Einführung in die rechtliche Betreuung II PDF

Summary

This document provides an introduction to legal guardianship in Germany, focusing on the framework for volunteer caregivers. It details prerequisites, responsibilities, and support systems. It also explains the role of volunteer organizations and the importance of insurance.

Full Transcript

Einführung in die rechtliche Betreuung 2 Dieser Abschnitt behandelt die Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Betreuer/innen und die ersten Schritte bei der Übernahme einer rechtlichen Betreuung. Leitbild Ehrenamtlichkeit Die Ehrenamtlichkeit der rechtlichen Betreuung bildet das gesetzgeberische Leit...

Einführung in die rechtliche Betreuung 2 Dieser Abschnitt behandelt die Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Betreuer/innen und die ersten Schritte bei der Übernahme einer rechtlichen Betreuung. Leitbild Ehrenamtlichkeit Die Ehrenamtlichkeit der rechtlichen Betreuung bildet das gesetzgeberische Leitbild. Die Aus- übung der rechtlichen Betreuung durch Familienangehörige, andere nahestehende Personen oder ehrenamtlich engagierte Bürger/innen wird in Abgrenzung zur Betreuungsführung durch berufliche tätige rechtliche Betreuer/innen in der Regel als optimale Unterstützungsform gese- hen. Betreuungsgericht und Betreuungsbehörde suchen mit Unterstützung durch die Betreuungs- vereine stets nach engagierten Personen, die bereit sind eine rechtliche Betreuung zu führen. Voraussetzungen Die den rechtlichen Betreuer/innen vom Staat übertragene Verantwortung und Befugnis ver- pflichtet den Staat (das Betreuungsgericht) sicher zu stellen, dass die ausgewählten Personen für ihr Amt geeignet sind und dieses zuverlässig ausführen können.1 Diese Prüfung wird regel- mäßig durch die Betreuungsbehörde vorgenommen. Die persönliche Eignung umfasst die Fähigkeit, die Wünsche der rechtlich betreuten Person festzustellen und nach den gesetzlichen Vorgaben umzusetzen.2 Dafür muss zuallererst der persönliche Kontakt zur rechtlich betreuten Person möglich sein. Eine Bestellung ist nicht mög- lich, soweit beispielsweise die Entfernung zwischen Betreuer/in und dem Aufenthaltsort der rechtlich betreuten Person die persönliche Begegnung unmöglich macht. Zudem bedarf es der Wertschätzung der rechtlich betreuten Person, der Fähigkeit zur Selbstreflexion und einer gu- ten Portion Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen. Vor der Übernahme ist ein erstes per- sönliches Kennenlernen zu empfehlen, welches durch die Betreuungsbehörde vermittelt wer- den kann.3 Besondere Fachkenntnisse oder betreuungsrechtliche Vorkenntnisse sind keine Vorausset- zung für ehrenamtlich tätige rechtliche Betreuer/innen. Erforderlich ist aber die Bereitschaft, sich mit den in Einzelfall erforderlichen Kenntnissen vertraut zu machen und die entsprechen- den Beratungs- und Fortbildungsangebote zu nutzen. Entsprechend bedarf es der Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den entsprechenden Akteuren. Bei ihrer Tätigkeit haben rechtliche Betreuer/innen oft verwaltende Aufgaben zu erledigen. Rechtliche Betreuer/innen müssen somit in der Lage sein den anfallenden förmlichen Schrift- verkehr (z.B. zu Behörden / Geschäftspartner/innen), zu erledigen und eine geordnete Akte zu führen. Bei der Prüfung der Zuverlässigkeit geht es darum, sicherzustellen, dass rechtliche Be- treuer/innen sich an geltendes Recht halten und selbst in geordneten Vermögensverhältnissen leben. Zur Prüfung der Zuverlässigkeit