Anorexie bei Kindern und Jugendlichen

Einführung

• Anorexie hat die höchste Mortalitätsrate unter psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter.
• WHO erkennt Anorexie als bedeutende Störung bei Kindern und Jugendlichen an.
• Mindestens jedes 200. Mädchen im Alter der Adoleszenz ist betroffen.

Darstellung der Störung

• Anorexie kennzeichnet sich durch stark restriktives Essverhalten zur Gewichtsabnahme.
• Verzicht auf hochkalorische Lebensmittel, exzessive Sportaktivitäten und Erbrechen sind häufige Verhaltensweisen.
• Flüssigkeitsvermeidung kann zu lebensbedrohlicher Exsikkose führen.
• Nahrungsaufnahme erfolgt häufig in ritualisierten Verhaltensweisen.
• Essgestörte Jugendliche zeigen oft Perfektionismus und hohe schulische Leistungsorientierung.
• Psychische Begleiterkrankungen wie Depressionen und Ängste sind verbreitet.
• Gewichtsphobie mit einem engen Fokus auf Gewicht und Essen ist charakteristisch.
• Mädchen zeigen gelegentlich eine unregelmäßige Menstruation, was kein Pflichtkriterium ist.
• In etwa 40 % der Fälle beginnt die Störung zwischen 15 und 19 Jahren, zunehmend auch bei unter 14-Jährigen.
• Geschlechterverhältnis: Mädchen 1:10 bis 1:20 häufiger betroffen als Jungen.
• Hoher sozioökonomischer Status und Bildungsniveau gelten als Risikofaktoren.
• Zwangsstörungen treten komorbid auf, Anorexie wird als Teil des Zwangserkrankungsspektrums diskutiert.
• Depressive Störungen bei über 60 % der Betroffenen, Symptomatik kann durch Gewichtsnormalisierung verbessert werden.
• Mortalitätsrate ca. 5 %, auch nach Bewältigung der Anorexie leidet oft eine hohe Anzahl an Betroffenen unter weiteren psychischen Erkrankungen.

Modelle zu Ätiologie und Verlauf

• Anorexie wird durch genetische und soziokulturelle Faktoren verursacht.
• Höhere Prävalenz in westlichen Gesellschaften, insbesondere in Familien mit hohem Bildungsniveau.
• Angstvolles und überbehütendes Verhalten von Müttern oft zu beobachten.
• Patienten zeigen häufig Introvertiertheit, Rigidität und überdurchschnittliche Intelligenz.
• Diäten als häufige Vorläufer der Störung; hohe Bedeutung von Gewicht und Figur in der Familie.
• Somatische Folgen umfassen Blutveränderungen, Unterfunktion der Schilddrüse, Elektrolytstörungen, Herzrhythmusstörungen und Gehirnatrophie.

Diagnostik

• Hauptsymptom: zu geringes Gewicht, muss mit anderen körperlichen Erkrankungen, wie Hirntumoren oder Magen-Darm-Erkrankungen, differenziert werden.
• Bedeutung komorbider Störungen für die Prognose, besonders wenn diese vor Anorexie auftraten.

Therapeutisches Vorgehen

• Stationäre Behandlung bei medizinischen Komplikationen, raschem Gewichtsverlust oder Suizidgefahr erforderlich.
• Vier Behandlungsbausteine: somatische Rehabilitation, individuelle Psychotherapie, Familieneinbeziehung und Behandlung der Komorbiditäten.
• Gruppentherapie wird für Ernährungstherapie und Kommunikationsfertigkeiten eingesetzt.
• Niedriges Gewicht erfordert Fokus auf somatischen Problemen und Gewichtszunahme; kognitive Arbeiten sind in Hungerzuständen eingeschränkt.
• Familientherapie soll Eltern als Co-Therapeuten einbeziehen, um negative Auswirkungen ihrer Kontrolle zu reduzieren.
• Medikamentöse Therapie existiert nicht für Anorexie, kann aber bei Komorbiditäten angewandt werden.

Zusammenfassung, empirische Belege und Ausblick

• Anorexie birgt existenzielle Bedrohungen und schwerwiegende somatische Folgen.
• Mortalitätsrate ist hoch und Anorexie ist die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen.
• Diagnostik muss umfassend sein, einschließlich körperlicher Schäden und comorbider Störungen.
• Prognose ist besser bei jüngeren Patienten und schlechter mit längerer Krankheitsdauer.
• Familienbasierte Therapie auf Maudsley-Modell hat gute empirische Belege; kognitiv-behaviorale Verfahren benötigen mehr Studien zur Wirksamkeit.
• Zukünftiger Forschungsbedarf besteht insbesondere für Internet-basierte Therapieansätze und –Apps.