Go Global: Implikationen für das Funktionale Management PDF
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Soufiane Ameziane, Sergej Zwezich
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Summary
This studymag explores the implications of globalization on functional management in international businesses. It examines recruitment, retention, and other functions in the context of internationalization. The authors, Soufiane Ameziane and Sergej Zwezich, provide insights based on real-world case studies.
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16 I WANT YOU ! 32 WO SICH DAS 36 MORE THAN SPAREN LOHNT NUMBER CRUNCHING Wie sich qualifiziertes Personal gewinnen lässt...
16 I WANT YOU ! 32 WO SICH DAS 36 MORE THAN SPAREN LOHNT NUMBER CRUNCHING Wie sich qualifiziertes Personal gewinnen lässt Einkauf und Produktion im Global Accounting und Global Lichte der Internationalisierung Finance focus Go Global Implikationen für das Funktionale Management FUNKTIONALES MANAGEMENT IM INTERNATIONALEN UNTERNEHMEN (M039) Kern der Lerneinheit. Unternehmen expandieren immer mehr in verschiedene Regionen dieser Welt. Um am Markt zu bestehen, müssen sie sich intern so aufstellen, dass sie neuen und diversen Anforderungen gerecht werden können. Wir möchten unter- suchen, wie die Funktionen dabei anzu- passen sind. SOUFIANE AMEZIANE, MBA Master of Business Administration (MBA), Bachelor of Arts (B. A.) in International Business Autor dieses studymags Geboren 1987 in Stuttgart, erlangte Soufiane Ameziane seinen Bachelor-Abschluss (Bachelor of Arts) an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg im Studiengang „International Business“. Im selben Jahr erhielt er im Rahmen eines Doppelabschlussabkommens auch den „Bachelor of Arts with Honours“ von der Open University Keynes (UK) verliehen. Im Jahr 2014 schloss er an der WHU – Otto-Beisheim School of Management seinen MBA (Master of Business Administration) erfolgreich ab. Im Rahmen seiner Masterthesis untersuchte er die Ursachen für gescheitertes Unternehmertum („Failed Entrepreneurship“) anhand realer Fallbeispiele. Im Rahmen seiner Studienaufenthalte absolvierte Herr Ameziane längere Zeiten im Ausland, u. a. im Vereinigten Königreich, in Polen, in den USA, in China und in Indien. Aktuell ist Herr Ameziane Honorardozent an der Hochschule Fresenius. In der Vergangenheit unter- richtete er als Gastdozent an der Hochschule RheinMain an der Fakultät für Internationales Marketing. Beruflich kann Herr Ameziane auf verschiedene Stationen zurückblicken: In den Jahren 2010 bis 2015 arbeitete er als Senior Consultant und Project Manager im Consulting mit dem Schwerpunkt Automotive. Anschließend wechselte er zu einem deutschen Maschinenbauer, wo er diverse Tochtergesellschaften in der MENA-Region im Bereich After-Sales beriet. Heute arbeitet er als Business Development Executive bei einem globalen IT-Dienstleister. Herr Ameziane war in deutschen, amerikanischen und indischen Unternehmen angestellt und hat in verschiedenen, interkulturellen Teams gearbeitet. Er hat eine große Leidenschaft für Innovation sowie Start-ups und ist selbst als Gründer und Gesellschafter an mehreren Start-up-Unternehmen beteiligt. Privat interessiert sich Herr Ameziane für Sport, Politik und Kultur. SERGEJ ZWEZICH, MBA Master of Business Administration, Dozent für Internationales Management, Entrepreneurship, Leadership und internationale Wirt- schaftsbeziehungen Autor dieses studymags Sergej Zwezich, geboren im April 1986, studierte Inter- nationales Management an der Fachhochschule Wiesbaden und arbeitete nach seinem Bachelor-Ab- schluss als M&A-Consultant bei PricewaterhouseCoopers in Frankfurt am Main. Nach drei Jahren absolvierte er ein MBA-Studium an der WHU – Otto Beisheim School of Management, das er im Jahr 2014 abschloss. Nach seinem Abschluss arbeitete er bei der Deutschen Bank (Assistant Vice President im Inhouse Consulting), bei Procter & Gamble (Key Account Manager) und gründete das Start-up- Unternehmen Alcandia Travel (Marktplatz für den Tausch von gebuchten Ferienreisen). Derzeit arbeitet er als Sales Executive bei der FIS Global und schreibt parallel dazu seine Doktor- arbeit (Dr. rer. pol.) über das Thema Blockchain and Business Model Impact, hält Vorlesungen und gibt sein Wissen auf den Gebieten Internationales Management und Entrepreneurship weiter. 4 | 62 Einleitung Kaum ein Phänomen hat die Weltwirtschaft in den letzten Jahrzehnten mehr geprägt als die beispiellose Globalisierung von Unternehmen und damit einhergehend die Internationalisierung von Bereichen und Funktionen. Der „Global Footprint“ vieler Konzerne ist derart gewachsen, dass es schwerfällt, weiße Flecken auf der Welt- karte zum Firmenporträt zu entdecken. Wie lässt sich ein Unternehmen steuern, das aus Hunderttausenden von Mitarbeitern verschiedener Kulturkreise besteht? Verweilt man einen Augenblick in dieser Fragestellung, wird deutlich, welche enorm wichtige Rolle die Personalfunktion heutzutage spielt. Nach einer kurzen Einführung in Kapitel 1, in der wir uns mit den Rahmenbedingungen und aktuellen Entwicklungen auseinandersetzen, widmen wir uns in Kapitel 2 der Disziplin der Personalgewinnung im internationalen Kontext. Das Kapitel 3 erörtert die zentrale Auf- gabe der Personalretention und stellt Instrumente vor, mit denen das Personal nachhaltig entwickelt, beurteilt und geführt werden kann. Auch in anderen Funktionen lassen sich zunehmende Internationalisierungstendenzen beobachten. Gerade die Verlagerung von Produktionsstätten findet immer wieder Platz in der täglichen Berichterstattung der Medien, weil solche Unternehmensentscheidungen sich direkt auf das Leben von Tausenden von Menschen auswirken. Existenzängste der davon betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind genauso ernst zu nehmen wie die gesellschaftliche Auseinandersetzung über die moralische Pflicht mächtiger Konzerne, die sich Kostenvorteile im Ausland zunutze machen wollen. Die Rolle der Medien und der Politik ist hier ebenso wichtig wie eine saubere und professionell geführte Informations- kampagne entsprechender Unternehmen über ihre Presseabteilungen. Selbstverständlich muss sichergestellt sein, dass die Mitarbeitenden über interne Kanäle vorab informiert werden und nicht – wie es in Einzelfällen bereits vorgekommen ist – über die Medien von solchen, für sie existenziellen Entscheidungen erfahren. Diese Kontroverse zeigt einmal mehr auf, wie wichtig die Personalfunktion im Kontext inter- nationaler Unternehmenstätigkeit ist und weshalb sie eine zentrale Stellung in diesem study- mag einnimmt. Die Kunst ist es, effektive Change-Management-Prozesse und eine Kultur der kontinuierlichen Veränderung zu etablieren. Unternehmen, die für solche Werte einstehen, erfahren von der Belegschaft nicht selten viel Zustimmung für wesentliche Entscheidungen. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 5 | 62 Das vorliegende studymag geht darüber hinaus auch auf weitere Unternehmensfunktionen ein. In Kapitel 4 werfen wir einen Blick auf das Operations Management rund um die Bereiche Ein- kauf und Produktion. Abgerundet wird das studymag durch die finanznahen Themen Accoun- ting und Financial Management (Kapitel 5). Diese wollen wir vor dem Hintergrund der Inter- nationalisierung näher untersuchen: Welche Entwicklungen lassen sich hierbei beobachten? Vor welchen aktuellen Herausforderungen stehen die Verantwortlichen der Funktionen? „Viel Spaß beim Lesen dieses studymags. Wir sind uns sicher, dass Sie an den realen Fall- beispielen Gefallen finden werden. Wir freuen uns über jegliches Feedback.“ Sergej Zwezich; Soufiane Ameziane Dozenten Internationales Management 6 | 62 Legende Achtung enthält sehr wichtige Informationen Infoboxen oder weist auf mögliche Fehler- quellen hin. In Infoboxen verdeut- wird für allgemeine Hin- lichen wir Zusammen- weise verwendet oder gibt hänge anhand von (Fall-) Empfehlungen. Auch finden Sie Beispielen, werfen in hier Verweise auf weitere Literatur. Exkursen einen Blick über QR-Codes können Sie mit den Tellerrand, erläutern einer App auf Ihrem Fachbegriffe mit Defini- Smartphone scannen oder im tionen oder ergänzen den digitalen studymag anklicken, Inhalt durch Videos. Bei um hinterlegte Informationen Aktionen sind Sie gefragt: abzurufen. Reflektieren Sie das Thema und vertiefen Sie das Begriffe, die im Glossar definiert Gelesene mit Aufgaben! werden, sind in Kapitälchen gesetzt. Querverweise verlinken inner- halb des studymags, z. B. auf ein LERNEN MIT ONLINEPLUS… anderes Kapitel. Links zu externen Quellen sind Fragen zum grün hervorgehoben. studymag? Einfach QR-Code scannen und posten! Lernziele Nach Bearbeitung dieses studymags können Sie … ▪▪ die Auswirkungen der Globalisierung in einzel- nen betrieblichen Funktionen kritisch hinter- ▪▪ die Ausgestaltung der betrieblichen Funktionen fragen. in einer internationalen Dimension beschreiben, ▪▪ die Besonderheiten und Wirkungen der Inter- nationalisierung auf die betrieblichen Funktionen differenziert analysieren und beurteilen, ▪▪ erforderliche Informationen für Unternehmens- entscheidungen spezifizieren, ▪▪ wichtige Querschnittsfunktionen des Finanz- wesens (Global Accounting und Global Financial Management) in einem globalen Kontext dis- kutieren und Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 7 | 62 Inhalt 10... Um die Inhalte dieses studymags 16... Dieses Kapitel legt den Fokus besser zu verstehen, ist es wichtig, zentrale auf das Thema Personalgewinnung. Wir Rahmenbedingungen für das funktionale möchten untersuchen, vor welchen Heraus- Management in internationalen Unter- forderungen international tätige Unter- nehmen zu kennen. Außerdem gehen wir nehmen stehen und wie sie eine effektive auf die Frage ein, welche Entwicklungen sich Personalpolitik etablieren können. Wie aktuell in diesem Bereich beobachten lassen. kommt ein Unternehmen an passendes Sicherlich können Sie einige Inhalte auch in Personal und wie setzt es letzteres gewinn- Ihrem eigenen Berufsleben wiedererkennen. bringend ein? EINLEITUNG 5 1 EINFÜHRUNG 10 2 PERSONALGEWINNUNG 16 LERNZIELE 7 Wie lässt sich das funktionale Welche Rolle spielt die Funktion LITERATUR 54 Management abgrenzen? Welche des Personals in internationalen modernen Erscheinungsformen gibt Unternehmen? GLOSSAR 55 es? INDEX 56 2.1 Personalpolitik 17 1.1 Rahmenbedingungen 11 2.2 Internationalisierung des Personal- ABBILDUNGEN 57 managements 18 1.2 Neue Entwicklungen 14 BILDQUELLEN 58 2.3 Personalbeschaffung und -einsatz 21 IMPRESSUM 60 3 PERSONALRETENTION 24 Wie lassen sich Mitarbeiter an das Unternehmen binden? 