haben rechtliche Betreuer/innen vor ihrer erstmaligen Bestellung ein Führungszeugnis4 und eine Auskunft aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis5, 1 § 21 BtOG 2 § 1816 i.V.m. § 1821 BGB 3 § 12 Abs. 2 BtOG 4 nach § 30 Absatz 5 des Bundeszentralregistergesetzes 5 nach § 882b der Zivilprozessordnung welche nicht älter als drei Monate sein sollen, vorzulegen. Das Führungszeugnis kann elekt- ronisch beim Bundesamt für Justiz beantragt werden.6 Die Auskunft aus dem zentralen Schuld- nerverzeichnis darf nicht verwechselt werden mit einer privatrechtlichen „Schufa-Auskunft“. Sie kann selbst über das Portal der Landesjustizverwaltung eingeholt werden.7 Ihr Einver- ständnis vorausgesetzt kann die Auskunft aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis auch von der zuständige Betreuungsbehörde eingeholt werden.8 Begleitung und Unterstützung durch den Betreuungsverein Ganz ohne Fachkenntnisse geht es aber nicht. Ähnlich wie bei anderen ehrenamtlichen Tätig- keiten z.B. bei der freiwilligen Feuerwehr oder DLRG können auch rechtliche Betreuer/innen fachlich ausgebildet, begleitet und unterstützt werden. Kernstück der fachlichen Ausbildung, Begleitung und Unterstützung ist die gesetzlich geregelte Vereinbarung mit einem anerkann- ten Betreuungsverein oder einer Betreuungsbehörde.9 Ehrenamtliche Betreuer/innen ohne fa- miliäre Beziehung oder persönliche Bindung sollen auf jeden Fall eine solche Vereinbarung abschließen.10 Die Vereinbarung bietet als erstes eine fachlich qualifizierte Einführung in das Betreuungsrecht. Im weiteren Verlauf können sie auf fachliche Begleitung und Unterstützung in Form von Informations- und Beratungsangebote zurückgreifen. Der Verein wird Ihnen eine feste Person benennen, die Ihnen bei allen betreuungsrechtlichen Fragen zur Seite steht. Im Verhinderungsfall kann der Betreuungsverein Ihnen eine Vertretung stellen. Die Vereinbarung bietet damit eine Stück Sicherheit bei Ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit. Haftpflichtversicherung Ein weiteres Stück Sicherheit bietet die Sammel-Haftpflichtversicherung des Landes NRW.11 Es besteht auch die Möglichkeit eine eigene Versicherung gegen Schäden, die der rechtlich betreuten Person durch die Betreuerin / den Betreuer zugefügt werden können oder der recht- lich betreuten Person dadurch entstehen können, dass sie einem Dritten zum Ersatz eines durch die Führung der Betreuung verursachten Schadens verpflichtet ist abzuschließen. Aufwandsentschädigung Das Ehrenamt ist regelmäßig unentgeltlich zu führen.12 Niemand kann aber erwarten, dass Sie eigene Mittel einsetzten, um Ihr Amt ausführen zu können. Aus diesem Grund ist geregelt, dass Sie den Ersatz Ihre Aufwendungen entweder pauschal oder in Höhe, der Ihnen tatsäch- lich entstandenen Aufwendungen, erstattet bekommen. Die jeweiligen Kosten der oben ge- nannten eigenen Versicherung sind durch die Pauschale abgegolten oder können im Falle der Einzelabrechnung geltend gemacht werden.13 Ein entsprechendes Merkblatt und ein Vordruck für diesen Antrag auf Festsetzung der Aufwandsentschädigung erhalten Sie entweder bei dem für Sie zuständigen Betreuungsgericht oder Sie finden diese auf der Internetseite der NRW- Justiz.14 Den Aufgabenkreis kennen 6 https://www.fuehrungszeugnis.bund.de/ 7 https://www.vollstreckungsportal.de 8 § 21 Abs. 2 Satz 2 BtOG 9 § 15 BtOG 10 § 22 BtOG 11 Justiz NRW, Merkblatt zur Vermögensschadenshaftpflicht-versicherung, https://www.jus- tiz.nrw/BS/formulare/betreuung/betreuung/merkblatt_vermoegensschadenshaftpflichtversicherung.pdf 