Softwarequalität 2

Organisatorische Qualitätsmaßnahmen

• Dieses Kapitel konzentriert sich auf organisatorische Qualitätsmaßnahmen, die als eine der drei Säulen der Softwarequalität betrachtet werden.
• Es geht um den Rahmen, der um ein Projekt oder Unternehmen herum aufgebaut ist, um qualitativ hochwertigen Output zu erreichen.
• Nach dem Studium dieses Abschnitts werden die Leser ein Verständnis für Vorgehensmodelle (insbesondere das V-Modell), Reifegradmodelle (wie CMM, CMMI, SPICE) und Software-Infrastruktur zur Unterstützung der Softwarequalität (z.B. Defektmanagementsysteme) entwickeln.
• Um Softwarequalität zu fördern, sind organisatorische Maßnahmen wichtig, die tief in den Projektabläufen, dem Setup und der Struktur des Unternehmens verankert sind.
• Diese Maßnahmen sind die Grundlage für die Entwicklung hochwertiger Softwareprodukte.
• Sie umfassen effektive Arbeitsprozesse, klare Kommunikationskanäle, notwendige Infrastruktur und eine Unternehmenskultur, die Qualität in den Mittelpunkt stellt.
• Es gibt zwei Perspektiven: das Interesse der Geschäftsleitung an geregelten Abläufen und die Notwendigkeit einer geeigneten Software-Infrastruktur für Entwickler.
• Die entsprechenden Maßnahmen entfallen auf die Kategorie der "Managementprozesse".

Managementprozesse

• Managementprozesse umfassen Strategien und Prozeduren, die notwendig sind, um die strukturierte Umsetzung eines Software-Projekts in einem Unternehmen zu ermöglichen.
• Ein Prozess wird formell durch eine Sequenz von Schritten beschrieben, die systematisch von einem Satz von Eingabedaten zu einem Satz von Ergebnissen führen.
• Die Ausführung verlangt unterschiedliche Ressourcen, die in drei Hauptkategorien gegliedert werden: Produktbezogene Ressourcen, Software- und Hardware-Infrastruktur und das verfügbare Personal.
• Eingangsgrößen werden in einer Abfolge von Aktivitäten unter Verwendung von Ressourcen in Ausgangsgrößen umgewandelt.
• Bestrebungen, die Abfolge der Aktivitäten zu regeln werden als „Vorgehensmodelle“ bezeichnet.
• Andere Managementmaßnahmen zielen auf Qualitätsverbesserungen ab, indem sie die Prozesse eines Unternehmens analysieren und bewerten.

Vorgehensmodelle

• In der Softwareentwicklung ist ein Vorgehensmodell das strategische Rahmenwerk, das die Schritte zur Erzielung der Endprodukte eines Prozesses festlegt.
• Es sorgt für eine strukturierte Aufteilung des Projektfortschritts in sequenzielle, klar definierte Phasen, was zu einer erhöhten Transparenz und Handhabbarkeit des Projekts führt.
• Die idealisierten Prozesse müssen an die spezifischen Bedingungen des Unternehmens und des Projektes angeglichen werden.
• Die in der Fachliteratur beschriebenen Vorgehensmodelle dienen als Ausgangspunkt für maßgeschneiderte Entwicklungsprozesse.
• Es gibt etablierte Vorgehensmodelle, die unterschiedliche Methoden und Praktiken für die Planung, Entwicklung und Auslieferung von Softwareprodukten anbieten.
• Das Wasserfallmodell verfolgt einen linearen und sequenziellen Ansatz, im Gegensatz zu agilen Methoden wie Scrum und Kanban, die Flexibilität und schnelle Anpassung an Kundenbedürfnisse betonen.
• Iterative Modelle wie das Spiralmodell minimieren Entwicklungsrisiken schrittweise, während Ansätze wie Extreme Programming (XP) setzen auf enge Kundenbindung und hohe Anpassungsfähigkeit.
• Das V-Modell wird exemplarisch vertieft behandelt aufgrund seiner Komplexität und des spezifischen Fokus auf Qualitätssicherung.

Das V-Modell

• Das V-Modell ist eine Weiterentwicklung des Wasserfallmodells, das Qualitätssicherung in jeder Phase des Softwareentwicklungsprozesses integriert.
• Jede Phase der Entwicklung - von der Anforderungsanalyse über den Systementwurf, Softwarearchitektur und Spezifikation bis hin zur Implementierung - ist mit einer korrespondierenden Testphase verbunden
• Das Modell betont die Notwendigkeit der Verifikation und Validierung zu jedem Zeitpunkt des Entwicklungsprozesses, was es besonders für sicherheitskritische Systeme geeignet macht.
• „Validation" prüft, ob das System die Anforderungen erfüllt, während „Verifikation“ die korrekte Implementierung der Spezifikation prüft.
• Der Abstraktionsgrad der Arbeitsschritte nimmt zur Spitze des „V"s bis zur konkreten Implementierung ab.
• In jeder Phase werden Testfälle und Use-Cases abgeleitet, die dann für die Verifikation bzw. Validation herangezogen werden.
• Verschiedene Versionen des V-Modells unterscheiden sich je nach den Anforderungen des Projekts.
• Das V-Modell XT ist bekannt für seine Anpassbarkeit an verschiedene Projektgrößen und -komplexitäten.
• Die Essenz des V-Modells besteht in einer klaren und strukturierten Vorgehensweise, die die Phasen der Softwareentwicklung mit entsprechenden Testphasen korreliert, um die Qualität und Zuverlässigkeit der Software zu gewährleisten.
• Es gibt keine einheitlich, korrekte Version des V-Modells.