3.1 Personalentwicklung 25 3.2 Leistungsbeurteilung und Anreiz- systeme 28 3.3 Personalführung 29 8 | 62 32... In diesem Kapitel möchten wir 36... Im nachfolgenden Kapitel lernen zwei Bereiche des Operations Managements Sie warum Rechnungswesen eine so anhand von konkreten Fallbeispielen unter- bedeutende Rolle spielt und welche Parteien suchen. Wir zeigen auf, welche Gefahren ein großes Interesse daran haben, dass in für Unternehmen im Rahmen der Inter- der Buchhaltung nichts „illegal“ manipuliert nationalisierung lauern und welche Fehler wird. Darüber hinaus schauen wir uns die gemacht werden. So möchten wir ein gängigen Kennzahlen an, die Analysten Verständnis der kritischen Erfolgsfaktoren anwenden, um Unternehmen zu bewerten entwickeln. und einzustufen. 4 OPERATIONS MANAGEMENT 32 5 GLOBAL ACCOUNTING UND GLOBAL FINANCIAL MANAGEMENT 36 Welche Erscheinungen zeigen sich im Operations Management? Wo sind Accounting, Analysis und Finanz- Einsparungen realisierbar? management - verstehen und berechnen 4.1 Einkauf 33 4.2 Produktion 34 5.1 Global Accounting 37 study now 5.1.1 Einführung ins Accounting 37 onlineplus.de 5.1.2 Bilanz, GuV, Cashflow Statement 38 WERDEN SIE TEIL 5.1.3 Kennzahlen 44 VON ONLINEPLUS. 5.2 Global Financial Management 47 Verbinden Sie sich mit 5.2.1 Einführung in das Global onlineplus via Social Financial Management 47 Media und lassen Sie uns 5.2.2 Time Value of Money 48 wissen, was Sie denken. Oder mailen Sie uns: [email protected] Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 9 | 62 1 EINFÜHRUNG WIE LÄSST SICH DAS FUNKTIONALE MANAGEMENT ABGRENZEN? WELCHE MODERNEN ERSCHEINUNGSFORMEN GIBT ES? Um die Inhalte dieses studymags besser zu verstehen, ist es wichtig, zentrale Rahmen- bedingungen für das funktionale Management in internationalen Unternehmen zu kennen. Außerdem gehen wir auf die Frage ein, welche Entwicklungen sich aktuell in diesem Bereich beobachten lassen. Sicherlich können Sie einige Inhalte auch in Ihrem eigenen Berufsleben wiedererkennen. 1.1 RAHMENBEDINGUNGEN Dieses studymag beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie ein effektives funktionales Sie finden zu Management in einem internationalen Unternehmen gestaltet und umgesetzt werden jedem Kapitel eine kann. Dazu werden wir in diesem Unterkapitel den Begriff des funktionalen Managements entsprechende näher erläutern mit dem Ziel, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Lerneinheit auf studynet. Arbeiten Sie zunächst das Unter funktionalem Management versteht man die Summe aller Aufgaben und Prozesse, Kapitel durch und besuchen Sie im Anschluss die derer es bedarf, um die Leistungserbringung innerhalb oder zwischen mehreren Organi- Lerneinheit zur Einführung sationen sicherzustellen (Hofmann 1988). auf studynet, in der Sie weitere Informationen finden. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 11 | 62 Einführung Beispiel Um dies an einem Beispiel zu veranschaulichen, werfen wir einen Blick auf die Funk- tionen des fränkischen Automobilzulieferers und Kabelherstellers LEONI. Folgende Tätigkeitsbereiche werden in der Stellendatenbank des Unternehmens genannt (LEONI AG, 2018): ▪▪ Einkauf ▪▪ Produktion ▪▪ Vertrieb ▪▪ Forschung und Entwicklung ▪▪ IT ▪▪ Recht ▪▪ Marketing & Kommunikation ▪▪ Qualitätsmanagement ▪▪ Unternehmensentwicklung ▪▪ Finanzen & Rechnungswesen ▪▪ Verwaltung ▪▪ Controlling Darüber hinaus finden sich aber auch Funktionen, die nicht standardmäßig in allen Unternehmen vorkommen. Diese verdeutlichen, dass sich Unternehmen stets neu erfinden müssen und neue Bereiche und Funktionen gründen: ▪▪ Compliance Management ▪▪ Digital ▪▪ Labor ▪▪ Process Technology & Engineering ▪▪ Produktivitätssysteme ▪▪ Projektmanagement ▪▪ Sicherheit, Gesundheit und Umweltmanagement ▪▪ Technischer Service 12 | 62 Was die Internalisierung von Firmen betrifft, so lässt sich dies hauptsächlich in der Neu- gründung oder Auslagerung von ganzen Unternehmen oder Teilen davon beobachten. Die seit Jahrzehnten vorliegenden Freihandelszonen haben zu einem Erstarken von gan- zen Wirtschaftsblöcken wie der Europäischen Union und der Zone des North American Free Trade Agreements geführt. Die Vereinfachung des Personen- und Güterverkehrs ist einer der Kerntreiber für die zunehmende Internationalisierung. Darüber hinaus ist die Abschaffung von Zöllen und damit einhergehend das Schaffen eines Binnenmarktes ein zentrales Phänomen, das die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung von benachbarten Ländern in diesen Wirtschaftsblöcken fördert. Das Charakteristische an dieser Form des Zusammenwachsens sind die ökonomischen Interdependenzen, in die sich die einzelnen Länder begeben. Außerdem ist festzuhalten, dass es in der Regel zu Win-win-Situationen für alle beteiligten Länder kommt. Dies bedeutet, dass der freie Handel schlussendlich mehr Wohlstand und Konsumfreiheit für die Menschen in den Mitgliedsstaaten bedeutet. Doch auch für andere Länder außerhalb eines Wirtschaftsblockes kann diese wirtschaft- liche Verflechtung positive Auswirkungen haben. Schauen wir uns beispielsweise die BRICS-Staaten an, zu denen Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zählen. Längst gelten diese Länder für westliche Konzerne nicht mehr nur als Standortoptionen für kostengünstige Auslandsproduktionen. In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung zei- gen sie eindrucksvoll, dass sie mittlerweile auch hoch konkurrenzfähige und innovative Firmen hervorbringen können. Während beispielsweise Indien mit stolzer Brust auf die Etablierung eines erfolgreichen und international geschätzten IT-Dienstleistungssektors blickt, entstehen in Moskau und St. Petersburg clevere Start-ups und ein ganzes Öko- system mit dem Namen „Startup Villages“ wird etabliert (Startup Village, 2018). Laut dem in San Francisco ansässigen Datendienstleister „Compass“ belegt Moskau mittler- weile den Rang 13 unten den 20 bedeutendsten Start-up-Städten weltweit (Compass, 2015). Dies zwingt Unternehmen in den führenden Industrienationen (zu denen auch die deutsche Wirtschaft gezählt werden kann) dazu, den Vorsprung durch gezielte Förder- maßnahmen und Investitionen beizubehalten und idealerweise auszubauen. Der direkte Zugang zu talentierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist dabei essenziell. Ein häufig missachteter Grund für die internationale Standortwahl von Unternehmen kann also auch der direkte Zugang zu kreativen Mitarbeitern bzw. kritischen Skills sein. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 13 | 62 Einführung 1.2 NEUE ENTWICKLUNGEN Wie am obigen Beispiel des Unternehmens LEONI illustriert, finden sich in der Unter- nehmensstruktur heutiger Firmen immer häufiger moderne Funktionen wieder. Die Funk- tion „Digital“ beispielsweise verdeutlicht die strategische Wichtigkeit dieses Themenfeldes für den Kabelhersteller, der sich neuen Anforderungen der eigenen Kunden gegenüber- sieht. Die digitale Transformation ist eine Kernherausforderung unseres Zeitalters, die von allen Firmen – unabhängig von Größe und Industrie – in Angriff genommen wer- den muss. Auch die Funktion „Produktivitätssysteme“ hat eine hohe Relevanz für den Geschäftserfolg des produzierenden Unternehmens. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit eines effizienten Ressourceneinsatzes in sämtlichen Unternehmensbereichen, der von dieser zentralen Funktion maßgeblich kontrolliert und optimiert wird. Im Zuge der wach- senden Sensibilisierung von großen Teilen der Gesellschaft für die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit, richten sich Firmen entsprechend aus. Daher hat die Funktion „Sicherheit, Gesundheit und Umweltmanagement“ mitunter die Aufgabe, die Weichen für ein gesun- des Arbeitsumfeld und ein nachhaltiges Wirtschaften zu schaffen und Mitarbeiter sowie Geschäftspartner entsprechend zu schulen und auszustatten. Auch das verstärkte Auftreten von Global Start-ups ist eine Erscheinungsform, die sich in den letzten Jahrzehnten herauskristallisiert hat. Das Charakteristische an erfolgreichen Start-ups ist die hohe Agilität, mit denen neue strategische Stoßrichtungen verfolgt wer- den. Innerhalb kürzester Zeit schaffen sie es, Mitarbeiter und Teams so umzuorganisieren, dass sie produktiv und zielorientiert in eine neue Richtung marschieren. Dieses disruptive Element muss zwingend in der Unternehmenskultur vorliegen und von den Führungs- kräften vorgelebt werden, um von Mitarbeitern auf operativer Ebene übernommen zu werden. Nicht selten lassen sich Internationalisierungsbestrebungen in Start-up-Unter- nehmen früh erkennen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass sich ein bewährtes Pilot- konzept relativ einfach auf ähnliche Märkte übertragen lässt. Start-ups nutzen die Inter- nationalisierung häufig als Instrument für ein schnelles Wachstum. Nicht selten fällt das Wachstum so groß aus, dass die Strukturen und die Organisation hinterherhinken. Häufig werden Prozesse nicht sauber dokumentiert und es fehlt an klaren Abgrenzungen von Aufgabengebieten und Verantwortlichkeiten. Dennoch gehen immer mehr Unternehmen dazu über, mit Start-ups zu kooperieren, sie zu entwickeln und natürlich auch einige von ihnen zu übernehmen. Innovative Produktideen, schnelle Umsetzungen und kreative Arbeitsweisen sind einige Gründe, warum sich auch traditionelle Unternehmen dazu ent- scheiden „Corporate Start-ups“ ins Leben zu rufen. Hierbei handelt es sich häufig um rechtlich selbstständige Unternehmen im Unternehmen, die beispielsweise für ein neues Produkt oder Projekt gegründet werden. Beispiel Ein Beispiel dafür ist die in Karlsruhe sitzende AXOOM GmbH, bei der es sich um eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des schwäbischen Maschinen- bauers TRUMPF handelt. Gegründet im Jahre 2015, wird unter einem komplett neuen und unabhängigen