2.1 - Gerichtlicher Sachverständiger: Definition & Abgrenzung

• Ein Sachverständiger ist eine Person mit speziellen Kenntnissen und Erfahrungen, die Gutachten und Analysen erstellt, berät sowie Vorgänge reguliert und kontrolliert.
• Sachverständige arbeiten gewerblich, freiberuflich, im Haupt- oder Nebenerwerb und sind unparteiisch, unabhängig und objektiv.
• Ihr Tätigkeitsfeld erstreckt sich über fast alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gebiete.
• Es gibt keine gesetzlichen Zugangsvoraussetzungen für die Sachverständigentätigkeit.

Der gerichtliche Sachverständige – Begriff

• Im gerichtlichen Verfahren ist der Sachverständige ein häufiges Beweismittel neben Zeugen, Urkunden, Inaugenscheinnahme und Parteivernehmung.
• Gerichtliche Sachverständige sind tätig im Zivilprozess (ZPO), Arbeitsgerichtsverfahren, Verwaltungsgerichtsverfahren, Finanzgerichtsverfahren, Sozialgerichtsverfahren, Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und Strafprozess (StPO).

Abgrenzungen

• Gerichtssachverständige werden durch einen gerichtlichen Auftrag vom Richter oder Staatsanwalt bestellt.
• Im Auftrag der Staatsanwaltschaft können Polizeidienststellen zur Aufklärung von Straftaten Sachverständige mit Gutachten beauftragen.
• Der gerichtliche Sachverständige hat die Stellung eines "Helfers" des Richters.
• Seine fachlichen Kenntnisse ergänzen die Rechtskenntnisse des Richters.
• Das Gutachten muss streng am Beweisbeschluss orientiert sein.
• Es darf nicht einer Annäherung an Richteraufgaben, dem Interesse einer Partei oder einem selbständigen Bestreben des Sachverständigen nach "Aufklärung" des Sachverhaltes unterliegen.

Abgrenzung zum Privatgutachter

• Im Gegensatz zum gerichtlichen Sachverständigen wird der Privatgutachter nicht durch gerichtlichen oder staatsanwaltlichen Auftrag tätig, sondern von einer Privatperson beauftragt.
• Ein Privat- oder Parteigutachten ist kein Beweismittel, sondern lediglich Parteivortrag.

Abgrenzung zum Zeugen und zum sachverständigen Zeugen

• Die Wahrnehmungen eines Zeugen entstammen seiner persönlichen Anwesenheit bei einem Geschehen, während ein Sachverständiger seine Wahrnehmungen im Auftrag des Gerichts macht.
• Der (einzige) Zeuge eines Geschehens ist im Gegensatz zum Sachverständigen nicht auswechselbar.
• Für Zeugen und Gerichtssachverständige existieren unterschiedliche Vorschriften für Vereidigung und Entschädigung.
• Eine Beweisperson kann nicht zeitgleich Zeuge und Sachverständiger sein.
• Für die Unterscheidung ist der gerichtliche Auftrag zur Begutachtung eines Sachverhalts entscheidend.

Abgrenzung zum sachkundigen Richter

• In bestimmten Verfahren können Richter mit grosser Sachkunde auf dem zu entscheidenden Gebiet tätig sein.

Abgrenzung zum Dolmetscher

• Der Dolmetscher ermöglicht die Verständigung verschiedensprachiger Verfahrensbeteiligter.
• Auf Dolmetscher finden die Vorschriften der Ausschliessung und Ablehnung von Sachverständigen entsprechende Anwendung (§ 191GVG).
• Dolmetscher werden wie Sachverständige nach dem JVEG entschädigt.

Abgrenzung zum Augenscheinsgehilfen

• Ein Augenscheinsgehilfe stellt Tatsachen fest und beurkundet sie in der Verhandlung als Zeuge, falls der Richter dazu nicht im Stande ist.
• Hierfür ist keine besondere Sachkunde erforderlich.

Abgrenzung zum Schiedsgutachter

• Ein Schiedsgutachter ist ein Sachverständiger, der objektiv und unparteiisch eine streitige Tatsache für die beteiligten Parteien bindend feststellt.
• Das Schiedsgutachten unterliegt nicht den Vorschriften der ZPO, sondern materiellem Recht.

Abgrenzung zum Schiedsrichter

• Die Parteien können die Entscheidung in einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit anstelle eines staatlichen Gerichts einem Schiedsgericht übertragen.
• Ein Schiedsgericht kann einen Sachverständigen beauftragen. Es handelt sich hierbei nicht um den Auftrag eines staatlichen Gerichts.

Aufgaben eines gerichtlichen Sachverständigen

• Der gerichtliche Sachverständige muss sich hinsichtlich der Aufgabenstellung für das Gutachten exakt an die Vorgaben des Gerichts bzw. des Staatsanwalts halten.

Die Vermittlung von Erfahrungssätzen

• Erfahrungssätze ermöglichen dem Richter bestimmte Schlussfolgerungen und Entscheidungen.

Die Feststellung von Tatsachen

• Die Tatsachenfeststellung ist Aufgabe des Gerichts.
• Dem Sachverständigen werden die Anknüpfungstatsachen für sein Gutachten vom Gericht geliefert.

Die Beurteilung von Tatsachen

• Die Tatsachenbeurteilung stellt die überwiegende Tätigkeit eines gerichtlichen Sachverständigen dar.

Stellung des Sachverständigenbeweises im Beweisrecht

• Grundlage für die Entscheidung in einem Rechtsstreit ist die Feststellung des wahren Sachverhaltes, wobei verschiedene Beweismittel zur Verfügung stehen: Zeugen, Augenschein, Urkunden, Sachverständigenbeweis, Parteieinvernahme bzw. Geständnis (Strafprozess) oder amtliche Auskünfte.
• Fortschreitende Komplexität und Spezialisierung des Wissens erfordert immer öfter die Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen.

Die wichtigsten Verfahrensordnungen

• Zivilprozessordnung (ZPO): Bürgerlichrechtliche Streitigkeiten werden vor den ordentlichen Gerichten verhandelt.
• Spezielle Vorschriften über den Sachverständigenbeweis: §§ 402 – 414 ZPO
• Das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG): Für die Beweiserhebung, und damit auch für den Sachverständigenbeweis, sind die Vorschriften der ZPO anzuwenden (§ 46 II 1 ArbGG).
• Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO): Die Beweisaufnahme und somit der Sachverständigenbeweis erfolgen unter entsprechender Anwendung der Vorschriften der ZPO (§ 98 VwGO).
• Finanzgerichtsordnung (FGO): Für die Beweisaufnahme gelten wiederum die Vorschriften der ZPO entsprechend § 82 FGO.
• Sozialgerichtsgesetz (SGG): § 118 SGG verweist auf die entsprechende Anwendung der ZPO für die Beweisaufnahme und somit den Sachverständigenbeweis.
• Freiwillige Gerichtsbarkeit: Die Beweiserhebung erfolgt entweder durch ein formelles Beweisverfahren, welches den Vorschriften der ZPO folgt (§ 30 FamFG) oder durch eine formlose Ermittlung (§ 26 FamFG).
• Strafprozessordnung (StPO) und Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG): Die Aufklärung und Aburteilung strafbarer Handlungen im Ermittlungs- und Strafverfahren wird durch die StPO geregelt.
• Sachverständigenbeweis: §§ 72 – 93 StPO