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14. März 2024 Psychosoziale Nothilfe Care Team Kanton Bern Pascale Rey-Widmer Einsatzleiterin Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär 1 14. März 2024 Pascale Rey-Widmer ‒ Psychologin FSP (Arbeits- & Organisationspsychologie) ‒ Erwachsenenbildung / Coaching / Beratung, z.B. ‒ Leadership Ausbild...

14. März 2024 Psychosoziale Nothilfe Care Team Kanton Bern Pascale Rey-Widmer Einsatzleiterin Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär 1 14. März 2024 Pascale Rey-Widmer ‒ Psychologin FSP (Arbeits- & Organisationspsychologie) ‒ Erwachsenenbildung / Coaching / Beratung, z.B. ‒ Leadership Ausbildungen ‒ Stress & Stressmanagement ‒ Change Management ‒ Fachperson psychologische Nothilfe NNPN ‒ seit 2019: Care Profi im Care Team Kanton Bern seit 2022: Einsatzleiterin ‒ Selbständig als Coach bei Abschied und Verlust www.kintsugi-coaching.ch 2 14. März 2024 Inhalt ‒ Care Team Kanton Bern Auftrag, Organisation und Einsatz ‒ Psychosoziale Unterstützung Einsatzgebiet und Methoden ‒ Gesprächsführung und Kommunikation in der Krise Konkrete Umsetzung ‒ Mitgliedschaft Aufnahmeprozess und Ausbildung 3 14. März 2024 Care Team Auftrag, Organisation und Einsatz 4 14. März 2024 Von Notfallseelsorge zu Care Team Kanton Bern ‒ Saxetenbach 1999 ‒ Beschlüsse Regierungsrat 2003/2007/2016 ‒ Hochwasser 2005/07/14 ‒ Kanderunglück 2008 ‒ Lawinenwinter 2010 ‒ Eidg. Turnfest 2013 ‒ Alltagsereignisse 5 14. März 2024 Gesetzlicher Auftrag Kantonales Bevölkerungsschutz- und Zivilschutzgesetz (KBZG) Art 37 Der Regierungsrat legt die Massnahmen zur psychologischen und seelsorgerlichen Betreuung des eingesetzten Personal sowie der Opfer und deren Angehörigen fest. Verordnung über den Bevölkerungsschutz (KBSV) Art 47: Psychologische und seelsorgerliche Erste Hilfe bei traumatisierenden Alltagsereignissen, bei Katastrophen oder in Notlagen umfasst − die Betreuung von Menschen mit psychischen Reaktionen, − die psychische Gesunderhaltung von Helferinnen und Helfern, − die Unterstützung bei der Vermittlung einer allfälligen Nachbetreuung. 6 14. März 2024 Gesetzlicher Auftrag Psychosoziale Betreuung von gesunden Personen, die von einem potentiell traumatisierenden Ereignis betroffen sind, durch Zivilpersonen (im Milizsystem, mit Ausbildung). Akutintervention und keine… ‒ … Diagnose ‒ … Therapie ‒ … Anwerbung 7 14. März 2024 Funktionen und Bestand 2024: 161 Personen Geschäftsstelle CTKB 5 Personen 150 Mitglieder Care Profis Fachperson psychologische Nothilfe Care Giver Psychologischer Nothelfer Miliz 8 Einsatzleitende 2023: 655 Einsätze / ca 397 Ereignisse 8 14. März 2024 Alarmierung Ereignis Aufgebot durch Blaulicht Alarmierung SNZ Bern oder Biel Im Dienst: 3 Mitglieder CTKB Schutz und Rettung Sanitätspolizei Bern KEZ Biel STS Gesigen, FMI Wilderswil SRO Langenthal Réseau de l’Arc Tramelan, St-Imier, Moutier H-Ju Delémont Ausrüstung Handy, Fahrzeuge, Einsatzordner Arbeitsplätze bei der Sanitätspolizei Bern und der Einsatzzentrale Biel Geschäftsstelle CTKB Alarmierung weiterer Einsatzkräfte CTKB 2 Einsatzleitende CTKB auf Pikett 9 14. März 2024 Einsatz Vorbereitung ‒ Rekrutierung und Fachausbildung für Care Profis und Care Givers ‒ Zusatzausbildung für Einsatzleitende ‒ Jahresplanung mit Aufgebot ‒ Fachtagungen zur Weiterbildung ‒ Intervision und Supervision Akutphase ‒ Einsatz bis zur Stabilisierung und Entlassung oder Vernetzung in Nachsorge Kein Follow-up Einsatz Care Team mit Blaulichtformationen Aus: Nachbetreuung Einsatzrichtlinien und Ausbildungsstandards für die psychologische Nothilfe, NNPN, 2013 10 14. März 2024 Care Teams in der Schweiz Unterschiedliche Care Teams, je nach Kanton Unterschiede in Grösse, Organisation, Ausbildung, Finanzierung Gemeinsamkeit: psychosoziale Nothilfe, Zusammenarbeit mit anderen Organisationen Überblick: www.cns-cas.ch 11 14. März 2024 Psychosoziale Nothilfe Einsatzgebiet und Methoden 12 14. März 2024 Alltagsereignisse – Grossereignisse – Katastrophen 13 14. März 2024 Alltagsereignisse ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Unerwartete Todesfälle Suizid Verkehrsunfälle Arbeitsunfälle Brand Einsätze nach (häuslicher) Gewalt Begleitung der Kantonspolizei beim Überbringen von Todesnachricht ‒ Begleitung zur Identifikation von Verstorbenen 14 14. März 2024 Einsätze im 2023 15 14. März 2024 Haltung gegenüber Betroffenen Die Situation ist nicht normal NICHT umgekehrt!!! Die Reaktionen sind normal 16 14. März 2024 Ausnahmezustand – akute Belastungsreaktion - PTBS Reaktion in AkutSituation Akute Stress-Reaktion Post-traumatische Belastungs-Störung Dauer Ca. erste 2 Tage Mind. 2 Tage bis 4 Wochen Ab 1 Monat, ca. innerhalb 6 Monaten nach Ereignis Eigenschaften Alle Reaktionen sind normal -Körperliche & - Wiedererleben psyschische Symptome - Vermeidung -Veränderung im Verhalten - Übererregtheit (z.B. Rückzug) -intrusive Erinnerungen Betreuung Psychosoziale Nothilfe Nachbesprechungen Bemerkung Vorsicht bei dissoziativen Symptomen Früher „akute Belastungsstörung“ bis ICD 10 Diagnose nötig Therapie indiziert 17 14. März 2024 18 Ziel der psychosoziale Nothilfe : Selbständigkeit ‒ eingeschränkte Wahrnehmung ‒ verändertes Zeitleben ‒ Handlungen und Pläne werden unterbrochen oder gar sinnlos ‒ die Selbstkontrolle ging verloren ‒ Weltbild wird in Frage gestellt ‒ Selbstbild gerät aus den Fugen ‒ die soziale Ordnung ist gestört Erweiterte Wahrnehmung Vergangenheit - Zukunft Planung für die nächste Zeit Sich wieder spüren Sich vergewissern, fragen Wieder unter Menschen gehen Vertrauensvolle Ansprechpartner/innen haben 14. März 2024 Intervention S A F E R tabilisieren, Sicherheit nerkennen ördern rmutigen ückführung Ziele: Selbständigkeit Aktivierung des Netzes 19 14. März 2024 Stabilisieren, Sicherheit geben A nerkennen F ördern E rmutigen R ückführung ‒ Vertrauen schaffen ‒ von den Stressoren wegbringen ‒ Eine erste Einschätzung des psychischen Zustands 20 14. März 2024 S tabilisieren, Sicherheit Anerkennen der Reaktionen und der Gefühle F ördern E rmutigen R ückführung ‒ Den Betroffenen beschreiben lassen, was passiert ist und ‒ was seine persönliche Reaktionen auf die Krise sind. 21 14. März 2024 S tabilisieren, Sicherheit A nerkennen Fördern des Verständnisses der Reaktionen und was passiert ist E rmutigen R ückführung ‒ Die Symptome als normale, verständliche Reaktionen erkennen lassen 22 14. März 2024 S tabilisieren, Sicherheit A nerkennen F ördern Ermutigen und Ressourcen aktivieren R ückführung ‒ Grundlagen des Stress- und Krisenmanagements vermitteln bzw. in Erinnerung rufen ‒ Ressourcen aktivieren ‒ Die nächsten Schritte planen 23 14. März 2024 S tabilisieren, Sicherheit A nerkennen F ördern E rmutigen Rückführung, Neuorientierung ‒ Beurteilung der aktuellen Funktionsfähigkeit ‒ Aufsuchen weiterer Hilfe 24 14. März 2024 Gesprächsführung und Kommunikation in der Krise Konkrete Umsetzung 25 14. März 2024 Grundprinzip der Gesprächsführung in der Krise ‒ Betroffene abholen bei Fragen / Bedürfnissen / Gedanken ‒ Zu Themen hinführen, über die man sprechen will (soll / muss) ! Psychosoziale Nothilfe ist kein Therapie-Gespräch ! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Wir folgen nicht in alle «seelischen Abgründe» Wir suchen nicht nach Ursachen Wir explorieren belastende Themen nicht weiter Wir suggerieren nichts Wir bewerten nichts 26 14. März 2024 Non-Verbale Kommunikation ‒ Ganzes System ausgerichtet auf Abwenden der Bedrohung und auf Schutz ‒ Betroffene sind viel sensibler auf nonverbale Sprache ‒ „negative“ und „Warn-“Signale werden wie stärker wahrgenommen ‒ Haltung, Mimik, Tonfall sind in der Betreuung sehr wichtig 27 14. März 2024 Aktives Zuhören ‒ Paraphrasieren «…also dann war es ganz laut» ‒ Zusammenfassen «Also Sie verliessen direkt nach dem Zusammenstoss das Fahrzeug und sind bis XY gelaufen.» ‒ Verbalisieren «Sie waren wütend.» ‒ Nachfragen / Weiterführen «Wo war ihre Tochter zu dem Zeitpunkt?» ‒ Nichts sagen / «Aushalten» 28 14. März 2024 Die Rolle von Fragen ‒ Gespräch strukturieren („halb-direktiv“) ‒ Betroffene „zum reden bringen“ ‒ Kognitive Kapazität der Betroffenen eruieren ‒ Bedürfnisse erfassen „Wollen sie etwas trinken?“ ‒ Struktur in Verwirrung bringen „und was ist als nächstes passiert?“ ‒ Fakten zusammentragen „Wie können sie ihren Mann jetzt erreichen?