Marken- und Werbeauftritt eine digitale Geschäftsplatt- form entwickelt, die es Drittanbietern ermöglicht, weitere Dienste in Form von Appli- kationen anzubieten (AXOOM, 2018). Damit soll die digitale Produktion (Industrie 4.0) beflügelt werden. Dieses Zukunftsthema ist für die Innovationsführerschaft von TRUMPF und seiner Kunden relevanter denn je. 14 | 62 Wenn wir uns die Entwicklung und Verteilung der Weltbevölkerung auf die einzelnen Regio- nen unserer Welt ansehen, können wir gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern enorm hohe Bevölkerungszahlen feststellen. Der Grundgedanke von Base-of-the-Pyr- amid-Unternehmen besteht deshalb darin, genau jene bevölkerungsstarken, aber in der breiten Masse in der Regel sehr armen Schichten in die unternehmerische Tätigkeit sinn- stiftend einzubinden. Damit sollen langfristig das Leiden, die Armut und der Hunger effektiv bekämpft werden. Gerade in Zeiten der Corporate Social Responsibility (CSR) nutzen viele Unternehmen diesen Ansatz, um eine dem Allgemeinwohl dienliche Sache zu unterstützen. Allerdings ruft der Ansatz Base of the Pyramid (BoP) auch viel Kritik hervor. So lassen sich westliche Wertvorstellungen zum Thema Konsum nur schwer mit Lebenssituationen verein- baren, in denen sich Menschen um lebensnotwendige Anliegen Sorgen machen müssen. Zusätzlich liegt die Schwierigkeit in der geringen Kaufkraft jedes einzelnen BoP-Kunden. Beispiel Ein in den Medien oftmals zitiertes Beispiel für den BoP-Ansatz ist das nieder- ländisch-britische Unternehmen Unilever, das Verbrauchsgüter weltweit produziert und vertreibt. So agiert Unilever in Deutschland beispielsweise unter den Marken „Du darfst“, „Knorr“ und „Langnese“ für Lebensmittel sowie „AXE“ und „duschdas“ im Bereich Körperhygiene. Durch die starke Internationalisierung hat der Konzern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in beinahe allen Ländern dieser Welt. Über 50 Pro- zent des jährlichen Umsatzes von ca. 50–55 Mrd. Euro werden in Entwicklungs- ländern realisiert (Gunther, 2014). Dies ist das Ergebnis von stark intensivierten Aus- landsaktivitäten, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent. Aktion 1. Welche modernen Treiber regen einen Wechsel in den Funktionen international tätiger Unternehmen an? 2. Was sind Base-of-the-Pyramid-Unternehmen? Wodurch zeichnen sie sich aus? Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir uns die Rahmenbedingungen für die Internationalisierung von Unternehmen angeschaut. Wir haben uns den Einfluss von der Digitalisierung und ähnlicher Megatrends auf die Organisationsstruktur angeschaut und moderne Funktio- nen kennengelernt. Das Ganze wurde an lebhaften Beispielen exemplarisch vorgestellt. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 15 | 62 2 PERSONALGEWINNUNG WELCHE ROLLE SPIELT DIE FUNKTION DES PERSONALS IN INTERNATIONALEN UNTERNEHMEN? Dieses Kapitel legt den Fokus auf das Thema Personalgewinnung. Wir möchten untersuchen, vor welchen Herausforderungen international tätige Unternehmen stehen und wie sie eine effektive Personal- politik etablieren können. Wie kommt ein Unternehmen an passendes Personal und wie setzt es letzteres gewinnbringend ein? 2.1 PERSONALPOLITIK Die Personalabteilung wird häufig als Querschnittsfunktion in Unternehmen eingegliedert Lerneinheit und liefert Dienste für alle Bereiche und Funktionen. In der modernen Auslegung wird sie Personal- gewinnung auf als interner „Sparring Partner“ beschrieben, da sie in regelmäßigem Austausch mit den studynet. Funktionsbereichen steht. Dies ist das Ergebnis eines grundlegenden Wandels, den das Personal im Unternehmen durchlaufen hat. Vor wenigen Jahrzehnten noch wurde das Personalwesen als interne, bürokratische Instanz angesehen, die sich lediglich um die Verwaltung und Administration von Personalangelegenheiten kümmert. Ihr grundlegendes Ziel war es, die Arbeitsproduktivität zu steigern; der Mensch wurde dabei oftmals als reine Ressource angesehen. Nicht selten bestand sie aus Verwaltungs- und Rechtsfachan- gestellten, die sich um die Einhaltung der Gesetze und die Rechtmäßigkeit von Dienst- anweisungen und -vorschriften kümmerten. Die Personalverwaltung per se war strikt hierarchisch aufgebaut und es herrschte darüber hinaus im gesamten Unternehmen ein gewisses Senioritätsprinzip, was sich beispielsweise in der Entlohnung widerspiegelte. Das Ansehen und das Selbstverständnis des Personals hat sich drastisch geändert, was sich bereits im Begriff Personalmanagement zeigt. Moderne Personalarbeit orientiert sich viel stärker am Markt und Wettbewerb. Heutzutage wird auf die Zufriedenheit der Mit- arbeiter ein stärkeres Augenmerk gelegt in einer immer dynamischer und komplexer wer- denden Arbeitswelt. Um diese sicherzustellen, finden sich vermehrt Psychologinnen und Psychologen sowie Betriebswirtinnen und Betriebswirte in der Personalabteilung wieder. Sie definieren Instrumente und Maßnahmen, welche die Partizipation der Belegschaft am Geschäftserfolg sicherstellen. Sie schaffen leistungsorientierte Anreizsysteme, die jeden Einzelnen motivieren und langfristig binden sollen. Diese neue Form der Personalpolitik im Unternehmen hat organisatorische Implikationen. Wie bereits erwähnt, versteht sich das Personalmanagement als strategisch relevante Instanz, die eine gewisse Führungsaufgabe im Unternehmen übernimmt. Seine Aufgabe besteht heute darin, die Führungsriege von morgen zu formen. Besonders deutlich wird das in der Führungskräfteentwicklung und der – mit der Unternehmensstrategie integrier- ten – Personalplanung. Dies wird in der folgenden Abbildung 01 veranschaulicht. Abbildung 01: Von der Personalverwaltung zum Personalmanagement Unternehmungs- strategische Ebene Trend Operative Ebene Funktionsbereiche der Unternehmung Funktionsbereiche der Unternehmung Personaladministration als Personalmanagement als integrierter (derivative und isolierte) Bestandteil der Unternehmenspolitik Hilfsfunktion (auf allen Ebenen, in allen Funktions- bereichen und den Bezug zur Umwelt berücksichtigend) Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Holtbrügge, 2018. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 17 | 62 Personalgewinnung Dabei zeichnet sich eine gute Personalarbeit dadurch aus, dass sie Bedarfe der einzel- nen Bereiche frühzeitig erkennt und durch eine erfolgreiche Planung gezielt bedient. Wichtig ist es, dass die Bedarfsplanung von der Unternehmensstrategie abgeleitet wird. Im Konkreten bedeutet es, dass beispielsweise für die verstärkte Digitalisierung eines Geschäftsmodells zwangsläufig auch moderne IT-Qualifikationen benötigt werden, die es am Personalmarkt zu beschaffen bzw. intern zu entwickeln gilt. Auch müssen ent- sprechende Stellen geplant und geschafften werden, um die Strategie operativ umzu- setzen und das Personal gemäß seinen Fähigkeiten einzusetzen. Dazu bedarf es integ- rierter Stellenbeschreibungen und die tatsächliche Umsetzung entsprechender Aufgaben. Die fortlaufende Weiterentwicklung des Personals ist ebenso eine Unterdisziplin wie die effektive Personalführung. Abgerundet wird das Spektrum der Aufgaben im Personal- management mit der Personalentlohnung, -beurteilung und -freisetzung. Diese drei Auf- gaben hängen teilweise auch kausal miteinander zusammen. So können unbegründet schwache Leistungen einzelner Mitarbeiter langfristig im Sinne der Wirtschaftlichkeit nicht toleriert werden. Die entsprechende Entlohnung wird sich nicht positiv entwickeln und etwaige Lösungsansätze können auch in der Freisetzung des Mitarbeiters münden. Abbildung 02: Bereiche der Personalwirtschaft Personalcontrolling Personalcontrolling Personal- Personal- Personal- Personal- Personal- Personal- Personal- Personal- Personal- bedarfs- beschaf- einsatz entwick- frei- führung entloh- beurtei- verwal- planung fung lung setzung nung lung tung Personelle Leistungserhalt Informationssysteme Leistungsbereitstellung und -förderung der Personalwirtschaft Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Jung, 2008. 2.2 INTERNATIONALISIERUNG DES PERSONALMANAGEMENTS Nachdem wir die Funktion und die Aufgaben im Personal kennengelernt haben, stellt sich nun die Frage nach den Auswirkungen der Internationalisierung auf das Personal- management. In Anlehnung an Dowling und Festing (2011) möchten wir uns dabei auf folgende Schwerpunkte konzentrieren: ▪▪ Gestiegene Komplexität: Ein international tätiges Unternehmen unterhält Loka- tionen und Niederlassungen in einer Vielzahl von Ländern. Die rechtlichen Rahmen- bedingungen können stark variieren. Dennoch muss das Personalmanagement eine faire Behandlung der Belegschaft sicherstellen, um die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst hoch zu halten. 