Softwarequalität

Grundlagen der Softwarequalität

• Dieses Kapitel dient als Einführung in die Softwarequalität, ihre Bedeutung und die Gründe für Investitionen in sie.
• Es werden verschiedene Qualitätsdefinitionen untersucht.
• Strategien zur Steigerung der Softwarequalität werden vorgestellt.
• Nach diesem Kapitel wird ein Verständnis für die Folgen schlechter Software, die Gründe für deren Entstehung, Qualitätsdefinitionen, Normen und Standards sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Softwarequalität erwartet.

Schlechte Software und ihre Folgen

• Fehlerhafte, ineffiziente und schlecht gestaltete Software ist trotz ihrer kritischen Rolle in der modernen Welt ein häufiges Problem.
• Die Komplexität von Computersystemen nimmt mit ihrer Verbreitung zu, was zu regelmäßigen Abstürzen führen kann.
• Der "Blue Screen of Death" von Microsoft Windows ist ein bekanntes Beispiel für Systemabstürze und signalisiert Totalabstürze.
• Schlechte Sofware führt nicht nur zu Frustration, sondern auch zu weitreichenden Folgen.

Klassische Vorfälle aufgrund fehlerhafter Software

• Der Fehlstart der Ariane 5, Flug 501, wurde durch einen Softwarefehler verursacht, der erhebliche finanzielle Verluste verursachte. Die Software der Ariane 4 wurde ohne Prüfungen übernommen, obwohl sie für die modifizierte Flugroute ungeeignet war.
• Die Verzögerung der Flughafeneröffnung in Denver in den 1990er Jahren war hauptsächlich auf Probleme mit dem automatisierten Gepäckbeförderungssystem zurückzuführen, was zu erheblichen Kostenüberschreitungen führte.
• Der Ausfall von Rettungsdienstsystemen in London im Jahr 1992 aufgrund von Softwaredefekten führte zu Verzögerungen bei der Notfallversorgung und möglicherweise zu 45 Todesfällen.
• Oxford Health Plans hatte 1997 gravierende Abrechnungsprobleme aufgrund neuer Software, was zu ausstehenden Zahlungen in Höhe von 1,05 Milliarden US-Dollar führte und erhebliche finanzielle Auswirkungen hatte sowie das Unternehmen und die Patienten beeinträchtigte.
• Die britische Steuerbehörde UK Inland Revenue hatte im Jahr 2003 massive Probleme bei der Bearbeitung von Steuererklärungen aufgrund eines neuen IT-Systems, was zu falschen Steuercodes und Überzahlungen in Höhe von 3,45 Milliarden US-Dollar führte.

Gründe für schlechte Software

• Die Probleme bei der Softwareentwicklung sind oft auf ein komplexes Geflecht von Ursachen zurückzuführen, die in den frühen Phasen der Projektdurchführung wurzeln.
• Unrealistische Zeitpläne, unklare Anforderungen und mangelhafte Definition der Projektziele können zu Schwierigkeiten führen.
• Lückenhafte Kommunikation zwischen Stakeholdern kann zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen.

Hauptursachen für das Scheitern von Softwareprojekten (nach Charette, 2005)

• Unrealistische oder unausgesprochene Projektziele
• Unzutreffende Schätzungen der benötigten Ressourcen
• Schlecht definierte Systemanforderungen
• Mangelhafte Berichterstattung über den Projektstatus
• Unkontrollierte Risiken
• Schlechte Kommunikation zwischen Kunden, Entwicklern und Nutzern
• Einsatz unreifer Technologie
• Nachlässige Entwicklungspraktiken
• Schlechtes Projektmanagement
• Taktieren der Stakeholder
• Geschäftlicher Druck
• Unfähigkeit, die Komplexität des Projekts zu bewältigen

Zur Komplexität von Software

• Die zunehmende Komplexität von Computerprogrammen hat zu einem Wandel in der Herangehensweise von Programmierern geführt (weg von sorgfältiger Planung hin zu "Code and Fix").
• Professionelle Programmierer machen durchschnittlich 100 bis 150 Fehler pro tausend Zeilen Code.
• Ein Betriebssystem wie Windows kann demnach etwa zwei Millionen Fehler enthalten, von denen viele unentdeckt bleiben.
• Selbst nach vier Testrunden verbleiben etwa fünf Fehler pro tausend Zeilen Code, sodass Windows noch immer etwa 80.000 Fehler enthalten kann.
• Software-Ingenieure suchen nach neuen Technologien wie dem komponentenbasierten Design, um die Komplexität zu beherrschen und Fehler zu vermeiden.