“ Einfache, sachliche Fragen …bezogen auf: - Bedürfnisse - Fakten - konkrete Handlungen - praktische Aufgaben - hilfreiche Angebote 29 14. März 2024 Mitglied im Team Aufnahmeprozess & Ausbildung 30 14. März 2024 31 Voraussetzungen Care Giver/Care Profi Lebenserfahrung, psychische und physische Belastbarkeit, Teamfähigkeit, zwischen 28 und 58 Jahre alt, Führerausweis Kategorie B, wohnhaft im Kanton Bern. Zusätzlich Care Profi Abgeschlossenes Psychologie- oder Theologiestudium oder Pflegefachperson mit Schwerpunkt Psychiatrie, mindestens 3 Jahre Berufserfahrung 14. März 2024 Ausbildung und Mitglied als Care Profi Theorie: 16 Tage ‒ 4 Module à 2 bis 4 Tage (Total 12 Tage) ‒ Blaulichttag ‒ 1 Tag Übung Grossereignis ‒ 1 Fachtagung mit dem ganzen Team ‒ Verteilt über 2 Jahre Praxis: 8 Tage ‒ 1. Dienstwoche (WK), Freitag 9.00 bis Freitag 12.00 Uhr ‒ Diensttage ab Standort ‒ Nacht-Pikett von zu Hause aus Jedes Jahr: ‒ Fachtagung, Dienstwoche (ca. 8 Tage), Übung 32 14. März 2024 Ausbildungsinhalte − − − − − − − Notfallpsychologie, Notfallseelsorge Intervention nach SAFER, Rollenspiele Kommunikation in der Krise Psychiatrie, Kinder und Jugendliche Selbstschutz und Psychohygiene Einsatz mit den Partnerorganisationen Stabsarbeit 33 14. März 2024 34 Aufnahme und Ausbildung: langfristiges Engagement Mindestens 3 Dienstjahre Jeweils mind. 8 Diensttage Jeweils mind. 1 Übung Jahre 6-… Zertifizierung und Aufnahme als «reguläres» Care Team Mitglied Jahr 5 Erste Dienstwoche Fachtagung AusbildungsVertiefung GrossereignisÜbung Jahr 4 Theoretische Ausbildung Blaulichttag Jahr 3 Info-Abend Eignungstag (Assessment) Jahr 2 Jahr 1 OnlineAnmeldung 14. März 2024 Take Care! 35 14. März 2024 Kontakt Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär Geschäftsstelle Care Team Kanton Bern Papiermühlestrasse 17v Postfach 3000 Bern 22 [email protected] +41 31 636 05 80 Version 2024 / MOI 36 Gesprächsführung, Interviewtechnik und Verhaltensbeobachtung II Kinder & Familien Dr. phil. Eva Schürch, Institut für Psychologie, Universität Bern 25.03.2024 GIV II Übersicht > 2. Teil Krisen: Umgang mit Suizidalität > Besonderheiten von Gesprächen mit Kindern > Ökosystemische Perspektive - > Einbezug der Familie Motivierende Gesprächsführung mit Jugendlichen © Eva Schürch | 25. 03. 2024 2 © Eva Schürch | 25. 03. 2024 3 Gespräche mit Kindern > Wichtige Eckpunkte - Alter: von Kleinkind bis Teenager - Verspieltheit - nonverbale Kommunikation - aktive vs. passive Sprache - Fragen formulieren © Eva Schürch | 25. 03. 2024 4 Suggestibilität und Zuverlässigkeit (Marie Marcks) © Eva Schürch | 25. 03. 2024 5 Fantasie und Wirklichkeit © Eva Schürch | 25. 03. 2024 6 Voraussetzungen > Was ich als TherapeutIn mitbringen muss: - viel entwicklungspsychologisches Wissen - fundierte Kenntnis der Lebenswelten - Wahrnehmungsfähigkeit - Spielfreude - Präsenz - mit Körperkontakt umgehen können - grundsätzliche Freude an Kindern - hohe Flexibilität © Eva Schürch | 25. 03. 2024 7 Besonderheiten der Therapie mit Kindern > Entwicklungsdimension > Therapiebeziehung > Reflexionsfähigkeit bzw. Krankheitsverständnis > ökosystemische Dimension © Eva Schürch | 25. 03. 2024 8 Rahmenbedingungen > > Auftraggebende: Eltern Indexpatient*in: Kind (Kind als Symptomträger*in?) > > Behandlung der gesamten Familie Wechsel des Settings und parallele Einzel- und Familiensitzungen > > Erziehungsberatung / Schulberatung Fürsorge / Obhut / Vormundschaft / Beistandschaft © Eva Schürch | 25. 03. 2024 9 Schwierige Situationen I > Rechtlich: - Schweigepflicht - Getrennte Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht - Einladungen und Geschenke > Ungünstige Rahmenbedingungen: - Mangelnde Struktur in der Familie - Zusammenarbeit mit anderen Institutionen (Jugendamt, Schule, Kita) - Migrationshintergrund © Eva Schürch | 25. 03. 2024 10 Schwierige Situationen II > Interaktion mit den Eltern - mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit - Dramatisieren und Bagatellisieren - Grenzüberschreitung und Streit - ideologische Bedenken > Interaktion mit Kind/Jugendlichen - Kind will nicht alleine kommen - Kind spricht nicht - Kind kommt nicht freiwillig - Kind ist aggressiv gegenüber dem Therapeuten - Kind sucht Körperkontakt © Eva Schürch | 25. 03. 2024 11 Systemische Perspektive > Kinder mit Störungen leben nicht in einem Vakuum, sondern sind Teil eines sozialen Bezugssystems > Die Entwicklung der Kinder wird massgeblich vom familiären Kontext beeinflusst > Sozialer Kontext als Bedeutungshintergrund von psychischen Störungen © Eva Schürch | 25. 03. 2024 12 Systemische Fragen > Ziel systemischer Fragen: Ideen und Perspektiven einführen, die neue Entwicklungen in Gang bringen und Veränderungen anregen Technik: dysfunktionale Muster oder einschränkende Ideen „stören“ > Wichtigste Fragetypen: > - Zirkuläre Fragen - Hypothetische Fragen - Klärende Fragen (z.B. Exploration der Werte) > Systemische Fragen verdeutlichen, lenken, hinterfragen, differenzieren © Eva Schürch | 25. 03. 2024 13 Systemische Intervention > Veränderungen finden in der Lebenswelt der Klienten statt! > Interventionen: Aufgaben, Anregungen, Verschreibungen - Umdeutungen - Beobachtungsaufgaben - Verhaltensaufgaben - Verschreibung problematischer Muster (Symptomverschreibung) > Interventionen einführen und nachbesprechen © Eva Schürch | 25. 03. 2024 14 Definition Die Motivierende Gesprächsführung ist eine partnerschaftliche, personenbezogene Kommunikationsweise, durch die eine Veränderungsmotivation hervorgerufen und gestärkt wird. (Miller & Rollnick, 2009) © Eva Schürch | 25. 03. 2024 15 Unterschied MI - andere Therapieansätze (Rollnick, Miller & Butler, 2008) © Eva Schürch | 25. 03. 2024 16 (Naar-King & Suarez, 2012) © Eva Schürch | 25. 03. 2024 17 Grundhaltung des MI > Leitmotive des MI - Autonomie - Kooperation - Evokation > die 4 MI Grundsätze - Empathie ausdrücken - Diskrepanz aufzeigen - Widerstand aufgreifen - Selbstwirksamkeit fördern © Eva Schürch | 25. 03. 2024 18 Personenzentrierte Beratungsfertigkeiten > die 4 MI Strategien - aktiv Zuhören - offene Fragen stellen - Bestätigen - Zusammenfassen © Eva Schürch | 25. 03. 2024 19 Umgang mit Widerstand > > > Resistance Talk Sustain Talk keine Gesprächsbereitschaft K: «Ich weiss gar nicht, weshalb man mich hierher geschickt hat» (Resistance Talk). «Ich trinke nur zum Spass, aber ich hatte nie einen Autounfall» (Sustain Talk). T: «Du hast nur ein paar unbedeutende Probleme bekommen, weil du getrunken hast». K: «Ich habe oft versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Nichts funktioniert» (Sustain Talk) T: «Ich höre deinen Frust. Aber ich sehe auch deine Beharrlichkeit. Du scheinst jemand zu sein, der es weiter versucht, auch wenn es schwer ist.» © Eva Schürch | 25. 03. 2024 20 Change Talk > Klientin signalisiert Veränderungsmotivation > > > Veränderungsmotivation stärken Veränderung ausarbeiten Veränderungsmotivation durch Fragen provozieren - direkte Fragen - Imagination - Werte © Eva Schürch | 25. 03. 2024 21 Maximen im Motivational Interviewing > R resist > U understand > L > E empower listen © Eva Schürch | 25. 03. 2024 22 Fazit > Therapie mit Kindern & Jugendlichen = andere Voraussetzungen, andere Ausbildung > Zugang stärker über Spiel und NVK > Verweigerung der Therapie als Teil der Entwicklung > System wird immer einbezogen > Rahmenbedingungen als Herausforderung > MI als Möglichkeit bei Jugendlichen © Eva Schürch | 25. 03. 2024 23 Learningoutcomes > Sie kennen die Besonderheiten von Gesprächen mit Kindern und wissen, was eine Therapeut:in mitbringen muss. > Sie können die Suggestibilität von Kindern richtig einordnen. > Sie kennen den Umgang von Kindern mit Fantasie und Wirklichkeit. > Sie kennen schwierige Situationen in Therapien mit Kindern und können Beispiele zuordnen. > Sie kennen die systemische Perspektive und wissen, welchen Einfluss diese auf die Rahmenbedingungen hat. > Sie kennen das Grundprinzip von systemischen Fragen und systemischen Interventionen. > Sie kennen die Grundprinzipien der motivierenden Gesprächsführung und können diese gegen andere Therapieansätze abgrenzen. > Sie kennen die Pyramide der motivierenden Gesprächsführung und können Beispiele zuordnen. © Eva Schürch | 25. 03. 2024 24 Gesprächsführung, Interviewtechnik und Verhaltensbeobachtung II Berufs- und Laufbahnberatung, Personalentwicklung & MAG Dr. phil. Eva Schürch, Institut für Psychologie, Universität Bern 08.04.2024 GIV II K-Frage Suizidalität Patient L. berichtet, nun habe ihn sein Partner verlassen, jetzt sei es genug, er wolle nicht mehr leben. Wie soll der Therapeut reagieren? a) Er erstellt mit L. ein Krisenmerkblatt. b) Er bespricht mit L. die Möglichkeit eines Klinikaufenthalts. c) Er ruft die Polizei. d) Er nimmt L. das Versprechen ab, dass er sich bis zur nächsten Sitzung nicht umbringt. © Eva Schürch | 25. 03. 2024 2 A-Frage Systemische Fragen Die Therapeutin fragt Pit: „Wer regt sich mehr über deine Zeugnisnoten auf, die Mutter oder der Vater?“ Dies ist eine… a) Triadische Frage b) Hypothetische Frage c) Klassifikations-Frage d) Konditions-Frage © Eva Schürch | 08. 04. 2024 3 Infos Prüfung (update März 2024) > 90 Minuten > 45 Fragen (25 A-Fragen, 20 K-Fragen) > Cut-off für Note 4 = 60% > > 1. Termin: Dienstag, 18.06.2024, 13:30-15:00 Anmeldung unter KSL-Stammnummer 428800 > An- und Abmeldefrist: 15.04.2024 - 17.05.2024 © Eva Schürch | 08. 04. 