18 | 62 ▪▪ Steigender, internationaler Wettbewerb: Abhängig vom Geschäftsmodell und der Strategie eines international tätigen Unternehmens ist auch die Wettbewerbssituation in der entsprechenden Industrie. Sieht sich ein Unternehmen eher lokalem Wettbewerb ausgesetzt, sollte in lokale Mitarbeiterbindungsprogramme investiert werden. Wenn der Wettbewerb eher auf globaler Ebene stattfindet, sollte das Unternehmen beispiels- weise Auslandsrochaden und -etappen für Mitarbeiter/-innen möglich machen. ▪▪ Kulturelle Differenzen: Die Beschäftigten sprechen unterschiedliche Sprachen und vertreten unterschiedliche politische Ansichten und Werte in den einzelnen Ländern, in denen ein Unternehmen tätig ist. Je unterschiedlicher die kulturellen Gegebenheiten, desto höher ist der Anpassungsbedarf, beispielsweise für Expatriates. Aber auch im täglichen Miteinander kann es in Geschäftsterminen zu Missverständnissen und Miss- erfolgen kommen, die rein kulturell bedingt sind. ▪▪ Wichtigkeit des Heimatmarktes: Die Auswirkungen einer Internationalisierung auf das Personalmanagement hängen selbstverständlich auch damit zusammen, wie groß und bedeutsam der eigentliche Heimatmarkt ist. So kann es für ein exportlastiges, mittel- ständisches Unternehmen durchaus sinnvoll sein, im europäischen Ausland gezielte Personalmaßnahmen zur Rekrutierung von technischem Servicepersonal zu forcieren, um so eine leistungsstarke Vor-Ort-Betreuung für die Endkunden zu gewährleisten. ▪▪ Effektives Diversity Management: Um der oben genannten, kulturellen Vielfalt Rechnung zu tragen, ist es für international tätige Unternehmen unerlässlich, ein effek- tives Diversity Management zu etablieren. Darunter verstehen wir alle Prozesse und Maßnahmen, mit denen sich ein Unternehmen die Vielfalt in der Belegschaft zunutze macht. Die Kernbotschaft davon beinhaltet die Chance von Vielfalt. Diese aktiv zu bewerben und gegen Diskriminierung von anders denkenden bzw. gearteten Men- schen im Unternehmen zu etablieren, ist die wichtigste Aufgabe und das Hauptziel eines effektiven Diversity Managements. ▪▪ War for Talents: Gerade im Zuge des steigenden internationalen Wettbewerbs ste- hen die Unternehmen nicht nur hinsichtlich ihrer Produkte und Dienstleistungen in Konkurrenz zueinander. Zusätzlich konkurrieren die Unternehmen auch bezogen auf die Attraktivität als Arbeitgeber. Zu Zeiten des Fachkräftemangels muss das Personal- management sicherstellen, dass die sogenannten High Potentials nicht nur angelockt, sondern auch unter Vertrag genommen werden. Ein attraktives Gehalt mitsamt Benefits und flexiblen Arbeitszeitmodellen können Personalmaßnahmen sein, die die Attraktivität des Arbeitgebers erhöhen. Hierzu wollen wir uns das folgende Beispiel anschauen: Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 19 | 62 Personalgewinnung Beispiel Der schwäbische Werkzeugmaschinenbauer TRUMPF erzielt mit seinen über 13.500 Mitarbeitern und seiner globalen Präsenz einen Jahresumsatz von ca. 3,5 Mrd. Euro. Mit einer hohen Anzahl an Patenten zählt es nicht nur zu den innovativsten Maschinenbauern, sondern wurde in der jüngsten Vergangenheit auch für die hoch flexible und innovative Arbeitszeitpolitik ausgezeichnet. So wurde im „Bündnis für Arbeit“ vereinbart, dass jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin seine bzw. ihre wöchentliche Arbeitszeit alle zwei Jahre selbst bestimmen kann. Dabei kann er bzw. sie sich innerhalb des Korridors von mindestens 15 bis maximal 40 Wochenarbeitsstunden festlegen. Zusätzlich steht es den Mitarbeitenden frei, ca. 20 Prozent der Arbeitszeit nach Belieben zu gestalten, d. h. den Arbeitsort und die Tageszeit selbst zu bestimmen. Es ist zu betonen, dass es TRUMPF hierbei um die tatsächliche Umsetzung und Inanspruchnahme dieser Regelung geht. Es wurde ein klarer Eskalationsmechanismus definiert für den Fall, dass die Vorgesetzten ein entsprechendes Mitarbeitergesuch ablehnen. Wie der Name vermuten lässt, wird der Betriebsrat bei solchen Komplikationen zur Hilfe gerufen. Das Bündnis bietet nicht nur eine hohe Flexibilität und Selbstbestimmung aufseiten des einzelnen Mitarbeiters, es schafft auch Puffer und Flexibilität für die Geschäfts- führung. Der Gedanke dahinter ist recht simpel: Abhängig von der Auftragslage können Geschäftsführung und Führungskräfte entscheiden, die Arbeitszeitkonten auf bis zu 200 Arbeitsstunden pro Mitarbeiter aufzubauen, beispielsweise im Falle eines temporären Aufschwungs. Wenn es nicht so gut läuft und eine Rezession bzw. Krise droht, kann die Geschäftsleitung einen Abbau der Arbeitszeitkonten bis zu einem Wert von minus (-) 100 Arbeitsstunden anordnen. Die Mitarbeiter arbei- ten weniger pro Woche, die Stundenkonten werden abgebaut und dahinterliegende Rückstellungen können aufgelöst werden. Dies hat einen schonenden Einfluss auf die Kapitalflussrechnung im Unternehmen. Was die Personalkosten betrifft, die bei TRUMPF einen hohen Anteil ausmachen, schafft es der Maschinenbauer, zu „atmen“ und auch auftragsschwache Zeiten gut zu überbrücken. Das „Bündnis für Arbeit“ ist ein innovatives Konzept mit Vorzeigecharakter für die Industrie. 20 | 62 2.3 PERSONALBESCHAFFUNG UND -EINSATZ Worauf ist bei der Ausschreibung von Stellen und deren Besetzung im internationalen Kontext zu achten? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein? Die internationale Personalsuche kann nur dann erfolgreich sein, wenn eine entsprechende Grundhaltung der Verantwortlichen in der Heimlokation vorhanden ist. Sie müssen vom Mehrwert der Internationalität überzeugt sein, sich aktiv dafür einsetzen und neue Mitarbeiter/-innen im Ausland als Bereicherung ansehen. Außerdem spielen die politischen und (arbeits-) rechtlichen Rahmenbedingungen in der Ziellokation eine wesentliche Rolle. Stellenaus- schreibungen und Beschaffungsmaßnahmen müssen nicht nur kompatibel mit den loka- len Gepflogenheiten sein, sie müssen zusätzlich die lokale Arbeitsmarktsituation berück- sichtigen und Interessensgruppen gezielt ansprechen. Die Auswahl des Personals ist auch von den Eigenschaften der Ziellokation abhängig. So können die Größe sowie die dort ansässigen Wertschöpfungsprozesse bestimmen, welche Gruppe von potenziellen Bewerbern man erfolgsversprechend umwerben kann. Schlussendlich sind insbesondere im Kontext des Personaleinsatzes auch stets mitarbeiterindividuelle Faktoren zu berück- sichtigen. Neben der schwer messbaren kulturellen Offenheit und des Alters ist die Frage nach der Herkunft ebenso wichtig wie die persönliche, familiäre Situation. Diese Fragen sind beispielsweise im Kontext der internationalen Entsendung elementar wichtig für den langfristigen Erfolg eines solchen Unterfangens (Dowling & Festing, 2011). Um geeignetes Personal zu rekrutieren, unterscheiden wir im Groben zwei zentrale Bezugsquellen: intern vs. extern. Bei der internen Personalgewinnung kann es sich bei- spielsweise um Beförderungen oder internationale Entsendungen handeln. Wichtig sind frühere Leistungsbeurteilungen und persönliche Berichte der Vorgesetzten über die Ein- stellung und den Willen einzelner Mitarbeiter, sich im internationalen Kontext bzw. auf höheren Stellen lokal zu beweisen. Gerade bei der Suche von Expatriates ist die interne Bezugsquelle mit Abstand die bevorzugte Option. Nicht nur kennt das Unternehmen die Stärken und Schwächen einzelner Kandidaten, es kann den Mitarbeiter so für neue Herausforderungen gewinnen und die Motivation auf einem hohen Niveau halten. In den seltenen Fällen – häufig bei kleinen Unternehmen, deren Internationalisierung noch relativ überschaubar ist – werden auch externe Kandidaten in Betracht gezogen. Externe Beschaffungen können über Agenturen laufen und mithilfe von sogenannten Headhuntern auch auf konkrete Mitarbeiter/-innen von Mitbewerbern ausgerichtet sein. Ein international tätiges Unternehmen muss sich stets bewusst sein, dass es selbst auch auf dem Radar solcher Abwerbungsversuche landen kann und sich aktiv um die Reten- tion des eigenen Personals kümmern, was wir uns im Kapitel 3 näher anschauen möch- ten. Gerade bei der externen Personalbeschaffung ist zu erwähnen, dass die Form der Beschäftigung variieren kann. Es ist durchaus denkbar, für zeitlich befristete Bedarfe im Ausland auch auf selbstständige Berater oder Projektleiter zurückzugreifen. Aus Sicht des Unternehmens liegen die Vorteile auf der Hand: gut qualifizierte Kandidaten mit brei- ter Branchenerfahrung bzw. tiefem Spezialwissen, kurze Auflösungsfristen, kalkulierbare Kosten und pauschale Verrechnungen. Zu den Nachteilen zählen unter Umständen die starke Abhängigkeit vom Berater, die fehlende Weisungsbefugnis und der zusätzliche administrative Aufwand ebenso wie tendenziell höhere Kosten. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 21 | 62 Personalgewinnung Was den Personaleinsatz betrifft, lautet die höchste Maxime, eine möglichst große Schnitt- menge zwischen den geforderten Qualifikationen einer Stelle und den vorhandenen Fähig- keiten eines Mitarbeiters zu erzielen. Dies bedeutet, dass die Mitarbeiter idealerweise gemäß ihren Fähigkeiten und dem jeweiligen Erfahrungsniveau auf Stellen eingesetzt werden, in die sie beides einfließen lassen können. Dazu ist ein turnusmäßiger Check ebenso wichtig wie individuelle Entwicklungs- und Karrierepfade. Im internationalen Personalmanagement zählt das Thema Expatriates zu den bedeutsamsten Themen in der Personaleinsatzplanung. Wir möchten dazu ein anonymisiertes Beispiel geben: Beispiel Der indische IT-Konzern ITI Limited mit Hauptsitz in Bangalore ist ein inter- nationaler Anbieter von IT-Dienstleistungen und Systemintegrationen. Mit seinen über 170.000 Mitarbeiter erzielt das Unternehmen einen Jahresumsatz im hohen einstelligen Milliardenbereich. Es ist in allen Regionen dieser Welt aktiv und hat seinen Sitz für Kontinentaleuropa in Frankfurt am Main. Die Belegschaft in Europa besteht zu einem Großteil aus deutschen bzw. europäischen Managern, die sich um die Kundenbeziehung kümmern und die Geschäftsentwicklung vorantreiben. Ihnen kommen die kulturelle Nähe und die gemeinsame Sprache mit den Kunden zugute. Indische Mitarbeiter werden hauptsächlich in der Projekterbringung eingesetzt, die in der Regel auf Englisch erfolgt. Für einzelne Positionen werden ab und an auch indische Expatriates nach Deutschland geschickt. Im Folgenden möchten wir uns das Beispiel von Ashwini R. näher anschauen. Ash- wini R. war im Jahre 2009 als Abteilungsleiter im Vertrieb in Indien beschäftigt, kurz bevor er nach Deutschland entsandt wurde, von wo aus er als „Key Account Part- ner“ einen süddeutschen Kunden aus der Automobilbranche für die nächsten vier Jahre betreuen und verantworten sollte. Aufgrund seiner über 15-jährigen Betriebs- zugehörigkeit und der einschlägigen Erfahrung im Automobilumfeld war er für diese Stelle prädestiniert. Nachdem er dem Endkunden als neuer Hauptansprechpartner für alle strategischen Belange vorgestellt wurde, kamen erste Zweifel auf. Zum einen war der Endkunde nicht darüber erfreut, dass sein neuer Ansprechpartner keine Deutschkenntnisse aufweisen konnte. Zum anderen sah der Kunde einen Nachteil darin, dass der Key Account Partner in Frankfurt saß, während der Kunde seinen Unternehmenssitz bei Stuttgart unterhält. Diese zwei negativen Punkte wurden von ITI zwar registriert, aber anfangs nicht weiter ernst genommen. Nach einem desaströsen Geschäftsjahr, in dem keine neuen Projekte hinzukamen und der beim Kunden erzielte Umsatz einbrach, mussten Maßnahmen getroffen werden. Die Führungsriege von ITI beschloss drei zentrale Gegenmaßnahmen, um das Kundenverhältnis wieder in die richtige Bahn zu lenken: Ashwini R. wurde zeitlich so freigestellt, dass er neben der Arbeit an einem Intensiv-Sprachkurs teilnehmen konnte. Zusätzlich bekam er einen deutschsprachigen Assistenten zur Seite gestellt. Im Gegenzug wurde er dazu verpflichtet, seinen Wohnsitz – mitsamt Ehefrau und zwei schulpflichtigen Kindern – von Frankfurt nach Stuttgart zu verschieben, um auch geografisch noch näher an dem Kunden zu sein. Diese Maßnahmen wurden in einem persönlichen Gespräch mit dem Verantwortlichen des Kunden besprochen, der über diese Maßnahmen hoch erfreut war. Selbst, wenn für den Endkunden klar war, dass Ashwinis Deutschkenntnisse nicht „über Nacht“ da sein würden, so wer- tete er die Bemühungen positiv und freute sich über die Zugeständnisse. 