VWL Einführung, Humboldt Universität Berlin

Einführung in die VWL und Wirtschaftsgeschichte

• Kurs von Prof. Dr. Nikolaus Wolf an der Humboldt Universität zu Berlin im Wintersemester 2024/25.

Organisation

• Alle Kursmaterialien wie Folien und Übungsmaterialien sind auf Moodle unter dem Passwort "econ101" verfügbar.
• Der Kurs verwendet Elemente von Core-Econ "The Economy 1.0", einem frei zugänglichen Lehrwerk.
• Eine kostenlose Registrierung unter http://www.core-econ.org/ wird empfohlen.
• Core-Econ bietet ein E-Book ("The Economy 1.0"), Übungsaufgaben, Glossar, Lernhilfen, Quizfragen und Erklärvideos.

Themenübersicht

• VWL und Wirtschaftsgeschichte, Wohlstand und Ressourcen (21.10.2024, Core-Econ 1).
• Wissenschaftstheorie, Malthus und die Industrielle Revolution (28.10.2024, Core-Econ 2).
• Knappheit, Arbeit und individuelle Entscheidungen (04.11.2024, Core-Econ 3).
• Soziale Interaktion (11.11.2024, Core-Econ 4).
• Eigentum, Macht, Interesse und Konflikt (18.11.2024, Core-Econ 5).
• Unternehmen und unvollständige Verträge (25.11.2024, Core-Econ 6,7).
• Angebot und Nachfrage, Gleichgewicht und Schocks (02.12.2024, Core-Econ 8, 11).
• Marktversagen und Politik, Arbeitsmärkte (09.12.2024, Core-Econ 9, 12, 13).
• Geld, Kredit, Banken und der Goldstandard (16.12.2024, Core-Econ 10).
• Inflation und Geldpolitik, die deutsche Hyperinflation (06.01.2025, Core-Econ 15).
• Fiskalpolitik und Arbeitslosigkeit (13.01.2025, Core-Econ 14, 17 (a)).
• Weltwirtschaftskrise und politischer Extremismus (13.01.2025).
• Das makroökonomische Trilemma und Entwicklung von goldenen Zeitalter zur Finanzkrise (20.01.2025, Core-Econ 17 (b)).
• Probeklausur mit Nachbesprechung (27.01.2025).
• Außenhandel, Zahlungsbilanz und Globalisierung (03.02.2025, Core-Econ 18).
• Rückblick und Fragen (10.02.2025).

VL 1: Einführung

• Themen sind VWL im Kontext der Sozialwissenschaften, "Hockey-Stick"-Wachstum, Institutionen (Marktwirtschaft und Kapitalismus), Risiken und Nebenwirkungen (Umwelt, Ungleichheit, Kontrollverlust), Umfrage und Diskussion.

VWL in den Sozialwissenschaften

• VWL ist eine Sozialwissenschaft neben Politikwissenschaft, Soziologie, Rechtswissenschaften und BWL.
• VWL untersucht den Umgang mit knappen Ressourcen.
• Mikroökonomie betrachtet individuelles Verhalten und Entscheidungen.
• Makroökonomie analysiert das Zusammenspiel vieler individueller Entscheidungen unter Rahmenbedingungen wie Geographie, Institutionen und Technologie.
• Der Fokus liegt auf Entscheidungsverhalten, Messbarkeit, Suche nach Maßstäben und formaler Theoriebildung zur Reduktion von Komplexität.
• Die wissenschaftliche Theorie ist der kritische Rationalismus.

