Lehrskripte Allgemeine Psychopathologie PDF
Document Details
Uploaded by MercifulEnglishHorn
Deutsche Heilpraktikerschule
Tags
Related
Summary
This document is a learning script for the training of psychotherapists and psychological counselors. It gives an overview of general psychopathology, covering topics like consciousness disorders, orientation disorders, attention and concentration disorders, and other related areas. It also includes exercises and references for further study.
Full Transcript
SEIT 1998 ERFOLGREICH IN DER AUSBILDUNG VON HEILPRAKTIKERN Ausbildung zum/r Psycholog. Berater/in und Psychotherapeutischen Heilpraktiker/in Allgemeine Psychopathologie Lernskript für das Selbststudium ...
SEIT 1998 ERFOLGREICH IN DER AUSBILDUNG VON HEILPRAKTIKERN Ausbildung zum/r Psycholog. Berater/in und Psychotherapeutischen Heilpraktiker/in Allgemeine Psychopathologie Lernskript für das Selbststudium ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE 2 Copyright: Deutsche Heilpraktikerschule®; Dieses Skript ist Teil der Ausbildung zum/zur Heilpraktiker/in. Bearbeitungsstand: 08.03.2019 3 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE 4 Inhalt 1. Selbststudium / Fachliteratur 8 2. Allgemeine Psychopathologie 11 2.1 Bewusstseinsstörungen 12 2.2 Störung der Orientierung 16 2.3 Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration 17 2.4 Auffassungsstörungen 18 2.5 Gedächtnis- / Merkfähigkeitsstörungen 19 2.6 Formale Denkstörungen 21 2.7 Wahn / Inhaltliche Denkstörungen 24 2.8 Wahrnehmungsstörungen 28 2.9 Störungen der Ich-Grenzen 31 2.10 Störungen der Affektivität 33 2.11 Antriebsstörungen / Störungen der Psychomotorik 35 2.12 Kontaktstörungen 39 2.13 Störungen der Intelligenz 40 2.14 Zwänge und Befürchtungen 41 2.15 Appetit / Schlaf / Libido 43 2.16 Vertiefendes Selbststudium 44 3. Anamnese und Diagnosesysteme 45 3.1 Grundlagen der Befunderhebung 45 3.2 Diagnosesysteme 50 4. Selbststudienaufgaben zum Einsenden______________________________ 54 5. Übersicht der Selbststudienaufgaben nach Reihenfolge___________ 55 6. Literaturliste_____________________________________________________________ 58 7. Impressum________________________________________________________________ 59 5 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Sehr geehrte Studentin, sehr geehrter Student! Dieses Lernskript wird Sie bei Ihrem Selbststudium für die Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie unterstützen. In seiner zusammengefass- ten Form führt es Sie durch die Fülle psychiatrischen und psychotherapeuti- schen Wissens. Sie erhalten einen Überblick mit den wesentlichen Informationen zum The- ma. Im Anschluss an die Abschnitte bzw. Kapitel folgen ergänzende Selbst- studienaufgaben zur Vertiefung Ihres Wissens. Sie finden dazu Verweise auf Fachliteratur und die Online-Plattform, wo Sie auch Links zu interessanten Fachartikeln oder Filme zum Thema finden. Damit Sie Ihr neues Wissen stets festigen können, lösen Sie bitte immer die Abschnittsfragen im Online-Campus. Bearbeiten Sie am Ende des Skriptes die Selbststudienaufgaben zum Einsenden und reichen Sie diese bei Ihrem Ansprechpartner der Deutschen Heilpraktikerschule® ein. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und viel Spaß beim Lernen sowie bei der Prü- fungsvorbereitung. Gern unterstützen wir Sie dabei mit unserer langjährigen Erfahrung. Ihr Team der Deutschen Heilpraktikerschule® Nachbemerkung: Obwohl aus Gründen der Lesbarkeit im Text die männliche Form gewählt wurde, beziehen sich alle Angaben auf Angehö- rige beider Geschlechter. 6 Ihnen werden innerhalb der Skripten verschiedene Symbole angeboten: Verweis auf den Online-Campus Nutzen Sie Ihren Zugang zum Online-Campus, um die erweiterten Lern- möglichkeiten zu erleben. Verweis auf Selbststudium Studieren Sie die angegebene Fachliteratur um Ihr Wissen zu vertiefen. QR-Codes Mit Hilfe der QR-Codes können Sie sich weitergehend im Internet infor- mieren. Alternativ finden Sie diese Weiterleitungen auch im Online-Cam- pus. Mind Map Bei bestimmten Kapiteln werden Sie aufgefordert Ihr neues Wissen zur Unterstützung beim Lernen, in einer Mind Map anzufertigen. Eselsbrücke Hier möchten wir Ihnen gängige Merkhilfen vorstellen. Merke Dieses Symbol verweist auf Wissen/Informationen welches u. a. prü- fungsrelevant ist. Prägen Sie sich das Wissen ein. Pausenaufforderung Sie werden in sinnvollen Abständen zu Pausen angehalten. Gönnen Sie sich eine Auszeit und lassen Sie das bis dahin Gelesene auf sich wirken. 7 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE 1. Selbststudium / Fachliteratur Ihr Skript ist an bestimmten Textstellen oder Kapiteln mit dem Hinweis zum Selbststudium, weiterführender Literatur oder dem Hinweis auf Erstellung einer Mind Map versehen. Bitte bearbeiten Sie die Aufgaben an den betref- fenden Stellen. Ihr bis dato Erlerntes wird dadurch vertieft und verknüpft. Die Vorteile der Mind Maps finden Sie in Ihrem erstem Skript „Einführung in die Gesprächsführung und Gruppendynamik“. Am Ende des Skriptes finden Sie zur Selbstüberprüfung die gesamten Selbst- studienaufgaben der Reihenfolge nach in einer Tabelle. Auflistung der benötigten Fachliteratur: Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Möller, Laux & Deister, Thieme Verlag – 6. Auflage, 2015 Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, Dilling, Freyberger, Hogrefe AG – 8. Auflage, 2015 Neurotische Störungen und Psychosomatische Medizin, Hoffmann & Hochapfel, Schattauer Verlag – 8. Auflage, 2009 8 Einleitung und inhaltlicher Überblick Sowohl die Heilpraktiker für Psychotherapie, als auch die Psychologischen Berater müssen mit den psychischen Störungsbildern vertraut sein. Wäh- rend die Heilpraktiker für Psychotherapie im psychiatrischen Umfeld Diag- nosen stellen, müssen Psychologische Berater pathologische Auffälligkeiten erkennen, um gegebenenfalls die Klienten in psychotherapeutische Behand- lung weiter zu verweisen. Um zu einer diagnostischen Einordnung zu gelangen, sind eine Anamnese (Krankheitsvorgeschichte), sowie eine Erhebung des psychopathologischen Befundes (differenzierte Aussage über Jetzt-Zustand) notwendig. Für die Abklärung somatischer Ursachen müssen die Klienten hierfür an Allgemein- bzw. Fachärzte verwiesen werden. Der Erhebung der Anamnese und des psychopathologischen Befundes dient zum einen die Feststellung von Störungen der Elementarfunktionen der Psy- che, die im ersten Kapitel vorgestellt werden. Um die Diagnosefindung zu vereinfachen und zu systematisieren, werden zum anderen im darauffolgen- den Kapitel; ein Beispiel für einen Erhebungsbogen für die Anamnese sowie verschiedene Klassifikationssysteme für psychische Störungen vorgestellt, die der Einordnung und differenzialdiagnostischen Abgrenzung dienen. 9 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE 2. Allgemeine Psychopathologie Die grundlegenden Funktionen der Psyche fasst man als psychische Elementarfunktionen zusammen. Sie umfassen die Bereiche Denken (Kognition), Wahrnehmung/Erleben, Online-Enzyklopä- Fühlen (Emotion) und körperlicher Ausdruck (Verhalten) die psychopatho- logischer Fachbe- Dazu gehören: griffe 1. Bewusstsein 2. Orientierung 3. Aufmerksamkeit / Konzentration 4. Auffassung 5. Gedächtnis / Erinnerung 6. Formales Denken 7. Wahn / Inhaltliches Denken 8. Halluzination / Wahrnehmung 9. Ich-Grenzen 10. Affektivität 11. Antrieb / Psychomotorik 12. Kontakt (Sozialverhalten) 13. Intelligenz MERKSATZ Elementarfunktionen Zusätzlich wichtig für eine psychopathologische Befundung ist die Be- BE-OR-GE-DENK- trachtung von: INTELLI-KON-WAHR- ICH-AN-AFF-AUFF-AUF 1. Zwängen / Befürchtungen 2. Appetit 3. Schlaf 4. Libido 10 Exkurs/Psychischer Befund: Der psychische Befund setzt sich zusammen aus Anamnese und Exploration der psychischen Elementarfunktionen. Weiter dazu im Kapitel 3. Bei der Diagnostik ist immer zu beachten, ob ein Symptom Krankheitswert hat: 1. Ist das alltägliche Leben deutlich beeinträchtigt? 2. Sind die sozialen Beziehungen beeinträchtigt? 3. Verursacht das Symptom deutlichen Leidensdruck? 4. Stellt das Symptom eine deutliche Abweichung von der gesellschaftlichen Norm dar? Beachten Sie, dass die Aufzählung der Elementarfunktionen je nach Litera- tur voneinander abweicht. Es existiert keine allgemeingültige Klassifikation. So gibt es Literaturquellen, in denen Ängste und Zwänge als Störungen der psychischen Elementarfunktionen gesondert aufgeführt werden. In anderen Quellen werden Ängste und Zwänge als inhaltliche, nichtwahnhafte Denkstö- rungen klassifiziert. 