2024 4 Learningoutcomes Notfallpsychologie > > > > > > Sie wissen, bei welchen Ereignissen das Care Team zum Einsatz kommt. Sie kennen verschiedene Stufen von Belastungsreaktionen und können sie voneinander abgrenzen. Sie kennen die Ziele der psychosozialen Nothilfe. Sie kennen das SAFER-Modell und können Beispiele zuordnen. Sie wissen, wie Gesprächsführung in Notfallsituationen abläuft. Sie können nonverbale Kommunikation, aktives Zuhören und Fragen im Kontext von Notfallsituationen einordnen und Beispiele zuordnen. © Eva Schürch | 08. 04. 2024 5 Übersicht und Ziele > Verschiedene Gesprächstypen im Umkreis von Beruf und Arbeit > Beispiele für Gesprächstypen > Anwendungsmöglichkeiten > Ziel: Vorstellung haben von Tätigkeitsfeldern der A & O Psychologinnen © Eva Schürch | 08. 04. 2024 6 Gespräche in Unternehmen © Eva Schürch | 08. 04. 2024 7 Gesprächstypen in der Arbeitswelt > Bewerbungsgespräch Berufs- und Laufbahnberatung > Personalentwicklung > Mitarbeitergespräch (MAG) > Rolle der Vorgesetzten > Rolle der Psycholog:innen > © Eva Schürch | 08. 04. 2024 8 Refresher: Job-Interview > Interview als häufigstes Instrument im Auswahlverfahren - Strukturiertheitsgrad > Anforderungsanalyse als Kernelement der Personalauswahl - Kompetenzen > Fragetechniken - STAR © Eva Schürch | 08. 04. 2024 9 Berufs- und Laufbahnberatung > Tätigkeitsfeld der Psychologinnen und Psychologen > Typische Anlässe: - Berufseinstieg, Berufswahl - Neuorientierung - Kritische Brüche (Lang-von Wins & Triebel, 2012) © Eva Schürch | 08. 04. 2024 10 Berufsberatung > Berufseinstieg > Hauptelemente: - Eignungsdiagnostik - Interessensabklärung - Beratung - Vermittlung > Institutionelle Beratungsangebote © Eva Schürch | 08. 04. 2024 11 Laufbahnberatung > Wann? - viele mögliche Anlässe > Warum? - Instabilität und Flexibilität > Wie? - Analyse der persönlichen Situation © Eva Schürch | 08. 04. 2024 12 Laufbahnberatung > Passungshypothese > Personenzentrierter Ansatz, ganzheitliche Perspektive - Anpassungsleistung - Persönliche Anpassungsfähigkeit - Identitätsbildung gegenseitige Beeinflussung Folge: Grenzen zwischen Laufbahnberatung und Lebensberatung verwischen © Eva Schürch | 08. 04. 2024 13 Elemente der Laufbahnberatung > Coaching > Ressourcenaktivierung > Kompetenzen als Ressourcen > Lösungsorientierung > Eigenverantwortung © Eva Schürch | 08. 04. 2024 14 Kompetenzen von Berater:innen > Gesprächsführung > Diagnostik > Informationsvermittlung und –management > Arbeitsmarktkenntnisse > Triage >... © Eva Schürch | 08. 04. 2024 15 Definition Personalentwicklung >... ein systematisches und zukunftsorientiertes Konzept zur Qualifikation von Mitarbeitenden aller Hierarchieebenen, um gegenwärtige und künftige Anforderungen zu bewältigen. (Nicolai, 2019) > immaterielle Investition in Humankapital > Sicherung der Qualifikationen für die Schlüsselpositionen © Eva Schürch | 08. 04. 2024 16 Personalentwicklung: Wer wird gefördert? > Prinzipien für Zielgruppen - Chancengleichheit - Privilegierung - Begabtenförderung - Engpassbeseitigung > Analyse der Mitarbeitenden: Personalprofile > Grundvoraussetzung: Motivation und Bildungsbereitschaft Nicolai, 2019; Scholz & Scholz, 2019 © Eva Schürch | 08. 04. 2024 17 Fallbeispiele > Person A: Ihr mangelt es an Engagement, sie macht immer nur das Minimum, bei anspruchsvolleren Aufgaben ist sie überfordert. > Person B: Sie arbeitet viel und zuverlässig, stösst bei komplexeren Aufgaben aber an ihre Grenzen. > Person C: Sie arbeitet motiviert und zuverlässig, sie ist sehr begabt und meistert neue Aufgaben mit Leichtigkeit > Person D: Sie fällt durch ihre brillanten Ideen und ihre schnelle Auffassungsgabe auf, im Alltag bringt sie jedoch unbefriedigende Leistungen, ist häufig unmotiviert und arbeitet schludrig. Nicolai, 2019 © Eva Schürch | 08. 04. 2024 18 Was wird gefördert? > Wiedersehen mit Kompetenzen: - fachliche - soziale - methodische > Wissen, Können, Verhalten Nicolai, 2019 © Eva Schürch | 08. 04. 2024 19 Ansatzpunkte für Personalentwicklung aus Nicolai, 2019 © Eva Schürch | 08. 04. 2024 20 Wer macht Personalentwicklung? > Rollenverständnis Personalentwickler:in - Personalabteilung? - Vorgesetze als Coach? - Mitarbeitende? - KI? > Kombination der Rollen > Personalentwicklung als Dienstleistung © Eva Schürch | 08. 04. 2024 21 Instrumente in der Personalentwicklung > Potenzialanalyse > Coaching > Karriereplanung vs. Nachfolgeplanung > Teamentwicklung © Eva Schürch | 08. 04. 2024 22 Potenzialanalyse > Welche Aufgaben kann Mitarbeiter:in bewältigen? > Komplexes Verfahren inkl. Persönlichkeitsdiagnostik > Unterschiedliche Ziele: Mitarbeiter:innensicht Unternehmer:innensicht Selbsteinschätzung verbessern Identifikation von Leistungsträger:innen Karrierechancen Personalentscheidungen treffen Differenziertes Feedback Wettbewerbsfähigkeit sichern © Eva Schürch | 08. 04. 2024 23 Coaching > Definition: «Systematisches Beratungs- und Handlungskonzept, bei dem vorrangig im beruflichen Kontext eine Hilfe zur Selbsthilfe angeboten wird.» (Nicolai, 2019) Formen des Coaching nach den Zielen nach den Zielgruppen nach der Anzahl Coachees Defizit-Coaching FührungskräfteCoaching Einzel-Coaching PräventivCoaching NachwuchsCoaching GruppenCoaching PotenzialCoaching MitarbeiterCoaching © Eva Schürch | 08. 04. 2024 nach der Herkunft externes Coaching internes Coaching hauptberufliche Coachs Führungskräfte als Coachs aus Nicolai, 2019 24 Karriereplanung vs. Nachfolgeplanung > Karriere: Mitarbeiter:in steht im Mittelpunkt - vertikale vs. horizontale Versetzung > Nachfolge: Unternehmen steht im Mittelpunkt - Konzentration auf Schlüsselpositionen - interne Nachfolgeregelungen > Planungshorizont: 3-5 Jahre © Eva Schürch | 08. 04. 2024 25 Teamentwicklung > z.B. Kommunikation in Teams > funktionale Kommunikation Ausgeglichenheit Mitgliederbeiträge entwicklungsorientiertes Feedback speaking up > dysfunktionale Kommunikation Jammerverhalten intentionale Wissensverbergung Massnahmen: - aktiv Zuhören, konstruktives Feedback - emotionale Intelligenz, psychologische Sicherheit, Team Reflexivität © Eva Schürch | 08. 04. 2024 26 Teamentwicklung Massnahmen: Erhöhung von... > emotionaler Intelligenz: - Kompetenz - mit eigenen und fremden Emotionen umgehen > psychologischer Sicherheit: - sich im Team aufgehoben fühlen - keine Angst vor Konsequenzen haben > Team Reflexivität: - aufgabenbezogen - zwischenmenschlich © Eva Schürch | 08. 04. 2024 27 Mitarbeiter:innengespräch (MAG) > Sammelbegriff für alle Gespräche zwischen Vorgesetzten und Arbeitnehmenden > mögliche Anlässe: © Eva Schürch | 08. 04. 2024 28 Grosse vs. kleine Mitarbeitergespräche Kleine Mitarbeitergespräche Große Mitarbeitergespräche Vorwiegend für Routineangelegenheiten Werden in besonderen Führungssituationen geführt Werden überwiegend spontan und ad hoc geführt Werden im Regelfall geplant und vorbereitet geführt Finden überwiegend am Arbeitsplatz des Mitarbeiters statt Finden im Regelfall im Büro des Vorgesetzten statt Sind von kurzer Dauer Sind von längerer Dauer Nicht formalisiert Weitgehend formalisiert Saul, 2012 © Eva Schürch | 08. 04. 2024 29 Gespräche vorbereiten und planen > Formelle Gespräche gut vorbereiten — wo, wann, wie, Unterlagen, Fragenkatalog > Informelle Gespräche nicht unnötig formalisieren > Hauptregel: Flexibel sein, da Gesprächsverlauf nicht genau steuerbar — Ziel festlegen — Sich auf Mitarbeitende „einstimmen“ – Infos einholen — Sich über Gesprächsgegenstand im Klaren sein – entsprechende Unterlagen bereitlegen © Eva Schürch | 08. 04. 2024 30 Beispiel: Jahresgespräch > Regelgespräch, verbindlich > Ziele: — Austausch — Reflexion — Orientierung > Ergebnis schriftlich festhalten © Eva Schürch | 08. 04. 2024 31 Gespräch eröffnen Ziele vereinbaren Beurteilung durchsprechen Fördermassnahmen erörtern Gesprächsrückblick Gespräch beenden Phasen Jahresgespräch 1. 2. 3. 4. 5. 6. © Eva Schürch | 08. 04. 2024 32 Universelle Phasen > Eröffnen — kurz halten — Atmosphäre — persönlich, personalisiert > Beenden — positiver Ausklang (recency Effekt!) — Zusammenfassung — Dank © Eva Schürch | 08. 04. 2024 33 Empfehlungen für die Gesprächsführung > Sachorientierte Techniken: — Lenken — Strukturieren > Mitarbeiterorientierte Techniken — — — — — — Wertschätzung Beteiligung Gesprächsklima Wir-Prinzip Lob Konfliktprophylaxe © Eva Schürch | 08. 04. 2024 Sitzordnung übers Eck 34 Empfehlungen für die Gesprächsführung > Zuhören — Faustregel: Halb so viel reden wie die Mitarbeitenden — Aktiv zuhören: – – – – Ausreden lassen Beiträge sprachlich und nichtsprachlich quittieren Mit Fragen an Aussagen der Mitarbeitenden anknüpfen Rückfragen um Verständnis zu prüfen — Redefluss stoppen (nur in Ausnahmefällen) – > „Herr Sowieso, Sie haben gerade gesagt..., darf ich Sie kurz unterbrechen..., habe ich Sie richtig verstanden...“ Nonverbale Kommunikation — Sprache, Blick, Mimik, Gestik © Eva Schürch | 08. 04. 2024 35 Fazit > Psycholog:innen sind gut qualifiziert für Gespräche in Unternehmen > Rolle beachten > Kundenorientierung: Arbeitnehmende vs. Unternehmen (Dilemma) © Eva Schürch | 08. 