auch mit einer Luftströmungsquelle, wie zum Beispiel einem Gebläse oder Wind, künstlich erzeugt werden. Diese Art Er beschreibt die Geschwindigkeit, mit der eine Temperaturwelle der Strömungsbewegung nennt man „Erzwungene Konvektion“. durch einen Stoff mit einer Fläche von 1 m² transportiert wird, also Die sich ergebende Wärmestromdichte q zwischen einem Kör- wie schnell ein Werkstoff auf eine Temperaturänderung reagiert. per und einem angrenzenden gasförmigen oder liquiden Medium In diesem Buch werden stationäre Bedingungen unterstellt. hängt zum einen von der Temperatur des strömenden Mediums θU Aufgrund dessen ergeben sich zeitlich unabhängige Randbedin- und der Körperoberflächentemperatur θS ab. Zum anderen beein- gungen mit einer konstanten Temperaturverteilung. flussen die Oberflächenrauigkeit eines Körpers und die Strö- mungsgeschwindigkeit des strömenden Mediums die Wärme- Konvektion übertragung signifikant. Diese beiden Einflussparameter sind in Die Wärmeübertragung durch Konvektion erfolgt durch die Über- dem konvektiven Wärmeübergangskoeffizienten hv berücksichtigt. gabe von Wärmeenergie eines Körpers an ein vorbeiströmendes Die konvektive Wärmestromdichte q ergibt sich durch die Mul- Medium, wie zum Beispiel Luft, oder umgekehrt durch die Über- tiplikation des Wärmeübergangskoeffizienten hv mit dem vorherr- gabe von Wärmeenergie eines strömenden Mediums an einen schenden Temperaturunterschied zwischen dem strömen- Körper. Erwärmt eine Wärmequelle Luftmoleküle, so geraten den Medium θU und der Körperoberflächentemperatur θS. Je diese in Bewegung. Die erwärmte Luft nimmt ein größeres Volu- größer der Temperaturunterschied und der Wärmeübergangs- men ein und verringert somit ihre Dichte. Die warme Luft steigt koeffizient sind, desto größer ist der sich ergebende Wärmestrom auf und kühlt stetig ab. Während des Abkühlens ergibt sich eine und desto besser ist die Wärmeübertragung ≥ 3. Volumenabnahme, sodass die dichter werdende kalte Luft wieder absinkt. Dieser Prozess verursacht eine kontinuierliche gegen- q = hv ( θs – θu ) läufige Strömung. 3 Wärmeübertragung durch Konvektion Die Grafik zeigt eine Konvektionsströmung, welche von einer Wärme- und/oder Luftströmungsquelle hervorgerufen wird. Warme Luft mit geringerer Dichte (rot) steigt nach oben und kalte Luft mit höherer Dichte (schwarz) sinkt nach unten. Die erwärmten Luftmoleküle strömen an einer kalten Wandoberfläche entlang und übertragen dort ihre Wärmeenergie. Abgekühlte Luftmoleküle sinken wieder nach unten, sodass sich eine gegenläufige Konvektionsströmung einstellt. WÄR M E 15 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 15 09.04.18 23:11 Wärmeübertragung durch Strahlung Strahlungsenergie wird durch die sich in Bewegung befindenden Wird Energie nur durch Strahlung transportiert, herrscht für Atome bzw. Moleküle eines Stoffes erzeugt und in Form von elek- EE = EA Temperaturkonstanz. Für EE ≠ EA verbleibt eine Differenz, tromagnetischen Wellen ausgesandt. Je stärker die Bewegungs- die entweder bei EE > EA eine Erwärmung und bei EE < EA die energie der Atome bzw. Moleküle eines Stoffes ist, desto höher Abkühlung eines Stoffes zur Folge hat. Der Wärmetransport ist die von ihm ausgehende Strahlungsenergie. Ein Stoff, der durch einen Körper basiert auf der Wärmeleitung. Vereinfacht Strahlungsenergie empfängt oder aussendet, wird in der Physik kann die Übertragung von Wärme durch Strahlung als Oberflä- als Strahler bezeichnet. Die Gesamtenergie eines Strahlers setzt chenphänomen betrachtet werden. sich aus der kurzwelligen, sichtbaren Lichtenergie (Wellenlänge: Als idealer Strahler definiert sich der sogenannte Schwarze 0–3000 