Was ist Qualität?

• Qualität ist ein vielschichtiges Konzept, das schwer zu definieren ist.
• Mehrere Experten haben sich mit der Definition von Qualität auseinandergesetzt und Grundlagen für Normen und Standards gelegt.

Qualitätsdefinitionen verschiedener Experten

• P.B. Crosby: Qualität als genaue Erfüllung festgelegter Anforderungen, Verhinderung von Fehlern und "Null Fehler" als Leistungsstandard.
• A.V. Feigenbaum: Qualität durch Kundenzufriedenheit, unternehmensweite Verantwortung und "Total Quality Control".
• W.A. Shewhart: Kundenzufriedenheit durch messbare Kriterien, die die Entwicklungssteuerung lenken.
• E.W. Deming: Bedeutung statistischer Methoden zur Prozessverbesserung und Rolle der Unternehmenskultur.
• J.M. Juran: Qualität als Eignung eines Produkts für den Gebrauch und kontinuierliche Verbesserung.
• K. Ishikawa: Japanisches Verständnis von Qualität mit Prinzipien wie Priorisierung der Qualität durch die Unternehmensleitung, Berücksichtigung der Verbraucheranforderungen und Einbeziehung aller Hierarchieebenen.
• Die DIN ISO 8402 normierte die Grundlagen der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements und definierte Qualität als die Gesamtheit von Merkmalen einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen.
• Die Nachfolgenorm der ISO 8402 – die EN ISO 9000:2005 definierte Qualität als den „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt“.

Differenzierter Ansatz von D.A. Garvin

• Garvin unterscheidet fünf verschiedene Sichten auf Qualität:
  • Der transzendentale Ansatz: Qualität ist erkennbar, aber nicht definierbar, ähnlich der Schönheit. In der Praxis bedingt tauglich, denn er gibt wenig direkt Greifbares her, mit dem man arbeiten kann.
  • Der prozessbezogene Ansatz: Qualität als Übereinstimmung mit Spezifikationen, korrekte Ausführung von Instruktionen und Tätigkeiten. Wesentlich sind gut durchgeführte Entwicklungs- und Produktionsprozesse.
  • Der anwenderbezogene Ansatz: Qualität wird von Endnutzern bestimmt, basierend auf individuellen Präferenzen und Anforderungen. Hier wird hauptsächlich auf Gebrauchstauglichkeit geachtet und auch die Benutzerfreundlichkeit speziell auf Nutzer abgestimmt.
  • Der produktbezogene Ansatz: Qualität wird definiert anhand der inhärenten Eigenschaften eines Produkts wie Zuverlässigkeit oder Benutzbarkeit.
  • Der wertbasierte Ansatz: Qualität in Relation zu dem Preis, den Kunden bereit sind zu zahlen.

Was ist Softwarequalität?

• Softwarequalität ist die Fähigkeit eines Software-Produkts, gegebene Bedürfnisse zu befriedigen und den Erwartungen der Kunden gerecht zu werden.
• Die DIN ISO Norm 9126 definiert den Begriff Software-Qualität wie folgt (wir werden auf diese Norm und ihren Nachfolger ISO 25000 in Abschnitt 1.4.2 noch genauer eingehen): „Software-Qualität ist die Gesamtheit der Merkmale und Merkmalswerte eines Software-Produkts, die sich auf dessen Eignung beziehen, festgelegte Erfordernisse zu erfüllen."
• Wallmüller (2011, S. 10) definiert Softwarequalität als die Summe aller relevanten Eigenschaften eines Software-Produkts und der dazu notwendigen Eigenschaften von Software-Prozessen.