04. 2024 36 Learningoutcomes > Sie kennen spezifische Einsatzszenarien für Berufs- und Laufbahnberatung. > Sie können die Passungshypothese und die ganzheitliche Perspektive im Rahmen der Laufbahnberatung einordnen. > Sie kennen die Anforderungen an Laufbahnberater:innen und wissen, welche Techniken sie anwenden können. > Sie wissen, was mit Personalentwicklung gemeint ist und wer in den Genuss dieser Massnahmen kommt. > Sie wissen, welche Kompetenzen gefördert werden und wo die Förderung ansetzt. > Sie wissen, wer Personalentwicklung umsetzt. > Sie kennen die einzelnen Instrumente der Personalentwicklung und können Beispiele zuordnen. > Sie kennen verschiedene Typen von Mitarbeiter:innengesprächen (MAG) und können Beispiele zuordnen. > Sie kennen den Prototypischen Ablauf eines MAGs. > Sie kennen Sach- und Mitarbeiterorientierte Techniken im MAG und können Beispiele zuordnen. © Eva Schürch | 08. 04. 2024 37 Gesprächsführung, Interviewtechnik und Verhaltensbeobachtung II Konflikt & Mediation Dr. phil. Eva Schürch, Institut für Psychologie, Universität Bern 15.04.2024 GIV II Frage A & O P. (neues Teammitglied): „Gibt es eine Vorlage für die Routinebestellungen?“ L. (schon lange im Team): „Ich weiss nicht, das machen alle selber, ist ja auch nicht schwierig.“ Was entdecken Sie in diesem kurzen Dialog? a) b) c) d) Jammerverhalten Intentionale Wissensverbergung Speaking up Dysfunktionale Kommunikation © Eva Schürch | 17. 04. 2023 2 Übersicht > Was sind Konflikte? > Vertiefung: Paarkonflikte > Wie kann man mit Konflikten umgehen? - Mediation > Wie sieht Konfliktlösung aus? - Mediation > Wer kann bei der Konfliktlösung helfen? - Mediator:in © Eva Schürch | 17. 04. 2023 3 Ein Konflikt besteht...... wenn zwei (meist soziale) Elemente gleichzeitig gegensätzlich oder unvereinbar sind (Stangl, 2020) intrapersonale © Eva Schürch | 17. 04. 2023 vs. interpersonale Konflikte 4 Intrapersonale Konflikte > hin und her gerissen sein, Ambivalenz > Spezialfall: Rollenkonflikt Vereinsvorstand Tochter Elternsprecher Selbstständig Projektmitarbeit Mutter (Tries & Reinhardt, 2008) © Eva Schürch | 17. 04. 2023 Geliebte Netzwerkpartner Selbstkonzept 5 Intrapersonale Konflikte > Annäherungs-Annäherungs-Konflikt mein persönliches Beispiel: > Vermeidungs-Vermeidungs-Konflikt mein persönliches Beispiel: > Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt mein persönliches Beispiel: (Stangl, 2020) © Eva Schürch | 17. 04. 2023 typische Annäherungsziele: Bindung Anerkennung Autonomie Leistung Selbstwert... typische Vermeidungsziele: Alleinsein Geringschätzung Vorwürfe Abhängigkeit Spannungen mit anderen... (grosse Holtforth & Grawe, 2004) 6 Interpersonale Konflikte > Drei Bedingungen müssen erfüllt sein: Menschen können nicht konstruktiv mit Differenz umgehen - Interdependenz der Akteure - Zieldivergenz zwischen den Akteuren - eine fehlende attraktive Alternative (Tries & Reinhardt, 2008; Glasl, 2013) © Eva Schürch | 17. 04. 2023 7 Mögliche Konfliktquellen > Ressourcen sind knapp - Verteilungskampf > Person ändert sich - andere Bedürfnisse > Regeln ändern sich - Normen und Gesetze > kulturelle Unterschiede > Missverständnisse © Eva Schürch | 17. 04. 2023 8 Konfliktarten (nach Tries & Reinhardt, 2008) Zielkonflikt © Eva Schürch | 17. 04. 2023 Mittelkonflikt 9 Konfliktarten Zwischen wem besteht der Konflikt? Beispiele: Konflikte in einem Unternehmen (Bohren Meier & Züger, 2007) © Eva Schürch | 17. 04. 2023 10 2.9 Konflikttypen Bei der Zuordnung einer Konfliktsituation zu den Konflikttypen geht es um die dominierenden Verhaltensweisen, d. h., wie die Parleien miteinander einen Konflikt austragen. unabhängig von der Ar1 und der Anzahl der am Konflikt beteiligten Personen - heisse und kalte Konflikte. und beziehen sich auf das Klima und das Zusammenspiel der Konfliktparteien: Wir unterscheiden - Konflikttypen. heissen Konflikten lässt sich eine Atmosphäre der Überakt¡vität und der Überempfindlichkeit feststellen. Kalte Konflikte führen zu einer zunehmenden Lähmung aller äusserlichen Akt¡v¡täten, die nur indirekt stattfinden. Bei. Wie wird der Konflikt ausgetragen? Das richtige Erkennen dieser Konflikttypen ist eine wichtige Voraussetzung in der Konflikt- bewältigung. )1 ì 2.9.1 Heisse Konflikte © Eva Schürch | 17. 04. 2023 Bei heissen Konflikten streiten die Parteien heftig miteinander. Jede Partei ist der Auffassung. ihre eigene Sache sei um ein Vielfaches besser als die der Gegenpartei. Die Verhaltensmuster Angriff und Verteidigung sind für alle klar ersichtlich. Folglich ist das Ziel solcher Angriffe, die anderen von den eigenen ldealen zu überzeugen. Es geht also nicht (Bohren Meyer & Züger, 2007) 11 Konflikttypen > Heisse Konflikte: Atmosphäre der Überaktivität und Überempfindlichkeit, Parteien streiten heftig > Kalte Konflikte: Stimmung ist von Kälte und Leere geprägt, Konfliktparteien erlahmen und erstarren, Gefühle werden hinuntergeschluckt - kalte Konflikte sind oft zerstörerischer, weil sie in der Konflikteskalation eine Stufe höher sind © Eva Schürch | 17. 04. 2023 12 Konfliktinhalte > Sachinhalte - unterschiedliche Überzeugungen bezüglich Sachinhalten - Objektive Informationen können beigezogen werden > Glaubensinhalte - kulturell, ethisch, religiös, ideologisch - Relativierung der Allgemeingültigkeit > > Wertorientierung Eigeninteressen/ Ansprüche © Eva Schürch | 17. 04. 2023 Worüber besteht der Konflikt? 13 Konfliktphasen © Eva Schürch | 17. 04. 2023 14 Konflikte: Fallbeispiele Beispiel 1: A: «Kann ich heute Nachmittag den Besprechungsraum haben?» B: «Nein, ich brauche ihn heute den ganzen Tag.» Beispiel 2: Aufgrund einer Vakanz übernimmt der Einkaufsverantwortliche vorübergehend die Finanzkontrolle. Soll er eine teure Anschaffung tätigen, welche das Defizit vergrössert? Beispiel 3: Die 18jährige Tochter will mit ihren Freund zusammenziehen. Die Eltern verlangen, dass die beiden zuerst heiraten. © Eva Schürch | 17. 04. 2023 15 Vertiefung: Paarkonflikte > Konflikte sind normal und müssen ausgetragen werden > destruktive vs. konstruktive Konfliktbearbeitung © Eva Schürch | 17. 04. 2023 16 Paarkonflikte: richtige Kommunikation vermitteln > Grundlegende Strategien zur Konfliktbewältigung: - Problemlösung - Krisenmanagement - Paarkommunikation - Beziehungsfördernde Gesprächskultur > Paare lernen: - Was ist negative Kommunikation? - richtig Zuhören - richtig sprechen © Eva Schürch | 17. 04. 2023 17 Formen der negativen Kommunikation nach Gottman (1994) > Defensivität > Verächtlichkeit > Destruktive Kritik > Provokation > Rückzug © Eva Schürch | 17. 04. 2023 18 Zuhörfertigkeiten für eine angemessene Kommunikation > Aufnehmendes Zuhören (à aktives Zuhören) > Wiederholung dessen, was der/die Partner/in gesagt hat (à Paraphrasieren) > Offene Fragen - Ja/nein Fragen vermeiden © Eva Schürch | 17. 04. 2023 19 Sprechfertigkeiten für eine angemessene Kommunikation > Ich-Gebrauch > Mitteilung von Gefühlen > Konkrete Situationen und Verhalten © Eva Schürch | 17. 04. 2023 20 Umgang mit Konflikten allgemein Me d io ia t ! © Eva Schürch | 17. 04. 2023 n (Tries & Reinhardt, 2008) 21 (Kommunikations-) Regeln in der Mediation > Regeln für alle Parteien: - gegenseitig ausreden lassen (Nachfrage bei Verständnisproblem ist erlaubt) - auf Drohungen und Einschüchterungen verzichten - Ironisierung und andere Kommunikationskiller weglassen - wichtige Argumente der anderen Partei paraphrasieren - eigene Position nicht als „objektiv, anerkannt, richtig“ darstellen - keine Diskussionen währen der „Auslegeordnungs“-Phase > Aufgaben Mediator*in: - Allparteilichkeit - Regelverstösse der Parteien benennen und unterbinden © Eva Schürch | 17. 04. 2023 22 Konflikte lösen / Mediation 1. Konfliktanalyse 5. Kontrollierte Umsetzung 4. Lösungsmöglichkeiten © Eva Schürch | 17. 04. 2023 2. Gesprächseröffnung 3. Klärung und Auswertung Systematische Konfliktbewältigung (Bohren Meyer & Züger, 2007) 23 Konfliktanalyse > Konfliktanalyseraster à jede Konfliktpartei nimm Stellung zu folgenden Punkten - Wahrgenommene Ursache - Konfliktart - Konfliktverhalten - Eskalationsstufe - Interessen, Ziele, Absichten - Nutzen - Schaden - Befürchtungen - Konfliktfolgen - Bisherige Formen der Konfliktbewältigung - Mögliche Lösungen © Eva Schürch | 17. 04. 2023 24 Gesprächseröffnung durch Mediator*in Ziele einen geschützten Rahmen für das Gespräch schaffen die Situation neutral darstellen Struktur für das Gespräch festlegen Vorgehen Ausgangslage schildern Analyse des Konflikts präsentieren Ziel des Treffens klar machen einzelne Schritte des Vorgehens präsentieren Spielregeln definieren Rolle von Mediator:in klären Zeitplan vorstellen (Bohren Meyer & Züger, 2007) © Eva Schürch | 17. 04. 2023 25 Klärung und Auswertung > > > > Konfliktparteien legen Sicht der Dinge dar konkrete Erlebnisse, Erfahrungen Gefühle Einhaltung der Gesprächsregeln emotionale Beteiligung der Parteien > Vorgehen des Mediators / der Mediatorin: - Material sichten, ordnen, auswerten - offene Fragen beantworten - Kernanliegen herausschälen © Eva Schürch | 17. 