nm) und der langwelligen Infrarotstrahlung (Wellenlänge: Strahler. Dieser absorbiert und emittiert gleichzeitig sämtliche von 3000 nm bis 800 µm) zusammen. Die Wellenlänge der Strah- Strahlungsenergie. Transmission und Reflexion sind ausgeschlos- lung verschiebt sich nach dem Wien’schen Verschiebungsgesetz sen. Dabei sind seine Eigenschaften materialunabhängig und de- mit steigender Temperatur zu immer kürzeren Längen. finieren sich nur über dessen Temperatur. In Abhängigkeit von der Wird beispielsweise einem Eisenstab Energie zugeführt, er- Temperatur können auch farbige Oberflächen als Schwarzer wärmt sich der Stab und sendet zunächst nicht sichtbare Wärme- Strahler fungieren. Physikalisch betrachtet ist beispielsweise un- strahlung über Infrarotstrahlung aus. Erhitzt man den Stab weiter, sere Sonne ein Schwarzer Strahler, trotz weiß-gelblicher Erschei- beginnt er rot zu glühen. Jetzt addiert sich zur unsichtbaren Strah- nung. Die im Bauwesen relevanten Baustoffoberflächen wirken lung ein Teil kurzwelliger, sichtbarer Strahlung. Durch weiteres als sogenannte Graue Strahler. Erwärmen erhöht sich der Teil kurzwelliger sichtbarer Strahlung Die Energieaussendung und Energieaufnahme Grauer Strah- immer weiter, bis der Stahl weißlich glüht. ler reduzieren sich über deren Emissionsgrad ε und Absorptions- Der gesamte Energietransport der Strahlung E setzt sich aus grad α, die das Verhältnis der Energiedichte des grauen Körpers den Anteilen Reflexion ρ, Absorption α, Transmission τ und Emis- im Verhältnis zu einem Schwarzen Strahler angeben. Nach Kirch- sion ε zusammen. Die Anteile der Strahlung können in einer Ge- hoff (Kirchhoff’sches Strahlungsgesetz) sind Emissionsgrad und samtbilanz dargestellt werden ≥ 4. Absorptionsgrad gleich groß ε = α. Die Gesetzmäßigkeit nach Kirchhoff lässt sich auf die solare Strahlung nicht anwenden. Solare Strahlung besitzt relativ kurze Einstrahlungsenergie EE = Eρ + Eα + E τ (ρ + α + τ = 1) Wellenlängen. Das Emissions- und Absorptionsverhalten von Ausstrahlungsenergie EA = Eρ + Eε + Eτ (ρ + ε + τ = 1) Stoffen ist für lang- und kurzwellige Strahlung unterschiedlich, wodurch ε ≠ α gilt. Einstrahlung Ausstrahlung Strahlungs- energie Emission Eε Transmission Eτ E ρ E n xio fle Re Absorption Eα Wärmeübertragung d Wärmeleitung Transmission Eτ Emission Eε 4 Wärmeübertragung durch Wärmestrahlung Die schematisierte Darstellung verdeutlicht die Wärmeenergieübertragung in Form Ausstrahlung von Wärmestrahlung. Zu erkennen sind die Gesamtbilanzen der Ein- und Ausstrahlungs- energien und deren Anteile Reflexion, Absorption, Transmission und Emission. 16 WÄR M E 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 16 09.04.18 23:11 Der Energietransport zwischen Körpern, Flächen und Volumina freie Moleküle des Gases an der Molekülstruktur der Oberfläche über elektromagnetische Wellen benötigt ein Temperaturgefälle, des festen Mediums vorbei, wodurch sich ein guter Wärmeener- um einen Wärmestrom erzeugen zu können. Der Wärmeaus- gieaustausch im Grenzflächenbereich einstellt. tausch erfolgt vom hohen zum niedrigen Temperaturniveau und ist Der Wärmeübergangskoeffizient h ist die Summe aus dem nicht an ein Medium gebunden, d. h. Wärme kann mittels Wärme- strahlungsbedingten Übergangskoeffizienten hr und konvektiven strahlung auch im Vakuum übertragen werden. Der Vorgang Übergangskoeffizienten h v. Der Wärmeübergangswiderstand RS hängt von der Temperatur (Temperaturverteilung), den optischen wird über den Kehrwert des Wärmeübergangskoeffizienten h ge- Eigenschaften und der Oberflächengeometrie ab. bildet. Im Bauwesen wird der Wärmeübergangswiderstand über die WÄRMEÜBERGANGSWIDERSTAND