Einführung in die Versorgungsforschung

Modul 7: Methoden der Versorgungsforschung I

• Modul 7 wird von Prof. Matthias Weigl und Dr. Nikoloz Gambashidze vom Universitätsklinikum Bonn geleitet.
• Das Institut für Patientensicherheit bietet dieses Modul an.

Ziel der Versorgungsforschung

• Bietet eine erste Einführung in wissenschaftliche Methoden.
• Es werden ausgewählte methodische Ansätze vorgestellt.

Agenda für heute

• Einführung in das Konzept der Versorgungsforschung
• Methoden werden diskutiert
• Hausaufgaben werden verteilt
• Datenquellen und Datenerhebungsverfahren
• Berücksichtigung von Systemfaktoren
• Ausblick und Verabschiedung

Einführung in die Versorgungsforschung

• Es handelt sich um ein fächerübergreifendes Forschungsgebiet.
• Betrachtet die Patienten- und Bevölkerungsperspektive.
• Berücksichtigt komplexe Kontextbedingungen.
• Untersucht Strukturen und Prozesse der Gesundheitsversorgung.
• Beschreibt den Outcome auf Ebene der Alltagsversorgung.
• Evaluiert komplexe Interventionen zur Verbesserung der Versorgung (laut Pfaff, 2017).
• Zu den zentralen Aspekten gehören die Patientenorientierung, die Wirksamkeit und der Nutzen, die Umsetzung unter komplexen Bedingungen, die Verbesserung der Versorgung durch Interventionen sowie die Multidisziplinarität und Professionalität.

Internationaler Stand der Versorgungsforschung

• „Health Services Research“ ist relevant.
• Es stellt die „3. Säule“ der Forschung neben der biomedizinischen und klinischen Forschung dar.
• „Comparative Effectiveness Research“ (CER) vergleicht Nutzen und Risiken verschiedener Präventions-, Diagnostik- und Therapieangebote, um informierte Entscheidungen zu treffen und die individuelle sowie kollektive Versorgung zu verbessern.
• Untersuchungen zur Über-, Unter- und Fehlversorgung sind wichtig.
• Die Untersuchung von Benachteiligungen („equity“) spielt hierbei eine Rolle.
• „Improvement Science“ und „Implementation Science“ sind ebenfalls Bestandteile.

Forschungsprozess

• Der Forschungsprozess beinhaltet Elemente wie Theorie, Modelle, Hypothesen, Fragestellung, Operationalisierung, Datengewinnung, Datenauswertung, Generalisierung und Erklärung.
• Die Bewertung dieser Elemente ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil.

Methoden

• Es gibt qualitative, quantitative und Mixed-Methods.
• Zu den quantitativen Methoden gehört der Fragebogen
• Zu den qualitativen Methoden gehören die Beobachtung und das Interview.

Fragebogen

• Unterschiedliche Modalitäten wie Papier oder online sind möglich.
• Antwortformate variieren von offen bis geschlossen.
• Geschlossene Fragen bieten ein-/zwei Antwortoptionen oder verschiedene Antwort-Optionen (z.B. Sonntagsfrage).
• Likert-Skalen, visuelle Analogskalen und Szenarien/Vignetten sind gängige Instrumente.

Likert-Skalen

• Ermöglichen Einschätzungen auf einer Skala („Ich finde es großartig, am Samstag AMTS zu studieren“).
• Erfassen Häufigkeiten („Wie oft haben Sie in die Woche Ihr Medikamente eingenommen?“).

Beispiel für einen Ausschnitt aus einem Fragebogen

• Aussagen zur Zeit vor und während der Entlassung aus der Klinik werden bewertet.
• Es wird abgefragt, inwiefern die Aussage zutrifft.
• Die Skala reicht von „Stimme voll und ganz zu" bis „Ich weiß nicht/ich erinnere mich nicht/trifft nicht zu".

Beobachtung

• Es existieren verschiedene Varianten (z.B. im Feld oder video-basiert).
• Geschulte Beobachter (Experten-Beobachtung) werden eingesetzt.
• Beobachtungen können standardisiert (festes Set an Informationen) oder nicht-standardisiert (freie Notizen) erfolgen.
• Ein Beispiel aus eigener Arbeit zeigt die Anzahl beobachteter Unterbrechungen nach Ursache/Quelle.
• In 285 Minuten wurden 48 Unterbrechungsereignisse bei Ärzten/Pflegekräften beobachtet.
• Im Mittel gab es 10 Unterbrechungen pro Stunde (alle 5.9 Minuten).