04. 2023 26 Lösungsmöglichkeiten entwickeln > Kreativität aller Beteiligten ist gefragt > Nur wenn beide Seiten die Kernanliegen der anderen Partei wirklich verstanden haben, kann eine Lösung erfolgreich ausgehandelt werden > Unterscheiden zwischen sachlichen Interessen, emotionalen Bedürfnissen und Wunschvorstellungen © Eva Schürch | 17. 04. 2023 27 Lösungen umsetzen > Umsetzung der ausgehandelten Lösung - beobachten - begleiten - kontrollieren > > Vereinbarungen strikte einhalten Rückschläge auffangen © Eva Schürch | 17. 04. 2023 28 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation > Wunsch nach einvernehmlicher Lösung > Freiwilligkeit > Offenheit > Vertraulichkeit © Eva Schürch | 17. 04. 2023 29 Deeskalation > > > > > > > > > > Körper / Körperkontakt Raum / Bewegung Kompromisse aus dem Feld gehen Humor Beziehung Zeitaspekt Selbstbetroffenheit Überraschung Metakommunikation (Schwabe, 2019) © Eva Schürch | 17. 04. 2023 30 Berufsbild: Mediator*in > Kein typisches Berufsfeld für Psycholog*innen > Mediationsausbildungen an Fachhochschulen > Mediator*in - ist neutral - hat Prozessverantwortung - muss Konflikt aushalten können - braucht Sachkenntnis bezüglich Konfliktstoff © Eva Schürch | 17. 04. 2023 31 Fazit > Erscheinungsformen von Konflikten: > Auseinandersetzung mit Konflikten: > Mediation als Lösungsweg für Konflikte © Eva Schürch | 17. 04. 2023 32 Learningoutcomes > > > > > > > > Sie wissen was ein Konflikt ist und kennen den Unterschied zwischen inter- und intrapersonalen Konflikten. Sie kennen verschiedene inter- und intrapersonalen Konfliktarten und können Beispiele zuordnen. Sie kennen Konfliktquellen und Konfliktinhalte. Sie können zwischen heissen und kalten Konflikten unterscheiden. Sie kennen mögliche Ansatzpunkte in einem Paarkonflikt. Sie kennen die verschiedenen Phasen einer Mediation und können Beispiele zuordnen. Sie wissen, wann Mediation sinnvoll ist und wann nicht. Sie kennen Strategien der Deeskalation und können Beispiele zuordnen. © Eva Schürch | 17. 04. 2023 33 Gesprächsführung, Interviewtechnik und Verhaltensbeobachtung II Verhandeln Dr. phil. Eva Schürch, Institut für Psychologie, Universität Bern 22.04.2024 GIV II K-Frage Konflikte Auszug aus einem Streitgespräch: Person A: „Nie kann man sich auf dich verlassen, du bist so ein unzuverlässiger Mensch!“ Person B: „Das kann jedem mal passieren, jetzt habe ich den Termin halt vergessen.“ Welche Formen der negativen Kommunikation nach Gottman (1994) können Sie identifizieren? a) b) c) d) Defensivität Verächtlichkeit Destruktive Kritik Provokation © Eva Schürch | 22. 04. 2024 2 Übersicht > Verhandeln – eine Kommunikationsform - Definition - Modelle - Strategien > Das Harvard-Konzept © Eva Schürch | 22. 04. 2024 3 Definition «Verhandeln ist eine Grundform, Gewünschtes von anderen Leuten zu bekommen. Es ist wechselseitige Kommunikation mit dem Ziel, eine Übereinkunft zu erreichen, wenn man mit der anderen Seite sowohl gemeinsame als auch gegensätzliche Interessen hat.» (Fisher, Ury & Patton, 2015) © Eva Schürch | 22. 04. 2024 4 Verhandeln > Mögliche Verhandlungssituationen - Beruf (Beförderung, Gehalt) - Politik/ Diplomatie - Wirtschaft/ Geschäftswelt (z.B. Kauf/Verkauf) - Gesundheits- und Sozialwesen > Die meisten Menschen verhandeln ineffektiv > > Informationen beschaffen: wer mehr weiss, kann besser verhandeln Professionelle Kommunikation ist in der Verhandlung das grösste Steuerungsinstrument! © Eva Schürch | 22. 04. 2024 5 Phasenmodell Vorbereitungsphase Kontaktphase Kernphase Vereinbarungsphase Umsetzungs- und Pflegephase (Erbacher, 2005) © Eva Schürch | 22. 04. 2024 6 Überblick verschaffen > 4 potentielle Verhandlungsebenen: (aus Tewes, 2011) © Eva Schürch | 22. 04. 2024 7 Verhandlungsdilemma (aus Tewes, 2011) © Eva Schürch | 22. 04. 2024 8 Verhandlungen > Wie kann ich Verhandlungen zu Ende führen? - mit Macht - mit Recht oder Regeln - mit Berücksichtigung von Interessen > Beispiel: Abgabe Bachelorarbeit © Eva Schürch | 22. 04. 2024 9 Verhandlungsstrategien (Hargie, 2013) > Einseitige Zugeständnisse - den Forderungen der Gegenseite nachgeben > Einseitige Vorteilnahme - eigene Anteile Maximieren ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gegenseite > Konkurrenz (distributiv) - beide Parteien versuchen, das grössere Stück vom Kuchen zu bekommen (win-lose, Kompromiss, lose-lose) > Kooperation (integrativ) - für beide Seiten günstigstes Ergebnis erzielen (win-win) > Feilschen - bei der Eröffnung eines Angebots wird durch die erste Nennung ein Anker gesetzt à dieser bestimmt, in welcher Grössenordnung das Ergebnis liegen wird © Eva Schürch | 22. 04. 2024 10 Ankereffekte beim Feilschen © Eva Schürch | 22. 04. 2024 11 Studie: First Offers (Maaravi & Hameiri, 2019) > zentrales Konzept in Verhandlungen: höhere Einstiegsangebote führen zu höheren Verkaufspreisen > Wie beeinflusst der soziale Status des Verhandlungspartners das Einstiegsangebot? > > H1: Einstiegsangebot korreliert mit ATP (ability to pay) H2: Effekt besteht, solange ATP salient ist © Eva Schürch | 22. 04. 2024 12 Studie : First Offers © Eva Schürch | 22. 04. 2024 13 Studie: First Offers Ergebnisse: > > > Experiment 1: Vpn verlangten mehr für einen Service bei einem neuen Mercedes als bei einem alten Mitsubishi (d=.50) Experiment 2: Vpn offerierten einem Mann im Anzug eine teurere Geburtstagsparty als demselben Mann in Jeans und T-Shirt (d=.25). Der Unterschied verschwand, wenn die Vpn zuvor gefragt wurden, ob der Mann bei der Konkurrenz bessere Angebote bekommen könnte. Experiment 3: Vpn offerierten einem Staatsbürger aus Ruanda eine günstigere Taxifahrt als einem aus Monaco. Der Effekt trat nur auf, wenn sie vorher auf die unterschiedliche Kaufkraft in diesen Ländern hingewiesen wurden (d=.24) © Eva Schürch | 22. 04. 2024 14 Stilarten beim Feilschen Weich > > > > > > Sachbezogen Teilnehmende sind Freund:innen Teilnehmende sind Problemlösende Ziel: Übereinkunft Vertrauen Interessen erkunden Angebote Willenskampf vermeiden dem Druck nachgeben © Eva Schürch | 22. 04. 2024 Vernunft anwenden Hart > > > > > > Teilnehmende sind Gegner:innen Ziel: Sieg Misstrauen Drohungen Willenskampf gewinnen Druck ausüben 15 Harvard-Konzept sachbezogenes Verhandeln > Menschen > Interessen > Optionen (Möglichkeiten) > Kriterien © Eva Schürch | 22. 04. 2024 16 Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln! Partner:innen kämpfen gegeneinander statt gegen das Problem. Partner:innen gehen das Problem gemeinsam an. © Eva Schürch | 22. 04. 2024 17 Menschen > Verhandlungspartner:innen werden von Gefühlen und Werten geleitet > menschliche Aspekte: - Vorstellungen - Emotionen - Kommunikation > psychologische Probleme mit psychologischen Techniken lösen © Eva Schürch | 22. 04. 2024 18 Nicht Positionen sondern Interessen in Mittelpunkt stellen! Ich will nicht, dass es zieht! Fenster geschlossen! Ich brauche frische Luft! Fenster offen! Lösung: In der Pause lüften! © Eva Schürch | 22. 04. 2024 19 Interessen > Interessen und nicht Positionen in Einklang bringen > Interessen können gegensätzlich, aber Kompatibel sein > Techniken: - Interessen herausfinden - Vergangenheit vs. Zukunft - hart in der Sache, sanft zu den Menschen © Eva Schürch | 22. 04. 2024 20 Vor der Entscheidung verschiedene Wahlmöglichkeiten entwickeln! © Eva Schürch | 22. 04. 2024 21 Optionen Ausgangslage: entweder-oder-Denken > Ziel: mehrere Optionen > — Innere Haltung: Offenheit > Prozess: Wahlmöglichkeiten entwickeln — Brainstorming ohne Bewertung — Kuchen vergrössern © Eva Schürch | 22. 04. 2024 22 Das Ergebnis auf objektiven Entscheidungsprinzipien aufbauen! © Eva Schürch | 22. 04. 2024 23 Kriterien > Maxime: Fairness - unabhängig vom Willen einzelner > > Sachkriterien Prozesskriterien > Parteien verhandeln auch über die Kriterien © Eva Schürch | 22. 04. 2024 24 BATNA «best alternative to negotiated agreement» > Limit setzen > BATNA: was passiert, wenn nichts passiert? > Je attraktiver die BATNA, desto günstiger für die Verhandlung © Eva Schürch | 22. 04. 2024 25 Einigungsbereich vs. BATNA (Tewes, 2011) © Eva Schürch | 22. 04. 2024 26 Win-win Situation als Verhandlungsergebnis > Win-win ist kein Kompromiss! > Kompromiss: beide Verhandlungspartner:innen rücken von den Forderungen ab und geben nach: niemand erreicht, was sie wirklich wollten Win-win: Es wird eine Verhandlungslösung gefunden, die für beide das bringt, was ihnen wichtig ist > > Techniken: - herausfinden, was die andere Seite wirklich will - Vergrösserung des Kuchens © Eva Schürch | 22. 04. 2024 27 Wann ist eine Verhandlung gelungen? > Wenn das Ergebnis... - vernünftig - dauerhaft - effizient - fair © Eva Schürch | 22. 04. 