2.1 Bewusstseinsstörungen Störung des Bewusstseins Quantitativ Qualitativ Zum Bewusstsein gehören die Aspekte der Vigilanz (Wachheit) sowie der Be- wusstseinsklarheit. Bewusstseinsstörungen werden somit nach quantitativen Kriterien (Grad der Vigilanz/Wachheit), sowie nach qualitativen Kriterien (Grad der Bewusst- seinsveränderungen) unterschieden. Rechtliche Folgen von Bewusstseinsstörungen bestehen in der verminderten Schuldfähigkeit und der Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften. 11 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE 2.1.1 Quantitative Störungen des Bewusstseins auch: Vigilanzstörungen 1. Benommenheit Patient ist schläfrig Informationsaufnahme und -verarbeitung sind eingeschränkt Patient ist durch Ansprechen oder Anfassen leicht weckbar Reflexe und Muskeltonus sind ungestört 2. Somnolenz Patient ist schläfrig und sehr apathisch nur durch lautes Ansprechen und/oder Anfassen weckbar Reflexe ungestört; Muskeltonus leicht reduziert gute und gezielte Abwehrreflexe 3. Sopor Patient ist wie in einem tiefen Schlaf nur durch starke Weckreize wie starkes Schütteln oder Zwicken weck- bar Reflexe erhalten; Muskeltonus reduziert grobe ungerichtete Abwehrreflexe 4. Koma (und Sonderform Coma vigile oder apallisches Syndrom = Wachkoma) Patient ist bewusstlos durch stärkste Weckreize nicht erweckbar keine Reflexe und Abwehrreflexe vorhanden Die Ursachen sind organischer Art: Hypo-/Hyperglykämie (Unter- oder Überzuckerung) Schädel-Hirn-Traumata (aller Art) Schlaganfall Hirnbedingte Krampfanfälle (wie Epilepsie) Störungen von Atmung und Kreislauf mit Folge von Sauerstoffmangel im Gehirn 12 Intoxikationen (Vergiftungen durch Medikamente, Drogen, Alkohol) Infektionen oder Entzündungen des Nervensystems erhöhter Hirndruck 2.1.2 Qualitative Störungen des Bewusstseins 1. Bewusstseinstrübung mangelnde Klarheit des Erlebens bezüglich sich selbst und der Umwelt Denken und Handeln sind verworren Vorkommen unter Einfluss von Drogen, Medikamenten und bei orga- nischen Erkrankungen 2. Bewusstseinseinengung Einengung des Bewusstseinsumfangs (Fokussierung auf ein bestimm- tes Erleben) Aufmerksamkeit nach innen gerichtet, daher vermindertes Anspre- chen auf Außenreize erleben insgesamt traumhaft, z.B. bei langweiliger Autobahnfahrt 3. Bewusstseinsverschiebung/ -erweiterung Wacherleben besonders klar und hell Gefühl von Intensitäts- und Helligkeitssteigerung erleben des Bewusstseins als erweitert Vorkommen z.B. nach Heroininjektion, Einnahme psychoaktiver Subs- tanzen, bei Manie, Meditation etc. MERKE: Stellen Sie sich eine Flasche vor. Der Flaschenhals steht für Bewusstseinseinengung Der Flaschenbauch steht für Bewusstseinserweiterung Der Flascheninhalt steht für Bewusstseinstrübung 13 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Weitere Unterscheidung Brunnhuber und Lieb (2000, S.12) oder Scharfetter (2002, S.67f.) unterschei- den bei den qualitativen Bewusstseinsstörungen zudem das Delir, den Däm- merzustand, Oneiroid und Verwirrtheit (Amentia). Diese Unterscheidungen spielen besonders im klinischen Gebrauch eine Rolle. 1. Delir: Organisch bedingte psychotische Störung mit Verwirrtheit, Desorien-tie- rung, vegetativen Symptomen und psychomotorischen Veränder-ungen. Vorkommen meist bei Alkohol-Entzug, Medikamentenabusus /-miss- brauch und organischen Erkrankungen. 2. Dämmerzustand: Nach außen wirkt Patient orientiert, geordnet und besonnen. Das Bewusstsein ist auf das innere Erleben eingeengt und die Wahrnehmung äußerer Vorgänge vermindert. Der Dämmerzustand ist als eine illusionäre Verkennung der Umwelt oder traumwandlerischer Zustand zu bezeichnen. Hinweis: eher selten vorkommend, bei Epilepsie, Schädel-Hirn-Trauma, pathologischem Rausch. 3. Oneiroid auch: Traum - oder tranceartige Verworrenheit: Man versteht darunter einen desorientierten Verwirrtheitszustand mit leichter Bewusstseinstrübung (unscharf vom Begriff des Delirs abzugrenzen) und meist mit lebhaften und fantastischen Halluzinationen. Das Oneiroid ist gekennzeichnet von einem irrealen Erleben mit intensiven Gefühlserlebnissen im Sinne von Begeisterung, Entsetzen und/ oder Faszination. Vorkommen: geleg. bei Schizophrenie, Epilepsie, Nebenwirkung von Medikamenten, bei Vergiftung Voraussetzung für das Zustandekommen des oneiroiden Syndroms ist eine präpsychotisch vorhandene Neigung zur Phantasie. 4. Verwirrtheit (früher Amentia), Konfusion: Unter Verwirrtheit versteht man ein Syndrom, bestehend aus schwerer Denkverworrenheit, allgemeiner Desorientierung, Halluzinationen, Wahn sowie ängstlich-ratloser, „stauniger“ (verwundert-hilfloser) Stimmung. Häufig kommen amentielle Bilder vor – gekennzeichnet durch Gestalt- zerfall im Sinne der Ratlosigkeit, des inkohärenten Denkens (zerrissenes D.) und des Orientierungsverlustes. Im Wesentlichen besteht Wachheit, aber schwer gestörte Aufmerksamkeit und ein schwer gestörtes Kurzzeit- gedächtnis. 14 Die Verwirrtheit ist ebenfalls schwer von anderen Bewusstseinsstörungen ab- zugrenzen. Vorkommen: bei akutem exogenen Reaktionstyp, akut einsetzenden schizo- phrenen Psychosen und sog. Emotionspsychosen. Als Ursachen für qualitative Bewusstseinsstörungen sind zu erwähnen: Intoxikation durch Medikamente, Drogen Erstellen Sie eine Entzugssyndrom Mind Map Stoffwechselstörungen (Diabetes, Vitaminmangelzustände, insbesondere Bewusstseinsstörungen Vitamin B1-Mangel bei Wernicke-Enzephalopathie) Tumor und Schädel-Hirn-Traumen Kardiovaskuläre Probleme (Herz-Kreislauf) Delir Exploration Die Befundung fängt ab der 1. Minute, wenn Sie dem Patienten die Tür öff- nen, an. Wie erscheint er, wirkt er schläfrig, überdreht? Wie ist sein äußerli- ches Erscheinungsbild? In der Prüfung sollten Sie bei einem Fallbespiel, immer nach dem „Äußeren Erscheinungsbild“ und nach dem Bewusstsein fragen. MERKE „Ich gehe davon aus, dass der Patient bei klarem Bewusstsein ist?“ Bewusstseinsstörungen sind immer ein Zeichen „Verstehen Sie mich gut? Können Sie alles um sich herum klar erkennen?“ für einen Notfall! „Hatten Sie in der letzten Zeit das Gefühl, Farben intensiver zu sehen, Musik lauter zu hören?“ 2.2 Störung der Orientierung Formen der Orientierung 1. Zeit (Fragen nach Datum, Uhrzeit, Jahreszeit) 2. Ort (Fragen nach dem Ort, Adresse, Stadtteil) ESELSBRÜCKE 3. Situation (Fragen nach Grund des Praxisbesuchs) Orientierung Z-O-S-P 4. eigene Person (Fragen nach Geburtsdatum, Familienstand) Zeit - Ort - Situation Person 15 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Bei Orientierungsstörungen besteht eine entsprechende Desorientiertheit zu diesen vier Qualitäten (zeitliche, örtliche, situative Desorientierung sowie Desorientierung zur eigenen Person). Orientierungsstörungen treten meist in folgender Reihenfolge (zunehmender Schweregrad) auf: Als erstes ist das Zeitempfinden gestört, dann die örtliche Orientierung, dann die Orientierung zur Situation. Die Orientierung zur eigenen Person bleibt MERKE meist bis zuletzt erhalten. Zeitgitterstörungen werden im Allgemei- Ursachen: nen unter Gedächtnis- Fehlorientierungen bei Wahn oder als „doppelte Buchführung“ bei Schizo- störungen klassifiziert phrenie (doppelt bedeutet: sowohl krankes, wie auch gesundes Realitäts- erleben) hirnorganische Bewusstseinsstörung zerebrale Schäden psychogen bedingt, z.B. bei starken Affekten Exploration Bei der Exploration der Orientierung können Sie schon im Erstkontakt an der Tür aufmerksam den Patienten beobachten und Fragen stellen. „Wie sind Sie heute hierhergekommen? Haben Sie den Weg gut gefunden?“ Wirkt der Patient im Gespräch desorientiert, stellen Sie weitere Fragen: „Können Sie mir sagen, welches Datum wir heute haben?“ „Wo befinden wir uns jetzt?“ „Warum sind Sie heute hier? „Wann wurden Sie geboren? Sind Sie verheiratet?“ 2.3 Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration Es bestehen Schwierigkeiten, über einen längeren Zeitraum die geistige Hin- wendung auf ein äußeres Geschehen (z.B. Gespräch, bestimmte Tätigkeit wie Lesen), auf einen geistigen Gegenstand oder Sachverhalt (ein bestimm- tes Thema) zu richten. 16 1. Störungen der Aufmerksamkeit: Beeinträchtigung im Umfang und Intensität der Aufnahme von Wahrnehmungen Gedanken Vorstellungen 2. Störungen der Konzentration: Verringerte Fähigkeit, sich ausdauernd einer bestimmten Sache/Tätigkeit zu widmen Exploration Im Gesprächsverlauf ergeben sich ggf. schon Anhaltspunkte ob Beeinträch- tigungen in diesem Bereich vorliegen. „Können Sie unserem Gespräch bisher gut folgen?“ „Gibt es in Bezug auf Aufmerksamkeit und Konzentration Auffälligkeiten?“ „Können Sie sich nicht so gut wie früher konzertieren? Woran merken Sie das?“ Testung Konzentrationsstörungen können durch folgende Übungen geprüft wer- den: von der Zahl 100 fortlaufend 7 oder 3 subtrahieren lassen Worte buchstabieren lassen (vorwärts und rückwärts) Wochentage oder Monatsnamen rückwärts aufzählen lassen 2.4 Auffassungsstörungen Bei Auffassungsstörungen können Wahrnehmungserlebnisse nicht mehr nach Sinn und Bedeutung korrekt eingestuft werden. Man kann hier unter- scheiden zwischen: falscher Auffassung verlangsamter Auffassung fehlendem Auffassungsvermögen 17 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Exploration Im Gesprächsverlauf ergeben sich ggf. schon Anhaltspunkte ob Beeinträch- tigungen in diesem Bereich vorliegen. Erfasst der Patient im Gespräch die konkreten und abstrakten Inhalte? Testung Konzentrationsstörungen können durch folgende Übungen geprüft wer- den: nacherzählen einer Fabel Den Sinn eines Sprichwortes erklären lassen „Können Sie mir das Sprichwort erklären: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm?“ 2.5 Gedächtnis- / Merkfähigkeitsstörungen Bei Gedächtnisstörungen besteht die verminderte Fähigkeit, alte und/oder neue Erinnerungen wiederzugeben. Als Indikator dient die Unterscheidung zwischen Speicherung im Kurzzeitgedächtnis (aktiv und schnell zugänglich – bis ca. 10 Minuten) und Speicherung im Langzeitgedächtnis (längere Zeitin- tervalle). Es kann zudem zwischen Merkfähigkeitsstörungen und Erinnerungsstörun- gen unterschieden werden. 