Geschichte der VWL

• Backhouse und Medema (2009) haben die Definition der VWL in "Journal of Economic Perspectives" untersucht.
• In der Antike war "oikonomia" die Hauswirtschaftslehre.
• Klassische Ökonomen umfassen Adam Smith (Wohlstand der Nationen), Baptiste Say (Produktion, Verteilung, Konsum) und John Stuart Mill (Gesetze der Phänomene der Gesellschaft).
• Der Fokus liegt auf Wohlstand, Gesellschaft und Staat.
• Neoklassische Ökonomen sind William Stanley Jevons ("a calculus of pleasure and pain") und Alfred Marshall (Political Economy ist ein Studium der Menschheit).
• Eine Verschiebung erfolgte von Wohlstand zu individuellen Entscheidungen und von "political economy" zu "economics".
• Robbins (1932) definierte VWL als die Wissenschaft des menschlichen Verhaltens in Bezug auf Ziele und knappe, alternative Mittel.
• Robbins Definition impliziert breite Grenzen zu anderen Sozialwissenschaften.
• Robbins selbst beschreibt die Implikation als "no limitations on the subject-matter of Economic Science".
• Zentrale Schlagworte sind „choice” und „scarcity”.
• Das Lehrbuch "Economics" von Paul Samuelson ist seit den 1970er Jahren weit verbreitet.

VWL und Wirtschaftsgeschichte

• VWL befasst sich hauptsächlich mit dem Umgang mit knappen Ressourcen.
• Wirtschaftsgeschichte ist die kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
• Wirtschaftsgeschichte ist wichtig für Überblick, Kontextverständnis, Trendanalyse, natürliche Experimente und Persistenz.

Wirtschaftsgeschichte - Lange Trends

• Betrachtung historischer Wirtschaftsindikatoren und Entwicklungen (z.B. Case-Shiller-Index).

Wirtschaftsgeschichte - Natürliche Experimente

• "Natürliche Experimente" sind historische Ereignisse, die ökonomische Variablen von außen verändern und es ermöglichen, ökonomische Theorien zu testen.
• Beispiele sind das Londoner Cholera-Experiment von 1854, Japans erzwungene Handelsöffnung 1859 und die Teilung und Vereinigung Berlins.

Wirtschaftsgeschichte - Persistenz

• Entscheidungen der Vergangenheit prägen den Spielraum für heutige und zukünftige Entscheidungen (Pfadabhängigkeit).
• Beispiele sind die QWERTY-Tastatur und die Standorte deutscher Flughäfen.

Aktuelle Forschung

• Forschung am Institut für Wirtschaftsgeschichte: https://www.wiwi.hu-berlin.de/de/professuren/vwl/wg/economic-history-research.
• Persönliche Webseiten der Forschungsteams sind relevant.

"Hockey-Stick"-Wachstum

• Zeigt das exponentielle Wachstum des BIP pro Kopf in verschiedenen Ländern ab etwa 1800.
• Es gibt enorme Unterschiede zwischen Ländern.
• Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst das gesamte Einkommen und die Produktion eines Staates in einem Jahr.
• Das BIP wird meist pro Kopf berechnet und in Kaufkraftparitäten (PPP) ausgedrückt.
• Das BIP-Konzept wurde in den 1920er Jahren entwickelt, um Volkswirtschaften zu verstehen und zu steuern.
• Verfügbares Einkommen ist das Gesamteinkommen minus Steuern plus Transfers.
• Das BIP pro Kopf ist nicht gleich dem verfügbaren Einkommen pro Kopf.

Alternative Maße Für Den Materiellen Lebensstandard

• Arbeitnehmerentgelt: Summe der Bruttolöhne und -gehälter plus Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber.
• Reallohn: Durchschnittlicher Arbeitslohn pro Stunde / Preisniveau.
• Haushaltsnettoeinkommen: Haushaltsbruttoeinkommen – Steuern + Transfers.

Beispiel Deutschland 2017-2023

• Die Daten umfassen Einwohnerzahl, BIP, verfügbares Einkommen und BIP/Kopf sowie VEK/Kopf in Euro.

BIP Und Andere Kennziffern

• Robert Kennedy kritisierte am 18. März 1968 die Fokussierung auf das BIP als Maß für Wohlergehen.
• Das BIP misst nicht Arbeitsbedingungen, Umwelt, Infrastruktur, Kinderarbeit oder Verteilung.
• Alternative Kennziffern sind der Human Development Index (UN) und der Better Life Index (OECD).