2024 28 > Was unterscheidet erfolgreiche von durchschnittlichen Verhandler:innen? - llen e t s n e g a r Informationssuche viele F tion a k i n mu m o k Verhaltensankündigungen Meta - Darlegung der Argumente it Sparsamke - Paraphrasieren räch p s e mG a l i e t An hoher © Eva Schürch | 22. 04. 2024 29 Zu beachten im Verhandlungsprozess > Nonverbale Kommunikation - Offenheit statt Verschlossenheit vermitteln - geeignete Kleidung > Ich- Gebrauch - sich nicht hinter unspezifischen „wir“ oder „man“ verstecken - wenn die Verhandlungspartner:innen solche Aussagen machen, präzise nachfragen: wer genau? > Pause machen - Keine Zugeständnisse unter Zeitdruck oder wenn die „Batterien“ leer sind © Eva Schürch | 22. 04. 2024 30 Geschlechtsunterschiede bei Verhandlungen > Verhandeln ♀ anders als ♂ ? > «final offer» : Angebot machen oder entgegennehmen > Forschungsparadigmen: Spielverhalten - Dictator game - Ultimatum game © Eva Schürch | 22. 04. 2024 31 Spielprinzipien > Dictator Game > Ultimatum Game ✁ 1/? accept: reject: © Eva Schürch | 22. 04. 2024 32 Befunde Frauen sind tendenziell egalitärer als Männer > Frauen verlangen tendenziell weniger und akzeptieren tiefere Angebote > Frauen sind erfolgreicher in delikaten Verhandlungen > > Mixed-gender Teams verhandeln gerechter > Unterschiede zwischen Frauen und Männern sind generell gering (Eckel et al, 2008) © Eva Schürch | 22. 04. 2024 33 Fazit > Verhandlungen verlaufen am erfolgreichsten wenn...... beide Seiten an einer Lösung interessiert sind... beide Seiten fair und transparent verhandeln... die Machtverhältnisse ausgeglichen sind... eine Seite gute Alternativen hat... Männer & Frauen entsprechend ihrer Stärken eingesetzt werden © Eva Schürch | 22. 04. 2024 34 Learningoutcomes > > > > > > > > > Sie kennen das Phasenmodell der Verhandlung und wissen, was in den einzelnen Phasen geschieht. Sie kennen die verschiedenen Verhandlungsebenen und können Beispiele zuordnen. Sie kennen die Begriffe des Verhandlungsdilemmas. Sie kennen verschiedene Verhandlungsstrategien und wissen, welcher Ausgang zu erwarten ist. Sie wissen, was mit feilschen gemeint ist und kennen die verschiedenen Strategien. Sie kennen die Grundprinzipien des Harvard-Konzepts. Sie kennen das Prinzip der BATNA und wissen, wann es zum Einsatz kommt. Sie wissen, was gute Verhandlungsführende ausmacht und können Beispiele zuordnen. Sie wissen, worauf man in einer Verhandlung grundsätzlich achten sollte. © Eva Schürch | 22. 04. 2024 35 Gesprächsführung, Interviewtechnik und Verhaltensbeobachtung II Befragung Dr. phil. Eva Schürch, Institut für Psychologie, Universität Bern 29.04.2024 GIV II A-Frage Verhandeln > Pit und Pike verhandeln über den Preis von Sammelbildchen für die FussballWM 2024. Pit bietet Pike 30 Bilder zum Preis von 7 Franken an. Pit will dafür maximal 3 Franken bezahlen. Was muss er in der Verhandlung als Gegenangebot nennen, um möglichst nahe an seinen Wunschbetrag heranzumommen? > > > > a) 4.- CHF b) 3.- CHF c) 2.95 CHF d) -.50 CHF © Eva Schürch | 29. 04. 2024 2 Lernziele & Übersicht > Gedächtnisaspekte und ihre Relevanz für Befragungen > Regeln für die Durchführung einer Befragung > Aussagepsychologie: Nutzen und Gefahren > Hintergrund und Durchführung des Kognitiven Interviews © Eva Schürch | 29. 04. 2024 3 Gedächtnisaspekte > eine Erinnerung entsteht: - Kodierung - Speicherung - Abruf > in jeder Phase kann Information verloren gehen > ist Information verloren oder nicht zugänglich? © Eva Schürch | 29. 04. 2024 4 Gedächtnisaspekte > Einfluss auf Kodierung - Zustand Person - Stress & Gewalt - selektive Aufmerksamkeit > Einfluss auf Abruf - Klischees - Parteilichkeit - Skripte - Emotionen - Kontext © Eva Schürch | 29. 04. 2024 5 Gedächtnistheorie & Vernehmungsprozess kJ m Vernehmung Nachträgliche lnformationsbeschaffung, zeitliche Verzögeru Anweisungen und Fragetypen FO ö o o cta. Schluss- Befragte folgerungen Ereignis- Aufgenommener bericht Bericht Fragende. Vernehmungsrichtlinien. Vorgefasste Hypothesen. Befragungsstrategie. Schema. Bezugsrahmen. Klischee- vorstellungen. Parteilichkeit. Skripte (D 9. o I.D 4 o E Gespeicherter Bericht Erinnertes Ereignis oa Erinnerter Bericht Gespeichertes Ereignis Augenzeugenfaktoren Ereignisfalcoren. Stress. Alkohol Entfernung Lichtverhältnisse. Gewalteinwirkung. Waffeneffekt. Beobachtungsdauer Drogen/Medikamente Selektive Aufmerksamkeit. Zeugenbeteiligung Zu erinnerndes Ereignis © Eva Schürch | 29. 04. 2024und Vernehmungsprozess (nach Köhnken,1995) Abbildung 2.1 Gedächtnistheorie Schriftlich niederBericht (Köhnken, 1995) 6 Kommunikation in der Vernehmung > Die Vernehmung ist nicht einfach nur Kommunikation in einem spezifischen Kontext, die Vernehmung ist eine spezifische Kommunikation. > Kommunikationspsychologische Besonderheiten: - Seltenheit des Ereignisses - institutionalisiert - komplementär (Greuel, 2008) © Eva Schürch | 29. 04. 2024 7 Prozessmodell der Vernehmung Vorbereitung/Planung Rapport Informationsvermittlung Freier Bericht Strukturierte Befragung Protokollierung Informatorisches Abschlussgespräch Greuel, 2008 © Eva Schürch | 29. 04. 2024 8 Der Suggestion entgegenwirken: > Betonung des Expertenstatus der Zeug:innen > Betonung der Freiwilligkeit > Erlaubnis von Nachfragen > Erlaubnis zur Korrektur der Vernehmungsbeamt:innen > Erlaubnis von „Ich-weiß-nicht“-Antworten © Eva Schürch | 29. 04. 2024 9 Verhaltensregeln in der Befragung > Regeln der Gesprächsführung für die Vernehmenden: - Kontaktsuche - Freundlichkeit - Interesse - Lob - Selbstöffnung - Geduld - Verständlichkeit - Kompetenz © Eva Schürch | 29. 04. 2024 10 Befragende müssen auch zuhören können... > Wertvolle Zeugenaussagen entstehen durch den Bericht - Einleitung durch Filterfrage - Auskunftsperson reden lassen - Ergänzungsfragen stellen - keine tiefergehenden Sachfragen, da sonst der Bericht unterbrochen wird - aktiv Zuhören (à Tools) - Hilfestellungen geben, falls Auskunftsperson überfordert (und dann? wie ging es dann weiter? etc.) © Eva Schürch | 29. 04. 2024 11 Aussagepsychologie: Wahr oder falsch? > Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Aussage (und nicht der Person!) > Verhaltensorientierter vs. inhaltsorientierter Ansatz, um Täuschungen zu entdecken Täuschung NVK © Eva Schürch | 29. 04. 2024 inhaltlichverbal 12 Verhaltensorientierter Ansatz > Trotz hoher Beliebtheit in Praxis sind die nonverbalen Verhaltenskorrelate unwissenschaftlich - Zappelphilipp-Stereotyp - Erregungsansatz vs. Kontrollansatz - grosse inter- und intraindividuelle Unterschiede - viele mögliche Ursachen für ein Merkmal © Eva Schürch | 29. 04. 2024 13 Ein Symptom – viele mögliche Ursachen Unsicherheit auf Grund der neuen Situation Ermüdung, Konzentrationsprobleme Zunahme von Sprachfehlern Lüge Angst, etwas Falsches zu sagen oder etwas Relevantes zu vergessen Angst vor Glaubwürdigkeitsentzug (Ludewig et al. 2011) © Eva Schürch | 29. 04. 2024 14 Verhaltensorientierter Ansatz > > Emotionen Lügendetektor: Autonome Aktivierung wird polygraphisch abgeleitet (reduzierter Hautwiderstand) > Fazit: Nonverbales Verhalten ist nur dann aufschlussreich, wenn es zu verbalem Verhalten inkonsistent ist © Eva Schürch | 29. 04. 2024 15 Inhaltsorientierter Ansatz > Indizien für subjektive Wahrheit einer Aussage - detaillierter Bericht ✓ ✓ /✗ Kongruenz ✓ - Dialoge - - Komplikationen - Situationstypik ✓ ✓ - Gefühlsbeteiligung © Eva Schürch | 29. 04. 2024 ✓ 16 Inhaltsorientierter Ansatz s u A sa s ge t e u e r g n u Homogenität © Eva Schürch | 29. 04. 2024 ic h e l g r u t S tr u k h e it K o n s ta nz 17 Positive Lügensignale > fehlende Kooperationsbereitschaft - Verweigerung einer inhaltlichen Erweiterung der Aussage > > Sicherheit einer Aussage wird demonstrativ betont Versuch, die Wahrheit zu Begründen (insbesondere wenn Begründung unnötig ist) > verstellte /kontrollierte Mimik - Mimik „stimmt nicht“ - zeitlich schlecht platziert (leicht verspätet) - Mimischer Ausdruck dauert zu lange © Eva Schürch | 29. 04. 2024 18 Fazit Wahrheitsgehalt > Nullhypothese: Eine Aussage gilt solange als unwahr, bis genügend Hinweise vorliegen, dass man davon ausgehen kann, dass sie doch wahr ist (vgl. H0 in Statistik) > Rein körperliche Signale (Puls, Schwitzen...) können nicht zuverlässig vorhersagen, ob jemand die Wahrheit sagt > Sind körperliche und verbale Auffälligkeiten vorhanden, sollte man das beachten > Notwendigen Bedingungen für eine glaubhafte Aussage: - logische Konsistenz (plausibel und nicht den Naturgesetzen widersprechend) - Detailreichtum © Eva Schürch | 29. 04. 2024 19 Fragen im Verhör > > > > Verständliche Fragen Eindeutige Fragen Offene vs. geschlossene Fragen Erwartung einer Antwort > > Fragetaktik: Durch Frage keine Information vermitteln Testfragen: Beurteilungsgrundlage für Qualität der Aussage © Eva Schürch | 29. 04. 2024 20 Spezifische Befragungsmethoden > Die „Ermittler“-Perspektive - Befragung von Angeschuldigten - „Trichtermodell“ > Die psychologische Perspektive - Befragung von Zeugen - „kognitives Interview“ © Eva Schürch | 29. 04. 