22 | 62 In den darauffolgenden drei Jahren gelang es Ashwini R., ein Vertrauensverhältnis mit dem Kunden aufzubauen und Schlüsselprojekte für sich zu gewinnen. Waren die anfänglichen Hürden und die schlechten Startvoraussetzungen einmal aus der Welt geschafft, florierte das Geschäft mit dem Kunden, der sich nun verstanden und wertgeschätzt fühlte. Aufgrund der konstruktiven guten Geschäftsbeziehung verlängerte Ashiwini R. seinen Auslandsaufenthalt um weitere zwei Jahre. Als er im Jahre 2015 seinen Posten räumte und an seinen Nachfolger überreichte, blickte er auf sechs wertvolle und äußerst erfolgreiche Geschäftsjahre zurück, in denen er den Umsatz mit dem Kunden auf über 90 Mio. Euro pro Jahr mehr als verdoppelte. Eben wegen dieser Leistung ging er anschließend – anders als ursprünglich geplant – nicht nach Indien zurück. Man bot ihm die Position des „Regional Head Asia“ für die Auto- mobilsparte des Unternehmens an, in der er noch heute tätig ist. Bemerkenswert ist die kulturelle Offenheit und erfolgreiche Arbeitsweise, die Ashwini R. in Indien, Deutschland und mittlerweile China an den Tag legt. Dieses interkulturelle Manage- ment ist ein Schlüsselelement für seinen beeindruckenden beruflichen Erfolg. Aktion 1. Wie lässt sich die Wandlung der Personalabteilung in Unternehmen beschreiben? 2. Welche Rolle spielt die Internationalisierung dabei? Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir die Einordnung des Personalmanagements im Unternehmen untersucht. Dabei ist deutlich geworden, welch tragende Rolle die Personalpolitik innehat. Die Herausforderungen nehmen für international tätige Unternehmen zu und die interkulturelle Kompetenz wird zur Schlüsselkompetenz in Unternehmen. Spezielle Erscheinungsformen wie die Expatriates sind mittlerweile weit verbreitet und bedürfen einer ausgiebigen Vorbereitung und professionellen Durchführung, um von Erfolg gekrönt zu sein. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 23 | 62 3 PERSONALRETENTION WIE LASSEN SICH MITARBEITER AN DAS UNTERNEHMEN BINDEN? Dieses Kapitel legt den Fokus auf das Thema Personalretention. Wir möchten analysieren, wie Mitarbeitern eine langfristige Perspektive im Unternehmen eröffnet werden kann und welche Anreizsysteme sich als effektiv heraus- stellen. Abgerundet wird das Kapitel mit einem Einblick in die Herausforderungen und Instru- mente moderner Personalführung. 3.1 PERSONALENTWICKLUNG Der heutige fachliterarische Stand bietet viele verschiedene Definitionen für den Begriff der Lerneinheit Personalentwicklung. Dabei herrscht sowohl im betrieblichen als auch im wissenschaft- Personal- retention auf lichen Umfeld keineswegs Konsens darüber, welchen genauen Rahmen die Personalent- studynet. wicklung umfasst. Allerdings dient die folgende Definition vielen Autoren in der Sekundär- literatur als Referenz. Definition Personalentwicklung „Personalentwicklung umfasst alle Maßnahmen der Bildung, der Förderung und der Organisationsentwicklung, die von einer Person oder Organisation zur Erreichung spezieller Zwecke zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und evaluiert werden.“ (Becker, 2013, S. 5). Das Wesentliche an Beckers Definition ist der allumfassende Aspekt der zu ergreifenden Maßnahmen, sodass eben auch rein organisatorische Veränderungen unter Umständen zur Personalentwicklung gezählt werden können. Mithilfe dieses Verständnisses von Personalentwicklung gewinnen die folgenden drei typischen Erscheinungsformen an Kon- tur. Das moderne Bild der Personalentwicklung besteht nicht nur aus Personalbildung, sondern umfasst auch die Personalförderung und Arbeitsstrukturierung. Abbildung 03: Dimensionen der Personalentwicklung Bildung Förderung Arbeitsstruktur Vermittlung von Entwicklung Gestaltung von stellenspezifischem von höheren Umfeld und Arbeits- Wissen Kompetenzen bedingungen Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Becker, 2009. Unter Bildung fallen vor allen Dingen jene Maßnahmen, die spezielles Wissen vermitteln bzw. auffrischen, d. h. im besten Fall eine Verbesserung der Qualifikation des Mitarbeiters bewirken (z. B. SAP-Schulung). Im Fokus der Förderung hingegen steht die methodische Heranführung der Mitarbeiter/-innen an die Entwicklung neuer Kompetenzen (z. B. Verhaltenstraining, Konfliktseminar). Dies soll diese zur Ausübung von Stellen mit höheren Anforderungen befähigen. Letztlich umreißt der Pfeiler Arbeitsstrukturierung jegliche Gestaltung von Inhalt, Umfeld und Bedingungen der Arbeit, um somit indirekt die Entwicklung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu ermöglichen (z. B. dienstlicher Auslandseinsatz). Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 25 | 62 Personalretention Es steht außer Frage, dass sich diese drei Bereiche zumindest teilweise überschneiden können, indem gewisse Maßnahmen mehrere Arten von Personalentwicklung abdecken. Jedoch hilft diese Klassifizierung für das Verständnis des Umfangs von Personalent- wicklung. Konkreter wird es nun, wenn einige Instrumente der jeweiligen Personalent- wicklungsart vorgestellt werden. Abbildung 04: Instrumente der Personalentwicklung Bildung Förderung Arbeitsstruktur Virtual Classrooms Interkulturelles Mgmt Entsendungen E-Learnings Karrieremanagement Home-Office Fortbildungskurse Coaching Internationale Task Forces Berufsausbildung Leadership-Kurse Projektgruppen Anlernen neuer Mitarbeiter Patenschaften Stellvertretungen Blended Learning 360°-Feedback Sonderaufgaben Outdoor Trainings International Job Rotation Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Becker, 2009. Im Folgenden wird pro Art der Personalentwicklung ein Instrument exemplarisch vorgestellt. Die Berufsausbildung wird unter Fachliteraten oftmals als Paradebeispiel in der Kategorie Bildung angeführt, da sie die wesentlichen Charakteristika aufgreift. Dabei werden spe- zielle qualifizierende Kenntnisse erstmalig und systematisch erworben. Diese sind klar abgegrenzt und befähigen den Teilnehmer primär zur Ausübung einer definierten Tätigkeit. Somit zielt die Berufsausbildung auf die Aufnahme konkreten Wissens und den Erwerb spezieller Fähigkeiten seitens des Mitarbeiters ab. Im Rahmen der Förderung beschreibt das sogenannte Karrieremanagement die typischen Eigenschaften dieser Personalentwicklungsart am besten. In diesem Zusammenhang geht es allerdings nicht mehr nur um eine hierarchische Besserstellung im Sinne einer höheren Position, sondern immer mehr um die Karriereplanung anhand einer fachlichen Vertiefung, die zusehends an Popularität gewinnt. Somit legt diese Kategorie den Fokus auf eine zielgerichtete Laufbahnplanung und die Heran- und Durchführung von Personal- versetzungen in weiterführende Positionen (z. B. Übertragung/Erweiterung von Personal- und Budgetverantwortung). Die Kategorie der Arbeitsstrukturierung wird am Beispiel der Telearbeit konkretisiert. Hier- bei geht es um das „Mobile bzw. Fern-Arbeiten“, das in den meisten Fällen von zu Hause aus praktiziert wird. Eine stabile Vertrauensgrundlage ist oft Basis für die Telearbeit, da sie für den Arbeitgeber nicht selten mit einem Verlust an Transparenz einhergeht. Trotzdem sehen viele Arbeitgeber darin eine vielversprechende Option, da die Mitarbeiter/-innen nun mit mehr Freiheiten ausgestattet selbstverantwortlich an Aufgaben arbeiten können. Nur wenn diese Freiheiten von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht missbraucht werden, kann es für beide Parteien von Erfolg gekrönt sein. In vielen Fällen wirkt dieses Vertrauen motivierend auf die Performanz der Mitarbeitenden, während diesbezüglich uneinheitliche Regelungen für direkte Arbeitskollegen gerne als Ungleichbehandlung ver- standen werden und Zündstoff für das betriebliche Klima beinhalten. 26 | 62 Beispiel Ein Beispiel für eine moderne und innovative Gestaltung des Arbeitsplatzes liefert der amerikanische IT-Konzern IBM. Mit seinem im Jahre 2000 pilotierten „e-place“-An- satz ging das Unternehmen einmal mehr in Vorleistung und schaffte ein innovatives Konzept, das in Teilen von vielen Nachahmern kopiert wurde. Der Grundgedanke besteht darin, dass der Mitarbeiter keinen festen regulären Arbeitstisch an seiner Lokation zugeordnet bekommt, sondern einen beliebigen Arbeitsplatz aufsuchen und belegen darf. Ausgestattet mit einem Mobiltelefon und dem Laptop kann er sich überall mit dem Firmennetzwerk verbinden und mit der Arbeit beginnen. Diese Flexibilität und Abwechslung trägt dazu bei, dass der Mitarbeiter motiviert bleibt und sich leichter ein internes Netzwerk aufzubauen vermag. Das Kennen- lernen neuer Kollegen soll dem Entstehen von Silos entgegenwirken und mehr Aus- tausch fördern. Hierarchien und Vorbehalte sollen abgebaut und der Wohlfühlcha- rakter am Arbeitsplatz im Gegenzug gesteigert werden. Da ein wesentlicher Teil der Belegschaft auch im Home-Office arbeitet, sinkt somit der effektive Bedarf an Arbeitsflächen durch „Desk-Sharing“ (und damit zusammenhängende Flächen- kosten) und die Raumnutzung kann effizienter gestaltet werden (z. B. mehr Mee- ting- und Rückzugsräume). (Fichter, 2006) Selbstverständlich hat dieses Konzept auch Limitationen und Nachteile. So lässt es sich am besten auf kundennahe Abteilungen anwenden, da diese Mitarbeiter/-innen häufig beim Kunden bzw. unterwegs sind und nicht immer einen Arbeitstisch benötigen. Dagegen eignet es sich nicht für Abteilungen, die mit hochsensiblen Mitarbeiter- und Unternehmensinformationen umgehen (z. B. Personalentlohnung, Finanzrechnung). Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass es in Stoßzeiten zu Eng- pässen kommen kann und Mitarbeiter auf die Cafeteria oder den Flur ausweichen müssen. Ferner ist zu betonen, dass es gerade für introvertierte Menschen schwie- rig sein kann, den Anschluss an das Team und die eigene Abteilung zu finden, wenn man jeden Tag von neuen Kollegen umgeben und keine Konstante vorhanden ist. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 27 | 62 Personalretention 3.2 LEISTUNGSBEURTEILUNG UND ANREIZSYSTEME Die Anreizsysteme im internationalen Personalmanagement müssen gut durchdacht und mit den Unternehmenswerten verknüpft sein. Kaum ein anderes Themenfeld sorgt in Mitteleuropa unter Mitarbeitern für mehr Spannung als die Frage nach der fairen Ver- gütung. Dabei hat sich das Entlohnungssystem zusehends vom reinen Senioritätsprinzip hin zu einer leistungsbasierten Entlohnung entwickelt. Das Performance Management steht heute für einen umfassenden und wiederkehrenden Leistungsbeurteilungs- und Zielverein- barungsprozess, der in individueller Ausprägung in den Unternehmen vorzufinden ist. Es stellt sich die Frage, wie diese Prozesse für international tätige Mitarbeiter/-innen angepasst werden können. Häufig werden Leistungskriterien zu Hilfe genommen, die sich in perso- nen-, handlungs- und ergebnisabhängige Merkmale unterscheiden lassen. Die personen- abhängigen Kriterien beinhalten beispielsweise den Hochschulabschluss und den Grad der interkulturellen Kompetenz. Zu den handlungsabhängigen Kriterien zählen konkrete Arbeits- situationen, in denen der Mitarbeiter ein gewisses Handeln vorgelebt und gezeigt hat. Diese Situationen werden häufig von Vorgesetzten besonders gelobt bzw. getadelt. Sie spielen für die Leistungsbeurteilung eine ebenso wichtige Rolle. Bei den ergebnisabhängigen Kriterien wird das Augenmerk auf messbare Größen gelegt. Es geht darum, ob beispielsweise eine Vorgabe zur Umsatzsteigerung erreicht wurde oder der vorgesehene Gewinn im Projekt realisiert wurde. Während letztere in der Regel faktenorientiert und rein objektiv bewertet werden, lassen personen- und handlungsabhängige Kriterien häufig Spielraum für subjek- tive Einschätzungen. Idealerweise beinhaltet eine Leistungsbeurteilung objektive und sub- jektive Kriterien, um ein möglichst authentisches Gesamtbild zu vermitteln. Ferner müssen die Kriterien explizit auch auf internationale Tätigkeiten anwendbar sein. Für einzelne Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter, die ein internationales Aufgabengebiet übernehmen, müssen auch entsprechende messbare Kriterien und Ziele formuliert werden. Abbildung 05: Struktur eines internationalen Performance-Bewertungssystems mit integrierter Leistungsbonifizierung Non Financials Hoch Niedrig Hoch EP EP SP Financials EP SP NI SP NI NI Niedrig EP: Exceptional Performance, SP: Strong Performance, NI: Needs Improvement (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Sure, 2017). 28 | 62 Wie Sie der Abbildung 05 entnehmen können, werden in der Regel finanzielle Bewertungs- kriterien/Kennzahlen und qualitative Kriterien herangezogen. Wenn ein Mitarbeiter/Mana- ger eine Leistung zeigt, die den Erwartungen an seine Rolle regelmäßig bei Weitem über- trifft, bekommt er eine EP-Bewertung. Bei einer mittelmäßigen Leistung wird in der Regel eine SP-Bewertung vergeben. Dies entspricht 100 Prozent der Erwartungen. NI kommt in jenen Fällen vor, in denen der Mitarbeiter/ Manager unter den Erwartungen bleibt und diese Defizite nicht mithilfe einer herausragenden Leistung in der anderen Dimension kom- pensieren kann. Beförderungsvorschläge und Lohnerhöhungen hängen häufig mit dieser Leistungsbeurteilung zusammen, genau wie Gewinnbeteiligungen und die Teilnahme an Aktienbeteiligungsprogrammen. Nicht-monetäre Anreize in Form von Dienstwagen, Titel- vergaben und Zertifizierungen runden das Spektrum ab. 3.3 PERSONALFÜHRUNG Bei der Frage nach den Bedingungen, Ursachen und Faktoren von Führungserfolg ergeben sich im Wesentlichen drei theoretische Ansätze, die gleichsam den Kern der heutigen Forschung zum Thema Personalführung ausmachen (Rieckmann, 2000): ▪▪ der eigenschaftstheoretische Ansatz, der sich mit Persönlichkeitseigenschaften und anderen Merkmalen des Führers beschäftigt, ▪▪ der situationstheoretische Ansatz, der sich mit typischen Kontextarten befasst und ▪▪ der verhaltenstheoretische Ansatz, der nach erfolgreichen Verhaltensweisen und -sti- len sucht. Gerade im Kontext internationaler Personalführung sind diese Ansätze wichtig, um die Anforderungen internationaler Personalführung besser einordnen zu können. Das Diversity Management ist wichtiger denn je: Beispielsweise ist der Umgang mit Behinderten und ihre Inklusion in den Alltag des Unternehmens eine zentrale Aufgabe. Auch die Offenheit gegen- über LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) und ihre Gleichbehandlung ist eine neuere Herausforderung, der Unternehmen immer stärker in Form konkreter Initiativen und Maßnahmen begegnen. Die größte Herausforderung im Kontext internationaler Personal- führung ist jedoch das Führen von multikulturellen Teams. Dies erfordert ein hohes Maß an interkultureller Kompetenz, womit ein Gruppenleiter die Motivation und den Leistungswillen der Teammitglieder fördern und die Ergebnisse entsprechend wertschätzen muss. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 29 | 62 Personalretention Beispiel Auch der amerikanische IT-Konzern IBM orientiert sich an oben genannten Führungsstilkonzepten und leitet davon die folgenden sechs Führungsstile ab, die im internationalen Kontext wichtig sind. Dafür wurde aus einer weltweiten Daten- bank, bestehend aus 20.000 Führungskräften, eine zufällige Stichprobe von 3.871 Führungskräften genommen. Aus der Recherche ergaben sich sechs ver- schiedene effektive Führungsstile, die jeweils aus verschiedenen Komponenten emo- tionaler Intelligenz hervorgehen. Neben der Erkenntnis, dass die einzelnen Stile einen direkten Einfluss auf das Arbeitsklima und das seinerseits wieder einen Einfluss auf das finanzielle Ergebnis einer Firma hat, ergab die Studie auch, dass Führungskräfte mit dem größten Erfolg nicht nur einen Führungsstil anwenden, sondern je nach Situation und dem jeweiligen Gegenüber zwischen fast allen sechs Stilen variieren. Jeder der sechs Stile hat einen unterschiedlichen Einfluss auf das Arbeitsklima, aber nur vier der sechs Stile beeinflussen das Betriebsklima und somit den Geschäftserfolg lang- fristig positiv, weshalb es sich lohnt, die einzelnen Führungsstile im Detail zu betrachten. Wir schauen uns hierzu sechs Schlüsselfaktoren an, die das Arbeitsfeld einer Organisation maßgeblich beeinflussen: Einer der Stile, der eine negative Auswirkung auf das Betriebsklima hat, aber beispielsweise in Zeiten eines Umschwungs, bei Krisen oder schwierigen Mitarbeitern sehr effektiv ist, ist der Coercive Style (zu Deutsch: Zwang). In den meisten Fällen behindert dieser Führungs- stil allerdings die Flexibilität einer Organisation, entmutigt die Mitarbeiter und hemmt neue Ideen durch die extreme „Top-Down-Struktur“. Charakteristisch für den Coercive Style sind viele Anweisungen der Führungskraft, eine starke Überwachung und Kontrolle, negatives Feedback sowie die Erwartung der bedingungslosen Folgebereitschaft der Mitarbeiter. Der Stil mit dem positivsten Einfluss auf das Arbeitsklima ist der Authoritative Style (deutsch: autoritärer Stil), der in fast allen Situationen geeignet ist, vor allem jedoch, wenn durch Veränderung eine neue Vision gefragt ist oder eine klare Richtung verlangt wird. Die einzige Ausnahme, bei der der Führungsstil nicht die gewünschte Wirkung zeigt, ist bei technischen Experten-Teams, die eventuell erfahrener als die eigene Führungskraft sind. Merkmale des Authoritative Style sind ein Gesamtziel (die Mittel und Wege, dies zu erreichen, sind den Mitarbeitern jedoch freigestellt), eine klare Vision und Richtung sowie ein ausgewogenes Feedback. Die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei die- sem Führungsstil ist sehr hoch, wenn es der Führungskraft gelingt, deren Arbeit in die Vision einzubinden und ihr einen Sinn zu geben. Charakteristisch für den Affiliative Style (zu Deutsch: Bindung; affiliativ) ist das harmo- nische Verhältnis zwischen Führung und Geführten. Dadurch, dass der Fokus auf Lob, guter Kommunikation und Einfühlungsvermögen liegt, kann es vorkommen, dass eine schlechte Leistung unbemerkt bleibt. Auch dadurch, dass die umsorgende Führungskraft selten Ratschläge geben, bleiben Mitarbeiter/-innen oft in Ungewissheit, was zu tun ist. Ziele, Maßstäbe und Leistung sind nicht so wichtig wie emotionale Bedürfnisse und wer- den manchmal weniger belohnt als persönliche Eigenschaften. 30 | 62 Der Democratic Style wirkt sich durch viel Entscheidungsfreiheit und Verantwortung der Mitarbeitenden positiv auf die Organisation aus. Zusammenarbeit, Gruppenführung und ein gemeinsamer Konsens sind charakteristisch für diesen Stil, aber oftmals auch Grund für end- lose Besprechungen und Mitarbeiter, die sich führerlos fühlen. Ziel des Democratic Style ist es, durch Vertrauen in die Mitarbeiter und deren aktive Teilnahme neue Ideen zu entwickeln. Im Gegenteil zum vorherigen Führungsstil hat der Pace-Setting Style (zu Deutsch: takt- gebender Stil) wie auch schon der Coercive Style eine negative Auswirkung auf das Arbeits- klima. Eine Führungskraft, die diesen Stil anwendet, setzt hohe Maßstäbe, praktiziert „Füh- rung durch Vorbild“ und hat große Erwartungen gegenüber seinen Mitarbeitern. Diese fühlen sich oft überfordert und verübeln es der Führungskraft, wenn sie aufgrund mangelnder Leis- tung die Verantwortung entzogen bekommen. Dennoch ist der Pace-Setting Style geeignet, um schnelle Ergebnisse von einem hochmotivierten, kompetenten Team zu bekommen. Der Coaching Style hat seinen Fokus mehr auf der persönlichen Entwicklung des Mit- arbeiters als auf unmittelbaren beruflichen Aufgaben. Ziel ist es, mit konstanter Weisung als auch mit Feedback die Stärken und Schwächen eines Mitarbeiters oder einer Mit- arbeiterin zu identifizieren und weiterzuentwickeln. Der Coaching Style funktioniert gut, wenn sich Mitarbeitende ihrer Schwächen bewusst sind und sie verbessern möchten – nicht aber, wenn sie sich gegen Veränderungen wehren. Aktion 1. Wie lässt sich die Retention von Mitarbeitern in Unternehmen international bewerkstelligen? Geben Sie bitte konkrete Beispiele. 