2.5.1 Merkfähigkeitsstörungen Geminderte Fähigkeit der Speicherung neuer Informationen über einen Zeitraum bis zu 10 Minuten. 2.5.2 Gedächtnisstörungen Geminderte Fähigkeit der Speicherung neuer Informationen länger als 10 Minuten bzw. Erlerntes abzurufen. Man unterscheidet: 1. Frischgedächtnisstörung Minderung der Fähigkeit, bis zu 60 Minuten zurückliegende Informatio- nen bzw. Erfahrungen im Gedächtnis zu behalten. 18 2. Altgedächtnisstörung Minderung der Fähigkeit über 60 Minuten zurückliegende Informatio- nen bzw. Erfahrungen im Gedächtnis zu behalten. 3. Amnesien Gedächtnislücken inhaltlich und zeitlich begrenzt. Amnesie die zeitlich und inhaltlich begrenzte Erinnerungslücke (z.B. beim Schädel-Hirn-Trauma, aber auch bei Stress), total oder partiell – retrograde Erinnerungslücke vor einem Ereignis – kongrade Erinnerungslücke für die Dauer des schädigenden Ereignisses – anterograde Erinnerungslücke nach einem Ereignis Hypomnesie Herabgesetzte Erinnerungsfähigkeit (z.B. bei Hirnabbauprozessen, wie Demenz). Hypermnesie Gesteigerte Erinnerungsfähigkeit (z.B. nach Koffeinkonsum, bei Asperger-Autismus). Paramnesie (Wahn-, Trugerinnerungen) Gedächtnisstörungen mit verfälschten Erinnerungen (Trugerinnerun- gen, Erinnerungstäuschungen, Gedächtnisillusionen). Sonderformen: Déjà vu (schon mal gesehen, erlebt), Jamais vu (Gefühl, vertraute Situation noch nie erlebt zu haben). Ekmnesie (Zeitgitterstörungen) Störung des Zeiterlebens, z.B. wird die Vergangenheit als Gegenwart erlebt (bei Demenz). Kryptomnesie Erinnerungen werden als Gedachtes bzw. Erdachtes empfunden. Konfabulation Erinnerungen an nie Passiertes oder Erlebtes, Erinnerungslücken werden unbewusst mit Phantasien und Einfällen des Patienten ge- Erstellen Sie eine füllt. Mind Map Gedächtnis- und Merk- Darunter wird auch das False Memory Syndrom („falsche Erinnerun- fähigkeitsstörungen gen“) klassifiziert: dabei werden Dinge erinnert, die nicht oder nicht 19 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE auf diese Art stattgefunden haben. Im Zusammenhang mit Psychotrau- matherapie wird dieser Begriff kritisch diskutiert. Exploration „Wie schätzen Sie Ihr Gedächtnis ein?“ „Haben Sie das Gefühl, Sie können sich in der letzten Zeit schwer etwas Dokumentation merken? “ „Das getäuschte „Vermissen Sie zurzeit vermehrt Dinge?“ Gedächtnis“ „Wie steht es mit Ihrem Gedächtnis. Hat sich in der letzten Zeit etwas verändert?“ Testung Kurzzeitgedächtnis 3 Wörter benennen, wiederholen lassen und nach 10 Minuten wiederge- ben lassen Artikel Langzeitgedächtnis „Forschungsergeb- nisse zum Erinnern Abfragen biografischer Daten und zum False-Me- Die 3 Begriffe am Ende der Therapieeinheit wiedergeben lassen mory-Syndrom“ Befassen Sie sich kritisch mit dem False Memory Syndrom. Nutzen Sie dazu die Dokumentation und den Artikel. Lösen Sie jetzt im Online-Campus die Abschnittsfragen Teil 1. Abschnittsfragen 2.6 Formale Denkstörungen Bei den Denkstörungen wird nach zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten unterschieden: nach Störungen in der Form des Denkens und Störungen des Denkinhalts. Sie werden, über die Sprache/sprachliche Äußerungen erfasst. Als formale Denkstörungen bezeichnet man Störungen des normalen Ge- dankenablaufs. Ein ungestörter Denkablauf ist kohärent. Das heißt, dass auf eine Frage sinnzusammenhängend, einem logischen Aufbau folgend und in angemessener Geschwindigkeit geantwortet werden kann. 20 1. Denkverlangsamung Gedankengang ist mühsam und schleppend und läuft verzögert ab häufiges Grübeln Vorkommen: bei organischen Psychosen und der Depression 2. Denkhemmung Denkablauf ist erschwert (wie gegen einen inneren Widerstand) Denkgeschwindigkeit reduziert Denken ist eingeengt und ohne Einfälle Vorkommen: typisch bei Depressionen 3. Umständliches/ Weitschweifiges Denken Wesentliches kann nicht von Unwichtigem und Nebensächlichem ge- trennt werden, erreicht dennoch über Umwege das Ziel Vorkommen: bei der Schizophrenie und der Manie 4. Ideenflüchtiges, assoziativ gelockertes Denken keine direkte Antwort auf Fragen Antwortfaden bewegt sich von einer Assoziation zur nächsten – „vom Hölzchen zum Stöckchen“ Denken wechselt ständig ohne bestimmte Zielvorstellung sehr schnelle, übermäßig einfallsreiche und verworrene Gedanken- gänge Vorkommen: häufig bei Manie und Schizophrenie 5. Vorbeireden geht auf eine Frage nicht ein und redet unwillkürlich inhaltlich über etwas Anderes weicht vom Thema ab Vorkommen: Schizophrenie 6. Eingeengtes Denken Einschränkung des inhaltlichen Denkumfangs: das Denken haftet an einem oder wenigen Themen nicht zum Thema gehöriges wird ignoriert oder wahnhaft verkannt (also zum Thema gehörend uminterpretiert). Vorkommen: Depressionen ES IST ZEIT FÜR EINE PAUSE! 21 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE 7. Gedankensperrung/ Gedankenabreißen/ Gedankenabbrechen der Gedankengang stoppt mitten im Fluss ohne erkennbaren Grund hat plötzlich den roten Faden verloren Denken ist zerfahren und inkohärent. Vorkommen: typisch für Schizophrenie 8. Zerfahrenes (inkohärentes) Denken (Denkinkohärenz) Zusammenhang im Denkfluss ist gestört Denken zerrissen, sprunghaft, assoziativ gelockert assoziative Verknüpfungen fehlen dissoziative Gedankengänge Vorkommen: typisch für Schizophrenie 9. Neologismen Wortneubildungen, die in der Sprache nicht vorkommen oft nicht unmittelbar verständlich oft in Zusammenhang mit Verbigeration auftretend Vorkommen: Schizophrenie, Autismus Beispiele für Neologismen: „Ich weiß es köpflich.“ Der Autist Birger Sellin schreibt: „Ich will kein Inmich sein.“ 10. Grübeln Erstellen Sie eine Mind Map ständige Beschäftigung mit unangenehmen und belastenden Gedan- ken Formale Denkstörungen Gedanken werden nicht konstruktiv weitergedacht, sondern kehren in Schleife wieder Vorkommen: Depressionen, Zwangsstörung 11. Gedankendrängen Gedanken, Ideen, Bilder und Einfälle stellen sich ungewollt ein und drängen sich auf, ohne dass das vom Patienten beeinflusst werden kann Vorkommen: typisch für die Manie Exploration „Haben Sie das Gefühl, dass sich an Ihrem Denken etwas verändert hat?“ „Fällt Ihnen das Denken schwerer/leichter als sonst?“ 22 „Haben Sie das Gefühl, zu viele Gedanken gleichzeitig im Kopf zu haben?“ „Haben Sie erlebt, dass Ihnen der Gedanke öfter einfach abhandengekommen oder abgerissen ist?“ Setzen Sie sich mit der Selbstschilderung, einem Schreiben und dem klini- schen Fall eines Patienten mit Denkstörung auseinander. Klinischer Fall Lehrbuch von Möller, Laux u. Deister, Abschnitt A, Kapitel 3.1.7 2.7 Wahn / Inhaltliche Denkstörungen Wahn gehört zu den inhaltlichen Denkstörungen, es kommt zu einer Stö- rung des Denkinhalts, also des Gedachten, was zu einer Störung des Reali- tätsbezuges führt. inhaltlich falsche, irreale, unkorrigierbare und starre Überzeugung mit subjektiver Gewissheit krankhafte, falsche Beurteilung der Realität private, exklusive und isolierende Wirklichkeitsüberzeugung Wahn ist eine krankhafte Ich-Bezogenheit und bestimmt die Lebenswirklich- keit des Patienten. Vorkommen: bei Schizophrenie als begleitendes Symptom (Fachbezeichnung: Komorbidität) anderer Stö- rungen, wie Depressionen, Zwangsstörungen u.a. Manien organischen Psychosen (bei Alkoholabhängigkeit/-entzug, Demenz) Wahnkriterien nach Jaspers MERKE Bei Wahn besteht hinsichtlich der Überzeugungen: Wahnkriterien nach Jaspers sind Prüfungs- 1. persönliche Gewissheit wissen und für die 2. Unkorrigierbarkeit Praxistätigkeit von be- 3. bizarrer Inhalt sonderer Bedeutung 23 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE 2.7.1 Formen des Wahnerlebens Wahnstimmung Stimmung des Unheimlichen, Vieldeutigen, Beziehungs- und Bedeutungs- erlebens, daraus entstehende Wahnideen. Die Welt erscheint unheimlich verändert und/oder bedrohend. Wahnstimmung geht oft der Wahnwahr- nehmung voraus. Wahnwahrnehmung Uminterpretation/Fehlinterpretation von an sich neutralen richtigen Sin- neseindrücken. Meist im Sinne einer übersteigerten ICH-Bezogenheit Wahnidee / Wahneinfall entstehen plötzlich und spontan ohne vorausgehende Sinneswahrneh- mung in der Vorstellung des Patienten. Die Wahnidee ist entsprechend eingliedrig (ohne wahnhaft verarbeitete Wahrnehmung Wahnerinnerungen Ereignisse aus früheren gesunden Zeiten werden nachträglich wahnhaft umgedeutet Symbiotischer Wahn (Folie a deux) Induzierter Wahn. Nahe Bezugspersonen (z. B. Kinder) sind vom Wahnsys- tem des Patienten überzeugt und somit in den Wahn mit hineingezogen Wahngedanken aus Wahnwahrnehmung oder Wahneinfällen hervorgegangen und festge- haltene wahnhafte Überzeugungen. Es sind Gedanken die dauerhaft fest- gehalten werden und wahnhaft sind. Z.B. persistierender Verfolgungswahn Wahndynamik Affektive Anteilnahme am Wahn. Die Kraft des Antriebs und die Stärke der Affekte, die im Zusammenhang mit dem Wahn auftreten Systematischer Wahn Der Wahn, der systematisiert ist, d.h. ein inneres System hat und eine in sich geschlossene Wahnrealität besitzt. Ein Wahngebäude wird komplex ausgestaltet wird, Z.B. umfassendes Verfolgungssystem. Ein in sich ge- schlossene Wahnrealität 2.7.2 Wahninhalte Beziehungswahn Patient glaubt, Ereignisse in seiner Umwelt geschähen nur seinetwegen 24 oder um auf ihn Einfluss zu