Richtung des Wärmestroms definiert. Dabei unterscheidet man Der Wärmeübergang bezeichnet im Bauwesen den Wärme- zwischen innen, außen, aufwärts, horizontal und abwärts. Insbe- energieaustausch zwischen einem Gas und der Oberfläche eines sondere im Innenbereich ergeben sich unterschiedliche Wider- festen Mediums. Die Wärmeübertragung in diesem Grenzflächen- stände. Der innere Wärmeübergangswiderstand Rsi nimmt pau- bereich wird maßgeblich durch die beiden Wärmeübertragungs- schal von einem aufwärtsorientierten Wärmestrom hin zu einem mechanismen Strahlung und Konvektion geprägt. Die Luft hat nur abwärtsorientierten Wärmestrom zu. Dies ist vor allem auf freie eine sehr geringe Wärmeleitfähigkeit, wodurch der Anteil an konvektive Vorgänge zurückzuführen. Warme Luft steigt nach Wärmeleitung bei dieser Betrachtung vernachlässigt werden kann. oben und kalte Luft sinkt nach unten. Das Phänomen des Wärmeübergangs beschreibt der Wärme- Wärmeübergangswiderstände von Konstruktionen, die an Au- übergangskoeffizient h bzw. der Wärmeübergangswiderstand RS. ßenluft grenzen (Rse ), werden überwiegend von erzwungenen, Der Wärmeübergangskoeffizient setzt sich aus den beiden Wärme- konvektiven Strömungen der äußeren Luftbewegung beeinflusst übergangskoeffizienten hr (Strahlung) und h v (Konvektion) zusam- und in der Regel unabhängig von der Wärmestromrichtung ange- men und beschreibt die Wärmemenge, die pro Sekunde und bei geben. Bauteilspezifische Bemessungswerte für den inneren und einem Temperaturdelta von 1 K an der Grenzfläche eines 1 m² äußeren Wärmeübergangswiderstand sind den allgemein aner- großen festen Mediums übertragen wird. Je größer der Wert des kannten Regelwerken zu entnehmen. jeweiligen Wärmeübergangskoeffizienten oder je kleiner der Wär- meübergangswiderstand ist, desto mehr Wärmeenergie kann pro WÄRMESPEICHERFÄHIGKEIT Zeiteinheit und Temperaturänderung übertragen werden. In die- Vereinfacht beschreibt die Wärmespeicherfähigkeit die Eigen- sem Zusammenhang steigt der strahlungsbedingte Übergangs- schaft eines Stoffes, zugeführte Wärmeenergie aufzunehmen und koeffizient hr umso mehr an, je höher die Temperatur der Umge- diese bei Abkühlung wieder abzugeben. Die Wärmespeicherfä- bungsluft, der Oberfläche des festen Mediums und dessen higkeit einer Konstruktion hängt maßgeblich von den thermischen Emissionsgrad ist. Die Größe des konvektiven Übergangskoeffizi- Eigenschaften der verwendeten Baustoffe ab. Insbesondere mas- enten hv wird durch die vorhandene Strömungsgeschwindigkeit sige Bauteile können hohe Wärmeenergiemengen speichern. Die des Gases (Luft) im Grenzflächenbereich Gas/festes Medium Rohdichte ρ und spezifische Wärmekapazität cspez sind in diesem bestimmt. Bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten strömen viele Zusammenhang maßgebende Parameter, um die Wärmespei- cherfähigkeit eins Materials zu beschreiben. Die spezifische Wärmekapazität bezeichnet die Wärmemenge, die nötig ist, um einen Stoff um ein 1 K zu erwärmen. Durch die Zufuhr von Wärme oder Arbeit erhöht sich die innere Energie eines Stoffes. Die einem Werkstoff zugeführte Wärmeenergie E E wird in Form von innerer Energie gespeichert. Die Speicherung erfolgt in translatorischen, rotatorischen und vibratorischen (schwingenden) Freiheitsgraden der Moleküle. Jedes Teilchen be- nötigt Energie, um in Abhängigkeit seiner Freiheitsgrade zur Translation, Rotation und/oder Schwingung angeregt zu werden. Vereinfacht und für das Bauwesen hinreichend genau betrachtet, 5 können Feststoffe nur zur Schwingung angeregt werden. So lässt Teilchendichte pro Masseneinheit eines Stoffes sich ableiten, dass umso mehr Teilchen pro