Interview

• Verschiedene Varianten sind möglich, beispielsweise Einzel- oder Gruppeninterviews.
• Frage-/Antwort-Formate können standardisiert (ja/nein), semi-standardisiert (mit Begründung) oder nicht-standardisiert (freie Erläuterung) sein.
• In einem Beispiel wird nach der Verwendung eines KI-Tools und dessen Einfluss auf Arbeitsabläufe gefragt.

Quantitative vs. Qualitative Forschungsansätze

• Quantitative Forschung testet Hypothesen mit strukturieren Methoden (Fragebögen, Skalen).
• Qualitative Forschung erforscht Phänomene mit halbstrukturierten Methoden (Interviews, Beobachtungen, Gruppendiskussionen).
• Quantitative Forschung verwendet vorbestimmte Designs und deduktive Prozesse, während qualitative Forschung flexible Designs und induktive Prozesse nutzt.
• Der Fokus liegt bei quantitativer Forschung auf Ergebnissen und Vorhersagen, bei qualitativer Forschung auf dem Prozess.
• Quantitative Forschung arbeitet mit großen Stichproben und statistischer Analyse.
• Qualitative Forschung verwendet kleine Stichproben und fallbasierte, deskriptive/interpretierende Methoden.

Mixed-Methods-Studien

• Methodenpluralität in einer Untersuchung dient der „Kompensation“ und erhöht die Validität.
• Es existieren konvergente Designs (parallel), Vorstudien- bzw. Verallgemeinerungs-Designs (sequenziell) und Vertiefungsdesigns (sequenziell).

Vier-Augen-Prinzip

• Beispielhafte Forschungsfrage: Ist das Vier-Augen-Prinzip beim Stellen von Medikamenten eine sichere Praxis?
• Mögliche Methoden sind Fragebögen (standardisiert oder offen), Beobachtung und Interviews (standardisiert oder offen).

Vorteile und Nachteile von Forschungsmethoden (Befragung)

• Vorteile sind das Patientenexpertenwissen über ihre Situation sowie ihre subjektiven Einschätzungen.
• Die Entwicklung und Anwendung sind leicht, ebenso die Auswertung von Fragebögen.
• Sie sind zeitökonomisch und erlauben große Stichproben.
• Nachteile sind Verständnisprobleme bei schriftfremden Personen und Mehrdeutigkeit/Kontextspezifität.
• Fragebögen zwingen zu Durchschnittsangaben.

Vorteile und Nachteile von Forschungsmethoden (Expertenbewertung/Beobachtung)

• Verzerrungen durch Fehlinterpretationen werden vermieden.
• Unterschiede zwischen Aussagen und tatsächlichem Verhalten werden identifiziert.
• Erlaubt detaillierte Identifizierung konkreter Interventions-/Gestaltungsempfehlungen
• Nachteile sind eine abnehmende Qualität/Validität bei komplexen Aktivitäten.
• Dynamische Aspekte sind eingeschränkt beobachtbar.
• Seltene, aber relevante Ereignisse werden verpasst und Beobachter unterliegen verzerrenden Prozessen.

Epidemiologische Methoden

• Kohorten-Studien werden in der Forschung verwendet.
• Es wird verglichen eine exponierte und eine nicht-exponierte Gruppe über die Zeit.
• Wenn eine exponierte Gruppe eine anderere Wahrscheinlichkeit für abhängige Variablen hat, kann ein Zusammenhang angenommen werden.
• Vorteile einer Kohortenstudie sind die Möglichkeit zur Berechnung von Inzidenz, die Erforschung von Kausalität und multiplen Wirkungsbeziehungen.
• Die Reduktion des ‚survivor bias‘ bei guter Stichprobenverfolgung und Aussagen zu Inzidenz, relativen Risiken und Konfidenzintervallen sind zudem vorteilhaft.
• Nachteile sind ‚selection bias‘, Auswahlverzerrungen, Probleme bei der Vergleichbarkeit der Subgruppen, ‚loss to follow-up‘ und ein Wechsel der Gruppenzugehörigkeit (Kontamination).