nehmen. Dies ist das häufigste Wahnthema. Beeinträchtigungswahn Patient betrachtet alles auf sich bezogen wie im Beziehungswahn, jedoch gegen ihn gerichtet, mit dem Ziel, ihn zu schädigen, zu demütigen oder zu ruinieren. Verfolgungswahn Dies stellt eine Steigerung des Beeinträchtigungswahns dar. Harmlose Er- eignisse werden vom Patienten so interpretiert, als würde ein gemeines Komplott gegen ihn geschmiedet oder als warte man auf eine günstige Ge- legenheit ihn umzubringen. Der Patient sieht sich von allen verfolgt. Vergiftungswahn Dies stellt eine Sonderform des Verfolgungswahns dar. Der Patient meint von anderen heimlich vergiftet worden zu sein. Eifersuchtswahn Der Patient ist fest von der Untreue seines Partners überzeugt, obwohl es dafür keine realen Anhaltspunkte gibt (typisch bei Schizophrenie und Alkoholabhängigkeit). MERKE Psychose = Störungen Liebeswahn mit einer Beeinträch- Der Patient ist davon überzeugt, von einem bestimmten Menschen geliebt tigung des Realitäts- zu werden, der diese Liebe aber nicht zeigen oder zugeben könne. empfinden - werden Hypochondrischer Wahn auch psychotische Stö- rungen genannt. Der Patient ist davon überzeugt, an einer Krankheit zu leiden und an dieser Halluzinationen, Ich- früher oder später zu sterben (vorwiegend bei wahnhafter Depression). Störungen und Wahn Schuld- oder Versündigungswahn beeinträchtigen das Der Patient ist überzeugt, nichts geleistet, nichts richtig gemacht, alles Gute Realitätsempfinden versäumt und Menschen im Stich gelassen zu haben. Er glaubt, Schuld und Neurose = Psychische Sünden auf sich geladen zu haben (vorwiegend bei wahnhafter Depressi- Störungen ohne Be- on). einträchtigung des Größenwahn Realititätsempfinden - werden auch neuro- Der Patient überschätzt seine Bedeutung, seine Fähigkeiten und seine tische Störungen ge- Leistungen. Er hält sich z.B. für sehr reich (Reichtumswahn), von besonde- nannt rer Abstammung (Abstammungswahn) oder von Gott berufen, etwas Be- stimmtes zu tun (Berufungswahn). Er glaubt eine berühmte Person wie z.B. Alexander der Große (bei der Schizophrenie und der Manie). Nichtigkeitswahn/ Kleinheitswahn Im Gegenteil zum Größenwahn hält sich der Patient für außergewöhnlich minderwertig, unwichtig. 25 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE nihilistischer Wahn (auch: Cotard-Syndrom) Dies meint die Überzeugtheit oder Verneinung der Existenz, des Körpers bzw. der Welt. Verarmungswahn Der Patient glaubt zu verarmen und sich und seine Familie in die Armut zu treiben. (bei Depressionen). Erstellen Sie eine Dermatozoenwahn (chronische taktile Halluzinose) Mind Map Der Patient glaubt, dass kleine Tiere durch die Haut eingedrungen sind, Wahn sich in der Hautschicht und in seinem Körper fortbewegen (bei organi- schen Psychosen und Schizophrenie). Exploration Beobachten Sie den Patienten in der Erstanamnese. Verhält er sich beson- ders misstrauisch und ängstlich? Fragen Sie vorsichtig, denken Sie daran für den Betroffenen fühlt sich der Wahninhalt real an. bei Verdacht empfiehlt sich immer eine Fremdanamnese. „Haben Sie den Eindruck, dass sich die Welt um Sie herum verändert hat?“ „Haben Sie in letzter Zeit Dinge erlebt, die Ihnen merkwürdig vorkamen, die Sie beunruhigt haben und Ihnen Angst machten?“ Artikel Kinder psychisch „Haben Sie das Gefühl, dass viele Dinge, die um Sie herum passieren, etwas kranker Eltern: mit Ihnen zu tun haben? (Ansagen im Radio/TV für Sie persönlich bestimmt)“ Die vergessenen „Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen jemand etwas Böses will oder Sie ver- Kinder folgt?“ „Fühlen Sie sich von außen beeinflusst oder kontrolliert?“ „Haben Sie das Gefühl, Schuld auf sich geladen zu haben?“ „Haben Sie das Gefühl über besondere Fähigkeiten zu verfügen?“ Befassen Sie sich mit den Patientenbeispielen zum Thema Wahn. Klinischer Fall Lehrbuch von Möller, Laux u. Deister, Abschnitt A, Kapitel 3.1.8 26 2.8 Wahrnehmungsstörungen Wahrnehmungsstörung den Halluzinationen einfache Halluzinationen nahestehende Wahrnehmungs-/ Störungen sensorische Störungen Man unterscheidet drei Formen der Wahrnehmungsstörungen: 1. Halluzinationen 2. den Halluzinationen nahestehende Störungen 3. einfache Wahrnehmungsstörungen oder sensorische Störungen 2.8.1 Halluzinationen Halluzinationen sind Sinnestäuschungen, die vom Patienten als wirklich empfunden werden. Sie können einerseits nach ihrer Komplexität (einfach/ elementar vs. komplex/szenisch) sowie nach den Sinnesmodalitäten, die sie betreffen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen) unterschieden werden. Je nach Sinngebiet unterscheidet man: 1. Akustische Halluzinationen Vorkommen: bei Schizophrenie und organischen Psychosen Akoasmen: ungeformte Geräusche wie Rauschen, Pfeifen, Knallen, Zi- schen, Heulen, Jaulen etc. – bei Schizophrenie, Epilepsie u. Alkoholdelir Phoneme: Vernehmen von Lauten, Stimmen, Sätzen, Worten, Geflüster kommentierende Stimmen: begleiten die Handlungen des Patienten mit Bemerkungen imperative Stimmen befehlende Stimmen Gedankenlautwerden: eigene Gedanken werden laut gehört 2. Optische Halluzinationen Vorkommen: bei organischen Psychosen (z.B. Alkoholentzugsdelir) – weniger bei Schizophrenien 27 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Patient nimmt Lichter, Blitze, Farben, Formen, Symbole, Gestalten, Figu- ren oder Tiere (Mäuse, Spinnen etc.) wahr 3. Olfaktorische (geruchspezifische) und gustatorische (geschmackliche) Halluzinationen Vorkommen: häufig bei Depression Sinnestäuschungen im Geruchs- bzw. Geschmacksbereich 4. Taktile oder haptische Halluzinationen Vorkommen: bei Schizophrenie, häufiger jedoch bei älteren Menschen mit organischen Psychosen Hautempfindungshalluzinationen (Charakter des „von außen gemach- ten“) 5. Zönästhesien oder zönästhetische Halluzinationen (Körperhalluzinati- onen) Vorkommen: typisch für Schizophrenie Störungen des Körperempfindens („als ob“ – Charakter) Exploration „Gibt es etwas was Sie ängstigt oder ablenkt?“ „Wirkt irgendetwas auf Sie ein, was Sie stört oder beunruhigt?“ „Hören Sie Stimmen? Hören Sie manchmal jemanden sprechen, obwohl sie zum Beispiel ganz allein im Raum sind?“ „Haben Sie Personen oder Gegenstände gesehen, die andere nicht sehen konnten?“ „Haben Sie in der letzten Zeit merkwürdige Gerüche bemerkt?“ „Haben Speisen und Getränke irgendwie anders als sonst geschmeckt?“ „Gehen in Ihrem Körper merkwürdige Dinge vor?“ Klinischer Fall Befassen Sie sich mit den Beispielaussagen von Patienten mit Halluzinationen Lehrbuch von Möller, und notieren Sie sich diese. Laux u. Deister, Abschnitt A, Kapitel 3.1.9 28 2.8.2 Den Halluzinationen nahestehende Störungen Diese Störungen treten sowohl im normalpsychischen Bereich als auch bei psychischen Erkrankungen auf. Zu ihnen zählen: 1. Pseudohalluzinationen Sinnestäuschungen, die vom Patienten als solche erkannt werden. Ursache ist häufig eine Reizdeprivation (Mangel an Reizen), wie bei Blindheit oder Taubheit (ähnlich wie bei Fata Morgana). 2. Illusionen oder illusionäre Verkennungen eine fehlerhafte/ irrtümliche Wahrnehmung der Realität (z.B. Interpretati- on von Mimik und Gestik, optische Illusionen) ein fehlerhaftes/ irrtümliches Konzept bzw. fehlerhafter/ irrtümlicher Glau- ben die Konditionierung, in der man durch eine falsche Wahrnehmung, einen falschen Glauben betrogen wird etwas tatsächlich Vorhandenes oder eine tatsächlich geschehene Situation wird als etwas anderes verkannt 3. Pareidolien In real Vorhandenes wird etwas nicht Vorhandenes hineingesehen, wobei bewusst ist, was real und was nicht real ist. Auch Trugbilder genannt. Beispiel: Erkennen von Gesichtern in Tapetenmustern oder Tieren in Wolken- bildern 2.8.3 Einfache Wahrnehmungs-/sensorische Störungen Diese Störungen können bei allen psychischen Erkrankungen vorkommen! 1. Intensitätsminderung der Wahrnehmung Alles erscheint eintönig, farblos, grau, monoton. Auch Verschwommen-Sehen. 2. Intensitätssteigerung der Wahrnehmung Alles erscheint hell, bewegt, farbig, abwechslungsreich. Farbigsehen im Dunkeln oder in S/W-Filmen. Erstellen Sie eine 3. Metamorphopsie/Dysmegalopsie Mind Map Gegenstände werden in Form und Farbe falsch oder verzerrt wahrgenom- Wahrnehmungsstö- men. rungen 29 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE 4. Mikropsie Gegenstände werden kleiner wahrgenommen als sie sind. 5. Makropsie Gegenstände werden größer wahrgenommen als sie sind. Halluzinationen können bei jedem Menschen auftreten! Dokumentation Schauen Sie sich die Dokumentation zu dem Thema Halluzinationen an. „Halluzinationen“ 2.9 Störungen der Ich-Grenzen Die Störungen der Ich-Grenzen werden in allgemeine Ich-Störungen sowie Entfremdungserlebnisse unterteilt. ES IST ZEIT FÜR EINE PAUSE! 2.9.1 Allgemeine Ich-Störungen Bei den Ich-Störungen ist das persönliche/individuelle Einheitserleben der Person gestört, d.h. dass sich die Grenzen zwischen dem Ich und der Umwelt verwischen bzw. als durchlässig empfunden werden. Hier kann der Patient nicht mehr zwischen Ich und Außenwelt unterscheiden. Sie sind typisch für die psychotischen Störungen, wie Schizophrenie. 1. Gedankenausbreitung Patient hat das Gefühl, dass andere seine Gedanken wahrnehmen können. 2. Gedankenentzug Patient hat das Empfinden, dass seine Gedanken von außen (z.B. durch Andere) weggenommen oder abgezogen werden. 