Masseneinheit eines Ein Stoff enthält pro Masseneinheit (z. B. pro Gramm) eine bestimmte Stoffes vorhanden sind, je mehr Energie (E) zur Schwingungsan- Menge an Teilchen. Je mehr Teilchen in einem Gramm eines Stoffes regung benötigt wird ≥ 5. enthalten sind, desto mehr Energie (E) wird benötigt, um diese in Schwin- gung zu versetzen, und desto größer ist die spezifische Wärmekapazität dieses Stoffes. Die Abbildung links stellt hierbei eine hohe spezifische Wärmekapazität dar, rechts ist diese gering. WÄR M E 17 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 17 09.04.18 23:11 WÄRMEDURCHGANG DURCH BAUTEILE Je höher die spezifische Wärmekapazität und die Rohdichte ei- Mit dem Begriff Wärmedurchgang ist im Bauwesen der Transport nes Stoffes sind, desto mehr Wärmeenergie kann während einer von Wärmeenergie durch ein Bauteil hindurch gemeint, wobei Temperaturänderung gespeichert werden und umso länger dieser Vorgang von den inneren und äußeren Klimarandbedingun- braucht ein Werkstoff, um aufzuheizen bzw. abzukühlen ≥ 6. gen abhängt. Dabei werden der Wärmetransport innerhalb mate- Diese Art der Wärmespeicherung wird als sensible Wärmespei- rialspezifischer Bauteilschichten und der jeweilige Wärmeüber- cherung bezeichnet. Folgende Gleichung beschreibt die gang zwischen Bauteilinnenoberfläche und Innenumgebung speicherbare Wärmeenergie Q: sowie Bauteilaußenoberfläche und Außenumgebung betrachtet. Wärmedurchlasswiderstand opaker Bauteile Q = c spez ρ V ∆θ Opake Bauteile bestehen aus nichttransparenten Materialschich- ten. Der Wärmedurchlasswiderstand R einer solchen homogenen mit cspez spezifische Wärmekapazität [Wh/(kgK)] Bauteilschicht beschreibt den Widerstand zur Weiterleitung von ρ Rohdichte [kg/m³] Wärmeenergie durch das Materialgefüge der entsprechenden V Volumen [m³] Schicht ≥ 7. Der Wärmedurchlasswiderstand ist demnach der ∆θ Temperaturdifferenz [K] Quotient aus der Schichtdicke d und der Wärmeleitfähigkeit λ des Materials der Bauteilschicht. V= X*Y*Z d 2 Z R= [m K/W] λ λ θ1 (ρ, cspez) Y ∆θ d θ2 7 Wärmedurchlasswiderstand Der Wärmedurchlasswiderstand beschreibt den materialspezifischen Wider- stand, welcher der Übertragung von Wärmeenergie durch Wärmeleitung X entgegengesetzt wird, und errechnet sich aus dem Quotienten der Material- schichtdicke und der Wärmeleitfähigkeit. Je größer die Materialdicke und je kleiner die Wärmeleitfähigkeit, desto größer ist der Wärmedurch- 6 lasswiderstand. Speicherbare Wärmeenergie eines Materials Die speicherbare Wärmeenergie eines Feststoffs ergibt sich aus dem Produkt der spezifischen Wärmekapazität, Bei Bauteilen, die aus mehreren Materialschichten zusammenge- Rohdichte, dem Volumen und einer vorherrschenden Tem- setzt sind, errechnet sich der Wärmedurchlasswiderstand aus peraturdifferenz. Dieser Zusammenhang ist hier anhand der Summe der Einzelwiderstände ≥ 8. einer schematisierten Gefügestruktur visualisiert. n di R=∑ i =1 λ i λ λ1 λ2 λ3 λn d1 d2 d3 dn 8 Wärmedurchlasswiderstand mehrerer Materialschichten Der Wärmedurchlasswiderstand zusammengesetzter Materialschichten er- rechnet sich über die Addition der Einzelwiderstände jeder Materialschicht. 