Phasen des V-Modells

• Anforderungsanalyse: Bedürfnisse und Erwartungen des Kunden werden identifiziert und festgehalten.
• Systementwurf: Auf der Anforderungsanalyse basierend werden hochlevelige Entscheidungen bezüglich der Systemarchitektur und der grundlegenden Komponenten getroffen.
• Software-Architektur: Die detaillierte Strukturierung der Softwarekomponenten und deren Interaktionen wird festgelegt.
• Spezifikation: Die Anforderungen und Architektur werden in einem detaillierten Plan konkretisiert.
• Implementierung: Die Spezifikation wird in Code umgesetzt, inklusive Codierung, Debugging und Unit-Testing.
• Unit-Test: Funktionalität einzelner Softwaremodule werden durch Unit-Tests verifiziert.
• Integrationstest: Schnittstellen und Interaktionen zwischen Modulen werden geprüft.
• Systemtest: Das gesamte System wird auf seine korrekte Funktion und die Erfüllung der Anforderungen getestet.
• Abnahmetest: Das fertige Produkt wird in einer realen Einsatzumgebung des Kunden getestet.
• Das V-Modell umfasst Konfigurationsmanagement, Änderungsmanagement und Risikomanagement.
• Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der frühzeitigen Planung und der kontinuierlichen Prüfung der Produkte.

Reifegradmodelle

• Reifegradmodelle dienen dazu, die Arbeitsprozesse in einem Unternehmen zu evaluieren und zu verbessern.
• Sie bieten einen systematischen Rahmen, um die Abläufe zu bewerten und konkrete Schritte zur Optimierung abzuleiten.
• Die Modelle fokussieren sich auf die Verbesserung der Entwicklungsprozesse und die Effizienzsteigerung der organisatorischen Strukturen, sowie die Etablierung von transparenten Kommunikationskanälen.
• Reifegradmodelle bieten eine messbare Grundlage für die Anpassung und Steuerung von Arbeitsprozessen und Rahmenbedingungen.
• Stufenweise Bewertung: Organisationen werden anhand eines Stufenmodells auf ihre Reife hin bewertet. Dabei kann die Bewertung entweder die Organisation als Ganzes umfassen oder sich auf spezifische, inhaltlich abgegrenzte Bereiche beziehen.
• Anforderungen und Empfehlungen: Jede Reifestufe ist mit Anforderungen verknüpft, die ein Unternehmen erfüllen muss.
• Assessments: Die Anforderungen jeder Reifestufe sind objektiv überprüfbar.

Arten von Bewertungen

• Selbstbewertung versus externe Bewertung: Selbstbewertungen dienen dazu, die eigene organisatorische Reife zu beurteilen, während externe Bewertungen die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen einschätzen.
• Interne versus externe Bewertung: Interne Evaluierungen werden vom Unternehmen selbst durchgeführt, während externe Evaluierungen durch unabhängige Bewerter erfolgen und oft die Basis für formale Zertifizierungen sind.

Capability Maturity Model (CMM)

• Das CMM wurde in den 1980er Jahren entwickelt und fokussierte sich auf die Verbesserung der Qualität von Softwareentwicklungsprozessen.
• Die fünf Reifegrade sind: Initial, Repeatable, Defined, Managed, Optimizing.

Capability Maturity Model Integration (CMMI)

• CMMI ist eine erweiterte Version des CMM und bietet einen umfassenderen Ansatz für Prozessverbesserungen über verschiedene Abteilungen hinweg.
• CMMI vereint mehrere Reifegradmodelle in einer integrierten Struktur und ist in drei Konstellationen verfügbar: CMMI für Entwicklung, CMMI für Dienstleistungen und CMMI für den Einkauf.

ISO 15504 (SPICE)

• ISO 15504 ist ein internationaler Standard für den Softwareentwicklungsprozess, der Organisationen unterstützt, die Reife ihrer Softwareprozesse zu bestimmen und zu verbessern.
• SPICE legt den Schwerpunkt auf die Bewertung einzelner Prozesse und ihre Fähigkeit, qualitativ hochwertige Software zu liefern.

Software-Infrastruktur

• Die Software-Infrastruktur beschreibt alle technischen Einrichtungen und Maßnahmen, die es Entwicklerinnen ermöglichen, ihre Arbeit effizient auszuführen.
• Es gibt vier Hauptbereiche: Konfigurationsmanagement, Build-Automatisierung, Testautomatisierung und Defektmanagement.
• Konfigurationsmanagement: Die Verwaltung der während eines Projekts erstellten Artefakte sowohl aus technischer als auch organisatorischer Perspektive.
• Build-Automatisierung: Der Vorgang die Kompilierung automatisiert und ohne manuelle Eingriffe durchführt wird.
• Testautomatisierung: Das Testen der Software wird automatisiert, um den manuellen Aufwand zu reduzieren.
• Defektmanagement: Ein fundamentaler Prozess in der Softwareentwicklung, der sich mit dem Auffinden, Dokumentieren und Beheben von Fehlern (Bugs) befasst.