3. Gedankeneingebung Patient hat den Eindruck, dass seine Gedanken nicht mehr in seinem eige- nen Kopf entstehen, sondern von außen durch Andere eingegeben oder gesteuert werden. 30 4. Fremdbeeinflussungserlebnisse (gestörte Ich-Steuerung) Patient erlebt sein Wollen, Fühlen und Handeln als von außen gemacht und gesteuert. 2.9.2 Entfremdungsserleben Der Patient hat das Gefühl, die Umwelt oder er selbst seien „irgendwie an- Erstellen Sie eine ders“ oder „unwirklich“. Das Entfremdungserleben tritt sowohl im normal- Mind Map psychischen Bereich als auch bei psychischen Erkrankungen auf, bspw. bei Ich-Störungen psychischen Traumata, häufig auch noch Jahre nach dem Ereignis. 1. Depersonalisationserleben Das eigene Ich oder Teile des Körpers werden als fremd, unwirklich oder verändert erlebt. 2. Derealisationserleben Die Umgebung erscheint dem Pat. unwirklich, fremdartig oder räumlich verändert. Befassen Sie sich mit den Beispielaussagen von Patienten mit ICH-Störungen und notieren Sie sich diese. Klinischer Fall Lehrbuch von Möller, Laux u. Deister, Exploration Abschnitt A, „Haben Sie manchmal den Eindruck, dass Ihre Gedanken nicht Ihnen gehö- Kapitel 3.1.10 ren?“ „Meinen Sie, dass andere wissen, was Sie denken?“ „Haben Sie das Gefühl, manchmal Gedanken zu denken, die gar nicht von Ihnen stammen, die andere Ihnen eingeben?“ „Manche Menschen haben gelegentlich das Gefühl, wie von außen fernge- steuert zu werden. Kennen Sie das auch?“ „Fühlen Sie sich selbst irgendwie körperlich verändert?“ „Kommt Ihnen die sonst vertraute Umgebung in letzter Zeit irgendwie ver- ändert oder fremd vor?“ 31 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Lösen Sie jetzt im Online-Campus die Abschnittsfragen Teil 2. 2.10 Störungen der Affektivität Abschnittsfragen Unter Affektivität versteht man die Gesamtheit von Gefühlsleben und Stim- mungen eines Menschen. Beachten Sie, dass eine gestörte Affektivität nicht zu verwechseln ist mit den sogenannten Affektiven Störungen (dies betrifft manische und depressive Störungen). Eine gestörte Affektivität kann als Symptom bei den Affektiven Störungen auftreten. 2.10.1 Affektqualitäten depressive Verstimmung (negative Tönung der Stimmung, Wahrnehmung und Erleben sind trübselig) Gefühl der Gefühllosigkeit (Verlust an emotionalem Erleben) Vitalstörung (Verlust der körperlichen Frische) Affektarmut (emotionale Indifferenz, Gleichgültigkeit) Hoffnungslosigkeit, Pessimismus Ängstlichkeit Euphorie (übersteigertes Wohlbefinden) Dysphorie (mürrisch, nörgelnd) Gereiztheit (Zustand erhöhter Gespanntheit, Bereitschaft zu aggressiven Ausbrüchen) Aggressivität (Neigung zu tätlichen oder verbalen Angriffen) innere Unruhe Klagsamkeit, Jammerigkeit Insuffizienzgefühl (Gefühl von Wertlosigkeit, Unfähigkeit) gesteigertes Selbstwertgefühl Schuldgefühle 32 2.10.2 Affektmodalitäten Affektverarmung, Affektarmut oder Affektverflachung – verminderte affektive Schwingungsfähigkeit z.B. gleichgültig, teilnahmslos, lustlos, gefühllos – Anhedonie: Verlust der Fähigkeit Freude zu empfinden – Vorkommen: z.B. bei Depressionen oder organischen Psychosen Affektstarre – Verlust der affektiven Schwingungsfähigkeit und Verharren im Affekt, unabhängig von äußeren Situationen – Vorkommen: z. B. bei organischen Psychosen, Schizophrenien und De- pressionen Affektinkontinenz – Patient kann seine Affekte kaum steuern oder beherrschen, da sie über- mäßig schnell und stark auftreten Affektlabilität – Stimmungen wechseln sehr schnell, oft nur von kurzer Dauer – Weinen und Lachen können sich innerhalb weniger Sekunden abwech- seln Emotionspsychologie Im Onlinecampus Inadäquater Affekt (Parathymie) finden Sie eine kurze – Gefühlsausdruck und Erleben/Situation stimmen nicht überein bzw. Übersicht über die passen nicht zusammen (Traurigkeit bei freudigen Ereignissen und um- Grundlagen der Emo- gekehrt) tionsspsychologie Störung der Vitalgefühle (Vitalstörungen) – Gefühl von Kraft und Lebendigkeit ist herabgesetzt – Körpergefühle, die mit tiefer Traurigkeit einhergehen – bei Depressionen z.B.: Druck auf der Brust, Schwere in den Beinen, Kloß im Hals (Globusgefühl) – Traurigkeit oft selbst nicht empfunden – Vorkommen: z.B. bei maskierter oder larvierter Depression Schauen Sie Sich die Dokumentationsreihe „Gefühlswelten“ an, Sie erhalten einen Überblick über die Emotionen eines Menschen. Dokumentation „Gefühlswelten“ 33 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Exploration „Haben Sie den Eindruck, dass sich irgendetwas in ihrem Gefühlsleben ver- ändert?“ „Wie war Ihre Stimmung (niedergeschlagen, hoffnungslos, resigniert, deut- lich gehoben, expansiv oder gereizt) in letzter Zeit?“ „Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Lebendigkeit, Ihr Schwung, Ihre Frische Erstellen Sie eine sich verringert haben?“ Mind Map „Fühlen Sie sich niedergeschlagen, traurig?“ Störung der Affektivität „Leiden Sie unter Angstzuständen?“ „Fühlen Sie sich innerlich unruhig?“ „Glauben Sie, dass Sie weniger wert sind als andere Menschen?“ „Ändert sich Ihre Stimmung manchmal von einer Minute zur anderen?“ „Kommt es vor, dass Sie ganz gegensätzliche Gefühle gleichzeitig erleben?“ „Geht es Ihnen manchmal so, dass sich Ihre Stimmung von einem Augen- blick zum anderen ändert?“ „Neigen Sie zu Selbstvorwürfen oder fühlen Sie sich für etwas schuldig?“ „Gab es Phasen, in denen es Ihnen auffällig gut ging?“ „Hatten Sie in letzter Zeit mehr Energie als sonst und fühlten Sie sich leis- tungsfähiger?“ ES IST ZEIT FÜR EINE PAUSE! 2.11 Antriebsstörungen / Störungen der Psychomotorik Antrieb = Energie, Initiative zur zielgerichteten Aktivität Psychomotorik = Gesamtheit des durch psychische Vorgänge beein- flussten körperlich-seelischen Ausdrucksverhalten 2.11.1 Formen von Antriebsstörungen 1. Antriebsarmut oder Antriebsmangel verminderte Initiative und Anregbarkeit 34 Gleichgültigkeit, Reaktionsverzögerung, Passivität typisch bei Schizophrenien und Depressionen 2. Antriebshemmung Initiative und Energie werden nicht als vermindert erlebt, jedoch trotz Willensanstrengungen keine Antriebssteigerung möglich typisch bei Depressionen 3. Hypobulie / Abulie (Entscheidungs- und Willensarmut) äußert sich in Teilnahmslosigkeit, sozialem Rückzug, Apathie kann bei mangelnder Wahrnehmung vitaler Bedürfnisse (Durst, Hun- ger) zur Verwahrlosung bzw. Selbstgefährdung führen (bei Depressi- on, Sucht, Demenz, Schizophrenie) 4. Hyperbulie (übersteigertes Wollen) missionarischer Eifer, Verbissenheit, überwertige Ideen Starrsinn, Dominanzstreben, Rücksichtslosigkeit Vorkommen bei Persönlichkeitsstörungen, bei hirnorganischem Ab- bau durch Demenz oder nach Schlaganfall 5. Antriebssteigerung Angespanntheit, Dranghaftigkeit, Sprunghaftigkeit, Ideenflucht bei Manie, nach Alkohol-/Drogenkonsum, bei agitierter (unruhiger) Depression 6. Enthemmung distanzloses, exaltiertes, unbeherrschtes Verhalten bei Impulskontrollstörung, z.B. emotional instabilen Patienten unter Alkohol- /Drogenkonsum, bei Intelligenzminderung, Demenz, Manie 7. Ambivalenz gleichzeitig bestehende, gegenläufige Wünsche/Vorstellungen führen zu Ratlosigkeit, innerer Zerrissenheit, Entscheidungs- und Willens- schwäche 2.11.2 Formen der Störung der Psychomotorik 1. Ambitendenz hohe innere Anspannung bei Vorliegen gleichzeitig einwirkender 35 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Antriebsimpulse mit dem Ergebnis einer Antriebsblockade erkennbar an Regungslosigkeit, Starre bei Schizophrenie, Zwangsstörungen, emotionaler Instabilität 2. Mutismus Nichtsprechen bzw. Schweigen absichtlich oder aufgrund psychomotorischer Unfähigkeit als Schreckerlebnis, bei Dämmerzustand, schwerer Depression, Hirn- tumor 3. Logorrhoe gesteigerter Rededrang, Redefluss kaum sinnvolle Kommunikation möglich, da Redefluss schwer zu un- terbrechen typisch für die Manie 4. Hypokinese Bewegungsverarmung bis hin zu Reglosigkeit (Akinese) kaum spontane Bewegungen, erstarrte Mimik, bei Trance, Psychotraumatisierung, Depression, als Ausdruck einer Ambitendenz, Demenz, Morbus Parkinson, Hirnhautentzündung 5. Stupor motorische Bewegungslosigkeit mit Einschränkung der Reizaufnahme und der Reaktion keine Reaktion auf Versuche der Kontaktaufnahme bei Schizophrenie und Depression 6. Katalepsie eine eingenommene oder vorgegebene Körperhaltung wird nicht mehr verändert verharrt starr und unbeweglich (kataton) über längeren Zeitraum bei Schizophrenie 7. Hyperkinese gesteigerte Motorik, Bewegungsunruhe, Getriebenheit bei ADHS, unter Alkohol, Drogen, bei manischer Erregtheit unter Neuroleptika: Schmatzbewegungen, Grimassieren 36 8. Stereotypien Parakinesen (Bewegungsstereotypien) – zwanghafte wiederholte, unwillkürliche, tic-ähnliche Bewegungen, wie Händereiben, Wischen, Kratzen, Blinzeln, Rumpfschaukeln – bei ADHS, lebhaften Kindern, hirnorganische Schädigung, Schizo- phrenie, Syndrom psychomotorischer Anfälle Verbigeration (Sprechstereotypien) – wiederholte, inhaltsleere, automatisierte Lautgebungen (Verbige- rationen) – Sonderform: Tourette-Syndrom 9. Automatismen Negativismus – Patient sperrt sich gegen jede Bewegung, zu der er aufgefordert wird – bei mutistischem Trotzverhalten, bei katatoner Schizophrenie Echolalie und Echopraxie Verbigeration – sinnloses Nachsprechen bzw. Nachahmen von Bewegungen – bei geistiger Behinderung, Schizophrenie Befehlsautomatie – automatenhaftes Befolgen gegebener Befehle 10. Manierismen affektierte, gekünstelte und übertriebene, unnatürliche Züge des Ver- haltens 11. Paramimie Mimisches Verhalten und affektiver Erlebnisgehalt stimmen nicht überein 12. Motorische Unruhe ziellose und ungerichtete motorische Aktivität, die sich bis zur Tob- sucht steigern kan Patienten sind in Bewegung, laufen herum oder bewegen sich auf der Stelle Erstellen Sie eine Exploration Mind Map Beobachten Sie den Patienten. Achten Sie auf seine Bewegungen und sei- Störungen des Antriebs nen Antrieb. Ihre ersten Beobachtungen geben oft schon Aufschluss für die und Psychomotorik 37 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Befundung. „Kommen Sie morgens gut aus dem Bett?