Interventionelle Versorgungsforschung

• Häufige Ansätze sind prospektive clusterrandomisierte Interventionsstudien mit Randomisierung auf Ebene von Teilgruppenund Designs mit einer nicht-randomisierten Kontrollgruppe sowie a posteriori Matching.

Gesundheitsökonomische Studien

• Befassen sich mit der Ressourcenallokation innerhalb des Gesundheitswesens.
• Berücksichtigen die Verteilung knapper Mittel zwischen Gesundheit und anderen Bereichen (laut Pfaff et al., 2017).
• Studienformen umfassen die Kosten-Minimierungs-Analyse, Kosten-Effektivitäts-Analyse, Kosten-Nutzwert-Analyse und Kosten-Nutzen-Analyse.

Evidenz-Synthese

• Evidenz ist die Zusammenstellung und Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf empirischer Basis.
• Reviews sind wichtig
• Reviews werden nach den Zielen, der Studie und den Methoden für die Suche, Auswertung, Synthese und Analyse unterschieden werden.
• Beispiele für Reviews sind Literature Reviews, Rapid Reviews, Critical Reviews, Scoping Reviews, Mapping Reviews, State-of-the-Art Reviews, Systematic Reviews, Meta-Analysen, Mixed Methods Reviews und Qualitative Systematic Reviews.

Evaluation von Interventionen

• Ziel ist es, zu bewerten, was man über eine Intervention wissen will.
• Es wird bewertet, ob ein Effekt beobachtbar ist (Effekt-Evaluation).
• Des Weiteren, wie ein Effekt zustande kommt (Prozess-Evaluation).

RE-AIM Framework

• RE-AIM Framework (Glasgow, Vogt, et al., 1999) wird bei der Prozess-Evaluation verwendet.
• Es wird bewertet ob die Zielgruppen erreicht werden (REACH).
• Ob die Intervention wirksam ist (EFFECTIVENESS).
• Ob diese an- und übernommen wird (ADOPTION)
• Ob diese sie wie vorgeschlagen durchgesetzt wird (IMPLEMENTATION)
• Ob diese nachhaltig beibehalten wird (MAINTENANCE)

Patientensicherheitsforschung

• Befragungen messen die Patientensicherheitskultur.
• Beobachtungsstudien zeigen das Verhalten des klinisch tätigen Personals.
• Die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse identifiziert sich Risiken und Fehler.
• Die Fehler(ketten)analyse analysiert Systemfehler.
• Audits erfassen definierte Außmaße.
• Peer-Reviews dienen der Beratung von Behandlungen durch Ärzte.

Gütekriterien

• Gütekriterien für Methoden (und Studien insgesamt) sind Objektivität, Reliabilität und Validität.

Hausaufgabe

• Es sollen Kleine Gruppen gebildet werden bestehend aus 3-4 Personen.
• Es soll eine mixed-methods-Studie zur Beantwortung einer spezifischen, von Ihnen gemeinsam formulierten Forschungsfrage in der Versorgungsforschung geplant werden.
• Es soll ein Titelblatt( maximal 1 Seite) erstellt werden mit Titel und Autor, Fragestellung, Studiendesign, Zielvariablen, Konstrukte und Merkmale der Zielgruppe.
• Es sollen ein Instrument für die qualitative Komponente (z. B. ein Interview) und für die Quantitative Komponente (z. B. ein Fragebogen) mit Beispielfragen und Antwortoptionen erstellt werden.

Kontaktinformationen

• Prof. Dr. Matthias Weigl ([email protected]) und Dr. Nikoloz Gambashidze ([email protected])
• Sie sind am Universitätsklinikum Bonn tätig.
• Das Institut für Patientensicherheit und die Webseiten www.ukbonn.de/ifps und www.instagram.com/ifps_bonn können für weitere Informationen eingesehen werden.

Modul 7 bietet eine Einführung in wissenschaftliche Methoden der Versorgungsforschung. Es werden methodische Ansätze vorgestellt, Datenquellen und Datenerhebungsverfahren diskutiert. Das Modul berücksichtigt Systemfaktoren und gibt einen Ausblick auf weitere Themen.