Forensische Psychiatrie: Arbeit als Psychologe

Arbeit als Psychologe/Psychologin in der Forensischen Psychiatrie

• Dr. med. Mareike Schüler-Springorum ist die ärztliche Direktorin des LWL-Therapiezentrums für forensische Psychiatrie Marsberg.
• Sie ist Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie für forensische Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP, BKJPP, bag-kj).

Was ist Forensik?

• Forensik umfasst wissenschaftliche Gebiete, in denen kriminelle Handlungen systematisch identifiziert, ausgeschlossen, analysiert oder rekonstruiert werden.
• Foro bedeutet lateinisch Gericht.
• Forensik beinhaltet gerichtliche Fragestellungen, die gerichtliche Psychiatrie und Begutachtungen für Gerichte.

Rechtspsychologie

• Die Rechtspsychologie ist ein Teilgebiet der Psychologie.
• Psychologische Theorien, Methoden und Erkenntnisse werden auf Probleme des Rechtswesens angewendet.

Handlungsfelder

• Als Psychologe/Psychologin gibt es zwei Handlungsfelder:
• Begutachtung beinhaltet Rechtspsychologie und Begutachtungen zu speziellen gerichtlichen (forensischen) Fragestellungen.
• Arbeit in einer forensischen Klinik beinhaltet Psychotherapie und psychotherapeutische Arbeit mit psychisch kranken und suchtkranken Straftätern sowie Kriminaltherapie.

Arbeit in der forensischen Psychiatrie

• Maßregeln nach §63 StGB dienen der Besserung und Sicherung von psychisch kranken (nicht voll schuldfähigen) Straftätern.
• Maßregeln nach §64 StGB gelten für suchtkranke Straftäter.

Behandlungsauftrag

• Bei psychisch kranken Straftätern gemäß §63 StGB, ist die Behandlung der psychischen Störung bis zu einem Zeitpunkt, an dem das Rückfallrisiko gering ist.
• Bei suchtkranken Straftätern gemäß §64 StGB, ist das Ziel die Heilung von der Sucht nach psychotropen Substanzen oder Rückfallprävention.

Diagnosen in der Klinik für Patienten einer „Entziehungsanstalt“

• Häufige Abhängigkeiten sind von Heroin, Kokain, Cannabis und Amphetaminen.
• Es gibt Persönlichkeitsstörungen bei ca. 90 % der Patienten.
• Affektive Störungen, Traumafolgestörungen, vereinzelt psychotische Störungen, adultes ADHS und hirnorganische Veränderungen treten auf.

Diagnosen in einer „psychiatrischen Massregelvollzugsklinik“

• Es treten Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis auf.
• Intelligenzminderungen, hirnorganische Störungen, affektive Störungen und Suchterkrankungen mit Doppeldiagnose können diagnostiziert werden.
• Persönlichkeitsstörungen und Paraphilien kommen ebenfalls vor.

Forensische Psychotherapie / Kriminaltherapie

• Es handelt sich um psychotherapeutische Verfahren.

Psychische Störung und Delinquenz

• Delinquenz, psychische Störung, Ressourcenaktivierung und sozialer Empfangsraum sind Bestandteile des Therapieprogramms.

Straftäterbehandlung, forensische Psychotherapie und Kriminaltherapie

• Straftäterbehandlung dient der Resozialisierung.
• Forensische Psychotherapie ist eine heilkundliche Psychotherapie im Auftrag von Gerichten oder JVAs.
• Ziel ist die Linderung von Symptomen, die als ursächlich für die Delinquenz angesehen werden.
• Kriminaltherapie: Straftäterbehandlung hat das primäre Ziel der Rückfallprävention und Resozialisierung.

Behandlungskonzept

• Fünf Säulen des therapeutischen Handelns sind Sozio-Milieu-Therapie und Bezugspflege, Psychotherapie (Gruppe und Einzel), Indikationsgruppe, Arbeits- und Beschäftigungstherapie/Schule und Sporttherapie.