“ „Gehen Ihnen alltägliche Dinge schwerer von der Hand?“ „Haben Sie zurzeit besonders viel Aktivität, sind Sie besonders unternehmungslustig?“ „Waren Sie in letzter Zeit so nervös und unruhig, dass Sie nicht stillsitzen konnten oder haben Sie sich im Gegenteil langsamer bewegt oder geredet wie sonst?“ „Haben Sie in letzter Zeit Probleme, den alltäglichen Anforderungen gerecht zu werden?“ „Hat sich in Ihrer Energie und Initiative, bestimmte Dinge zu tun, etwas ver- ändert?“ Befassen Sie Sich mit der Vorlesung zum Thema „anTRIEBE und abGRÜNDE“. Vorlesung Gerhard Gründer „anTRIEBE und abGRÜNDE“ 2.12 Kontaktstörungen Das Kontaktverhalten ist Teil des psychischen Befundes, wird jedoch nicht von allen Verfassern zu den Elementarfunktionen der Psyche gezählt. Den- noch sollen Formen von Kontaktstörungen hier aufgeführt werden, da deren Erfassung wichtige Rückschlüsse über den psychischen Zustand von Klienten beinhaltet. 1. Quantitative Kontaktstörungen Distanzlosigkeit, Unfähigkeit zur Kontaktaufnahme, sozialer Rückzug von der Außenwelt 2. Qualitative Kontaktstörungen Aggressivität, Misstrauen und Angst, Oberflächlichkeit Exploration „Haben Sie viele Freunde?“ ES IST ZEIT FÜR EINE PAUSE! „Beschreiben Sie einmal kurz ihren Freundeskreis?“ 38 „Fühlen Sie sich in Ihrer Partnerschaft gut oder haben Sie ständig Angst ihr Partner könne Sie verlassen oder untreu sein?“ „Geraten Sie schnell in Streitigkeiten mit Familien, Freuden, Kollegen?“ „Halten Sie sich für kommunikativ oder sind Sie eher still und zurückhal- tend?“ 2.13 Störungen der Intelligenz Bei den Störungen der Intelligenz wird zwischen angeborenen bzw. perina- talen Intelligenzstörungen (Oligophrenie) und erworbenen Intelligenzstörun- gen (organische Hirnerkrankungen, Schädel-Hirn-Trauma, Demenz) unter- schieden. Der Schweregrad einer Intelligenzstörung wird i.d.R. anhand standardisierter Intelligenztests festgestellt. Sie ermitteln den Intelligenzquotienten. Die Einordnung erfolgt nach der folgenden Skala: normale Intelligenz IQ 85-100 niedrige IQ 84 - 70 kommt im Alltag selbständig (Lernbehinderung) zurecht einfache berufliche Tätigkei- ten möglich Besuch der Hauptschule oder Realschule mit Lernför- derung Intelligenzminderung IQ unter 70 (Oligophrenie) leichte Intelligenz IQ 69 - 50 einfache praktische Arbei- (leichte geistige Behinde- ten sind möglich Erstellen Sie eine rung) Besuch einer Schule mit in- Mind Map dividueller Lernförderung Intelligenzstörungen 39 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE mittelgradige Intelligenz IQ 49 - 35 abhängig von familiärer (mittelgradige geistige oder institutioneller Für- Behinderung) sorge einfache Tätigkeiten in Werkstätten Besuch einer Schule mit individueller Lebensbewäl- tigung schwere Intelligenz IQ 34 - 20 Schulbesuch kaum möglich (schwere geistige Behin- häufig zusätzliche Behinde- derung) rungen abhängig von familiärer oder institutioneller Für- sorge schwerste Intelligenz IQ 19 – 0 vorwiegend mit Mehrfach- (schwerste geistige Behin- behinderung derung) meist Pflegefälle Lösen Sie jetzt im Online-Campus die Abschnittsfragen Teil 3. Abschnittsfragen 2.14 Zwänge und Befürchtungen Von Zwang spricht man, wenn sich ich-dystone (nicht zur eigenen Person zugehörend), nicht gewollte Gedanken oder Handlungsimpulse aufdrängen und sich nicht unterdrücken lassen. Diese werden jedoch vom Patienten als unsinnig, unangenehm oder belastend erlebt. Ebenso werden Ängste in der Regel vom Patienten als unsinnige, nicht zu unterdrückende Denk- und Ver- haltensweisen erlebt. 1. Zwangsgedanken Gedanken und Vorstellungen, die sich ungewollt einstellen oder aufdrän- gen. 40 2. Zwangsimpulse Der Patient verspürt immer wieder den Impuls, eine Handlung aggres- siver Natur auszuführen, ohne dies letztlich zu tun. Dies ist verbunden mit der Angst, diese Impulse irgendwann nicht mehr unterdrücken zu können und damit sich oder anderen Menschen zu schaden. 3. Zwangshandlungen Wiederholte Handlungen mit Zwangscharakter, die meist aus einem Zwangsgedanken oder einem Zwangsimpuls heraus entstehen. z.B. wiederholtes Herd ausschalten, übermäßiges Händewaschen. 4. Zwangsrituale/ Zwangszeremonien Zwangshandlungen, die in bestimmter Form und Häufigkeit ausgeführt werden müssen, z. B. Reinigungsrituale (ohne religiösen Hintergrund). 5. Angst Bedrohungsgefühl in Verbindung mit vegetativen Symptomen (Schwit- zen, Herzrasen, Zittern, schnelle Atmung). 6. Phobie Gerichtete Furcht vor einem bestimmten Objekt oder einer Situation. 7. Misstrauen Im Sinne von Befürchtungen, verursacht von innerer Verunsicherung. 8. Hypochondrische Befürchtungen Sachlich nicht begründbare, andauernde Sorge um die eigene Gesund- heit. Liste mit den For- men von Phobien. Befassen Sie sich mit den vielfältigen Formen von Phobien und schauen Sie sich um einen Einblick über Zwangsstörungen zu erhalten die Dokumentation über eine Betroffene an. Exploration Dokumentation „Viele Menschen haben in den verschiedensten Situationen auch einmal über Zwangsstö- Ängste. Können Sie mir sagen, ob Ihnen bestimmte Situationen oder Dinge rung Angst machen oder bei Ihnen den Wunsch auslösen, sie möglichst zu ver- meiden?“ „Gibt es bestimmte Situationen und Orte, wie z.B. Kaufhäuser, Autofahren, 41 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Menschenmengen, Fahrstühle oder geschlossene Räume die Ihnen Angst machen oder die Sie möglichst meiden?“ „Leiden Sie manchmal unter plötzlichen und unerwarteten Angstanfällen, ohne dass eine tatsächliche Bedrohung vorliegt?“ „Machen Sie sich häufig übermäßige starken Sorgen, die Sie nicht kontrol- lieren können, z.B. über familiäre, berufliche oder finanzielle Angelegenhei- ten?“ Erstellen Sie eine Mind Map „Müssen Sie bestimmte Dinge immer wieder tun, obwohl Sie sie für unsin- Befürchtungen und nig halten? Bitte geben Sie Beispiele?“ Zwänge „Müssen Sie über bestimmte Dinge immer wieder nachdenken, obwohl Sie das gar nicht wollen?“ „Befürchten Sie ernsthaft krank zu sein?“ „Haben Sie den Eindruck, dass mit Ihrem Körper irgendetwas nicht in Ord- nung ist?“ 2.15 Appetit / Schlaf / Libido Bei der Allgemeinen Psychopathologie sind Appetit und Schlaf in den meis- ten Fällen nicht mit aufgeführt. Dennoch sind sie unabdingbar für eine gute Anamnese. Das ist wichtig vor allem bei Verdacht auf Depression oder Ess- störung. Befassen Sie sich mit der Dokumentation über Schlafstörungen. Dokumentation Schlafstörungen Exploration - die neue Volks- krankheit 1. Appetit „Wie ist momentan Ihr Appetit?“ „Essen Sie gerne? Welche Rolle spielt Essen in Ihrem Leben?“ „Hatten Sie innerhalb der letzten Monate starke Gewichtsschwankugen?“ „Fühlen Sie sich manchmal nach dem Essen schuldig?“ „Wie oft denken Sie über Ihr Gewicht nach?“ 42 „Wie wichtig ist Ihnen Ihre Figur/schlank sein?“ „Belastet das Thema ‚Essen‘ Ihre Kontakte oder Beziehungen zu Men- schen, die Ihnen wichtig sind?“ „Haben Sie über einen längeren Zeitraum eine Diät gemacht und dabei nichts gegessen“ „Müssen Sie manchmal sehr viel Essen, sehr viel fettmachende Speisen?“ Onlinetest AMDP „Haben Sie schon einmal nach dem Essen erbrochen?“ 2. Schlaf „Können Sie gut schlafen?“ „Bereitet Ihnen das Ein- oder Durchschlafen Probleme?“ „Leiden Sie häufiger an Albträumen?“ „Neigen Sie zu übermäßigem Schlaf während des Tages?“ 3. Libido Befundomat Textbaustein- „Hat sich Ihre Libido/ Ihre sexuellen Bedürfnisse in der letzten Zeit sammlung, Check- verändert?“ liste und Lexikon „Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Bedürfnis nach Sexualität sich mini- in einem. miert hat?“ „Haben Sie das Gefühl das sie ein vermehrtes/gesteigertes Bedürfnis nach Sexualität haben?“ 2.16 Vertiefendes Selbststudium Dokumentation Sie haben das Skript sehr gut durchgearbeitet und Ihr Wissen über Psycho- „7 Tage unter Ver- pathologie und Anamnese erweitert. An dieser Stelle finden Sie zur Festigung rückten“ Ihrer bisherigen Kenntnisse, Aufgaben für ein vertiefendes Selbststudium. Gehen Sie auf die Website Befundomat und befassen Sie sich mit dem Psychopathologischen Befund und gehen Sie diesen mindestens einmal probeweise durch Gehen Sie auf die Homepage AMDP.de und lösen Sie den Onlinetest. Wir empfehlen Ihnen diesen Test während Ihrer Ausbildung immer wieder zu lösen. Dabei lernen Sie die Fachwörter und die Elementarfunktionen. Dokumentation Schauen Sie sich die beiden Dokumentationen „7 Tage unter Verrück- „Wie verrückt ist ten“ und „Wie verrückt ist noch normal?