Soziologie: Intersektionalität

Intersektionalität

• Intersektionalität bedeutet, dass soziale Kategorien wie Gender, Ethnizität, Nation oder Klasse nicht isoliert betrachtet werden können, sondern in ihren Verwobenheiten oder Überkreuzungen analysiert werden müssen.
• Es geht darum, das gleichzeitige Zusammenwirken von sozialen Ungleichheiten zu analysieren, anstatt additive Perspektiven zu überwinden.

Ursprünge des Paradigmas

• Die Ursprünge des Paradigmas Intersektionalität liegen im Black Feminism und der Critical Race Theory (Crenshaw 1989; Chebout 2011).
• Als wichtige historische Zäsur wird in der Intersektionalitätsforschung häufig auf die Gründung des Combahee River Collectives 1974 in Boston (USA) hingewiesen.

Merkmale und Anwendungsbereiche

• Intersektionalität kann keinen Alleinvertretungsanspruch für sich deklarieren, wenn es um die Analyse von Wechselbeziehungen sozialer Kategorien geht.
• Intersektionalität wird mittlerweile vor allem in den Gender Studies für unterschiedliche Analysegegenstände produktiv gemacht (Davis 2008a: 68).
• International hält Intersektionalität auch Einzug in weitere theoretische, politische und praktische Arenen wie Cultural Studies oder Menschenrechtsdiskursen der United Nations (Yuval-Davis 2009).

Abgrenzung zu anderen Konzepten

• Im Gegensatz zu Begriffen wie Diversity oder Heterogenität ist Intersektionalität weniger deutungsoffen angelegt, denn das Paradigma bezieht sich ausschließlich auf die Analyse von sozialen Ungleichheiten bzw. Machtverhältnissen.
• Differenzkategorien wie z.B. Leistungsheterogenität oder Fachkompetenz als Diversity-Merkmal sind kein Gegenstand von intersektionalen Analysen.

Paradigma Intersektionalität

• Lässt sich im Hinblick auf Intersektionalität bereits von einem Paradigma sprechen?
• Ein Paradigma stellt in der wissenschaftlichen Gemeinschaft ein Set von Begriffen, theoretischen Interventionen, Prämissen, Problemstellungen und Lösungsvorbildern zur Verfügung, welches als gemeinsamer Orientierungsrahmen fungiert und neue Forschungsperspektiven eröffnet (Kuhn 1973: 25ff.).

Intersectionalität

Kritische Rassentheorie (CRT)

• Entwicklung durch Rechtswissenschaftler in den 1980er Jahren, um den traditionellen Diskurs über Bürgerrechte zu hinterfragen
• Fokus auf die Art und Weise, wie Rasse und Rassismus in rechtlichen Systemen und Institutionen verankert sind
• Schlüsselkonzepte:
  • Interessenskonvergenz: die Idee, dass Fortschritte in der sozialen Gerechtigkeit nur erreicht werden, wenn sie mit den Interessen dominanter Gruppen übereinstimmen
  • Rassischer Realismus: die Erkenntnis, dass Rassismus eine permanente Eigenschaft der amerikanischen Gesellschaft ist
  • Differentialrassifizierung: der Prozess, durch den verschiedene Rassengruppen unterschiedlich rassifiziert und unterdrückt werden

Mehrfache Diskriminierung

• Konzept, dass Individuen mehrere Formen der Diskriminierung gleichzeitig erleben können (z.B. Rasse, Geschlecht, Klasse, Sexualität)
• Intersectionalität erkennt, dass diese Formen der Diskriminierung sich überschneiden und sich zu einzigartigen Erfahrungen von Unterdrückung kumulieren
• Beispiele:
  • Schwarze Frauen können aufgrund von Rasse und Geschlecht diskriminiert werden
  • LGBTQ+-Personen of Color können aufgrund von Sexualität, Rasse und Geschlecht diskriminiert werden

Feministische Theorie

• Intersectionalität ging aus der feministischen Theorie hervor, insbesondere durch die Arbeit schwarzer Feministinnen wie Kimberlé Crenshaw und bell hooks
• Schlüsselkonzepte:
  • Das Persönliche ist politisch: die Idee, dass persönliche Erfahrungen von Unterdrückung durch Politik und Machtstrukturen geprägt sind
  • Intersectionalität als Herausforderung des liberalen Feminismus: die Kritik an der Vorstellung, dass Frauen eine homogene Gruppe sind und dass Geschlecht die primäre Achse der Unterdrückung ist
  • Betonung der Erfahrungen marginalisierter Frauen: die Intersectionalität hebt die Weise hervor, in der Frauen of Color, queere Frauen und Frauen mit Behinderungen oft aus dem Mainstream-Feminismus ausgeschlossen sind