18 WÄR M E 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 18 09.04.18 23:11 Wärmedurchlasswiderstand von Luftschichten Bei Luftschichten erfolgt die Wärmeübertragung über Wärmelei- Der Kehrwert des Wärmedurchgangswiderstands RT bildet den tung, Konvektion und Wärmestrahlung. Die Wärmeleitung besitzt Wärmedurchgangskoeffizienten oder U-Wert ≥ 9. Mithilfe des in diesem Zusammenhang den geringsten Anteil. Je nach Luftström- U-Wertes können im Bauwesen Bauteile bezüglich ihrer ungsgeschwindigkeit und Luftschichtdicke ergeben sich unter- Wärmedämmwirkung beurteilt werden. Für Bauteile mit schiedliche Wärmedurchlasswiderstände. Im Bauwesen unter- homogenem Schichtaufbau wird der U-Wert wie folgt ermittelt: scheidet man zwischen ruhenden, schwach und stark belüfteten Luftschichten. n di Der Wärmedurchlasswiderstand ruhender Luftschichten steigt RT = ∑ + R si + Rse i=1 λi zunächst mit zunehmender Schichtdicke an. Je nach Schichtdicke stellt sich eine freie Konvektionsströmung ein, die neben einem geringen Strahlungs- und Wärmeleitungsanteil stetig mehr an Be- deutung gewinnt. Ab einer Schichtdicke von etwa 20 bis 25 mm wird die freie Konvektion zum maßgebenden Wärmeübertra- Inhomogen zusammengesetzte Bauteile sind differenziert zu gungsmechanismus. Der Wärmedurchlasswiderstand steigt mit betrachten, da hier nicht nur ein eindimensionaler Wärmestrom zunehmender Schichtdicke nicht weiter an, sondern nähert sich durch das Bauteil in Richtung der Schichtenfolge stattfindet, son- einem bestimmten Grenzwert. dern auch ein Wärmestrom orthogonal zur Schichtenfolge. Ver- Schwach und stark belüftete Luftschichten in der Fassade be- antwortlich hierfür sind abweichende Schichtaufbauten, wie zum nötigen Belüftungsöffnungen, damit sich die erwünschte Luftströ- Beispiel unterschiedliche Materialdicken innerhalb einer Schicht mung einstellt. Je größer die Fläche der Belüftungsöffnungen ist, oder Materialien mit unterschiedlicher Wärmeleitfähigkeit. Dem- desto größer wird die Luftströmung innerhalb der Luftschicht. Die nach müssen die zweidimensionalen Einflüsse für die Bestim- maßgebende erzwungene, konvektive Wärmeübertragung führt zu mung des U-Wertes berücksichtigt werden. erhöhtem Wärmeabfluss, sodass bei stark belüfteten Luftschich- Im Zuge der Ermittlung des Wärmedurchgangswiderstands ten davon ausgegangen werden kann, dass nachfolgende Bauteil- wird ein oberer Grenzwert Ro und ein unterer Grenzwert Ru ermit- schichten keine wärmedämmende Wirkung mehr haben. Bemes- telt, welche die parallelen und orthogonalen Wärmeströme abbil- sungswerte für Luftschichten unterschiedlicher Belüftung sind den. Das arithmetische Mittel beider Grenzwerte beschreibt den entsprechender Fachliteratur sowie Regelwerken zu entnehmen. Wärmeübergangswiderstand RT des inhomogenen Bauteils. Im Rahmen dieses Buches wird auf die detaillierte Berech- Wärmedurchgangswiderstand nung dieses Verfahrens nicht weiter eingegangen. Die nachfol- und Wärmedurchgangskoeffizient genden Aspekte beziehen sich vereinfacht auf homogene Bauteil- Der Wärmedurchgangswiderstand berücksichtigt im Gegensatz aufbauten. zum Wärmedurchlasswiderstand auch die Wärmeübergangs- widerstände der Grenzschichten zwischen Bauteil und der Innen- sowie Außenumgebung. Der Wärmedurchgangswiderstand er- rechnet sich über die Summe aller Einzelwärme-Durchlasswider- stände der Bauteilschichten und dem inneren Wärmeübergangs- widerstand Rsi sowie äußeren Wärmeübergangswiderstand Rse. Rsi λ1 λ2 λ3 λn Rse d1 d2 d3 dn 9 Wärmedurchgangswiderstand und Wärmedurchgangskoeffizient Der Wärmedurchgangswiderstand berechnet sich aus der Summe der Einzelwärmedurchlasswiderstände und der zusätzlichen Addition des inneren und äußeren Wärmeübergangswiderstands. Dieser Parameter beschreibt somit nicht mehr nur die materialspezifischen Eigenschaften, sondern das Verhalten eines Bauteils unter definierten Umgebungsrandbedingungen. Der U-Wert ist der Kehrwert des Wärmedurchgangswider- stands und bildet den Hauptindikator zur Beurteilung der Wärmedämmeigenschaften eines Bauteils. WÄR M E 19 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 19 09.04.18 23:11 Stationärer Temperaturverlauf SOMMERLICHER