“ an. noch normal? “ 43 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE 3. Anamnese und Diagnose- systeme Im folgenden Kapitel soll kurz auf die Bestandteile einer Anamnese und die Systematisierungssysteme zur Diagnosefindung eingegangen werden. Die- ses Thema wird an dieser Stelle nur überblicksartig behandelt. Eine Vertie- fung dazu gibt es im Skript „Aufbau und Strukturierung von Beratung und Therapie“. Warum ist eine Diagnose wichtig? es muss festgestellt werden, ob die eigene psychotherapeutische Fach- kompetenz hinreichend vorliegt (sonst ggf. Abgabe an entsprechende Fachkräfte) um Kontraindikationen feststellen zu können (z.B. keine Phantasiereisen bei paranoiden Störungen) um eine fachkompetente Therapieplanung (Therapieverfahren) sicherstel- len zu können 3.1 Grundlagen der Befunderhebung Die Anamnese sollte Angaben zu folgenden Bereichen beinhalten: 1. Erfassung der Klientendaten (Name, Geburtsdatum, Kontaktdaten) 2. Selbstbericht des Klienten (Leidensdruck) 3. Somatische Anamnese (Körperlicher Beruf) 4. Exploration der Elementarfunktionen (psychiatrischer Befund) 5. Sozialanamnese (Ausbildung/Beruf, Interessen, Lebensgewohnheiten) 6. Familienanamnese (Verlauf der Kindheit, gegenwärtige Familie und Her- kunftsfamilie) Hinzu kommen Informationen über: 1. Einstellung und Erleben (Verhaltensbeobachtung) 2. Äußeres Erscheinungsbild (Körperliche Erscheinung, Stimme, Sprache) ES IST ZEIT FÜR EINE PAUSE! 3. Sprechverhalten (Kommunikationsverhalten) 44 4. Todeswünsche/Suizidalität 5. Selbst- oder Fremdaggression 6. Krankheitseinsicht und Therapiemotivation 7. Soziale Beziehungen, Kontaktverhalten 8. psychiatrische/psychotherapeutische Vorgeschichte 9. Fremdanamnese falls erforderlich Darauf aufbauend wird die Verdachtsdiagnose gestellt. Diese kann sich im Verlauf der Behandlung ändern bzw. angepasst werden. Ablauf einer Anamnese: 1. Zunächst Abklärung der Dringlichkeit Kann eine Exploration durchgeführt werden oder sollte der Notdienst gerufen werden? 2. Ursachen/Auslöser/Zeitkomponente Seit wann hat der Klient diese Beschwerden? Skala von 1 - 10 für die aktuelle Belastung 3. Somatik Liegen körperliche Erkrankungen/Beschwerden vor? familiäre Krankheitshäufung Welche Medikamente nimmt der Klient ein? Gibt es Befunde vom Haus-/Facharzt über körperliche Erkrankungen? ärztliches Konsil einfordern (bis zum Erhalt des ärztl. Befundes dürfen fünf probatorische Sitzungen absolviert werden) 4. Sucht Umgang mit Kaffee, Tabak, Alkohol - wieviel? Umgang mit Drogen - wieviel? Zeitkriterium (seit wann?) Wann? Tageszeit - Situationsabhängig - unabhängig - allein - in Gesell- schaft Funktion des Gebrauchs 5. Suizidalität Gab oder gibt es suizidale Gedanken? 45 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Fragen nach Pöldinger 10 Fragen zur Abklärung von Suizidalität nach Pöldinger (1982) 1. Haben Sie auch schon daran gedacht, sich das Leben zu nehmen? (Ja? Wie häufig?) 2. Wie würden Sie es tun? Haben Sie konkrete Ideen, wie Sie vorgehen würden? 3. Haben Sie schon Vorbereitungen getroffen? MERKE 4. Drängen sich die Gedanken, auch wenn sie es nicht wollen aus? Sind Die Fragen zur Abklä- diese Gedanken wie ein Zwang? rung von Suizidalität nach Pöldinger sind 5. Haben Sie schon über ihre Absichten mit jemanden gesprochen? Prüfungswissen und 6. Haben Sie gegen Aggressionen, die Sie unterdrücken müssen? für die Praxistätigkeit sind von besonderer 7. Haben Sie schon einmal einen Versuch unternommen? Bedeutung. 8. Ist in Ihrer Familie oder im Umkreis so etwas schon passiert? 9. Sehen Sie Ihre Situation als aussichtslos für sich an? 10. Haben Sie Interesse, Gedanken und zwischenmenschliche Kontakte zu Freunden/Familie gegenüber früher deutlich eingeschränkt und reduziert? 6. Exploration: A. Exploration der Elementarfunktionen B. Exploration des Beziehungsverhaltens – normal, umtriebig, wechselnde Partnerschaften, sozialer Rück- zug? C. Abklärung eines psychotischen Geschehens – Gibt es eine wahnhafte/psychotische Komponente? 7. Fremdanamnese sinnvoll? Eine Fremdanamnese ist die Befragung einer nahestehenden Person des Klienten (wie Partner, Familienangehöriger) zu seiner Symptomatik: Anlässe zur Fremdanamnese können wahnhafte Symptome sein, De- menz, Verdacht auf Suchtproblematik (Alkohol-/Drogenkonsum) oder Erstellen Sie eine Manie. Vorher ist eine Schweigepflichtsentbindung vom Klienten einzu- Mind Map holen. Eine Fremdanamnese ist am besten in Anwesenheit des Klienten Anamnese durchzuführen, um eine Belastung der Therapiebeziehung zu vermeiden. 46 8. Stellung einer Verdachtsdiagnose Sie setzt sich zusammen aus Anamnese und Befund. 9. Klinische Einweisung notwendig? Freiweillige oder zwangweise Einweisung, aufgrund akuter Symptoma- tik. Es ist wichitg abzukären ob eine Suizidalität vorliegt. 10. Therapie Durchführung der Therapie durch den Psychotherapeutischen Heil- praktiker oder durch einen Facharzt für Psychiatrie oder beide? Durchführung der Therapie durch einen Psychotherapeuten: wenn die Therapie mehr Erfahrung oder eine Spezialisierung erfordert (z.B.: Borderline-Störung, Posttraumatische Belastungsstörung)? Wie könnte die störungsspezifische therapeutische Herangehenswei- se aussehen? Die Sozialanamnese und Familienanamnese erfolgen im Verlauf der 1.-5. Sitzung, im Rahmen der Probatorik (Probesitzungen vor der ei- gentlichen Psychotherapie). Verfassen eines Psychischen Befundes, nach ausführlicher Exploration Äußeres Erscheinungsbild z.B. gepflegtes Äußeres, sportlich-leger gekleidet, … Verhalten z.B. freundlich und offen, regelhafte Kontaktaufnahme Sprechverhalten u. Sprache z.B. ruhiger Sprechfluss mit leichtem Dialekt Bewusstseinslage/Vigilanz wirkt klar oder Vigilanz ist quantitativ und qualitativ erhalten Orientierung Erstellen Sie eine z.B. vollständig orientiert Mind Map Aufmerksamkeit u. Gedächtnis Psychischer Befund z.B. regelhaft Denkstörungen z.B. ohne formale oder inhaltliche Störungen Wahrnehmungsstörungen z.B. Wahrnehmung quantitativ und qualitativ unbeeinträchtigt 47 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Ich-Störungen z.B. keine; klares Ich-Erleben Stimmungslage / Affektivität z.B. regelhaft; keine stimmungsgedrückten Affektanteile wahrnehmbar Antrieb und Psychomotorik z.B. regelhaft Intelligenz z.B. durchschnittliche Intelligenz Sozialverhalten z.B. ausgeprägtes Sozialverhalten mit vielen Kontakten Krankheitsverhalten u. -einsicht z.B. uneinsichtig Therapiemotivation z.B. nicht besonders motiviert Selbst- oder Fremdaggression z.B. keine Erfassung von Krank- Suizidalität heitsanamnese z.B. glaubhaft verneint Lehrbuch von Möller, Laux u. Deister, Abschnitt A, Kapitel 2.4 3.1.1 Vertiefendes Selbststudium Sie haben das Skript bis hierher durchgearbeitet und Ihr Wissen über Dia- gnostik und Anamnese erweitert. An dieser Stelle finden Sie zur Festigung Ihrer bisherigen Kenntnisse, Aufgaben für ein vertiefendes Selbststudium. Studieren Sie das Kapitel „Erfassung von Krankheitsanamnese, Biogra- fie, Persönlichkeit und aktueller Lebenssituation“. Lehrbuch von Möller, Die Diagnostik in der Laux u. Deister, Abschnitt A, Kapitel 2.4 Psychosomatischen Medizin Zur Vertiefung befassen Sie sich mit dem Kapitel 10 „Die Diagnostik Neurotische Störungen in der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie“. Hoffmann & und Psychosomatische Hochapfel Medizin, Hoffmann Auf dem Online Campus finden Sie die Mind Map „Anamneseleitfaden“. und Hochapfel, Kapitel 10 48 3.2 Diagnosesysteme Zur Systematisierung und Klassifikation psychischer Störungen gibt es drei Modelle: 1. Triadische System 2. DSM V 3. ICD-10 Der Schwerpunkt liegt auf dem ICD-10, da in Deutschland die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen laut Sozialgesetzbuch für die Abrechnung ärztlicher Leistungen gesetzlich verpflichtet sind, Diagnosen nach ICD-10 zu verschlüsseln. Es ist hier also nicht nur am gebräuchlichsten, sondern dementsprechend auch prüfungsrelevant. Derzeit arbeitet man an der Erstellung einer neuen Version: ICD-11. Mit dessen Erscheinen wird in den kommenden Jahren gerechnet. 3.2.1 Das Triadische System – ätiologisches Modell Das triadische System basiert auf der ätiologischen (ursachenorientierten, krankheitsgeschichtlichen) Klassifikation psychischer Erkrankungen. Da nach neuerem Wissensstand immer weniger eindeutig nach Ursachen un- terschieden werden kann, wird dieses Klassifikationssystem heute als ver- altet betrachtet. Dennoch kann diese Einteilung für einen Einstieg dienen. Im Triadischen System wird nach drei Gruppen von Störungsbildern un- terschieden: 1. Exogene oder organisch begründete psychische Störungen: hirnorganisch verursachte Störungen Demenz Delir organisch amnestisches Syndrom hirnorganisches Psychosyndrom 2. Endogene Psychosen verursacht durch: genetische Faktoren ES IST ZEIT somatische Schäden FÜR EINE PAUSE! 