Woher Kommt Dieses Wachstum?

• Ursachen für Wachstum umfassen technologischen Fortschritt, veränderte Bevölkerungsdynamik und institutionellen Wandel (Marktwirtschaft, Kapitalismus).

Die Technologische Revolution

• Technologie ist ein Prozess, der aus Inputs einen Output erzeugt.
• Technologischer Fortschritt erhöht die Produktivität der Inputs und damit den Lebensstandard.
• Beispiele sind der technologische Wandel seit 1700 und die Vernetzung der Welt durch Technologie.
• Technologischer Fortschritt erhöht die Geschwindigkeit, mit der Informationen weitergegeben werden.

Bevölkerung

• Veränderte Dynamik und Konzentration in städtischen Gebieten.

Institutionen: Marktwirtschaft Und Kapitalismus

• Seit dem Hochmittelalter entstand in Europa ein neues Wirtschaftssystem mit neuen Institutionen, wie Privateigentum, Märkten und Unternehmen.
• Diese Institutionen definierten eine Wirtschaftsform, die sich im 18. Jahrhundert zum Kapitalismus entwickelte.
• Der Begriff "Kapitalismus" selbst kam erst Ende des 19. Jahrhunderts auf.

Elemente Des Kapitalismus

• Privateigentum: Verfügungsgewalt an Sachen und immateriellen Gütern (nicht an Menschen, Luft).
• Märkte: Mechanismus zum Austausch von Gütern und Dienstleistungen (Angebot und Nachfrage).
• Unternehmen: Organisationsform, die aus Produktionsfaktoren Produkte erstellt.
• Die Zusammenführung dieser drei Elemente führte zu weitreichenden Folgen, Anreizen für technologischen Fortschritt und Spezialisierung.
• Politische Rahmenbedingungen und die Entwicklung des Nationalstaates sind wichtige Faktoren.

Rolle Der Regierung In Der Wirtschaft

• Es gibt verschiedene Formen des Kapitalismus, abhängig vom politischen System.
• Liberale Form (USA, UK), koordinierte Form (Deutschland, Skandinavien) und Staatskapitalismus (China).

Risiken Und Nebenwirkungen

• Umweltfolgen, Ungleichheit und politischer Kontrollverlust.

Umweltfolgen

• Die Energieintensität nimmt nicht zwangsläufig mit dem Wirtschaftswachstum zu.
• Zunehmende Produktion und Bevölkerung belasten die Umwelt (Klimawandel, Verschmutzung).
• Technologie kann einige dieser Probleme lösen.

Ungleichheit

• Veränderungen in der Verteilung des materiellen Reichtums.
• Ricardo: Das Hauptproblem der Politischen Ökonomie besteht im Auffinden der Gesetze, welche die Verteilung des Reichtums bestimmen.
• Zwei Arten von Einkommensverteilungen: funktionale und personelle.
• Piketty's "Capital in the Twenty-first Century" löste eine neue Debatte aus.
• Messung von Ungleichheit: Gini-Koeffizient (0 = keine Ungleichheit, 1 = maximale Ungleichheit).
• Reduktion von Ungleichheit durch Politik und Steuern.
• Globale Ungleichheit: Einkommensunterschiede zwischen Ländern.

Politischer Kontrollverlust

• Wirtschaftspolitik wird durch globale Verflechtung und Multinationale eingeschränkt.
• Moderne Demokratien sind auf den Nationalstaat bezogen.
• Kann eine globale Wirtschaft von nationalen Regierungen kontrolliert werden? (Rodriks Trilemma).

Umfrage

• Identifikation des drängendsten Themas für die Wirtschaftswissenschaft aus Sicht der Studenten.

Nächste Woche

• Themen sind ökonomische Modelle, kritischer Rationalismus, die malthusianische Falle und die industrielle Revolution.