12 § 1876 BGB 13 § 1877 & 1878 BGB 14 Justiz NRW, https://www.justiz.nrw/BS/formulare/betreuung/index.php Die rechtliche Betreuung beginnt mit dem Beschluss. Die Pflichten und Grenzen Ihres be- treuungsrechtlichen Auftrags ergeben sich aus dem im Beschluss beschriebenen Aufgaben- kreis. Als erstes sollten Sie sich die einzelnen Aufgabenbereiche ansehen und die Pflichten und Grenzen Ihrer Aufgabe kennen. Beispielsweise berechtigt der Aufgabenbereich der Gesundheitsfürsorge mit den behandeln- den Ärzten zu sprechen und wenn nötig über die Behandlung zur entscheiden. Dagegen können Verträge, die finanzielle Auswirkungen haben, nicht allein mit dem Aufgabenbereich der Gesundheitssorge abgeschlossen werden. Umgekehrt berechtigt der Aufgabenbereich der Vermögenssorge unter anderem Verträge abzuschließen und Bankangelegenheiten zu erledigen. Hingegen besteht keine Berechtigung mit dem behandelnden Arzt zu sprechen. Ist nun der Abschluss eines kostenpflichtigen Vertrages mit dem Pflegedienst zu erledigen, geht das nur zusammen (einvernehmliches Zusammenwirken) mit der rechtlich betreuten Person oder, wenn beide Aufgabenbereiche zusammentreffen. Der Vertrag mit dem Pflegedienst be- inhaltet einerseits Vereinbarungen über die zu erbringende Pflege (Aufgabenbereich = Ge- sundheitssorge) und beinhaltet unter anderem die finanzielle Regelung der Kosten möglicher Eigenanteile (Aufgabenbereich = Vermögenssorge). Bestehen Unklarheiten bezüglich der Reichweite der betreuungsrechtlichen Befugnisse, sind der Betreuungsverein oder/und das Betreuungsgericht die richtigen Ansprechpartner. Stellen Sie im Verlauf Ihrer Tätigkeit fest, dass der Aufgabenkreis zu eng bzw. zu weit gefasst ist oder die rechtliche Betreuung nicht mehr erforderlich ist, müssen Sie dies dem Betreu- ungsgericht mitzuteilen.15 Das Betreuungsgericht wird Ihre Anregung aufnehmen und die rechtliche Betreuung überprüfen. Erste Schritte Die Arbeit rechtlicher Betreuer/innen ist stets mit Schriftverkehr verbunden: Von Berichten und Anträgen an das Gericht über Verwaltungsverfahren bis hin zu Versicherungs- oder Ver- tragsangelegenheiten sind zahlreiche Aufgaben im Interesse der rechtlich betreuten Person zu bewältigen. Aus diesem Grund beginnt die rechtliche Betreuung mit dem Zusammentragen der benötigten Informationen. Der Beginn einer rechtlichen Betreuung kann schwierig sein, wenn die persönlichen und wirt- schaftlichen Verhältnisse der rechtlich betreuten Person nicht oder nur unzureichend bekannt sind. Die vorgefundenen oder übernommenen Unterlagen sind möglicherweise weder voll- ständig noch geordnet. Sie müssen geordnet und ergänzt werden. Erste Informationsquelle ist die rechtlich betreute Person selbst. Zur Vorbereitung des ersten Gesprächs ist es sinnvoll sich die Aufgabenbereichsbezogenen Checklisten zusammen zu stellen. Die benötigten Informationen können dann im Gespräch zusammengetragen wer- den. Checklisten und Muster helfen Ihnen dabei, die jeweils anfallenden rechtlichen Aufgaben auf- zuspüren, zu strukturieren und keine wichtige Angelegenheit oder Besonderheit zu verges- sen. Checklisten und Muster erhalten sie vom Betreuungsgericht, dem Betreuungsverein o- der aus der Literatur16. Zudem sollten Sie sich das Formular für den Anfangsbericht und ggf. für das Vermögensver- zeichnis als Leitfaden für die zusammen zu tragenden Informationen und Belege zur Hand nehmen. § 1864 BGB 15 Literatur: Thar, 2023, „Arbeitshilfen