2024 21 Allgemeine Technik der Einvernahme (Haas & Ill, 2013) > Das Trichtermodell: - Freier Bericht - naive Nachfragen zur Klärung von Widersprüchen im freien Bericht - W-Fragen rund um den Sachverhalt - Vorhalte von Beweisen - Stellungnahme zum Sachverhalt à Zugeständnis - neuer freier Bericht - etc. © Eva Schürch | 29. 04. 2024 22 Trichtermodell Haas & Ill, 2013 © Eva Schürch | 29. 04. 2024 23 Das Kognitive Interview > Historischer Ursprung - Hypnose: begrenzter Effekt - 4 Anweisungen § § Mentales Zurückversetzen in Kontext Aufforderung, alles zu berichten § § unterschiedliche Reihenfolge verschiedene Perspektiven - Aspekte der Kommunikation © Eva Schürch | 29. 04. 2024 24 Enhanced Cognitive Interview (ECI) > Tools der Gesprächsführung - freier Bericht, Redefluss nicht unterbrechen - offene Fragen - neutrale Grundhaltung, keine Bewertung - sprachliches Niveau anpassen - NVK beachten (beidseitig) - zum Reden motivieren (aktiv zuhören!) - keine Suggestion © Eva Schürch | 29. 04. 2024 25 Struktur eines ECI > Phase 1: Begrüssung, Personalisierung, Verbindung herstellen > Phase 2: Ziele des Gesprächs erklären > Phase 3: Freies Erinnern > Phase 4: Befragung > Phase 5: Variation des Abrufprozesses > Phase 6: wichtige Fragen Stellen > Phase 7: Zusammenfassung > Phase 8: Abschluss > Phase 9: Evaluation Milne, 2004 © Eva Schürch | 29. 04. 2024 26 ECI: Phasen 1-3 > Eröffnung / Begrüssung > Kontrolltransfer vom Interviewer zur befragten Person > Instruktion: alles berichten, nichts erfinden > Freies erzählen, dabei aktiv zuhören & angemessene NVK - gute Instruktion - sich mental in Kontext hineinversetzen © Eva Schürch | 29. 04. 2024 27 Instruktion freies Erinnern "Put yourself back to the same place where you saw the assault. It is like when you have lost something and you try to picture in your mind where you last had it, it is like that. What I want you to do is create a picture in your mind of the flat. Think of where you were. How were you feeling at the time? What could you hear? What could you smell? Think of all the people who were present. Think about all the objects there. Think of the layout of the flat. Get a really good picture in your mind and then tell me everything you can remember without leaving anything out. All that pops into your mind, tell me". © Eva Schürch | 29. 04. 2024 28 Phase 4: Befragung > Erklären, dass man nun einige Fragen stellen wird > Nochmals daran erinnern ALLES zu erzählen "I am going to ask you some questions now based on what you have already told me. It is fine to say 'I don't know' to any questions you do not know the answer to. Tell me everything you can remember in response to each question". © Eva Schürch | 29. 04. 2024 29 Phase 4 Befragung: do > Offene Fragen > Spezifische, geschlossene Fragen - Mit Vorsicht verwenden - Erst, wenn gewünschte Information nicht durch offene Frage erhalten > Einfache Fragen stellen > Reihenfolge des freien Berichts einhalten > Mentale Bilder aktivieren - wie Instruktion freies Erinnern, jedoch nur für bestimmten Moment © Eva Schürch | 29. 04. 2024 30 Phase 4 Befragung: don‘t keine... > > > > konfrontativen Fragen forced choice Fragen multiple Fragen lenkende Fragen > Vorsicht bei W Fragen: was vs. warum © Eva Schürch | 29. 04. 2024 31 Phase 5: Variation des Abrufprozesses mehr Erinnerungsversuche = mehr erinnerte Infos à nur zielführend, wenn Erinnerungsversuche variiert werden > umgekehrte Reihenfolge - was geschah unmittelbar davor? > verschiedene Sinne > Perspektivenwechsel - sich in die Lage einer anderen anwesenden Person versetzen © Eva Schürch | 29. 04. 2024 32 Phase 5: Memory ‘jogs‘ > Zusätzliche Hilfe, um schwierige Details zu erinnern: > Namen: - Häufigkeit - Länge - Anfangsbuchstaben > Informationen über Personen - erinnern Aussehen, Kleider, Sprechweise an jemanden? warum? was ist auffällig? © Eva Schürch | 29. 04. 2024 33 ECI: Phasen 6 – 9 > Wichtige Fragen stellen - Suggestion und Lenkung vermeiden > Zusammenfassen - Prüfen, ob der Interviewer alles richtig verstanden hat > Abschluss - Person in gutem emotionalem Zustand entlassen - erst jetzt Personalien erfragen > Evaluation - Information und Prozess © Eva Schürch | 29. 04. 2024 34 Wirksamkeit kognitives Interview > Geiselman et al. (1985): Laborstudie - Vergleich von 3 Interviewarten (standard, kognitiv, Hypnose) - mehr korrekte Erinnerungen bei kognitiv und Hypnose - kein Anstieg falscher Erinnerungen © Eva Schürch | 29. 04. 2024 35 estimate of accuracy. In the 24 case p <. 10. The effect of training interacted with type of fact (same, dence (16 by pretrained detectives an new, different), F(2, 98) = 3.96, MSe = 55.57, p <.05. The tives), there were a total of 325 corrob difference between pre- and posttrained interviews was oball, 94% were corroborated. 6 More i served only for new information collected, facts that the unition rates were equivalent for the formed officer had not uncovered. There were no differences posttrained (94.5%) interviews. The for the same and different information. Theoretically, the detecration rates for the Cognitive Intervie tive's role is to elicit additional information from that collected interview duplicates the laboratory fin by the uniformed officer. Information that duplicates the uniand again suggests that the added in formed officer's report (same) provides no new insights for the Cognitive Interview does not come at policeetinvestigation, and different information just casts doubt Fisher al. (1989): Feldstudie incorrect information. on the reliability of the witness or investigation procedures. - Polizeibeamte wurden in die Technik des kognitiven Interveiws eingeführt That the superiority of the posttrained group occurred only for - Prä-post Trainigtestifies sowie Vergleichmit untrainierter new information to its practical utility. Kontrollgruppe 5 Not all of the detective interviews cou - As In Befragungen mit kognitivem Interview mehr erinnerte Details with the laboratory studies, we were concerned with not formed officers' reports, as some reports w - nicht auf Kosten falscher Angaben 6 Note that the corroboration rate is ex with the accuracy rates reported in typical high accuracy rates were reported in field s Table 1 (1986) and Yuille and Kim (1987). Althou Number of Facts Elicited by Trained and Untrained Detectives is interesting that the accuracy-corrobor Training group studies of eyewitness memory were consid ratory counterparts. If this difference betw Research phase Trained Untrained ies continues to appear, one may question court the accuracy rates found in the labo Before training 26.83 23.75 eral unreliability of eyewitness testimony After training 39.57 24.21 Egeth, 1983). Wirksamkeit kognitives Interview > © Eva Schürch | 29. 04. 2024 36 Wirksamkeit kognitives Interview > Dando et al. (2011): Laborstudie - Vergleich von 3 Kombinationen von Interviewbedingungen § § Freies Erinnern Rückwärts Erinnern - Bei jeder Anwendung von Rückwärts-Erinnern verschlechtert sich die Gedächtnisleistung im Vergleich zum reinen freien Bericht - Fazit: Instruktion zur Rückwärtserinnerung kann die Erinnerungsleistung beeinträchtigen © Eva Schürch | 29. 04. 2024 37 Wirksamkeit kognitives Interview © Eva Schürch | 29. 04. 2024 38 Fazit und Résumé > Befragung als unstrukturiertes Interview mit spezifischen Regeln > Gesprächsführung gleich wie bei psychologischem Gespräch > Psychologisches Grundlagenwissen hilft, bessere Aussagen zu bekommen > Wahrheitsgehalt der Aussage: Vorsicht bei einzelnen Hinweisen, immer Gesamtbild beachten! © Eva Schürch | 29. 04. 2024 39 Leraningoutcomes > > > > > > Sie wissen, wie sich Gedächtnisaspekte auf die Erinnerung auswirken. Sie kennen den Ablauf einer idealtypischen Vernehmung. Sie wissen, wie sich Vernehmende in einer Befragung verhalten und wie Suggestion entgegengewirkt werden kann. Sie kennen die Grundsätze der Aussagepsychologie und können zwischen dem verhaltensorientierten und dem inhaltsorientierten Ansatz unterscheiden. Sie kennen das Trichtermodell und können Beispiele zuordnen. Sie kennen die Grundprinzipien des kognitiven Interviews und können die Varianten des Abrufprozesses einordnen. © Eva Schürch | 29. 04. 2024 40 Gesprächsführung, Interviewtechnik und Verhaltensbeobachtung II Herausfordernde Gespräche Interkulturelle Kommunikation Dr. phil. Eva Schürch, Institut für Psychologie, Universität Bern 06.05.2024 GIV II Übersicht > Eigenschaften schwieriger Gespräche - Situationen - Gesprächsinhalte > Interkulturelle Kommunikation - Unterscheidungsdimensionen - Herausforderungen - diagnostische Fragen - Fallbeispiele © Eva Schürch | 06. 05. 2024 2 Was macht Gespräche schwierig ? > ich fühle mich unwohl > mein Gegenüber fühlt sich unwohl > ich bin der Situation nicht gewachsen > die Situation ist schwierig © Eva Schürch | 06. 05. 