2. Welchen Führungsstil halten Sie für besonders wirkungsvoll? Bitte begründen Sie Ihre Wahl. Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir die Wichtigkeit des Personalmanagements für international tätige Unternehmen vertieft. Dabei wurden verschiedene Ansätze und Instrumente zur langfristigen Mitarbeiterbindung vorgestellt. Die kontinuierliche Personalentwicklung und -beurteilung gehören zu den wichtigsten Aufgaben im Personalmanagement. Gerade im Kontext zunehmend internationaler „Reporting-Strukturen“ und der wachsenden Zahl an multikulturellen Teams sind effektive Führungsstile im Personal gefragter denn je. Dabei zeichnet sich ein guter Manager durch die Variabilität und Flexibilität aus, mit der er zwischen den einzelnen Stilen wechseln kann. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 31 | 62 4 OPERATIONS MANAGEMENT WELCHE ERSCHEINUNGEN ZEIGEN SICH IM OPERATIONS MANAGEMENT? WO SIND EINSPARUNGEN REALISIERBAR? In diesem Kapitel möchten wir zwei Bereiche des Operations Managements anhand von konkreten Fallbeispielen unter- suchen. Wir zeigen auf, welche Gefahren für Unternehmen im Rahmen der Internationalisierung lauern und welche Fehler gemacht werden. So möchten wir ein Verständnis der kritischen Erfolgsfaktoren entwickeln. 4.1 EINKAUF Gerade im Einkauf lassen sich durch die Internationalisierung von Aktivitäten Kosten ein- Lerneinheit sparen. Diese wirken sich direkt auf das Betriebsergebnis aus und gelten somit als wesent- Opertaions Management auf licher Hebel für Kostenoptimierungen. Der kostengünstige Import von Rohstoffen kann studynet. für Unternehmen genauso wichtig sein wie der Bezug von elektronischen Komponenten zur Weiterverarbeitung. Aufgrund schwankender Währungskurse wird der finanziellen Absicherung eine wesentliche Rolle zuteil. Durch clevere „Hedging-Instrumente“ müssen sich die Verantwortlichen im Einkauf gegen Schwankungen wehren und die gesamtheit- lichen Risiken minimieren. Außerdem steht es außer Frage, dass auch politische und recht- liche Entwicklungen in einzelnen Regionen bzw. Ländern zu Risiken und Engpässen führen können. Die weltwirtschaftliche Verzahnung kann ernsthafte Negativauswirkungen auf hie- sige Firmen haben. Dazu möchten wir uns das folgende Beispiel anschauen: Beispiel Im März 2011 erschütterte das Töhuku-Erdbeben große Teile im Nordosten Japans. Das Epizentrum lag etwas mehr als 350 km weit entfernt von der Hauptstadt Tokio mit ihren über 9 Mio. Einwohnern. Die zweitgrößte, asiatische Volkswirtschaft sah sich plötzlich einer nationalen Herausforderung gegenübergestellt. Mit mehr als 16.000 offiziell bestätigten Toten und zahlreichen Verletzten gilt das Erdbeben als die größte nationale Katastrophe der jüngeren Geschichte. Die Auswirkungen des Erdbebens bekamen auch deutsche Unternehmen zu spü- ren. Allen voran ist hierbei die deutsche Automobilbranche zu nennen. Während es bei Opel wegen Lieferengpässen zu Schichtausfällen kam, riefen beinahe alle anderen deutschen Automobilbauer sogenannte Task Forces ins Leben. Dabei handelte es sich um interdisziplinäre Teams, die drohende Lieferausfälle und deren Auswirkungen kurzfristig evaluieren und mit geeigneten Maßnahmen begegneten (SPIEGEL ONLINE, 2011). Eine solche Maßnahme war der Bezug der Teile von alter- nativen Quellen bzw. die Eigenfertigung. Letzteres setzte voraus, dass die Teile in anderen Produktionsstätten sowohl technisch als auch kapazitativ gefertigt werden konnten. Der Bezug aus alternativen Quellen hingegen war meist mit höheren Kosten verbunden, da das Gesamtangebot in der Regel einbrach und alternative Lieferanten sich diese mangelnde Verfügbarkeit durch Preiserhöhungen zunutze machten. Gerade im Einkauf von IT-bezogenen Teilen (z. B. Navigationsdisplays) traten bei einem süddeutschen Automobilbauer ernsthafte Lieferengpässe ein. Die Eigen- produktion kam nicht infrage, da schlicht die Fähigkeiten und Anlagen dazu fehlten. Der Bezug von alternativen Lieferanten erwies sich aufgrund des hohen Individualisierungscharakters des Displays und die maßgenaue Anfertigung zum Einbau in eigene Fahrzeuge als schwierig. Dies kam dem Unternehmen in Summe teuer zu stehen. Glücklicherweise erwiesen sich die Gesamtfolgen des Erdbebens als nicht allzu heftig, sodass nach ein paar Monaten wieder Entwarnung gegeben werden konnte. Auch mittelständische Unternehmen litten zwar unter den Folgen des Erdbebens, gingen aber in keinem einzigen Fall daran zugrunde. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 33 | 62 Operations Management Das Beispiel zeigt exemplarisch die möglichen Folgen und Auswirkungen von Naturka- tastrophen im Ausland auf Kernbereiche der deutschen Wirtschaft. Es wird deutlich, dass sich ein deutsches, international tätiges Unternehmen vor solchen Gefahren nicht unein- geschränkt schützen kann. Die Kunst besteht darin, das Risiko insoweit zu streuen, dass durch einen ausgewogenen Lieferantenmix, flexible Produktionskapazitäten und kurz- fristig aktivierbare Erweiterungen bzw. Optionen das Risiko reduziert wird. Diese Aufgaben sind im Kontext andauernder Internationalisierungen noch wichtiger geworden. 4.2 PRODUKTION Neben dem Vertrieb steht dieser funktionale Bereich am stärksten im Fokus von Inter- nationalisierungsbemühungen in Unternehmen. Die Lohnunterschiede zwischen Fertigungs- mitarbeitern in wohlhabenden Industrieländern fallen verglichen zu denen in Entwicklungs- ländern exorbitant aus. Durch eine clevere Standortwahl für die Verlagerung von heimischen bzw. der Neugründung ausländischer Produktionsstätten kann ein Unternehmen große Einsparpotenziale in den Produktionskosten heben und den lokalen Markt schneller bedienen. Häufig geraten osteuropäische Länder (z. B. Ungarn, Tschechien) oder asiatische Länder (z. B. China) in das Visier deutscher Produktionsfirmen. Aber auch ausländische Firmen, die in Deutschland Produktionsstätten betreiben, sehen sich aufgrund des Kosten- drucks häufig zu solchen drastischen Schritten gezwungen, wie das folgende Beispiel zeigt. Beispiel Der finnische Telekommunikationskonzern Nokia war im Jahre 2008 in die öffentliche Kritik geraten, nachdem bekannt wurde, dass das Unternehmen das traditionsreichste und in Deutschland wichtigste Werk bei Bochum schließen möchte. Zu der Zeit waren rund 2.300 Mitarbeit in Bochum beschäftigt, von denen der Großteil in die Arbeits- losigkeit entlassen wurde. Die Produktion wurde nach Rumänien verlagert, wovon sich das Unternehmen Kosteneinsparungen versprach. Dies erwies sich als großer Irrtum, denn nur drei Jahre später wurde auch das Werk in Rumänien geschlossen. Besonders kritisiert wurde Nokia für die Profitgier, denn das Werk in Bochum ist rentabel gewesen und hat ein positives Betriebsergebnis erzielt. Ein weiterer Kritikpunkt betraf die zahlreichen Subventionen, die von Politik und Verwaltung bewilligt worden waren, um den Standort zu fördern und einen Strukturwandel herbeizuführen. Diese durch Steuern finanzierten Maßnahmen verfehlten ihr Ziel. Die Werksschließung traf Bochum besonders schwer. Viele Ehepaare, die gleichzeitig bei Nokia beschäftigt waren, sahen sich in ihrer finanziellen Existenzgrundlage bedroht. Bei vielen Betroffenen haben die psychischen Folgen noch zehn Jahre danach Bestand (WAZ, 2018). Die Wehrlosigkeit aufseiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Schmach der Werksschließung löste eine breite öffentliche Diskussion in Politik und Wirtschaft aus. 34 | 62 Damit eine Produktionsverlagerung ins Ausland von Erfolg gekrönt wird, ist es für das Unternehmen zwingend erforderlich, einige Erfolgsfaktoren im Blick zu behalten. Neben der bereits erwähnten proaktiven internen und externen Kommunikation als Teil eines effektiven Change Managements muss es außerdem sicherstellen, dass der Wissens- transfer zwischen den einzelnen Produktionsstätten im Verbund stattfindet und eine kons- truktive Zusammenarbeit möglich ist. Mithilfe von Expatriates oder lokalen Managern sind die Strategie und Ziele konsequent umzusetzen und kulturelle Unterschiede zu berück- sichtigen. Auch die Qualifizierung einzelner kritischer Zulieferer und die Anpassung der zu produzierenden Produkte an die Präferenzen des Zielmarkts sind bei Verlagerungen wichtige Aufgabenfelder, die es unter Umständen durchzuführen gilt. Aktion 1. Wieso ist der Einkauf ein wesentlicher Treiber für Kosteneinsparprogramme? 2. Welche typischen Fallen lauern Unternehmen, die mit einer Produktionsverlagerung ins Ausland liebäugeln? Wie kann man diesen Fehlern effektiv vorbeugen? Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir einen Einblick in das Operations Management erhalten. Gerade der Einkauf und die Produktion bieten enorme Potenziale zur Reduzierung von Kosten und Optimierung der gesamtheitlichen Wertschöpfungskette. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 35 | 62 5 GLOBAL ACCOUNTING UND GLOBAL FINANCIAL MANAGEMENT ACCOUNTING, ANALYSIS UND FINANZMANAGEMENT - VERSTEHEN UND BERECHNEN Im nachfolgenden Kapitel lernen Sie warum Rechnungswesen eine so bedeutende Rolle spielt und welche Parteien ein großes Interesse daran haben, dass in der Buchhaltung nichts „illegal“ manipuliert wird. Darüber hinaus schauen wir uns die gängigen Kennzahlen an, die Analysten anwenden, um Unter- nehmen zu bewerten und einzustufen. Außerdem lernen Sie, welche Rahmenbedingungen für Unter- nehmen und Finanzabteilungen gelten und wie Unter- nehmen Ihre Investitionen kalkulieren. 