Qualitätsmerkmale nach Hoffmann (2013)

• Funktionalität: Inwieweit ein System die ihm zugewiesenen Funktionen tatsächlich realisiert
• Laufzeit: Wie die Performance und Laufzeit eines Software-Systems sind
• Zuverlässigkeit: Ein Schlüsselelement, vor allem in Anwendungsbereichen, in denen Sicherheitsaspekte eine übergeordnete Bedeutung haben
• Benutzbarkeit: Die Schnittstelle zwischen Menschen und Maschine
• Wartbarkeit: Die Fähigkeit, Software auch nach ihrer Einführung anzupassen, zu verändern und zu erweitern
• Transparenz: Wie nachvollziehbar und verständlich die Implementierung der Funktionen hinter den Kulissen ist
• Übertragbarkeit: Wie problemlos sich bestehende Softwarelösungen in unterschiedliche Systemumgebungen integrieren lassen
• Testbarkeit: Spielt eine wesentliche Rolle bei der Früherkennung von Softwarefehlern und ist eng mit der Wartbarkeit verbunden

Standards, Normen und Modelle

• Standards bieten allgemeine Richtlinien oder Anforderungen für bestimmte Verfahren, Produkte, Dienstleistungen oder Managementpraktiken
• Normen dienen dazu, einheitliche und wiederholbare Verfahren, Kriterien, Methoden und Prozesse innerhalb bestimmter Bereiche zu etablieren
• Modelle repräsentieren eher konzeptionelle Rahmenwerke oder Methodiken und dienen der Beschreibung, Entwicklung, Bewertung und Verbesserung von Prozessen und Produkten

Wichtige Normen und Modelle

• Die ISO 9126 (Produktnorm), eingeführt in den späten 1990er Jahren, war eine der ersten internationalen Normen, die sich auf Softwarequalität konzentrierte und ist unterteilt in Funktionalität, Zuverlässigkeit, Benutzbarkeit, Effizienz, Wartbarkeit und Portabilität
• Die ISO/IEC 25000-Reihe, bekannt als SQuaRE (Software Product Quality Requirements and Evaluation), bildet die evolutionäre Fortsetzung der ISO/IEC 9126 Standards und bietet einen umfassenden Rahmen für die Bewertung der Softwarequalität
• Die DIN EN ISO 9241-11:2018-11 (Prozessnorm) ist Teil der internationalen Normenreihe ISO 9241, die sich mit der Ergonomie der Mensch-System-Interaktion beschäftigt
• Das V-Modell erläutert detailliert die erforderlichen Schritte und Prozesse in der System- und Softwareentwicklung
• Das Capability Maturity Model Integration (CMMI) ist ein Rahmenwerk für die Verbesserung der Prozessqualität in Organisationen
• Die ISO 9000er-Reihe befasst sich generell mit Qualitätsmanagement
• ANSI/IEEE Standard 729-1983 definierte grundlegende Begriffe des Software Engineerings

Überblick Qualitätsmaßnahmen (Schneider, 2012)

• Organisatorische Maßnahmen beziehen sich auf die Strukturierung und Verwaltung der Prozesse und Ressourcen, die für die Sicherstellung der Softwarequalität erforderlich sind
• Analytische Maßnahmen umfassen Aktivitäten zur Bewertung und Überprüfung der Software und ihrer Komponenten, um Fehler und Mängel zu identifizieren und diese dann später zu beheben
• Konstruktive Maßnahmen zielen darauf ab, Qualität in den Softwareentwicklungsprozess einzubauen, anstatt Fehler im Nachhinein zu finden und zu korrigieren

Dieser Kurs untersucht den Unterschied zwischen Standards und Normen im Qualitätsmanagement. Außerdem wird das Ziel von Prozessnormen, Rahmen zur Bewertung der Softwarequalität und Usability betrachtet. Abschließend wird der effektivste Ansatz zur Gewährleistung einheitlicher Qualitätsstandards betrachtet.