WÄRMESCHUTZ innerhalb eines Bauteils Ein wichtiges Thema der Bauphysik ist der sommerliche Wärme- Die Wärmestromdichte q ist im eindimensionalen Fall an jeder schutz, der möglichst energieeffizient hohe Raumtemperatur- Stelle des Bauteils gleich groß ≥ 10, wodurch sie allgemein und spitzen an heißen Sommertagen vermeiden soll, um so dauerhaft für die Schichten j bis n, inklusive der Grenzschichten zwischen ein behagliches Raumklima zu schaffen. Bauteiloberfläche und Innenluft i sowie Bauteiloberfläche und Au- Um den Einfluss der klimatischen Situation auf das Gebäude ßenluft e, einzeln wie folgt formuliert werden kann: berücksichtigen zu können, wird für verschiedene Regionen und Klimazonen jeweils eine maximal zu akzeptierende Raumtempera- tur definiert. Bauliche sowie anlagentechnische Maßnahmen des q = U ( θi – θ e ) allgemein sommerlichen Wärmeschutzes sollen die Anzahl an Temperatur- stunden oberhalb dieser Maximaltemperatur minimieren. Die Bau- q = qi = hi (θi – θsi ) innerer Wärmeübergang weise eines Gebäudes spielt hierbei eine große Rolle: Massige Bauteile mit einer hohen Rohdichte und einer hohen spezifischen λj q = qj = (θsi – θ j/j+1) Schicht j Wärmekapazität sind gute Wärmespeicher. Solche Bauteile hei- dj zen langsam auf und reduzieren gleichzeitig den Anstieg der λ q = qn = n (θn–1/n – θ se ) Schicht n Raumtemperatur. Zudem stellen die Raumgeometrie, Art und In- dn tensität der Raumlüftung sowie Anzahl, Neigung, Energiedurch- q = qe = he (θse – θe ) äußerer Wärmeübergang lässigkeit und Verschattung der transparenten Bauteile wichtige Einflussparameter für den sommerlichen Wärmeschutz dar. Ins- besondere die Art und Weise der Verschattung wirkt sich auf die Temperaturentwicklung innerhalb eines Raumes aus. Näheres hierzu ist dem Kapitel „Licht“ dieses Buches zu entnehmen. qi qj q j +1 q n –1 qn qe j j +1 n–1 n 10 Wärmestromdichte im eindimensionalen Fall Die Wärmestromdichte beschreibt, wie viel Energie pro Zeit und Quadrat- meter durch ein Bauteil transportiert wird. Sie ist in jeder Materialschicht q [W/m 2 ] gleich groß. θi θj/j+1 Durch Umstellen der Gleichungen in ≥ 10 lässt sich der Tempera- θsi turverlauf für den eindimensionalen Wärmetransport unter statio- θ j+1/n–1 nären Randbedingungen eines mehrschichtigen Bauteils bestim- men ≥ 11. innen außen θ n–1/n θsi j j +1 n–1 n θe 11 Stationärer Temperaturverlauf im eindimensionalen Fall Der Temperaturverlauf über einen Bauteilquerschnitt ergibt sich über die lineare Verbindung der Grenztemperaturen zwischen zwei aneinandergren- zenden Bauteilschichten. Die Grenzschichten in den Bereichen des in- neren und äußeren Wärmeübergangs fließen mit in die Betrachtung ein. Die Temperatur der nächstfolgenden angrenzenden Schichten errechnet sich, indem aus der vorherigen Temperatur das Produkt aus dem Einzelwider- stand einer Schicht multipliziert mit der Wärmestromdichte subtrahiert wird. 20 WÄR M E 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 20 09.04.18 23:11 WÄRMESCHUTZ AM BEISPIEL VON VIER AUSSENWANDKONSTRUKTIONEN Zu Beginn dieses Kapitels wurden die Transportmechanismen für Einschalige Außenwandkonstruktion Wärme erläutert. Nachfolgend sollen vier typische, praxisnahe Die einschalige, statisch tragende Außenwand aus Stahlbeton ist Wandkonstruktionen die Mechanismen der Wärmeübertragung außenseitig verputzt ≥ 12. Das obere Bild zeigt die Situation im verdeutlichen sowie Vor- und Nachteile für den Wärmeschutz auf- Winter und das untere die im Sommer. Es ist deutlich zu erken- zeigen. nen, dass der Stahlbeton mit der hohen Wärmeleitfähigkeit sehr Die stark vereinfachte schematische Darstellung des Wärme- viele Schnittebenen