49 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE psychosoziale Faktoren (familiär und soziokulturell) Dysbalancen der Neurotransmitter Dieses komplexe Ursachengefüge bewirkt in seiner Gesamtheit eine er- höhte Vulnerabilität (dt.: Verletzlichkeit, Anfälligkeit). Schizophrenie Affektive Störungen (Depressionen, Manie, bipolare Störungen) 3. Psychogene Störungen / Neurosen psychische Störungen, die nicht auf körperlichen Ursachen beruhen, sondern als Reaktion auf Umwelteinflüsse zu verstehen sind Belastungsstörungen (abnorme Erlebnisreaktionen: z.B. Posttraumati- sche Belastungsstörung), Anpassungsstörungen (z.B. reaktive Depres- sion) neurotische Störungen (Ängste, Zwänge, Phobien) Persönlichkeitsstörungen (früher Psychopathien) somatoforme Störungen dissoziative Störungen Sexualstörungen Verhaltensstörungen 3.2.2 Phänomenologische Modelle – ICD-10 und DSM-IV Aktuell erfolgen die Diagnosen anhand von Klassifikationssystemen, die auf dem phänomenologischen Modell aufbauen. Hier werden psychische Stö- rungen nach phänomenologischen Gesichtspunkten (Erscheinungsbild, Sym- ptomatik, Schweregrad, Krankheitsdauer und Verlauf) klassifiziert. Es existieren zwei Klassifikationssysteme: 1. Amerikanisches Klassifikationssystem DSM-V – (Diagnostic and Statistical Manual of the American Psychiatric Asso- ciation 2. Internationales Klassifikationssystem der WHO ICD-10 – International Classification of Diseases and Related Health Prob- lems Beide Klassifikationssysteme befinden sich in ständiger Überarbeitung und werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert (ICD-10 aktuell in Deutsch- 50 land gültige Ausgabe: ICD-10-GM, Version 2016/ DSM-V aktuell von 2015). Wir arbeiten hauptsächlich mit dem WHO-System, dem ICD-10. Die psychi- schen Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten sind im Kapitel V / Kapitel F des ICD-10 beschrieben. Lesen Sie sich bitte den Fachartikel „Was ist eigentlich noch normal?“ durch. Fachartikel „Was ist eigentlich noch normal?“ ICD-10 – Einführung & Nutzungshinweise Das Kapitel F des ICD-10 ist in 11 Unterkapitel gegliedert. Die erste Ziffer gibt das Unterkapitel an und die zweite Ziffer eine Diagnose. Diese Diagnose kann weiter eingegrenzt werden. Dazu folgt nach der zweiten Ziffer ein Punkt. Die dritte Ziffer (nach dem Punkt) gibt eine Spezifizierung der Diagnose an. Die vierte Ziffer gibt entweder einen zeitlichen Verlauf („kontinuierlich“ oder „epi- sodisch“) an oder beschreibt Begleitumstände oder Begleitphänomene („mit akuter Belastung“ oder „ohne akute Belastung“). ICD-10 enthält die folgenden Unterkapitel F0 Organische Störungen, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen F3 Affektive Störungen F4 Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren Übersicht ICD-10 F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Im Onlinecampus finden Sie eine F7 Intelligenzminderung Übersicht über die F8 Entwicklungsstörungen gesamten psychiatri- schen Störungen im F9 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit ICD-10. und Jugend 51 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Diese Gliederung wird im Folgenden am Beispiel F20.22 erläutert. Das Unterkapitel F2 (Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen) besteht aus weiteren Störungsbildern, von denen hier für die Veranschauli- chung nur zwei als Beispiel aufgeführt sind: F20 Schizophrenie F20.0 paranoide Schizophrenie Erstellen Sie eine F20.1 hebephrene Schizophrenie Mind Map Kapitel und Unterkapitel F20.2 katatone Schizophrenie des ICD-10 Verlaufsbilder: F20.x0 kontinuierlich F20.x1 episodisch F20.x2 episodisch, mit stabilem Residuum (das Zurückbleiben von Rest- symptomen einer Erkrankung nach der Genesung) Nimmt man nun das oben genannte Beispiel – F20.22 – entspricht dies einer katatonen Schizophrenie, episodisch, mit stabilem Residuum. Erläuterung der einzelnen Ziffern des Beispiels F Kapitel „Psychische Störungen“ der ICD-10 2 Unterkapitel Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen 20 Schizophrenien Taschenführer zur 20.2 katatone Schizophrenie ICD-10-Klassifikation 20.22 katatone Schizophrenie, episodisch, mit stabilem Residuum psychischer Störun- gen Bitte befassen Sie ich jetzt mit Ihrem ICD-10. Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Einteilung der Störungsbilder. Lösen Sie jetzt den „Abschlusstest Psychopathologie“ im Onlinecampus. Denken Sie daran, Sie können diesen Test so oft wiederholen, wie Sie es möchten. Abschlusstest 52 4. Selbststudienaufgaben zum Einsenden Das Skript und die bisherigen Selbststudienaufgaben haben Sie sich inten- siv erarbeitet und Ihr Wissen über Psychopathologie mit Unterstützung Ihrer Mind Maps erweitert und verinnerlicht. Einsendeaufgaben Gehen Sie jetzt auf den Online Campus und bearbeiten Sie die folgenden Psychopathologie Dokumente der Reihenfolge nach und reichen Sie Ihre Lösungen an- schließend bei Ihrem Ansprechpartner der Deutschen Heilpraktikerschu- le ein. 1. Erstellung einer psychopathologischen Befundung 2. Rollenspiel - Psychopathologischer Befund 3. Abschlussklausur - Psychopathologie Befundomat Textbaustein- sammlung, Check- liste und Lexikon in einem. 53 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE 5. Übersicht der Selbststudien- aufgaben nach Reihenfolge Aufgabe Erledigt Mind Map Manie - Bewusstseinsstörungen Mind Map Manie - Gedächtnis- und Merkfähigkeitsstörungen Video „Das getäuschte Gedächtnis“ Artikel „Forschungsergebnisse zum Erinnern und False- Memory-Syndrom“ Abschnittstest Teil 1 Mind Map - Formale Denkstörungen Studium Formale Denkstörungen - Selbstschilderung (Lehrbuch Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie) Artikel „Kinder psychisch kranker Eltern: Die vergessenen Kin- der“ Mind Map - Wahn Studium Wahn - Patientenbeispiele (Lehrbuch Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie) Studium Halluzinationen - Beispielaussagen (Lehrbuch Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie) Mind Map - Wahrnehmungsstörungen Video „Halluzinationen“ 54 Mind Map - Ich-Störungen Studium Ich-Störungen - Beispielaussagen (Lehrbuch Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie) Abschnittstest Teil 2 im Online Campus Übersicht „Emotionspsychologie“ Video „Gefühlswelten“ Mind Map - Störung der Affektivität“ Mind Map - Störungen des Antriebs und Psychomotorik Video „anTRIEBE und abGRÜNDE“ Mind Map - Intelligenzstörungen Abschnittstest Teil 3 im Online Campus Übersicht „Formen der Phobien“ Video „Zwangsstörungen“ Mind Map - Befürchtungen und Zwänge Video - Schlafstörungen Befundomat Onlinetest AMDP 55 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE Video „7 Tage unter Verrückten“ Video „Wie verrückt ist noch normal?“ Mind Map - Anamnese Mind Map - Psychischer Befund Studium - Erfassung von Krankheitsanamnese, Biografie, Persönlichkeit und aktueller Lebenssituation (Lehrbuch Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie) Studium - Die Diagnostik in der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie (Lehrbuch Neurotische Störungen u. Psychosomatische Medizin) Artikel „Was ist eigentlich noch normal?“ Mind Map - ICD-10 Studium ICD-10 (Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation) Abschlusstest Psychopathologie im Online Campus Zum Einreichen Erstellung einer psychopathologischen Befundung Rollenspiel - Psychopatholgischer Befund Abschlussklausur - Psychopathologie 56 6. Literaturliste Dilling, Freyberger (2015): Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. Hogrefe AG Elsberger, Frauenknecht & Lieb (2012): Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer Verlag. Möller, Laux & Deister (2015): Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme-Verlag. Müller (2010): Mind Mapping. Haufe Verlag Payk & Brüne, (2013): Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme Ver- lag. Poehlke (2003). GK3 Psychiatrie – Originalprüfungsfragen mit Kommentar. Thie- me Verlag. Pöldinger (1982): Erkennung und Beurteilung der Suizidalität. In: Reimers (Hrsg.) Suizid. Springer Verlag Scharfetter (2010): Allgemeine Psychopathologie. Eine Einführung. Thieme Ver- lag. Volz, Spring & Frieboes (2005): Psychiatrie in Frage und Antwort. Urban & Fi- scher Verlag. 57 ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE 7. Impressum Haftungsausschluss Das vorliegende Skript dient der Ausbildung von Psychologischen Beratern und Heilpraktikern für Psychotherapie. Es ist nach bestem Wissen erarbeitet worden. Die Autoren haben sich bemüht, alle für eine Heilpraktikerprüfung relevanten Fakten nach der derzeitig aktuellen Meinung einzuarbeiten. Den- noch ist die Psychologie, wie andere Wissenszweige auch, ständigen Erkennt- niserweiterungen unterworfen. Dies schließt Unterlassungen, Fehler und Irr- tümer ausdrücklich ein, wofür wir keine Haftung übernehmen. Dieses Skript dient ausdrücklich nur zu Lehrzwecken. Sollten Ihnen Fehler, Irrtümer oder unterlassene Neuerungen auffallen, sind wir Ihnen für Hinweise dankbar. Ihre Hinweise richten Sie bitte per E-Mail an: [email protected] Urheberschutz Das Skript ist in seiner Gesamtheit urheberrechtlich geschützt. Eigentümer dieser Rechte ist die DTHPS Service GmbH. Bei der Verwendung externer Quellen wurde auch hier nach bestem Wissen mit dem Ziel gearbeitet, an- dere Urheberrechte zu wahren und nicht wissentlich zu verletzen. Sollten Sie urheberrechtliche Einwände gegen die Verwendung von Textpassagen, Zeichnungen oder Bildern haben, bitten wir Sie, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Satz und Grafik Heike Crostewitz Deutsche Heilpraktikerschule® Letzte Überarbeitung des Skriptes/Datum Heike Crostewitz, 08.03.2019 Autoren Marie A. Bochmann (BSc. Psychologie) Heike Crostewitz Adresse Deutsche Heilpraktikerschule®, Inhaber Michael Bochmann Hauptsitz Leipzi