und Formulare für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer“, 16 Reguvis, Köln Folgende Checklisten können für die beispielhaft beschriebenen Aufgabenbereiche hilfreich sein: Gesundheitssorge – Einwilligung/Nichteinwilligung in die medizinische Behandlung;17 die Checkliste unterstützt Sie bei dem Gespräch mit der medizinisch behandelnden Person und hilft den Willen der rechtlich betreuten Person zu ermitteln, Vermögenssorge – Checkliste Ausgabe; Einnahmen, Vergünstigungen Es ist zu empfehlen eine Aktenvorblatt mit den wichtigsten Kontaktdaten zu erstellen.18 Alle wichtigen Personen (Angehörige, Freunde, Nachbarn, Vermieter …), Einrichtungen (Heim, Krankenhaus, Tagesbetreuung …) und Institutionen (Pflegedienst, andere Dienste, Behörden …), die einen Bezug zu den im Rahmen des Aufgabenkreises zu erledigenden rechtlichen Angelegenheiten haben, sind über das Bestehen der rechtlichen Betreuung zu informieren. Im nächsten Schritt geht es darum die Wissenslücken zu füllen. Fehlende Unterlagen müs- sen angefordert werden. Wichtige Personen, Einrichtungen und Institutionen müssen ange- sprochen werden, um in Erfahrung zu bringen, welche rechtlichen Angelegenheiten zu regeln sind. Schritt für Schritt lernen Sie das soziale Umfeld, die persönlichen und ggf. wirtschaftli- chen Verhältnisse der rechtlich betreuten Person kennen. Es entsteht eine Liste der sofort und zukünftig zu erledigen rechtlichen Angelegenheiten. Ziele entwickeln Konkrete betreuungsrechtliche Zielsetzung ist die Sorge für die Erledigung der den Aufga- benkreis betreffenden rechtlichen Angelegenheiten der rechtlich betreuten Person. Mit der rechtlich betreuten Person besprechen sie, wie die betreuungsrechtliche Hilfe ausse- hen soll. Ganz im Sinne des Prinzips „Unterstützung vor Vertretung“ besprechen Sie, welche der zu regelnden Angelegenheiten von ihr selbst erledigt werden können, bei welchen Ange- legenheiten Ihre Unterstützung ausreicht oder an welcher Stelle Sie stellvertretend handeln müssen.19 Viele rechtliche Angelegenheiten sind ohne Alternative und eine echte Entscheidung, im Sinne der Auswahl aus unterschiedlichen Möglichkeiten, ist nicht gegeben. Wer beispiels- weise eine antragsgebundene Sozialleistung in Anspruch nehmen will, muss den entspre- chenden Antrag stellen. Hierzu gibt es keine Alternative. Die Behandlung einer Krankheit er- öffnen hingegen regelmäßig unterschiedliche Wege der Behandlung. Es besteht die Möglich- keit einer echten Entscheidung. Stehen mehrere Handlungsoptionen zur Regelung einer rechtlichen Angelegenheit zur Verfü- gung ist zu besprechen, welche der Optionen dem Willen und den Wüschen der rechtlich be- treuten Person entspricht. Möglicherweise ist der mutmaßliche Wille zu ermitteln.20 Alle so zusammengetragenen Informationen bilden die Grundlage Ihre Tätigkeit, für den An- fangsbericht und die folgenden Jahresberichte.21 Die ersten Schritte sind getan und in der folgenden Zeit sind neue und wiederkehrende Auf- gaben zu erledigen. Als rechtliche Betreuer/in halten Sie den regelmäßigen Kontakt zur rechtlich betreuten Person um das gegenseitige Vertrauten zu stärken. 17 Thar, 2023, „Arbeitshilfen und Formulare für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer“, S. 191, Reguvis, Köln 18 Thar, 2023, „Arbeitshilfen und Formulare für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer“, S. 145, Reguvis, Köln 19 § 1821 Abs. 1 Satz 2 BGB 20 § 1821 Abs. 2 BGB 21 § 1863 BGB

Use Quizgecko on...
Browser
Browser