der Schwingradien aufweist und die Wärme transports zeigt die Molekülebene und die Dichte in Form von eng dementsprechend gut weiterleitet. Der Außenputz weist eine we- und weit zueinanderstehenden Punkten. Stehen die einzelnen niger dichte Materialstruktur auf. Die Anzahl der sich überlappen- Moleküle bzw. Punkte weiter auseinander, liegt eine niedrigere den Schwingradien ist deutlich kleiner, wie auch die Wärmeleit- Dichte des Werkstoffs vor. Enger zusammenliegende Moleküle fähigkeit. Der U-Wert der Wandkonstruktion ist im Winter und im bedeuten eine höhere Dichte. Sommer natürlich gleich groß. Aufgrund der unterschiedlichen Streng genommen finden in porösen Stoffen zusätzlich zur Wärmestromrichtungen und der wechselnden Reihenfolge der „echten“ Wärmeleitfähigkeit in Abhängigkeit von der Porenbe- Wärmedurchlasswiderstände (R = d/λ) der Materialien ergeben schaffenheit Konvektions- und Strahlungsvorgänge statt. Dem- sich variierende Temperaturverläufe. nach muss die Wärmeleitfähigkeit als „effektive“ Wärmeleitfähig- keit betrachtet werden. Innerhalb der folgenden Schematisierung Außenwandkonstruktion wird auf dieses Phänomen nicht weiter eingegangen. Die Wärme- mit Wärmedämmverbundsystem leitung wird vereinfacht als Energieübergabe durch das Aneinan- Bei diesem Wandaufbau ist die tragende Stahlbetonkonstruktion derstoßen benachbarter schwingender Moleküle betrachtet. Die mit einem klassischen Wärmedämmverbundsystem versehen ≥ 13. roten Kreise zeigen schematisch die Schwingradien der einzelnen Das Dämmmaterial ist beispielsweise expandiertes Polystyrol, be- Atome bzw. Moleküle um deren Ruhelage. Anhand der Anzahl der schichtet mit einem Außenputz. Die Schwingradien zeigen, dass Kreise und deren Schnittebenen wird die Wahrscheinlichkeit der die Wärme-leitung innerhalb der Dämmschicht am geringsten ist. Atom- bzw. Molekülzusammenstöße dargestellt. Je mehr Schnitt- Die sehr poröse und minderdichte Materialstruktur des Dämm- ebenen sich ergeben, desto mehr Molekülzusammenstöße sind stoffs kann trotz großer Schwingungsenergie der Stahlbeton- zu erwarten und desto höher ist die Wärmeleitfähigkeit des dar- schicht die Wärmeenergie nur schlecht zu den einzelnen Molekü- gestellten Werkstoffs. Die Strichdicke der Schwingkreise symbo- len weitertransportieren. Die Temperatur erfährt in dieser Schicht lisiert vereinfacht den Temperaturverlauf. den größten Abfall. Dieser Wandaufbau besitzt einen niedrigen U-Wert und gute Dämmeigenschaften. Bei dieser Wandkonstruk- tion wirkt sich die Richtung des Wärmestroms sehr stark auf den Verlauf der Temperatur aus. Im Winter ergeben sich im Beton hohe Temperaturen mit einer hohen Innenoberflächentemperatur. Der massive Stahlbeton verfügt dank seiner hohen Rohdichte über eine ausgeprägte Wärmespeicherfähigkeit. Da er auf der In- nenseite angeordnet ist, kann er die gespeicherte Wärme, zum Beispiel nach dem Abschalten der Heizung, wieder in den Raum abgeben und so für ein recht konstantes Raumklima sorgen. Nach dem großen Temperaturabfall in der Dämmung ist das Tem- peraturdelta zwischen Putz und Außenluft dann nur noch sehr gering, sodass die Schwingungsenergien der Moleküle stark re- duziert sind und im Putz annähernd Außentemperatur herrscht. Im Sommer kehrt sich die Situation um. Die Wärmeenergie wird nur mäßig nach innen transportiert. Im Putz herrschen sehr hohe Temperaturen, welche in der Dämmschicht wieder stark abfallen und im Beton nur noch zu geringen Temperaturunter- schieden im Vergleich zur Innenraumtemperatur führen. Die λ λ [W/m K K ]] [W/mK] [W/m hohen Temperaturen im Putzsystem können zu enormen Tempe- raturspannungen zwischen Putz und Dämmung führen