Allgemeines Therapiekonzept Entziehungsanstalt

• Erkennung und Behandlung von kriminogenen Faktoren (z.B. Impulsivität, emotionale Instabilität, geringe Frustrationstoleranz).
• Bearbeitung delinquenzfördernder Haltungen und Einstellungen.
• Stärkung von Ressourcen und prosozialen Merkmalen.
• Erkennung der Funktion und der aufrechterhaltenden Faktoren der Abhängigkeitserkrankung.
• Behandlung komorbider Störungen mit störungsspezifischen Therapiekonzepten (Indikationsgruppen).
• Rückfall-Prophylaxe und schrittweise Erprobung und Resozialisierung.

Allgemeines Therapiekonzept psychiatrische Maßregelvollzugsklinik

• Behandlung der zur Einweisung geführt habenden Erkrankung gemäß psychiatrischer Leitlinien.
• Hierzu gehören Psychopharmakotherapie und Psychotherapie.
• Erkennung und Behandlung von kriminogenen Faktoren sowie Bearbeitung delinquenzfördernder Haltungen und Einstellungen.
• Stärkung von Ressourcen und prosozialen Merkmalen.
• Behandlung komorbider Störungen, Rückfall-Prophylaxe und schrittweise Erprobung und Resozialisierung.

Psychotherapeutische Verfahren

• In der forensischen Psychotherapie haben sich gut strukturierte, kognitiv-behaviorale Konzepte als überlegen erwiesen.
• Zu den Verfahren gehören R&R, Verhaltensanalysen, verhaltenstherapeutisch orientiertes Manual zur Deliktbearbeitung.
• Biografiearbeit, DBT-Sucht, DBT-F, DBT-A, Schematherapie, MBT, typische Manuale und Techniken der Suchttherapie und Genesungsbegleiter zählen auch dazu.

Therapieablauf

• Der Therapieablauf besteht aus vier Stationen:
  • Aufnahmestation: Diagnostik, Anamnese, Info über Therapie, Risikoassessment
  • Therapiestation: Einzeltherapie/Gruppentherapie, Indikationsgruppen, ergänzende Verfahren
  • Offene Station: Psychotherapie, Arbeits- und Alltagserprobung, Schaffung eines sozialen Empfangsraums.
  • Forensische Nachsorgeambulanz

Sicherheit / Lockerungen

• Es gibt 4 Sicherheitsstufen:
  • Stufe 0: Gesicherte Unterbringung und keine Lockerungen.
  • Stufe 1: Gesicherte Unterbringung und begleiteter Ausgang.
  • Stufe 2: In der Regel (halb-) offene Unterbringung, unbegleiteter Ausgang und Arbeit außerhalb der Klinik.
  • Stufe 3: Offene Unterbringung, „Urlaub“ (Tagesausflug, Übernachtung, Langzeiturlaub) und z.T. sozialversicherungspflichtige Arbeit.

Indikationsgruppen

• Zu den Indikationsgruppen gehören:
  • Traumatherapie mit Find Safety, EMDR / Psychoimaginative Traumatherapie und Sprachenreduzierte Traumatherapie.
  • ADHS-Gruppe (TEK, GSK, RPT), Achtsamkeitsgruppe, Skills-Gruppe, GAMOA / CANDIS und FORTIS u.a.

Was hilft in der Straftäterbehandlung?

• Erfolgreiche Programme sind multimodal, hochstrukturiert, (kognitiv-)behavioral, validiert und mit Enthusiasmus betrieben.
• Zu den kriminogenen Faktoren gehören antisoziale Ansichten und Einstellungen, Kontakte zu Antisozialen, Identifikation mit antisozialen Werten und Rollenmodellen, Impulsivität und Mangel an zwischenmenschlichen Fertigkeiten.
• Es kommen auch selbstschädigende Anpassungsstrategien, Unfähigkeit zu planen, Egozentrik, Externalisierung, konkretistisches und starres Denken, Störung von Selbstkontrolle, Selbstkritik, Selbstmanagement, schlechte Problemlösefertigkeiten und substanzgebundene Abhängigkeiten vor.
• Hilfreich sind Modelllernen, Rollenspiele, abgestufte Erprobung, Verstärkung, konkrete Hilfestellung, Ressourcen-Bereitstellung und kognitive Umstrukturierung.
• Strategien, die ausschließlich auf Sanktionen abzielen, zeigen negative Effektstärken.
• Eine stabile empirische Evidenz für die Wirksamkeit von Therapieprogrammen, die auf die Reduktion der Wahrscheinlichkeit künftiger krimineller Handlungen abzielen.
• Empirisch ungeklärt ist die Frage der Behandelbarkeit von Psychopathen.

