Sterbephasen und supravitale Reaktionen

Ausserklinischer Todesfall

• Agonie: Phase vor dem Tod, lebenswichtige Funktionen werden abgestellt
• Individualtod: Irreversibler Stillstand von Kreislauf und Atmung oder/und irreversibles Aussetzen aller Hirnfunktionen
• Intermediäres Leben: Phase zwischen Individualtod und totalem Tod, Zellen und Organe zeigen Restfunktionen
• Totaler Tod: Endgültiger Tod, alle Zellen abgestorben, alle biologischen Funktionen eingestellt
• Supravitale Reaktionen: Restaktivitäten des Körpers (Muskelzuckungen, Gewebeaktivität), tritt während des Intermediären Lebens auf, durch verbliebene Energie/Chemie in Zellen ausgelöst
• Organtod: Organe stellen ihre Funktion vollständig ein, supravitalen Reaktionen erlöschen
• Postmortale Erscheinungen: Treten bereits nach dem Individualtod auf, da lebenswichtige Funktionen nicht mehr aufrechterhalten werden (z.B. Kreislaufstillstand, Hirntod)
• Sterbevorgang: Übergang vom Leben zum Tod (Individualtod)

Frühe Leichenzeit (Individualtod - Organtod)

• Atemstörungen: Unregelmäßige Atmung mit längeren Pausen

• Kreislaufstörungen: Blaufärbung (Lippen, Fingernägel), rote Hautflecken (werden zu Totenflecken)

• Schließmuskelschwäche: Urin- und Kotabgabe

• Bewusstseinsstörung: Dämmerzustand, Euphorie

• Absterben der Gewebe: Abhängig von Stoffwechselaktivität, Sauerstoff- und Energiebedarf, Energievorrat

  • Gehirn: 8-10 Minuten
  • Herz: 15 Minuten
  • Leber: 30 Minuten
  • Niere: 2 Stunden
  • Knochen/Knorpel: 30 Stunden
  • Hornhaut (Auge): 72 Stunden
  • Spermien: 80 Stunden

• Supravitale Reaktionen (Todeszeitschätzung): Einzelne Reaktionen werden für Todeszeitschätzung verwendet (z.B. Muskelreaktion auf mechanische Reize-> Muskelkontraktionen -> Tod ist nicht lange her)

Postmortale Erscheinungen (Todeszeitschätzung)

• Auskühlung: Physikalisch bedingt, kein Energienachschub -> Wärmeproduktion sinkt, abhängig von Umgebungstemperatur, Bekleidung, Körperoberfläche, Keimbesiedelung
• Austrocknung: Physikalisch bedingt, Zeichen: Trockenheit von Lippen, Zunge, Genitalien; Fingerbeeren, Hornhaut (Trübung)
• Totenflecken: Absinken roter Blutkörperchen nach Kreislaufstillstand, typisch nach Schwerkraft. Auflagenflächen und Druckflächen sind ausgespart (z.B. Kleiderfalten), Ausprägung abhängig vom Blutgehalt. Bei Wasserleichen oft nicht sichtbar, da Wasserdruck auf gesamte Oberfläche. Wegdrückbarkeit bis ca. 30 Stunden.
• Totenstarre: Muskelverhärtung, zunächst Muskelerschlaffung durch Nervenimpuls ausfall, dann Verlust der Energieträger & Verklebung der Muskeleiweißmoleküle. Gesamte Muskulatur versteift. Auftreten frühestens 30 Minuten nach dem Tod, meist 1-2 h, max. 6-9 h, Lösung nach 2-4 Tagen. Temperatureinfluss: Kälte verzögert. Muskelaktivität vor dem Tod führt zu schnell aussetzenden Energie-Vorrat& schnellerem Einsetzen der Totenstarre

Spätere Leichenveränderungen (nach totalem Tod)

• Autolyse: Zersetzung körpereigener Stoffe durch körpereigene Enzyme (vor allem in enzymreichen Organen), nach Zusammenbruch des Stoffwechsels
• Bakterielle Fäulnis (Heterolyse): Zersetzung durch Bakterien (vor allem im Darm), ungehemmte Ausbreitung (Venen als "Autobahnen"). Erweichung& Auflösung des Gewebes, Gase, schmutzige/grüne Verfärbung, Aufdunstung
• Verwesung: Zerfall, Wechsel der Besiedlung auf Aerobier (andere Mikroorganismen)

Mumifikation:

• Starker Wasserverlust hemmt das Bakterienwachstum, besonders bei warmer, trockener Luft

Tierfraβ:

• Insekten, Fliegenmaden, Vögel, Säugetiere (inkl. Haustiere) können Leichen zerstören.
• Auch Fische und Krebstiere im Wasser.

Aufgaben der Leichenschau:

• Todesfeststellung
• Ungefähre Todeszeit
• Identität
• Todesart

Todeszeitschätzung bei Leichenschau

• Diskrepanzen zwischen Angaben und Befunden
• Unbekannte Todeszeit, Auffinden am Tatort:
  • Letzter Lebendkontakt: Gespräche, Sichtungen
  • Hinweise am Fundort: Post/Zeitungen/Quittungen/Kalender etc.

Identifizierung

• Direkte Erkennung durch Angehörige/Bekannte
• Effekten: Kleidung, Schmuck
• Körpermerkmale: Narben, Tattoos
• Radiologische Daten (z.B. Röntgenbilder)
• Fingerabdrücke
• Zahnstatus
• DNA

Todesart

• Natürlicher Todesfall
• Nicht-natürlicher Todesfall (Unfall, Suizid, Delikt, Spätfolgen)
• Unklarer Todesfall

Aussergewöhnlicher Todesfall (agT)

• Hinweise auf gewaltsamen Tod
• Vorhergehendes Delikt
• Unfälle
• Selbsttötung
• Verletzungen/Befunde am Körper
• Behandlungsfehler (möglicher Fehler)
• Unerwarteter, plötzlicher Tod ohne bekannte medizinische Vorgeschichte

Natural Tod =

• Tod aufgrund einer schweren Krankheit
• Nicht unerwartete Komplikation einer Krankheit/Behandlung ohne Fremdeinwirkung oder Behandlungsfehler

Obduktion, Anordnungsarten:

• Anatomische Obduktion (z.B. testamentarische Verfügung, Ausbildung)
• Klinische Obduktion (medizinisches Verständnis der Krankheit)
• Gerichtliche Obduktion (StPO), Anordnung durch Staatsanwaltschaft/Richter
• Bestattungsobduktionen (z.B. Anordnung Rechtsmedizin, Widerspruch möglich)

Vergleich Leichenschau vs. Legalinspektion

• Leichenschau: Äußere Untersuchung durch Arzt, Feststellung Tod, Todesursache und -art (Routine)
• Legalinspektion: (gerichtliche Leichenschau), strafrechtliche Fragen klären (äußere u. innere Untersuchung inkl. Obduktion), Anordnung durch Staatsanwaltschaft/Richter.