und daher Schäden durch Risse verursachen. Der Farbton der Fassade ist 12 nicht zu dunkel zu wählen, da durch den hohen Strahlungs- Einschalige Außenwandkonstruktion absorptionsgrad dunkler Oberflächen ein Aufheizen noch ver- Die statisch tragende Außenwand aus Stahlbeton ist außenseitig verputzt. stärkt wird. WÄR M E 21 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 21 09.04.18 23:11 Außenwandkonstruktion mit Innendämmung Bei dieser Wandkonstruktion ist die Wärmedämmung auf der In- Im Sommer kehrt sich auch hier die Situation wieder um. Der nenseite angeordnet ≥ 14. Analog zu den zuvor gezeigten Sche- größte Temperaturabfall findet im Innenbereich statt. An heißen mata ist erneut die Intensität der Wärmeleitung anhand der Sommertagen heizt sich im Außenbereich der gesamte massive Schwingradienanordnung zu erkennen. Durch die innenliegende Baukörper durch seine hohe Wärmespeicherfähigkeit nur lang- Dämmschicht wird im Winter der Temperaturabfall zur Innenseite sam und stetig auf. Im Innenbereich fehlt diese Speichermasse. hin verschoben. Die Temperatur im Beton und Außenputz sind Wird in einen Raum mit Innendämmung, zum Beispiel durch folglich sehr gering und nähern sich der Außentemperatur an. große Fensterflächen, viel Wärmeenergie eingetragen, können Wegen der niedrigen Wärmespeicherfähigkeit der Materialien an die geringen Wärmekapazitäten des Putzes und der Wärmedäm- der Innenwandoberfläche heizen sich innengedämmte Räume mung für hohe Innenraumtemperaturen sorgen, die die Behag- schnell auf und kühlen auch schnell wieder ab. Analog zum Tem- lichkeit stark reduzieren. peraturabfall verschiebt sich auch der Taupunkt des Wasser- dampfs in Richtung Innenseite. Diese Tatsache kann bezüglich Hinterlüftete Außenwandkonstruktion des Feuchteschutzes zu Problemen führen. Näheres hierzu ist Bei der hier gezeigten hinterlüfteten Außenwandkonstruktion dem Kapitel 3 „Feuchte“ zu entnehmen. folgt auf die Dämmschicht eine Luftschicht, in der sich eine Luft- strömung einstellt ≥ 15. In aller Regel sind diese Schichten stark belüftet. Innerhalb der festen Baustoffe wird die Wärme in be- kannter Weise, je nach den vorhandenen Schwingradien, über Wärmeleitung transportiert. In der stark belüfteten Luftschicht ist der Haupttransportmechanismus die erzwungene Konvektion. In diesem Zusammenhang ist die Strömungsgeschwindigkeit so groß, dass annähernd ein direkter Wärmeübergang an die Luft- moleküle stattfindet. Im Winter wird die Temperatur in der Dämm- schicht stark abfallen. Aufgrund der Strömungsgeschwindigkeit λ [W/m K ] λ [W/m K ] 13 14 Außenwandkonstruktion mit Wärmedämmverbundsystem Außenwandkonstruktion mit Innendämmung Das Dämmmaterial ist expandiertes Polystyrol, beschichtet mit einem Bei dieser Wandkonstruktion ist die Wärmedämmung auf der Innenseite an- Außenputz. geordnet. Wegen der niedrigen Wärmespeicherfähigkeit der Materialien an der Innenwandoberfläche heizen sich innengedämmte Räume schnell auf und kühlen auch schnell wieder ab. 22 WÄR M E 9783035611342_Knaack_Bauphysik_Umbruch2_180409__Finale RZ.indd 22 09.04.18 23:11 WÄRMEBRÜCKEN innerhalb der Luftschicht wird die nachfolgende Schicht praktisch Wärmebrücken sind Zonen innerhalb einer Konstruktion mit stark wärmetechnisch vom übrigen Schichtenaufbau isoliert. Im statio- verändertem Wärmestrom ≥ 16. Wärmebrücken treten überwie- nären Fall ist die Temperatur in der äußersten Schicht nahezu gend in Bereichen von Bauteilanschlüssen auf. Durch diese soge- gleich der Außentemperatur. Im Bauwesen werden diese Schich- nannten gestörten Bereiche fließen im Vergleich zu ungestörten ten nicht zu den Bauteilschichten mit wärmedämmender Wirkung