Kriminaltherapie

• Psychopharmakotherapie, Psychotherapie im engeren Sinn und psychosoziale Verfahren sind wichtiger Bestandteil der Kriminaltherapie.
• Psychotherapie im engeren Sinn beinhaltet Psychoedukation, ADHS, Schema-Therapie, TEK, Trauma-Verfahren und Einzeltherapie.
• Zu den psychosozialen Verfahren gehören SKT, Sozialarbeit, Soziomilieu-Th, AT / BT / Sport und Schuldnerberatung.
• Wichtig ist die Straftäterbehandlung mit Deliktgruppe nach Wiesemes, ForTiS und R&R.

Zwangskontext versus Therapie

• Im Zwangskontext sollte eine therapeutische Beziehung aufgebaut werden mit Transparenz.
• Es gibt ein Verbot der Zwangsbehandlung, dafür muss eine Berichtspflicht eingehalten werden und ein Entzug der Freiheitsrechte kann stattfinden.

Ablaufplan der Therapie

• Aufnahmestation beinhaltet Was ist Therapie? und Was ist Sucht?
• Therapiestation beinhaltet Suchtentwicklung, Deliktanalyse/Delinquenzentwicklung, Biographie und Beziehungsfähigkeit.
• In der offenen Station finden Erprobung im offenen Setting, Umgang mit Triggern, Realitätserprobung, Aufbau von neuen Beziehungen und Aufbau eines Abgrenzung statt.
• Die forensische Nachsorgeambulanz dient der Begleitung und Beratung sowie der Erkennung von Frühwarnsignalen.

Beruf des Stationstherapeuten

• Therapieplanung, Therapiegespräche, Teamgespräche und Angehörigengespräche müssen erfüllt werden.
• Hausbesuche, Dokumentation, Stellungnahmen, Riskassessment und Prognoseerstellung gehören auch zu den Aufgaben.
• Die Vorbereitung von Lockerungsanträgen und Kontakte zu Gericht und Anwälten müssen auch täglich getan werden.

Gutachtertätigkeit

• Im Strafrecht: Schuldfähigkeit (§§20, 21 StGB), Prognose (§§63, 64, 66 StGB) und Entwicklungsstand eines Probanden (§§3 JGG, 105 JGG).
• Die Vernehmungsfähigkeit und Verhandlungsfähigkeit muss auch beachtet werden.
• Im Familienrecht: Sorgerecht, Umgangsrecht und Erziehungsfähigkeit
• Im Sozialrecht: OEG, Versicherungsfragen und Berentung
• In der Aussagepsychologie: Begutachtung von Aussagetüchtigkeit eines Zeugen und Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage.
• Die Beauftragung erfolgt üblicherweise über Staatsanwaltschaften / Gerichte, Behörden (OEG), seltener direkt über Anwälte.
• Die Arbeit erfolgt als psychologischer Sachverständiger in Klinik, Gutachtergemeinschaft oder Einzelpraxis.
• Zertifizierungen sind von Vorteil.
• Spaß macht der Einblick in sehr unterschiedliche Bereiche der Gesellschaft, die Abwechslung und das interdisziplinäre Arbeiten.
• Schwierig kann sein, dass man sich auf „fremdem Terrain“ bewegt und nicht immer eine „gemeinsame Sprache“ vorhanden ist.
• Auch der Gutachtenvortrag vor Gericht bei sehr streitiger Verhandlung, eine gewisse „Einsamkeit“ und belastende Themen/Akten/Bilder können schwierig sein.

Qualifikation

• Studium: Diplom-Psychologe/-In oder Masterabschluss in Psychologie mit Schwerpunkt: Klinische Psychologie
• Weiterbildungsmöglichkeiten: Psychologischer Psychotherapeut/-In und Rechtspsychologie
• Es gibt viele Karrierechancen.