2024 3 Schwierige Situationen - schwierige Gespräche > Konflikte und Konfliktgespräche à FS_VL8 > Kritik und Kritikgespräche à Feedback, MAG (HS_VL7 & FS_VL2) > Beziehungsangebote à FS_VL5 > Krisen & Suizidalität à FS_VL6 > Schlechte Nachrichten überbringen > Behandlungsabbruch © Eva Schürch | 06. 05. 2024 4 Schlechte Nachrichten überbringen > die üblichen 5 Phasen: - Gesprächseinstieg - Mitteilung schlechte Nachricht - Verarbeitung der ausgelösten Gefühle - Einleitung weiterer Schritte - Verabschiedung > zu beachten: - Antizipation - Rollengestaltung - Selbstmanagement © Eva Schürch | 06. 05. 2024 5 Leitlinien für das Überbringen schlechter Nachrichten Das Wichtigste in Kürze: > > > nicht um den heissen Brei herumreden keine Rechtfertigung nicht trösten oder Ratschläge geben > > emotionale Reaktion unterstützen Deeskalation © Eva Schürch | 06. 05. 2024 6 Behandlungsabbruch «Ja, hallo, hier ist Monika M. Ich wollte Ihnen sagen, dass ich die Behandlung bei Ihnen nicht fortsetzen will. Irgendwie bringt das alles nichts, hab’ ich das Gefühl, und mir geht es im Moment gerade echt nicht so toll. Lassen wir es einfach, das ist das Beste.» > Was nun? - nicht gekränkt sein - «Weg zurück» anbieten - Abbruchwunsch grundsätzlich akzeptieren Noyon & Heidenreich, 2020 © Eva Schürch | 06. 05. 2024 7 Fallvignetten (Sportpsychologie) > Der Verband ist nicht einverstanden mit der Arbeit des Trainers: Die Mannschaft hat die letzten 7 Spiele verloren. Der Clubpräsident möchte den Trainer sofort freistellen, die Mannschaft steht aber nach wie vor hinter ihm. > L. ist ein vielversprechender Nachwuchsspieler, der von seinen Eltern stark gefördert wird. Beim Aufstieg in die überregionale Mannschaft wird klar, dass L. nicht mithalten kann: er bremst sein Team durch seine Leistungen aus. Um dies zu kompensieren, versucht er sich durch Einzelaktionen in Szene zu setzen. > Der Tourbus der ersten Mannschaft wird kurz vor einem Auswärtsspiel Ziel eines Anschlags: Eine Bombe explodiert in unmittelbarer Nähe, mehrere Spieler werden verletzt, einer davon mittelschwer. Die Spieler stehen unter Schock. > Der Vertrag mit Spieler P. wird nicht verlängert. © Eva Schürch | 06. 05. 2024 8 Was ist Kultur? > Von Menschen geschaffen - zur Lösung von Problemen - zur Steuerung der Denkweise > Orientierungssystem > kulturelle Prägung ist verantwortlich für unseren «Akzent» Definition: Kultur kann als Aggregat geteilter Bedeutungen und Symbolsysteme wie die Sprache, die regionale Herkunft, der religiöse oder soziale Hintergrund verstanden werden, die ein soziales Leben möglich macht (Fowers & Richardson, 1996). © Eva Schürch | 06. 05. 2024 9 Unterscheidungsdimensionen > Kulturmodell von Hofstede (2001) 1. Machtgefälle Individualismus / Kollektivismus Maskulinität / Femininität Unsicherheitsvermeidung Langzeitorientierung / Kurzzeitorientierung Nachsicht / Einschränkung 2. 3. 4. 5. 6. © Eva Schürch | 06. 05. 2024 10 Kritik an Hofstede und moderne Ansätze > reine Kultur existiert nicht (mehr) > Unterschiede innerhalb «einer Kultur» sind beträchtlich > Herkunft als eine Variable nebst - Religion - sozialer Status - städtischer vs. ländlicher Lebensraum > Mensch als vielschichtiges, diverses Wesen © Eva Schürch | 06. 05. 2024 11 Migration > Sozialisierung im Herkunftsland > Resozialisierung im neuen Aufenthaltsland > Sprache vs. soziokulturelle Prägung > Soziokulturelle Schemata © Eva Schürch | 06. 05. 2024 12 Missverständnisse Kommunikationskanäle Verbal Missverständnisse entstehen auf allen Kommunikationskanälen Nonverbal Paraverbal Extraverbal Soziokulturelle Prägung © Eva Schürch | 06. 05. 2024 Soziokulturelle Prägung 13 Patient*innen mit Migrationshintergrund Werte Krankheitsmodelle Herkunft Sprache soziale Regeln Gewalterfahrung Traumatisierung © Eva Schürch | 06. 05. 2024 14 Patient*innen mit Migrationshintergrund > Bewusstsein für Migration in der Therapie > Unterschiedliche Ausdrucksformen - kranker Körper - kranke Psyche > Menschen mit Migrationshintergrund leiden unter anderen Störungen © Eva Schürch | 06. 05. 2024 15 Familien mit Migrationshintergrund > Kinder integrieren sich besser als ihre Eltern > wichtiger, mit den Eltern zu arbeiten als mit den Kindern > Defizitperspektive vs. Ressourcenperspektive > Psychische Gesundheit der Eltern: - Verlustprobleme - Überlebensmodus > Psychische Gesundheit der Kinder: - «zwischen zwei Welten» © Eva Schürch | 06. 05. 2024 16 Kind zwischen zwei Welten Familie © Eva Schürch | 06. 05. 2024 Schule 17 Fallbeispiel > Herkunftsland: Portugal > Therapiesprache: Französisch > hist. Background (Armut) > Kulturschock in CH > schwere Essstörung > Vorstellungen und Traditionen © Eva Schürch | 06. 05. 2024 18 © Eva Schürch | 06. 05. 2024 19 Was, wenn die gemeinsame Sprache fehlt? > Einsatz von Dolmetschenden - Rollenklarheit - Kontrolle > interkulturell Dolmetschende > Dialog vs. Trialog © Eva Schürch | 06. 05. 2024 20 © Eva Schürch | 06. 05. 2024 21 Finanzierung von Dolmetscherdienstleistungen «Ist professionelles interkulturelles Dolmetschen für die Ausführung einer medizinischen Untersuchung oder Behandlung sowie für deren therapeutischen Erfolg unabdingbar und können die versicherten Personen keinen Dolmetschenden zur Verfügung stellen, können die Kosten für das Dolmetschen als integrierter Teil der medizinischen Leistung betrachtet werden.» (Bundesamt für Gesundheit BAG, März 2019) > Empfehlung des BAG für den stationären Bereich: - Kosten sollen von OKP und Kantonen getragen werden > Ambulanter Bereich: es gibt keine Tarifposition für die Abrechnung von diesen Leistungen © Eva Schürch | 06. 05. 2024 22 Anamnese: Bsp. aus Fragenkatalog Krankheitsverständnis Wie bezeichnen Sie ihr Problem? Welchen Namen geben Sie ihrer Krankheit? Was, denken Sie, ist die Ursache ihres Problems? Warum begann es gerade zu dem Zeitpunkt? Was macht die Krankheit mit Ihnen? Wie funktioniert sie? Wie schwerwiegend ist sie? Wird sie einen langen oder kurzen Verlauf haben? Was befürchten Sie am meisten bei ihrer Krankheit? Welches sind die Hauptprobleme, welche Ihnen die Krankheit beschert hat? Welche Art Behandlung sollten Sie erhalten? Welches sind die wichtigsten Resultate, die Sie sich von der Behandlung erhoffen? Schmerzverständnis Welche Schmerzerfahrungen hat die Patientin/der Patient? Wie geht die Patientin/der Patient mit Schmerzen um? Was hat sie/er bisher gegen die Schmerzen unternommen? Wie werden Schmerzen ausgedrückt? Welche Sorgen oder Ängste sind mit den Schmerzen verbunden? Wie wirken sich die Schmerzen auf das Leben, auf die Arbeit und auf die Familie aus? Welche Rolle spielt die Familie bei der Schmerzbewältigung? © Eva Schürch | 06. 05. 2024 23 Kulturell gebundene Ausdrucksformen > DSM-5 > Bezugsrahmen zur Beurteilung von Symptomen im sozialen, kulturellen und historischen Kontext > Cultural-Formulation-Interview (CFI) - Selbst- und Fremdbeurteilung - 16 Fragen zu Problem, Ursachen und Bewältigungsstrategien - Fokus: wie beeinflussen kulturelle Einflussfaktoren diese Bereiche © Eva Schürch | 06. 05. 2024 24 ch w rde gerne die robleme die Sie hierher gef hrt haben verstehen so dass ich hnen effektiver helfen kann. ch w rde gerne mehr ber rungen und deen erfahren. ch werde einige ragen dazu stellen was los ist Beispielfrage aus dem CFI bedenken Sie dass es keine richtigen oder falschen Antworten gibt. K LT ELLE DEFINITION DES P O LEMS Kulturelle Definition des Problems (Erklärungsmodelle unktionsniveau Erfrage die individuelle Sicht der Hauptprobleme und Hauptanliegen. 1. Was führt Sie heute hierher? Lege den Fokus auf das individuelle Verständnis des Problems. Wenn die Person wenige Details oder nur Symptome oder eine medizinische Diagnose erwähnt, fasse nach: Nutze die Begriffe, Ausdrücke oder kurze Beschreibung, die als Antwort auf Frage 1 genannt wurde, um das Problem anhand der folgenden Fragen zu identifi ieren r r e it Ihrem Sohn“). Menschen verstehen Probleme häufig auf ihre eigene Art und eise die der Art und eise wie rzte das roblem beschreiben ähneln oder sich davon unterscheiden können. Wie würden Sie ihr Problem beschreiben? © Eva Schürch | 06. 05. 2024 25 Fazit > Bewusstsein für schwierige Situationen schaffen > Migration: Resozialisierung in neuer Kultur > Arbeit mit Dolmetschenden als Herausforderung > Beachtung kulturspezifischer Besonderheiten ohne Reduktion auf Migrationsstatus © Eva Schürch | 06. 05. 2024 26 Leraningoutcomes > > > > > > > Sie kennen Faktoren, die Gespräche schwierig machen. Sie wissen, was beim Überbringen einer schlechten Nachricht zu beachten ist. Sie kennen den Kulturbegriff und können Beispiele im Kulturmodell von Hofstede zuordnen. Sie wissen, was in Therapiegesprächen mit Migrant:innen zu beachten ist. Sie wissen, mit welche Herausforderungen Kinder in Familien mit Migrationshintergrund konfrontiert sind. Sie wissen, wie ein Therapiegespräch mit Dolmetschenden funktioniert. Sie wissen, wie Diagnostik kulturgebunden angepasst werden kann. © Eva Schürch | 06. 05. 2024 27

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