5.1 GLOBAL ACCOUNTING 5.1.1 EINFÜHRUNG INS ACCOUNTING Accounting (deutsch: Rechnungswesen) steht für die systematische Erfassung, Bericht- Lerneinheit erstattung und Analyse von Finanztransaktionen eines Unternehmens. Neben der ent- Global Accounting und scheidenden Rolle, die das Rechnungswesen als Finanzinformationssystem spielt, liefert Global Financial es uns das Vokabular, das auf unseren Finanzmärkten verwendet wird. Management auf studynet. Das Rechnungswesen liefert die Daten, die für die Durchführung einer Vielzahl von finanz- kritischen Anwendungen benötigt werden, einschließlich Finanzplanung, Bilanzana- lyse und Investitionsanalyse. Deshalb besteht ein sehr enger Zusammenhang zwischen Rechnungswesen und Finanzen. Die Buchhaltung ermöglicht es uns, den Überblick über das Geschehen in unseren Unternehmen zu behalten. Wer verwendet Buchhaltungsinformationen? Die Antwort: Fast jeder. Ein einfacher Weg, Weiterführende die Bedürfnisse der Benutzer von Buchhaltungsinformationen zu verstehen, besteht darin, Informationen im Bereich diese in zwei Gruppen einzuteilen: externe und interne Benutzer. Finanzwesen finden Sie auf der Webseite Externe Nutzer sind Gruppen oder Einzelpersonen, die nicht direkt an der Geschäfts- investopedia.com. tätigkeit des Unternehmens beteiligt sind, aber ein Interesse an den Ergebnissen und der finanziellen Lage des Unternehmens haben. Zu diesen Gruppen gehören Aktionäre, Gläubiger, potenzielle Investoren, potenzielle Gläubiger, Gewerkschaftsvertreter und Bundesbehörden. Das Verständnis der Ziele jeder dieser Gruppen kann Sie zu einem grundlegenden Verständnis dafür führen, welche Art von Buchhaltungsinformationen sie benötigen könnten. Beispielsweise wollen Gläubiger und potenzielle Gläubiger den Cash- flow und die Fähigkeit, Kreditzahlungen zu leisten, überwachen. Interne Nutzer von Buchhaltungsinformationen sind alle Personen innerhalb eines Unter- nehmens, die Entscheidungen treffen, einschließlich aller Führungskräfte und Manager, die für die Planung, Organisation, Leitung und Kontrolle von Operationen verantwortlich sind. Interne Benutzer benötigen Informationen für die Budgetierung und Daten, um die Leistung zu beurteilen. In einigen Unternehmen basieren Boni und Beförderungsent- scheidungen auf Buchhaltungsdaten (Gewinnziele, Erreichung der budgetierten Ziele usw.). Das Management Accounting dient nur den Bedürfnissen interner Benutzer. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 37 | 62 Global Accounting und Global Financial Management Buchhaltungsinformationen werden verwendet, um Manager dabei zu unterstützen, jeden Tag wichtige Entscheidungen zu treffen. Diese Systeme sind mit Daten aus dem Rechnungswesen und Schlüsselinformationen wie Kennzahlen und Ergebnisleitfaden für die Entscheidungsfindung im Management gefüllt – von der Entscheidung über Investitionen bis hin zur Preisgestaltung von Produkten und Dienstleistungen. Steuer- erklärungen enthalten Daten der Finanzbuchhaltung. Zwei verwandte, aber unterschied- liche Bereiche des Rechnungswesens haben sich entwickelt, um den Bedürfnissen der Benutzer von Buchungsinformationen gerecht zu werden. Die Finanzbuchhaltungs- systeme liefern die Informationen, die in den von Investoren und Gläubigern verwendeten Abschlüssen enthalten sind. Management-Accounting-Systeme sind so konzipiert, dass sie die Informationen der Finanzbuchhaltung ergänzen und die Führungskräfte bei ihren operativen Entscheidungen unterstützen. Unabhängig davon, ob es sich um Finanz- oder Betriebsbuchhaltungsinformationen han- delt, ist es unerlässlich, dass die Informationen zuverlässig und verständlich sind, damit sie für die jeweiligen Nutzer auch von Nutzen sind. Rechnungslegungsinformationen basieren oft auf Schätzungen und Prognosen und können daher nicht immer so präzise sein wie erforderlich bzw. gewünscht. 5.1.2 BILANZ, GUV, CASHFLOW STATEMENT BILANZ Die Bilanz stellt die aktuelle Finanzlage des Unternehmens dar, indem sie die Ressourcen, die das Unternehmen kontrolliert (Vermögenswerte) und seine Verpflichtungen gegen- über Kreditgebern (Verbindlichkeiten) zu einem bestimmten Zeitpunkt offenlegt. Das Eigenkapital stellt den Überschuss des Vermögens über die Verbindlichkeiten dar. Das Eigenkapital ist der Restanteil des Eigentümers oder der Eigentümer am Gesellschaftsver- mögen nach Abzug seiner Verbindlichkeiten. Das Verhältnis zwischen den drei Teilen der Bilanz (Aktiva, Passiva und Eigenkapital) lässt sich in der folgenden Gleichungsform darstellen: Aktiva = Passiva + Eigenkapital Diese Gleichung (manchmal auch als Bilanzgleichung bezeichnet) zeigt, dass der Gesamt- betrag der Vermögenswerte gleich oder gleich dem Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten und des Eigenkapitals sein muss. Alternativ kann die Gleichung wie folgt neu angeordnet werden: Aktiva - Passiva = Eigenkapital Diese Formulierung betont den Restschuldaspekt des Eigenkapitals. 38 | 62 Beispiel Die folgende Abbildung zeigt eine Bilanz des Unternehmens BMW zum 31.12.2017: Abbildung 06: Bilanz zum 31. Dezember BILANZ ZUM 31. DEZEMBER in Mio. € Anhang 2017 2016 AktivA Immaterielle Vermögensgegenstände 1 288 310 Sachanlagen 2 11.455 11.163 Finanzanlagen 3 3.676 3.238 Anlagevermögen 15.419 14.711 Vorräte 4 4.643 4.260 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 5 766 667 Forderungen gegen verbundene Unternehmen 5 7.641 6.001 Übrige Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände 5 2.827 2.525 Wertpapiere 6 4.185 3.846 Flüssige Mittel 7 4.218 2.676 Umlaufvermögen 24.280 19.975 Rechnungsabgrenzungsposten 483 430 Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung 8 1.290 1.183 Bilanzsumme 41.472 36.299 PAssivA Gezeichnetes Kapital 9 658 657 Kapitalrücklage 9 2.153 2.127 Gewinnrücklagen 10 9.605 9.038 Bilanzgewinn 23 2.630 2.300 Eigenkapital 15.046 14.122 Namens-Gewinn-Scheine 11 29 30 Rückstellungen für Pensionen 139 93 Übrige Rückstellungen 8.469 7.606 Rückstellungen 12 8.608 7.699 Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 965 995 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 5.619 5.030 Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen 8.187 5.951 Übrige Verbindlichkeiten 333 406 Verbindlichkeiten 13 15.104 12.382 Rechnungsabgrenzungsposten 14 2.685 2.066 Bilanzsumme 41.472 36.299 Quelle: BMW AG, 2018a, S. 4. Hochschule Fresenius onlineplus | Go Global 39 | 62 Global Accounting und Global Financial Management Anhand der grundlegenden Bilanzgleichung (Vermögenswerte = Verbindlichkeiten + Eigenkapital) können wir die Bilanzsumme wie folgt berechnen: 41 Milliarden = 26 Milliarden + 15 Milliarden Mit anderen Worten: BMW hat ein Vermögen von 41 Milliarden, Schulden von 26 Milliarden und damit ein Eigenkapital von 15 Milliarden. Anhand der Bilanz und der Bilanzanalyse konnten wir unter anderem folgende Fra- gen beantworten: ▪▪ Hat sich die Liquidität des Unternehmens (Fähigkeit zur Erfüllung kurzfristiger Verpflichtungen) verbessert? ▪▪ Ist das Unternehmen solvent (verfügt es über ausreichende Ressourcen, um seine Verpflichtungen zu erfüllen)? ▪▪ Wie ist die Finanzlage des Unternehmens im Vergleich zur Branche? BMW bilanziert nach den International Financial Reporting Standards (IFRS). Nach IFRS sind Unternehmen verpflichtet, klassifizierte Bilanzen, die kurz- und langfristige Verbind- lichkeiten enthalten, als separate Klassifizierungen darzustellen. Die IFRS schreiben jedoch keine bestimmte Reihenfolge des Formats vor, und die Reihenfolge, in der die Unternehmen ihre Bilanzpositionen darstellen, ist weitgehend eine Funktion der Tradition. GEWINN UND VERLUSTRECHNUNG (G&V) Die Gewinn- und Verlustrechnung (im Englischen Profit and Loss Statement oder P&L genannt) stellt Informationen über die Finanzergebnisse der Geschäftstätigkeit eines Unter- nehmens über einen bestimmten Zeitraum dar. Die Gewinn- und Verlustrechnung gibt an, wie viel Umsatz und sonstige Erträge das Unternehmen in einer Periode erzielt hat und welche Aufwendungen es für die Erzielung dieser Umsätze und sonstigen Erträge getätigt hat. Die Umsatzerlöse beziehen sich in der Regel auf Beträge, die für die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens berechnet werden. Die sonstigen Erträge beinhalten Gewinne, die aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens entstehen können oder auch nicht. Die Aufwendungen spiegeln die Abflüsse, den Verbrauch von Vermögenswerten und die Aufnahme von Verbindlichkeiten wider, die das Eigenkapital verringern. Die Aufwendungen umfassen typischerweise Posten wie Herstellungskosten, Verwaltungskosten und Ertrag- steuern und können so definiert werden, dass sie Verluste beinhalten. Der Jahres- überschuss (Umsatz plus sonstige Erträge minus Aufwendungen) in der Gewinn- und Ver- lustrechnung wird aufgrund seiner Nähe zum Ende der Gewinn- und Verlustrechnung oft als Endergebnis bezeichnet. Der Jahresüberschuss kann auch als Nettoergebnis, Netto- gewinn und Gewinn oder Verlust bezeichnet werden. Übersteigen die Aufwendungen die Umsätze und sonstigen Erträge, wird das Ergebnis als Jahresfehlbetrag bezeichnet. Die Gewinn- und Verlustrechnung wird auf konsolidierter Basis erstellt, d. h. sie enthält Erträge und Aufwendungen von Tochtergesellschaften, die unter der Kontrolle des Mutter- unternehmens stehen. Die der Gewinn- und Verlustrechnung zugrunde liegende Grund- gleichung lautet: Umsatz + sonstige Erträge - Aufwendungen = Erträge - Aufwendungen = Jahresüberschuss 40 | 62 Beispiel Die folgende Abbildung zeigt eine Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens BMW: Abbildung 07: Gewinn- und Verlust-Rechnung GEWINN-UND-VERLUST-RECHNUNG in Mio. € Anhang 2017 2016 Umsatzerlöse 15 79.215 75.350 Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen 16 – 62.817 – 60.946 Bruttoergebnis vom Umsatz 16.398 14.404 Vertriebskosten – 3.958 – 3.635 Allgemeine Verwaltungskosten – 2.733 – 2.504 Forschungs- und Entwicklungskosten – 5.168 – 4.504 Sonstige betriebliche Erträge und 17 Aufwendungen 18 – 303 –137 Beteiligungsergebnis 19 1.081 1.015 Finanzergebnis 20 – 541 – 35 Steuern vom Einkommen und vom Ertrag 21 – 1.563 – 1.308 Ergebnis nach Steuern 3.213 3.296 Sonstige Steuern – 16 – 19 Jahresüberschuss 3.197 3.277 Einstellung in die Gewinnrücklagen 22 – 567 – 977 Bilanzgewinn 23 2.630 2.300 Quelle: BMW AG, 2018a, S. 5. Ein besseres Verständnis der Rentabilität von BMW könnte wahrscheinlich durch die Betrachtung der Gewinn- und Verlustrechnung über einen längeren Zeitraum gewonnen werden. Folgende Punkte könnten jedoch nun vonseiten der jeweiligen Stakeholder analysiert werden: ▪▪ Ist die Umsatzveränderung mit einem Anstieg der verkauften Einheiten, einem Anstieg der Preise oder einer Kombination verbunden? ▪▪ Wenn das Unternehmen über mehrere Geschäftssegmente verfügt (z. B. gehören zu den BMW-Segmenten unter anderem Motorräder, Personenkraft- wagen): Wie verändern sich dann die Segmente Umsatz und Ergebnis? ▪▪